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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/13297

 

28.10.2016

 

 

 

 

Kleine Anfrage 5293

 

des Abgeordneten Daniel Schwerd   FRAKTIONSLOS

 

 

 

Angemessene Unterkunftskosten im SGB II in Wuppertal 

 

 

 

Das SGB II bestimmt, dass „angemessene Unterkunftskosten“ bei SGB II – Beziehenden zu berücksichtigen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). In Wuppertal sind dies (mit Stand Juni 2016) 47.413 SGB II-Beziehende in 24.158 Bedarfsgemeinschaften. Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften ist fast identisch mit den Haushalten.

 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass im Falle des Ausfalls bereiter Quellen zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze von Kosten der Unterkunft auf die tatsächliche Miete abzustellen ist. Begrenzt wird dieser Wert dann durch den Oberwert der Wohngeldtabelle (§ 12 WoGG) zuzüglich 10% Sicherungsaufschlag (BSG v. 17.02.2009 - B 4 AS 50/9 R, BSG v. 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R, BSG v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R).

 

In der Stadt Wuppertal existiert seit dem Jahr 2013 keine bereite Quelle zur Ermittlung der Mietpreise mehr, da es seitdem keinerlei offizielle Erhebungen zu Mietpreisen gegeben hat. Beim Wuppertaler Amtsgericht wird in Mietangelegenheiten der Mietpreisspiegel mit einem Aufschlag von 30 % angewendet. Der alte Mietspiegel ist aus dem Jahr 2010 und wurde nur bis einschließlich 2012 als einfacher Mietpreisspiegel fortgeschrieben (SG Düsseldorf 04.07.2016 – S 13 AS 3749/15, S. 7 2. Absatz).

 

Das SGB II normiert jedoch, dass solche Erhebungen „mindestens alle zwei Jahre durchgeführt werden müssen“ (§ 22c Abs. 2 SGB II). Bedingt durch die Flüchtlingskrise, Zuzug aus deutlich teureren Nachbargemeinden und explodierende Studierendenzahlen hat sich der Wohnungsmarkt in Wuppertal deutlich verteuert.  

 

Das Jobcenter (JC) Wuppertal AöR hat bis Ende 2015, entgegen der Rechtsprechung des BSG (BSG v. 19.10.2009 - B 14 AS 50/10 R, vgl. BSG 02.07.2009 - B 14 AS 36/08), zur Ermittlung der Angemessenheit den reinen Nettomietpreis berücksichtigt. Das Landessozialgericht (LSG) NRW hat das JC Wuppertal dazu verpflichtet, die Bruttokaltmiete zu berücksichtigen (LSG NRW 29.10.2015 – L 7 AS 1310/11).

 

Das JC hat ab dem 01.01.2016 die örtliche Angemessenheitsgrenze auf die Bruttokaltmiete angepasst. Dabei wurde die bisherige alte Grundmiete, die seit 8 Jahren in Wuppertal Anwendung findet genommen (4,85 EUR/qm) und der Wert des Landesbetriebskostenspiegels des DMB in Höhe von 1,93 EUR dazu addiert. Als neue Angemessenheitsgrenze gilt nunmehr eine Bruttokaltmiete in Höhe von die 6,78€/m2. Für eine alleinstehende Person sind nunmehr nach Ansicht des JC Wuppertal 339 EUR (50 m2 x 6,78 €) als angemessene Unterkunftskosten anzuerkennen.

 

Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 04.07.2016 (S 13 AS 3749/15) festgestellt, dass es keinerlei bereite Quelle zur Ermittlung einer Angemessenheitsgrenze gibt und dass deshalb entsprechend der BSG-Rechtsprechung die tatsächliche Miete, begrenzt durch den Oberwert der Wohngeldtabelle (§ 12 WoGG) zuzüglich 10% Sicherungsaufschlag zu gewähren ist.

 

Dies ergibt bei einer alleinstehenden Person und Wohngeldstufe III (das SG hat Wuppertal fälschlicherweise in Stufe IV eingeordnet) 390 EUR nach WoGG, zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag (also 39,-€) einen Wert von 429 EUR Bruttokaltmiete, anstatt der jetzt anerkannten 339 EUR. Das JC Wuppertal erkennt nur einen Wert von 339 EUR Bruttokaltmiete an.

 

Aus der aktuellsten Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Juni 2016) zur Wohn- und Kostensituation ist ersichtlich, dass 10.735.859 EUR/Monat als tatsächliche Unterkunftskosten vom JC Wuppertal vermerkt sind und dass davon aber nur 10.417.852 EUR/Monat berücksichtigt werden.

 

Das bedeutet, dass 318.943 EUR jeden Monat vom JC Wuppertal nicht berücksichtigt werden und aus den Regelbedarfen der Wuppertaler SGB II-Berechtigten selbst gezahlt werden müssen. Von Januar 2013 bis Oktober 2016 macht das einen Betrag von rund 14,6 Mio. Euro aus, die das JC Wuppertal rechtswidriger Weise nicht übernimmt.  

 

 

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

 

1.           Vertritt die Landesregierung den Standpunkt, dass beim kompletten Ausfall bereiter Quellen zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten entsprechend der ständigen BSG-Rechtsprechung die tatsächlichen Unterkunftskosten bis zum Oberwert der WoGG Tabelle zzgl. 10% Sicherheitsaufschlag zu übernehmen sind? Begründen Sie Ihren Standpunkt.

 

2.           Vertritt die Landesregierung den Standpunkt, dass wenn Kostensenkungsaufforderungen mit falschen Werten, wie Nettokaltmiete (in Wuppertal bis Ende 2015 erfolgt) oder Bruttokaltmiete (in Wuppertal ab Anfang 2016 erfolgt, aber ohne Oberwert Wo GG + 10 % Sicherungszuschlag) erfolgen, diese unwirksam sind und daher von JC Wuppertal weiterhin die tatsächliche Miete zu zahlen ist? Begründen Sie Ihren Standpunkt.

 

3.           Vertritt die Landesregierung den Standpunkt, dass das JC Wuppertal Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen nur bis zum Maximal noch nicht ausgeschöpften Höchstbetrag der Jahresbruttokaltmiete übernehmen muss oder sind hier zunächst die tatsächlichen Kosten entsprechend § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen? Begründen Sie Ihren Standpunkt.

 

4.           Sollten die Fragen 1 bis 3 ergeben, dass die Landesregierung hier rechtsfehlerhaftes Verhalten feststellt, vertritt dann die Landesregierung die Auffassung, dass das JC Wuppertal von Amtswegen fehlerhafte Bescheide zu korrigieren hat oder zumindest im Rahmen der Spontanberatungspflicht an jeden von rechtswidriger Leistungskürzung betroffenen Leistungsberechtigten darauf hinzuweisen hat, dass es notwendig wäre hier einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen, um so nicht sozialrechtliche Leistungsansprüche zu verlieren? Begründen Sie Ihre Auffassung.

 

5.           Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, ob Mietnebenkosten in Wuppertal teurer sind als in anderen NRW Städten? (Wenn ja, wie hoch sind die durchschnittlichen Mietnebenkosten in Wuppertal?) 

 

 

 

Daniel Schwerd

 


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