< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/13739

 

12.12.2016

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 5310 vom 7. November 2016

des Abgeordneten Daniel Schwerd   FRAKTIONSLOS

Drucksache 16/13387

 

 

Speicherung von Menschen als „Ansteckend“ im Polizeilichen Auskunftssystem NRW – hat die Landesregierung Erkenntnisse gewonnen?

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

 

Im polizeilichen Auskunftssystem NRW „POLAS NRW“ werden Menschen mit dem „personengebundenen Hinweis“ ANST als „ansteckend“ gekennzeichnet, die mit HIV oder Hepatitis B oder C infiziert sind.

 

Nach Einschätzung von Fachorganisationen werden Menschen mit den genannten Infektionen durch das Merkmal ANST stigmatisiert, was zur Ausgrenzung von Menschen mit HIV oder Hepatitis allgemein beiträgt. Zudem wird die Erforderlichkeit der Speicherung bezweifelt. Aus diesen Gründen fordern unter anderem die Mitgliedsorganisationen der Deutschen AIDS-Hilfe in ihrer „Münchener Erklärung“ vom 24./25.10.2015, „die kontraproduktive und stigmatisierende Praxis der Kennzeichnung von Menschen mit dem Kürzel ANST unverzüglich zu beenden und alle entsprechenden Daten sofort zu löschen.“. Die Aidshilfe NRW hat den Innenminister nach eigenen Angaben bereits mehrfach zu einem Gespräch über dieses Thema eingeladen.

 

Mit der Kleinen Anfrage 16/12650 hat der Unterzeichner die Landesregierung gefragt, wie sie die durch die Speicherung bestehende Stigmatisierungsgefahr für die Betroffenen bewertet und aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, dass auf eine Nutzung des personenbezogenen Hinweises nicht verzichtet werden kann. Die Landesregierung hat die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 31.08.2016 (LT-Drs. 16/12796) dahingehend beantwortet, personenbezogene Hinweise dienten „primär dem größtmöglichen Schutz des oder der Betroffenen sowie der Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte im konkreten Einzelfall“. Diese Aussage der Landesregierung widerspricht sämtlichen vom Land NRW geförderten Präventionsstrategien im Bereich HIV.

 

Nach der LINKEN kritisierten auch Bündnis 90/Die Grünen die Datenspeicherung. Sie erklärten, angeblich erst durch die Anfrage des Unterzeichners überhaupt von der Datenspeicherung erfahren zu haben und kündigten an, ihre Landtagsfraktion werde gegenüber dem Innenminister aktiv werden.

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5310 mit Schreiben vom 9 Dezember 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Personengebundene Hinweise (PHW) sind im Informationssystem Polizei (INPOL) gespeicherte Hinweise zu bestimmten Eigenschaften einer natürlichen Person, aus denen eine Gefährdung der Person selbst oder für die einschreitenden Polizeibediensteten abgeleitet werden kann. Sie dienen damit primär dem Schutz des oder der Betroffenen sowie der Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte und werden auf Basis von Katalogwerten und zugehörigen Vergabekriterien nach einem bundeseinheitlichen Leitfaden für personengebundene Hinweise vergeben. In die Festlegung der Vergabekriterien für den personengebundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr“ waren im Jahr 2011 das Robert-Koch-Institut sowie das Bundesministerium für Gesundheit einbezogen.

 

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat im Rahmen ihrer Sitzung am 11./12.12.2014 den Beschluss gefasst, u. a. den personengebundenen Hinweis "Ansteckungsgefahr" mit dem Ziel überprüfen zu lassen, auf eine Diskriminierung ausschließende Ersetzung der Begriffe hinzuwirken. Eine damit beauftragte Bund-Länder-Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass an der Bezeichnung des PHW "Ansteckungsgefahr" festgehalten werden soll. In ihrer Sitzung vom 24. bis 26.06.2015 hat die IMK daraufhin beschlossen, den PHW „Ansteckungsgefahr“ mit den bestehenden Vergabekriterien beizubehalten.

 

Zwischenzeitlich hat das Robert-Koch-Institut seine Einschätzung der Infektionsrisiken durch HIV sowie chronische Hepatitis B und C aus dem Jahr 2010 mit Schreiben vom 25.11.2015 gegenüber dem Bundeskriminalamt aktualisiert. Demnach sei aufgrund neuer Behandlungsmethoden (neue Medikamente) eine Infektiosität betroffener Personen drastisch reduziert, so dass von behandelten Personen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgehe. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt daher, auf einen personengebundenen Hinweis zu diesen Infektionen im polizeilichen Informationssystem zu verzichten. Während das Robert-Koch-Institut den personengebundenen Hinweis aufgrund des medizinischen Fortschritts für zwischenzeitlich überholt erachtet, weist das Bundeskriminalamt darauf hin, dass sich die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts ausschließlich auf verantwortungsvolle und therapiemotivierte Patienten bezieht. Die Polizei sei allerdings oft auch mit Personen befasst, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ihren besonderen individuellen Lebensumständen keine Infektionsprophylaxe betreiben bzw. vor einem ggf. notwendigen körperlich dynamischen Kontakt nicht aktiv auf ihre Erkrankung hinweisen.

 

Vor dem Hintergrund aktueller medizinischer Expertisen  - insbesondere des Robert-Koch-Instituts und des Nationalen AIDS-Beirats - zur Frage des Infektionsrisikos durch HIV, Hepatitis B und C und des Anspruchs von Polizeibediensteten auf größtmöglich wirksamen Schutz vor Ansteckungsgefahren, hat die polizeiliche Bund-Länder-Kommission „INPOL-Fachlichkeit“ auf ihrer Tagung am 02./03.11.2016 entschieden, unter Leitung des Landes Nordrhein-Westfalen eine Bund-Länder-Expertengruppe einzurichten, die sich spezifisch und ganzheitlich mit dem personengebundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr“ befassen wird.

 

1.      Welche Kontakte hat es seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 16/12650 zwischen dem Innenminister und den Fraktionen des Landtags gegeben, bei denen der personenbezogene Hinweis ANST thematisiert wurde? Nennen Sie jeweils Zeitpunkt und Beteiligte.

 

2.      Was war der Inhalt der Gespräche? Bitte gehen Sie insbesondere darauf ein, welche konkreten Absprachen getroffen wurden.

 

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Mit den Fragen werden Auskünfte erbeten, die den internen Willensbildungsprozess der Landesregierung betreffen und damit in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung fallen. Von einer inhaltlichen Beantwortung wird daher abgesehen.

 

 

3.      Ist die Landesregierung weiterhin der Auffassung, dass auf die Speicherung des personenbezogenen Hinweises ANST nicht verzichtet werden kann?

 

Siehe Vorbemerkungen.

 

 

4.      Beabsichtigt die Landesregierung, ihre Haltung zur Speicherung personenbezogener Hinweise in POLAS NRW einer neuen Bewertung zu unterziehen? Nennen Sie ggf. nähere Details.

 

Siehe Vorbemerkungen.

 

 

5.      Wann ist der Innenminister von der Aidshilfe NRW zu Gesprächen zum Thema ANST eingeladen worden? Bitte gehen Sie insbesondere darauf ein, wie der Innenminister jeweils auf die Gesprächsangebote reagiert hat.

 

Im Nachgang zu einem Besuch des Stands der Aidshilfe NRW am 04.12.2014 im Landtag hat die Aidshilfe NRW mit Schreiben vom 10.12.2014 ihre Auffassung zur Speicherung des personengebundenen Hinweises „Ansteckungsgefahr“ aufgrund einer HIV-Infektion dargestellt und damit auch um ein persönliches Gespräch gebeten. Mit Schreiben vom 16.01.2015 wurde die Aidshilfe NRW über die Hintergründe zur Vergabe des personengebundenen Hinweises „Ansteckungsgefahr“ durch die Polizei informiert, um so der Sorge entgegen zu treten, dass an HIV erkrankte Personen systematisch und namentlich registriert werden.

 

Mit Schreiben vom 02.08.2016 trug die Aidshilfe NRW vor „..., die wirkungslose Stigmatisierung von Menschen mit HIV und Hepatitis zu beenden und stattdessen im Sinne der Polizeibediensteten tatsächlich effektive Maßnahme zu ergreifen.“ und bat erneut um ein Gespräch.

 

Mit Schreiben vom 01.09.2016 hat das MIK NRW der Aidshilfe NRW darauf hin mitgeteilt, dass ihre Bemühungen um effektive Maßnahmen der Infektionsprophylaxe durch das MIK NRW ausdrücklich begrüßt werden und dass es ggf. themenbezogen zu einem späteren Zeitpunkt  auf das Gesprächsangebot eingehen werde. Angesichts der anhaltend öffentlichen Erörterung der Thematik hat das MIK NRW die Aidshilfe NRW dann am 12.09.2016 zu einem Gespräch eingeladen.

Das Gespräch fand am 17.11.2016 unter Leitung von Herrn Staatssekretär Bernhard Nebe im MIK NRW statt.


< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!