§175: Opferakten vernichtet, Landesregierung untätig

queer

Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, den es bis zum 11. Juni 1994 gab, stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Erst 1994 wurde dieser schwulenfeindliche Paragraf endgültig aufgehoben, vorher wurden insgesamt rund 140.000 Männer nach dieser Rechtsvorschrift verurteilt. Eine Entschädigung für dieses Unrecht in der Bundesrepublik Deutschland hat es bis heute noch nicht gegeben.

Die derzeitige Bundesregierung plant nun endlich eine Entschädigung der Opfer, die bislang allerdings nicht von der Stelle kommt. Eine Nachweispflicht der Verurteilung durch die Betroffenen ist ebenfalls vorgesehen. Für teils jahrzehntealte Verurteilungen werden die Opfer oft keine Unterlagen mehr besitzen.

Ich habe der Landesregierung Fragen gestellt, wieviele Opfer in NRW betroffen sind und wieviele der Gerichtsakten noch existieren, und ob NRW anhand der Akten von sich aus Schritte unternimmt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Landesregierung seit Jahren tatenlos zusieht, wie Aufbewahrungsfristen ablaufen und Akten vernichtet werden. Schritte, die Akten vor der Vernichtung zu retten – oder irgendwelche Schritte zur Sicherung der Ansprüche der Opfer – hat sie auch in den letzten vier Jahren nicht unternommen, obwohl der Landtag schon 2012 die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer in NRW beschlossen hat. Ein Skandal.

Wer Unterdrückung aufarbeiten will, darf Akten nicht vernichten lassen und muss sich einen Überblick über vorhandene Aktenbestände verschaffen. Ich erinnere daran, dass es schon bei der Entschädigung für Zwangsarbeit für die Betroffenen nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern nahezu unmöglich war, die notwendigen Nachweise zu erbringen. Eine nicht erfüllbare Nachweispflicht darf es nicht geben.


Berichtet wurde u.a. in den Männermagazinen „Männer“ und „Queer“:

22.08.2016 Queeer:Paragraf 175: Fast alle Opferakten in NRW vernichtet
22.08.2016 Männer:175er: Gerichtsakten vernichtet – Die Entschädigung der Opfer könnte deswegen sehr erschwert werden

Drucksachen:

Die kleine Anfrage „Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des §175 StGB“
Die Antwort des Justizministeriums

Ich danke der LAG Queer der LINKE.NRW für ihre Arbeit und Frank Laubenburg und Jasper Prigge für die Formulierung dieser Kleinen Anfrage!

Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

Stadion

Ein für den 3. September geplantes internationales kurdisches Kulturfestival im Kölner Rhein-Energie-Stadion kann nicht stattfinden. Der Stadionvermieter, die Sportstätten Köln GmbH (eine 100%ige Tochter der Stadt Köln), hat ihre Zusage vor Abschluss des Mietvertrages wieder zurückgezogen, nachdem die Kölner Polizei empfohlen hatte, den Veranstaltungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

Angemeldet hatte die Veranstaltung der eingetragene Verein „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland“, kurz „Nav-Dem“, welcher ein demokratischer Dachverband kurdischer Kultur und Gesellschaft in Deutschland ist. Das kurdische Kulturfestival wird bereits seit vielen Jahren ohne Zwischenfälle durchgeführt und hat in der Vergangenheit schon friedlich im Kölner Stadion stattgefunden.

Polizeipräsident Jürgen Mathies begründet die „Empfehlung“ mit Sicherheitsbedenken. Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führten zu einer hohen Emotionalisierung auch der in Köln lebenden Kurden und Türken, er halte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden rund um das Stadion für wahrscheinlich.

Es stellt sich die Frage, warum die Kölner Polizei sich nicht in der Lage sieht, ein legales, friedliches und demokratisches Kulturfest vor eventuellen Auseinandersetzungen im Umfeld schützen zu können, und angesichts dieser Bedenken nicht etwa Gegendemonstrationen fernhalten will, sondern die ursprüngliche Veranstaltung verhindert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint das Versammlungsrecht in NRW ausgehöhlt und brüchig. Zudem erscheint ein Kulturfestival im Stadion am Stadtrand sehr viel einfacher zu sichern als eine Kundgebung in der Innenstadt.

Die Sportstätten Köln GmbH hatte die Veranstaltung zunächst verteidigt. In einer Mitteilung dazu hieß es: „Bei dieser Organisation handelt es sich um einen in Deutschland eingetragenen Verein, der sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt.“ Der anschließenden „Empfehlung“ der Kölner Polizei konnte sich der Vermieter jedoch faktisch nicht entziehen, da er natürlich auch weiterhin auf die Unterstützung und Kooperation der Polizei angewiesen ist und eine enge Bindung an die Stadt Köln besteht. Es steht außer Frage, dass eine solche „Empfehlung“ der Polizei einem faktischen Verbot nahekommt.

Die türkische Generalkonsulin Sule Gürel hatte zuvor die geplante Veranstaltung „terroristische Propaganda“ genannt und ein Verbot gefordert. Eine Großdemonstration nationalistischer Türken in Köln-Deutz hatte die Kölner Polizei am 31. Juli ungehindert stattfinden lassen. Der Polizei war es an diesem Tage gelungen, ein Aufeinandertreffen von feindlichen Gruppen zu verhindern. Auch in diesem Falle war schon im Vorfeld mit möglichen Auseinandersetzungen zu rechnen, auch diese Demonstration fand in emotional aufgeheizter Stimmung statt. Die kurdische Gemeinde hatte sich an diesem Tag außerordentlich diszipliniert gezeigt und war überwiegend zu Hause geblieben.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Polizei des Landes sei hier servil dem Wunsch der Türkei nach einem Verbot der Veranstaltung gefolgt, indem sie durch die „Empfehlung“ ein Verbot durch die Hintertür erreicht hat. Der Vermieter konnte sich der Empfehlung aus naheliegenden Gründen nicht entziehen. Für ein tatsächliches Verbot fehlt der Polizei die rechtliche Basis. Man könnte meinen, zwischen kurdischen und türkischen Veranstaltungen wird in NRW mit zweierlei Maß gemessen. Es erscheint, als würde sich die Polizei geäußerter Kritik und drohenden gewalttätigen Angriffen durch türkische Nationalisten beugen. Kurdische Verbände hingegen werden in Deutschland weiter kriminalisiert.

Die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete und Autorin Lale Akgün kritisierte die Absage gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger scharf. Als Gesellschaft müssen wir dringend diskutieren, was an Politik von Außen in unser Land hereingetragen werden darf, sagte sie. Wenn die Demokratie wie Ende Juli dazu in der Lage sei, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müsse sie auch ein kurdisches Kulturfest im Kölner Stadion ertragen.

Die Bundesregierung sieht Verbindungen zwischen der Türkei sowie Präsident Erdogan und islamistischen und terroristischen Organisationen im Nahen und Mittleren Osten. Diese Zusammenarbeit sei nach Einschätzung der Bundesregierung seit Jahren bewusste Politik der Regierung in Ankara und werde von Erdogan aktiv unterstützt.

Ich habe daher der Landesregierung NRW heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum sah sich die Polizei nicht in der Lage, das geplante Kulturfestival von den befürchteten Störungen auf andere, grundrechtsschonende Weise zu schützen als durch eine faktische Unterbindung der Veranstaltung selbst?
  2. Inwieweit unterscheidet sich diese Situation von der des 31. Juli in Köln so grundsätzlich, dass hier die Verhinderung der Veranstaltung, und damit die Einschränkung des Versammlungsrechts, angezeigt ist? Belegen Sie, dass die Landesregierung zwischen Türken und Kurden nicht mit zweierlei Maß misst.
  3. Welchen Stellenwert hat die Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, wenn man mit der Verhinderung eines friedlichen und demokratischen Kulturfestes auf Bedrohungen von außen bzw. im Umfeld reagiert, anstatt es vor genau diesen Bedrohungen zu schützen?
  4. Welche Forderungen der Türkei bzw. des Generalkonsulates waren den Behörden des Landes bzw. der Landesregierung bezüglich des geplanten kurdischen Kulturfestes vom 3. September bekannt? Geben Sie auch an, inwieweit diese sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, einen Nichtabschluss der Vertragsverhandlungen zu empfehlen.
  5. Welche Folgen hat die bekannt gewordene Einschätzung der Bundesregierung zur Türkei für die Landesregierung?

Über die Antworten werde ich berichten.

Rechtsverschärfungen des SGB II stoppen & ein sanktionsfreies Existenzminimum schaffen

Parkbankschläfer

Am 7. Juli 2016 wurde mein Antrag „Rechtsverschärfungen des SGB II im Bundesrat stoppen – ein sanktionsfreies Existenzminimum sichern!“ im Landtag debattiert. Es bezieht sich auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu sogenannten „Rechtsvereinfachungen“ im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Bundestagsfraktion der Linken hat bereits nachdrückliche Kritik daran geübt (siehe auch das Flugblatt der Fraktion: Schlimmer geht immer – Mit Union und SPD geht Hartz IV-Drangsal weiter und die Rede von Matthias W. Birkwald zum Thema). Nichts desto trotz wurde das Gesetz mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen und dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Die Beratung dazu war schon für den 8. Juli terminiert, auch da wurde der Beschluss durchgewunken.

Ich hatte beantragt, dass wir im Landtag NRW beschließen, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf ablehnen soll. Darüber hinaus ist es natürlich dringend nötig, ein sanktionsfreies Existenz- und Teilhabeminimum zu schaffen.

Folgendes habe ich beantragt:

Der Landtag soll feststellen:

  1. Die Regelungen von Hartz IV sind für Leistungsberechtigte übermäßig kompliziert, intransparent und unverständlich, sowie mit einem übermäßigen Aufwand für die Verwaltung versehen.
  2. Der Landtag begrüßt Bemühungen, den Bezug von Leistungen nach SGB II zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand abzubauen.
  3. Vereinfachungen müssen sowohl aus Sicht der Verwaltung als auch aus Sicht der Leistungsberechtigten erfolgen. Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften müssen an der Entwicklung dieser Vereinfachungen beteiligt werden.
  4. Ein Grundrecht darf man nicht kürzen. Leistungen müssen existenzsichernd sein. Das Existenz- und Teilhabeminimum darf nicht sanktioniert werden.
  5. Leistungsberechtigte sind keine Bürger zweiter Klasse. Für sie müssen dieselben Verfahrensrechte gelten wie sie im allgemeinen Verwaltungs- und Sozialrecht bestehen.

Der Landtag soll die Landesregierung dazu auffordern,

  1. sich bei den Beratungen im Bundesrat gegen diesem Gesetzentwurf zu positionieren und auszusprechen;
  2. sich auf allen politischen Ebenen für eine sanktionsfreie Mindestsicherung und gegen Sanktionen unter das Existenz- und Teilhabeminimum einzusetzen;
  3. eine echte Vereinfachung des SGB II anzuregen, die sowohl aus der Perspektive der Verwaltung als auch der der Leistungsberechtigten gesehen wird, und an deren Entwicklung auch Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften beteiligt sind.

Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP abgelehnt.

Folgende Rede habe ich anlässlich des Antrages im Landtag gehalten (es gilt das gesprochene Wort):


Ein Minimum, das ist der niedrigstmögliche Wert. So definiert das Websters Dictionary. Der Duden nennt als Synonym des Minimums den Begriff „Mindestmaß“. Und in der Mathematik ist das Minimum ein unterer Extremwert. Nur unser Sozialstaat bringt es fertig, Minima auch noch zu unterschreiten: Nämlich das Existenzminimum. Und damit auch das Mindestmaß an Menschenwürde.

Derzeit ist es nämlich so, dass durch Fehlverhalten der Leistungsberechtigten den Agenturen gegenüber Sanktionen verhängt werden, die den Bezug bis unter das Existenzminimum drücken können. Sanktionen können z.B. direkt in die Obdachlosigkeit führen, sie verursachen Hunger und existentielle Not.

Dass ich Sanktionen grundsätzlich ungeeignet finde, Leistungsberechtigte zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, sei nur am Rande erwähnt, jedenfalls widerspricht diese Art der Bestrafung der Menschenwürde, damit erniedrigt und entmündigt man erwachsene Menschen. Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein werden damit jedenfalls torpediert und nicht ermutigt oder gestärkt.

Das derzeitige Niveau der sozialen Sicherung im SGB II ermöglicht schon jetzt nicht eine würdige Existenz und angemessene Teilhabe. Welche Teilhabe an Bildung können 1 Euro 54 im Monat überhaupt ermöglichen? Davon kann man sich nicht mal ein einziges Buch, eine einzige Zeitschrift kaufen. Kann man sich von 25 Euro 45 für Transport und Verkehr ein Monatsticket leisten, um an gesellschaftlichem Leben teilhaben zu können? Selbst das Sozialticket in unserem Bundesland ist 10 Euro teurer, und damit sind lediglich Nahverkehrsfahrten möglich. Und mit 8 Euro ein Restaurant zu besuchen ermöglicht doch allenfalls einen kleinen Salat und ein Wasser. So ein Regelsatz ist staatlich verordnete Armut. Das ist unwürdig, Hartz IV muss weg.

Aber wenigstens dieser Regelsatz, wenigstens das geringe, was man sich da zusammengerechnet hat, sollte als Sofortmaßnahme doch bitte sanktionsfrei gestellt sein. Und anschließend ein angemessener Betrag sichergestellt werden. Alles andere ist menschenunwürdig. Ich möchte nicht immer an den Artikel 1 des Grundgesetzes erinnern müssen.

Meine Damen und Herren, der Bundestag hat im Juni ein Gesetz zu sogenannten „Rechtsvereinfachungen“ im SGB II beschlossen. Von Vereinfachungen kann man aber nicht sprechen, jedenfalls nicht aus der Sicht der Leistungsberechtigten, im Gegenteil: Deren Rechte bleiben reduziert, sie sind kompliziert zu erlangen und Berechnungen sind intransparent.

Es spricht ja nichts gegen Abbau von Verwaltungsoverhead und Vereinfachungen im Leistungsbezug. Aber warum fragt man nicht Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände oder Gewerkschaften – also diejenigen, die tagtäglich mit den Problemen des SGB II konfrontiert werden? Anlässlich des Änderungsgesetzes gibt es z.B. einen detaillierten Vorschlag des Wuppertaler Sozialhilfeverein Tacheles e.V., initiiert von Harald Thomé. Warum hört man diese Fachleute, diese Verbände nicht an?

Ein weiteres Problem möchte ich noch ansprechen: Im SGB II gibt es Fristverkürzungen zu Lasten der Leistungsberechtigten, die deutlich unterhalb der üblichen Fristen der sonstigen Sozialgesetzgebung liegen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Bescheide nach einem Jahr Bestandskraft erhalten, selbst wenn sich später gerichtlich deren Rechtswidrigkeit zeigt. Sind nun alle Menschen vor dem Gesetz gleich, oder sind die SGB II-Berechtigten Bürger zweiter Klasse mit minderen Rechten? Hier muss doch wohl auch dringend Gerechtigkeit hergestellt werden.

Es freut mich sehr, dass wir gemeinsam mit meinem Antrag heute einen Antrag der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen behandeln, der ebenfalls eine Ungerechtigkeit im SGB II-Bezug thematisiert. Dort geht es um Umgangsmehrbedarf, den Alleinerziehende mit Kindern haben. Auch die regierungstragenden Fraktionen haben hier also einen dringenden Verbesserungsbedarf festgestellt.

Dann möge doch die Regierung des Landes diesen Verbesserungsbedarf im Bundesrat aufgreifen und sich für eine echte Rechtsvereinfachung, auch aus Sicht der Leistungsberechtigten, einsetzen. Diese sogenannte „Rechtsvereinfachung“ wird nämlich im Bundesrat ab diesem Freitag behandelt. Sie haben in ihrem Antrag nur einen kleinen Punkt aufgegriffen, es gibt doch noch so viel mehr zu beanstanden, das müssen Sie doch auch sehen. Bei der Gelegenheit, machen Sie sich ehrlich, schaffen ein echtes, sanktionsfreies Existenz- und Teilhabeminimum und beseitigen das Sonderunrecht vor den Sozialgerichten. Sie sitzen da am Drücker, also: drücken Sie sich nicht.

Verfassungsschutzbericht NRW: rechts verharmlosen, links kriminalisieren

Verfassungsschutzbericht

Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW ist ein Zeugnis organisierten Staatsversagens. Straftaten von Rechts erreichen ein neues Hoch mit über 4400 Taten. In jeder Nacht brennen Geflüchtetenunterkünfte, der Terrorismus von Rechts bedroht täglich Menschenleben. Und dennoch wird in diesem Bericht suggeriert, es gäbe eine annähernd große Gefahr von links. Um ein Zitat Frank Bsirskes zu verwenden: „Das ist, mit Verlaub, Bullshit“.

Widerspruch von SPD und Grünen

Es ist eine Unverschämtheit, dass Teile der Linken NRW vom Verfassungsschutz beobachtet werden, zum Beispiel die Jugendorganisation solid, oder die AKL, das sind Menschen, die sich kritisch mit dem Kapitalismus auseinandersetzen – als ob von ihnen eine Gefahr für unsere Demokratie ausgehen würde – während die AfD im Verfassungsschutzbericht nicht einmal erwähnt wird. Eine AfD, die den offenen Anschluss an Neonazis sucht, deren Töne immer rassistischer und extremer werden, die den geistigen Boden für Rechtsterrorismus legt. Eine AfD, in denen manche Verbände von einer NPD gar nicht mehr zu unterscheiden sind. Eine AfD voll mit Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Hass auf Muslime. Das ist gefährlich naiv, und das wird Menschenleben kosten.

Wenn irgendetwas gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen unser gemeinsames Wertesystem gerichtet ist, dann ist es diese AfD. Es wird aber höchste Zeit, damit aufzuhören, die Linke in NRW zu kriminalisieren. Der kalte Krieg ist vorbei.

Auch der Frauenverband Courage e.V. wird im Verfassungsschutzbericht wieder erwähnt, ohne dass auch nur ein einziger Grund dafür genannt wird. Als ob die Frauen mit der Kalaschnikov vor dem Landtag stehen würden. Das Innenministerum macht sich damit geradezu lächerlich: Die einzige Straftat, die Courage e.V. vorgeworfen wird, ist, sich gegen die Nennung im letzten Verfassungsschutzbericht gewehrt zu haben.

Die Fallzahlen eines sogenannten „Linksextremismus“ werden hochgejazzt, indem man Leute auf Demonstrationen, die Sonnenbrillen oder Regenschirme bei sich tragen zu Kriminellen macht. Indem man Menschen, die nichts weiter tun als sich auf die Straße zu setzen, um einen Nazi-Aufmarsch damit aufzuhalten zu Straftätern erklärt. Indem man durch Pfeffersprayeinsatz der eigenen Kollegen verletzte Beamte zu Opfern von Demonstranten zählt. Befreit man die Fallzahlen des sogenannten „Linksextremismus“ um diese ganzen künstlichen Fälle, bleibt von einer Gefahr von Links nämlich einfach nichts mehr übrig, und das passt manchen offenbar nicht in den Kram.

Wenn hingegen Geflüchtetenheime brennen, wenn Hakenkreuze an die Ruinen gesprayt werden, ist kein rechtsradikaler Hintergrund erkennbar, erklärt uns die Polizei. Das sind dann alles nur liebe Nachbarjungs, die sich Sorgen gemacht haben. So wird der alltägliche Rechtsterrorismus verharmlost, und das wird noch Menschenleben kosten.
Die Behörden wirken an dieser Verharmlosung nach Rechts, an der Kriminalisierung nach Links massiv mit.

Der Umfang, in dem kurdische Vereine immer noch im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden ist albern. Im Bericht selbst heißt es, dass es schon seit vielen Jahren einen Gewaltverzicht gibt. Es heißt, dass es den Verbänden um das Generieren von medialen Aktionen und Demonstrationen geht, genau so macht man doch bitte in einer Demokratie in friedlicher Art und Weise auf Missstände aufmerksam. Will man das der kurdischen Gemeinde angesichts des andauernden staatlichen Terrorismus in der Türkei verdenken?

Und weiter behauptet der Verfassungsschutzbericht, diese Organisationen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Was sollen das bitte für Belange sein, etwa der schmutzige Deal mit der Türkei, geflüchtete Menschen möglichst von Europa fern zu halten? Gegen diese Art von Belangen bin ich auch.

Besonders lächerlich wird der Verfassungsschutzbericht, wenn er sich mit klassischer Spionage, bzw. mit Wirtschaftsspionage beschäftigt. Auch im Jahre Vier nach Snowden ist Spionage durch befreundete Geheimdienste immer noch kein Thema. Der Feind steht immer noch stets im Osten. Für Herrn Jäger lauert wohl immer noch hinter jedem Grasbüschel der Russe. Für die digitalen Angriffsarsenale von NSA und GCHQ fühlt man sich hingegen immer noch nicht verantwortlich, darüber kann auch die fünfmalige Verwendung der Vorsilbe „Cyber“ in diesem Bericht nicht hinwegtäuschen.

Und dass der deutsche Nachrichtendienst bei der Abhörung der Menschen in unserem Land mitwirkt, hat immer noch keine Konsequenzen – außer, dass illegale Praktiken durch die große Koalition nachträglich legalisiert werden sollen.

Einen Verfassungsschutz, der hauptsächlich Screenshots von Nazi-Seiten aus Facebook ausdruckt und dann abheftet, der Zeitungartikel ausschneidet und in Ordner einklebt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der rechten Terrorismus mit sogenannten Vertrauensleuten direkt finanziert, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der sich demokratischer Kontrolle aktiv entzieht, der Gesetze nach seinem Gusto beugt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der bei der Ausspähung seiner Bürger durch „befreundete Geheimdienste“ mitwirkt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der eine jahrelange Mordserie entweder gar nicht erst bemerkt, oder sie möglicherweise sogar gewusst und gedeckt hat, den brauchen wir erst recht nicht, der muss weg!

Verfassungsschutz auflösen. (Handgemenge)Es wird Zeit, Verfassungsschutz bundesweit aufzulösen. Und die Aufgaben, die in einer modernen Demokratie tatsächlich unerlässlich sind, auf eine neue Behörde zu übertragen, die von Grund auf einer demokratischen Kontrolle unterworfen ist.


Dieser Text basiert auf einer Rede, die ich anlässlich einer aktuellen Stunde im Landtag NRW zum Verfassungsschutzbericht 2015 am 7. Juli 2016 gehalten hatte (ist also keine wörtliche Wiedergabe – die Rede musste deutlich kürzer ausfallen, da mir nur drei Minuten Redezeit in der aktuellen Stunde zustanden).

Erschienen ist er auch als Gastbeitrag im neues deutschland: Rechts verharmlosen, links kriminalisieren.

Medienkompetenz: Schulische Bildung in einer digitalen Welt

Klassenzimmer

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ soll Albert Einstein gesagt haben. Man könnte fast meinen, er habe das Internet vor Augen gehabt haben, denn die Dummheit, die man da zu lesen bekommt, scheint wirklich unendlich.

Verschwörungstheroretiker und Hassprediger waren früher isoliert und weit weg von ihren Opfern – im World Wide Web finden sie ihr Publikum und rücken ihren Opfern auf die Pelle. Technische Mittel helfen gegen gesellschaftliche Probleme jedenfalls nicht. Außer dem Löschen von tatsächlich illegalem Material an der Quelle hilft hier nur eines: Medienkompetenz. Und deren Vermittlung muss bereits in der Schule beginnen. Damit meine ich eben nicht technische Medienkompetenz, die haben unsere Kinder ohnehin mehr als wir. Ich meine Punkte wie Mediengestaltung und Medienkritik. Dafür bietet sich das bisherige Fach Informatik an.
Anstatt den Umgang mit kommerzieller Standardsoftware zu lernen sollte es dort zunächst um grundlegende Konzepte und Prinzipien der Programmierung gehen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens Herrn Höttges, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom entschieden widersprechen, der kürzlich in einem Interview mit der FAZ forderte, in den Schulen sollten mehr Programmiersprachen gelernt werden – Nein, es ist gerade eben nicht Aufgabe der Schulen, zur Zeit angesagte Programmiersprachen zu pauken, das ist Aufgabe der Unternehmen und nennt sich Ausbildung. Schule ist nicht dafür da, schnell verwertbare Arbeitskräfte zu produzieren, sondern bei jungen Menschen ein Fundament an Bildung zu legen, zu der in Zukunft auch die digitale Demokratie gehört.

In dem Maße, indem Vernetzung und Computer unser Leben immer weiter durchdringen, wird der Umgang mit den Maschinen immer weniger zum Selbstzweck, und immer mehr muss gelehrt werden, mit den Begleiterscheinungen umzugehen. Man muss über Datenschutz und Privatsphäre aufklären. Über Cybermobbing und Netiquette. Man muss Mittel der digitalen Selbstverteidigung erlernen. Zusammenhänge in der digitalen Welt müssen erkannt und verstanden werden. Verantwortungsbewusster Umgang mit Medien und Inhalten muss trainiert werden. Und nicht zuletzt müssen Maschinen und Algorithmen auf einem abstrakten Level verstanden und beherrscht werden. So stelle ich mir ein Fach Informatik, kombiniert mit Medienkunde und digitaler Demokratie in Zukunft vor.

Auf jeden Fall müssen wir weg von Bulimie-Pädagogik: In kürzester Zeit vollstopfen mit einer Riesenmenge Faktenwissen, bei der nächsten Prüfung wieder auskotzen und anschließend vergessen.


Dies ist der Text einer Rede, die ich anlässlich eines Antrages „Bildung hoch vier – Leitlinien einer ‚Strategie für die schulische Bildung in der digitalisierten Welt'“ im Landtag NRW am Mittwoch, den 6. Juli 2016 gehalten habe. Es gilt das gesprochene Wort.

Der Jugend-Landtag 2016

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Über zweieinhalb Jahre diskutierte eine Landtagskommission unter anderem über die Frage, ob Jugendliche in Nordrhein-Westfalen zukünftig bereits ab 16 Jahren bei Landtagswahlen wählen dürfen. Diese Kommission, besetzt mit Vertretern aller Fraktionen des Landtags, sagte leider: Nein.

Der diesjährige Jugend-Landtag zeigte einmal mehr, weshalb dies eine kolossale Fehlentscheidung ist. Vom 23.-25. Juni öffnete der Landtag seine Pforten und ließ die Jugendlichen an die Macht. Bei diesem Planspiel übernehmen 236 Jugendliche – im Alter von 16-20 Jahren – die Rollen der Abgeordneten. Erst wählten sie Fraktionsvorsitzende, dann Vorsitzende der Fachausschüsse und beschäftigten sich dann mit verschiedenen Themenstellungen. Dazu hörten sich Experten an, gaben eine Pressekonferenz und fanden sich am Samstag zur abschließenden Plenarsitzung ein, deren Entscheidungen zur Anregung für unsere Arbeit genommen werden. Dabei sind die Jugendlichen vielfach progressiver und fortschrittlicher, als es die Abgeordneten sind, befassen sie sich doch zum Beispiel mit dem Wahlrecht, dem Bedingungslosen Grundeinkommen, Kennzeichnungspflicht von Polizisten oder einem gesellschaftswissenschaftlichen Abitur.

Mit dabei war die frisch gebackene Abiturientin Melissa Arweiler, die meine ‚Stellvertretung‘ im Parlament übernahm. Melissa berichtete im Nachgang zu der Veranstaltung von drei intensiven Tagen, welche sie am parlamentarischen Leben eines Abgeordneten schnuppern ließen und sie in ihrem Willen, sich politisch zu engagieren, bekräftigen. Das finde ich toll! Ich bedanke mich bei Melissa für ihr Engagement und wünsche ihr viel Erfolg bei dem Studium der Rechtswissenschaften, welches sie in Kürze beginnt.

Melissa Arweiler
Melissa Arweiler

Der Jugend-Landtag ist eine dreitägige Veranstaltung mit Übernachtung in der Jugendherberge auf der gegenüberliegenden Rheinseite und Verpflegung im Landtagsrestaurant, und findet jedes Jahr statt. Sämtliche Kosten werden vom Landtag übernommen.

Die Beschlüsse des Jugendlandtags.

Anhörung zu „Gegen sexualisierte Gewalt. Immer, überall und ausnahmslos“

Landtag Eingang

Heute lief die Anhörung im Landtag NRW im Ausschuss zu Frauen, Gleichstellung und Emanzipation zu den Anträgen, die in der Folge der Silvesternacht gestellt worden waren, auch zu meinem Antrag „Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. Ausnahmslos“. Die Anhörung war sehr spannend und auch erschreckend, sie hat viele Schwachstellen der Betreuung von Opfern dieser Gewalt aufgezeigt. Das Dunkelfeld ist erschreckend, weit über 90% aller Fälle werden nicht angezeigt. Die Auswertung der Anhörung wird sicher sehr umfangreich werden. Wir haben eine gemeinsame Pressemitteilung verfasst:

Gegen sexualisierte Gewalt. Immer, überall und ausnahmslos

Der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation des NRW-Landtags beschäftigte sich heute im Rahmen einer Anhörung mit dem Thema sexualisierter Gewalt. Die NRW-Linke kritisiert, dass viele Übergriffe auf Frauen noch immer nicht aufgearbeitet werden.

„Sexualisierte Gewalt ist für viele Frauen alltäglich, sie werden vergessen, ausgegrenzt und stigmatisiert“, erklärt Özlem Alev Demirel, Landessprecherin der Linken NRW. „Es kann nicht sein, dass über sexualisierte Gewalt und Belästigung nur dann berichtet wird, wenn wie in der Silvesternacht in Köln die Herkunft der Täter nicht deutsch ist. Übergriffe auf Frauen müssen thematisiert werden – egal ob es um die Silvesternacht oder das Oktoberfest geht.“

Die Dunkelziffer sexualisierter Gewalt und Belästigung, das bestätigten die Experten in der Anhörung erneut, ist in Deutschland nach wie vor hoch. Nach Ansicht der Linken ist der Gesetzgeber gefragt wirksame Strukturen zu schaffen, um sexualisierte Gewalt und Belästigung zu verhindern und die Opfer zu schützen.

„Niemand darf Opfer sexualisierter Gewalt werden, und kein Opfer darf damit alleine gelassen werden“, so der Linken-Landtagsabgeordnete Daniel Schwerd. „Das Land muss die Unterstützung von Beratungsstellen und Frauenhäusern und anderer Hilfsangebote gewährleisten und finanziell ausbauen. Polizei und Justiz müssen im sensiblen Umgang mit Opfern intensiver geschult werden. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die immer noch bestehenden Lücken im Strafrecht zu schließen und die von der Bundesregierung bereits unterschriebene Istanbul-Konvention des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen endlich in geltendes Recht umzusetzen.“

Standort für neue Gesamtschule in Köln-Kalk weiterhin unklar: Landesregierung lässt Stadt hängen

Schulklasse

Die Antwort der Landesverwaltung auf eine Kleine Anfrage von mir offenbart wenig Interesse des Landes, die Stadt bei der Ansiedlung einer Gesamtschule in Kalk zu unterstützen.

Die Kölner Stadtverwaltung berichtete mehrfach, sie wolle das Grundstück am Walter-Pauli-Ring/Gummersbacher Straße in Kalk vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW (BLB) kaufen, um dort eine Gesamtschule zu errichten. Dieses Ankaufinteresse, so die Stadt Köln noch im März dieses Jahres, wurde 2014 „bekundet und im Juni 2015 bekräftigt. Bis heute liegt jedoch keine Antwort oder Zusage des BLB vor, mit der Stadt Köln in Kaufverhandlungen einzutreten.“ (Drucksache 0582/2016 im Rat der Stadt Köln)

Die Landesverwaltung räumt zwar ein, die Stadt am 31.7.2014 darüber informiert zu haben, dass das Grundstück für Landeszwecke benötigt wird. Auf das zweite Kaufgesuch 2015 hat es nach eigenen Angaben allerdings keine schriftliche Absage erteilt, sondern sich lediglich in Gesprächen mit Vertretern der Stadt Köln geäußert. Die Stadt wiederum gibt in o.g. Drucksache an, eine mündliche Äußerung der Stellvertretenden Leitung der BLB habe ergeben, dass der Landesbetrieb an einem Verkauf zu Schulzwecken interessiert sei.

Heiner Kockerbeck, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Kölner Rat, ist wütend auf die Landesregierung: „Die Kaufwunsch der Stadt ist berechtigt. Sie braucht das Grundstück dringend für eine Gesamtschule. Im Stadtbezirk sind schon viele Standorte geprüft worden. Keiner ist so geeignet wie der Walter-Pauli-Ring. Wenn das Land mit Verweis auf eigene Bauinteressen nicht verkaufen will, muss es erklären, was dort angesiedelt werden soll. Ein Bauvorhaben, das wichtiger als eine Gesamtschule wäre, ist schwer vorstellbar.“

Ich bin ebenfalls unzufrieden mit der Antwort der Landesverwaltung. Das Tauziehen von Seiten des Landes geht zu Lasten der Kölner Schüler/-innen und ihrer Eltern. Das Finanzministerium behauptet, von der Stadt Köln nicht auf das Grundstück ‘angesprochen’ worden zu sein. Wenn allerdings dem BLB seit 2015 ein Kaufgesuch vorliegt und das Finanzministerium letztlich über den Verkauf entscheiden muss, können diese Abläufe nicht stimmen. Entweder wird im Ministerium gemauert oder Kaufanfragen werden nicht ordnungsgemäß bearbeitet. Das ist besonders bitter für die Kinder, die keinen Platz auf einer Gesamtschule erhalten. Das sind in Köln fast ein Drittel aller Bewerbungen.

Klares Bekenntnis zu Glasfaser-Breitband fehlt in NRW

Glasfaser

Die Versorgung mit schnellem Internet wird heutzutage für jeden Menschen immer bedeutsamer. Informationen, soziale Kontakte und Unterhaltung über das Internet, heute für viele Menschen unverzichtbar, aber auch Wirtschaft, Einkaufen, Arbeiten sowie politische und gesellschaftliche Teilhabe findet heute immer häufiger per Internet statt. Diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen breitbandigen und schnellen Zugang haben, sind effektiv benachteiligt.

Breitband-Internet ist eine materielle Lebensgrundlage

Nicht umsonst hat der Bundesgerichtshof den Zugang zum Breitband-Internet zu einer materiellen Lebensgrundlage erklärt – so wie Strom, Wärme und Wasser. Und diese Bedeutung wird immer wichtiger.

Diese Erkenntnis ist in den Regierungen des Landes und Bundes nur sehr langsam angekommen – in der Umsetzung hapert es aber noch fast überall. Streckenweise wird das Problem zwar erkannt, aber nach wie vor mit den falschen Instrumenten angegangen: Man hofft auf den Markt, dass er von Zauberhand die fehlenden Stücke des Puzzles ergänzt, oder man versucht die marktmächtigen Internetversorger mit finanziellen und politischen Zugeständnissen zum Ausbau zu bewegen. Diese wissen wohl um ihre bequeme Position und lassen sich ihre längst abgeschriebene, einst mit Steuermitteln erstellte Infrastruktur weiter vergolden.

Hier wird insbesondere auf die Vectoring-Technologie gesetzt, die es erlaubt, noch einigen Geschwindigkeitszuwachs aus alten Kupferkabeln herauszuquetschen. Der Preis ist ein Rückbau des Marktes hin zu neuen Monopolstrukturen. Darin investierte Steuermittel werden nur einen kurzfristigen Effekt haben, denn der geringe Leistungszuwachs wird schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen, und das Geld ist dann weg. Der Übergang zur Gigabit-Gesellschaft wird so nicht gelingen.

Glasfaser bis in jedes Haus

Einzig Glasfaser ist die Technologie, mit der das Wachstum der Nutzung des Internets auch langfristig abgebildet werden kann. Bekenntnisse zur Technologie-Neutralität der Förderung verkennen diesen Umstand – wenn man die Wahl zwischen energieeffizientem Traktor und dem Doppelgespann-Pferdepflug hat, so wäre die Förderung eines zweiten Ackergauls zwar technologieneutral, aber sicher nicht zukunftsweisend.

Und damit Glasfaser seinen Vorteil voll ausspielen kann, muss es lückenlos bis in jedes Haus, bis zu jedem Nutzer reichen, denn der Engpass ist meist die letzte Meile. Doch hier fehlen klare Bekenntnisse der Landes- und Bundespolitik.

In NRW sieht es nicht rosig aus: Einigermaßen gut versorgten Ballungsgebieten stehen anachronistische Geschwindigkeiten in Randlagen und weiße Flecken im ländlichen Raum gegenüber. Hier alleine auf den freien Markt zu hoffen reicht ganz offensichtlich nicht aus.

NRW drückt sich um konkrete Antworten

Ich habe die Landesregierung nach Stand und Zukunft des Breitbandausbaus in den einzelnen Kreisen des Landes NRW gefragt. Insbesondere wollte ich wissen, welche Förderprojekte es gab, wie der Ausbaustand insbesondere mit Glasfaser ist, welche Maßnahmen für erforderlich gehalten werden, um die Lage zu verbessern und welche Maßnahmen konkret geplant sind – jeweils aufgeschlüsselt für sämtliche Städte und Gemeinden des Bundeslandes.

Die Antworten sind ernüchternd. Den Glasfaserausbaustand kennt man nicht, konkrete Projekte auf Kreisebene kann die Landesregierung nicht nennen. Stattdessen betet sie nur die allgemeinen, schon bekannten, wenig erfolgreichen bzw. wenig spezifischen Förderprogramme herunter. Eine Strategie ist genauso wenig erkennbar wie ein Ansatz zur Realisierung.

Die Antworten der Landesregierung können für die Kommunalarbeit wichtiger Anknüpfungspunkt sein. Man kann einzelnen Projekten nachforschen und der Einschätzung der Landesregierung kommunal auf den Zahn fühlen.

Die Antworten der Landesregierung findet ihr – geschlüsselt nach Kommunen – hier:

Aachen (Städteregion): Drucksache 16/11028
Bielefeld: Drucksache 16/11029
Bochum: Drucksache 16/11030
Bonn: Drucksache 16/11031
Borken: Drucksache 16/11032
Bottrop: Drucksache 16/11033
Coesfeld: Drucksache 16/11034
Dortmund: Drucksache 16/11035
Duisburg: Drucksache 16/11036
Düren: Drucksache 16/11037
Düsseldorf: Drucksache 16/11038
Ennepe-Ruhr-Kreis: Drucksache 16/11039
Essen: Drucksache 16/11040
Euskirchen: Drucksache 16/11041
Gelsenkirchen: Drucksache 16/11042
Gütersloh: Drucksache 16/11043
Hagen: Drucksache 16/11044
Hamm: Drucksache 16/11045
Heinsberg: Drucksache 16/11046
Herford: Drucksache 16/11047
Herne: Drucksache 16/11048
Hochsauerlandkreis: Drucksache 16/11049
Höxter: Drucksache 16/11050
Kleve: Drucksache 16/11051
Köln: Drucksache 16/11052
Krefeld: Drucksache 16/11053
Leverkusen: Drucksache 16/11054
Lippe: Drucksache 16/11055
Märkischer Kreis: Drucksache 16/11056
Mettmann: Drucksache 16/11057
Minden-Lübbecke: Drucksache 16/11058
Mönchengladbach: Drucksache 16/11059
Mülheim an der Ruhr: Drucksache 16/11060
Münster: Drucksache 16/11061
Oberbergischer Kreis: Drucksache 16/11062
Oberhausen: Drucksache 16/11063
Olpe: Drucksache 16/11064
Paderborn: Drucksache 16/11065
Recklinghausen: Drucksache 16/11066
Remscheid: Drucksache 16/11067
Rhein-Erft-Kreis: Drucksache 16/11068
Rheinisch-Bergischer Kreis: Drucksache 16/11069
Rhein-Kreis Neuss: Drucksache 16/11070
Rhein-Sieg-Kreis: Drucksache 16/11071
Siegen-Wittgenstein: Drucksache 16/11072
Soest: Drucksache 16/11073
Solingen: Drucksache 16/11074
Steinfurt: Drucksache 16/11075
Unna: Drucksache 16/11076
Viersen: Drucksache 16/11077
Warendorf: Drucksache 16/11078
Wesel: Drucksache 16/11079
Wuppertal: Drucksache 16/11080

Der braune Sumpf: Prozess gegen Reker-Attentäter beginnt

BraunerSchlamm

Am Freitag hat vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen den Attentäter Frank S. begonnen, der vergangenes Jahr versucht hat, die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin und damalige Kandidatin Henriette Reker mit einem Jagdmesser zu töten.

Frank S. war tief in der Bonner Skinhead- und Neonaziszene verwurzelt und hatte in der Vergangenheit an rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen. Er war Sympathisant der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP). Wegen Straftaten wie Raub und Körperverletzung hat er bereits im Gefängnis gesessen. Beim Verfassungsschutz lagen einschlägige Erkenntnisse über ihn vor.

Das Messerattentat selbst erinnert fatal an ein zuvor aufgetauchtes Video, auf dem Rechtsextreme bei einem sogenannten „identitärem Sommerlager“ im Kölner Umland Angriffe mit Messern üben. Die rechte Aktivistin Melanie D. wurde dabei mit dem als Trainer fungierenden Rainer H. (NPD) beim Messerkampf gefilmt. Wiederholt sind dabei Angriffe auf den Hals geübt worden, Frank S. hatte später einen ähnlichen Angriff auf den Hals von Henriette Reker durchgeführt. Möglicherweise hat sich Frank S. an diesen Techniken orientiert.

Nachdem sich zahlreiche Personen des rechten Spektrums im Nachhinein als Informanten oder V-Personen der Geheimdienste herausgestellt haben, und der Kölner Stadt-Anzeiger über Ungereimtheiten in der Arbeitslosengeschichte von Frank S. berichtet hatte, habe ich vier Tage nach dem Attentat der Landesregierung die Frage gestellt, ob der Attentäter als V-Person für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Diese Frage wollte die Landesregierung nicht beantworten. Ob also eine „höhere Behörde“ eine „schützende Hand“ über diesen Herrn gehalten hat, ist nach wie vor unklar. Eine Beschwerde über die nicht ausreichende Antwort blieb bislang unbeantwortet.

In der Prozesseröffnung hat der Angeklagte zunächst einmal über seine traurige Kindheit gejammert. Ich hoffe sehr, dass sich das Gericht nicht vorschnell auf die Theorie des „verwirrten Einzeltäters“ festlegt, sondern seinen rechtsextremen Hintergrund und Verbindungen zu Nazis aus dem Rheinland einerseits, sowie – möglicherweise – zur Polizei bzw. zum Verfassungsschutz des Landes andererseits beleuchtet. Wir werden den Prozess sorgfältig beobachten. Der Sumpf ist tief und noch nicht mal ansatzweise ausgehoben.