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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2729

 

24.04.2013

 

 

 

 

Große Anfrage 6

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

Jugendmedienschutz und Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV)

 

 

 

Der Jugendschutz in Deutschland muss der veränderten Medienlandschaft  Rechnung tragen und auf die Möglichkeiten neuer Medien reagieren. Das Internet funktioniert nicht nach dem Sender-Empfänger-Prinzip, sondern nach der gleichberechtigten Vernetzung unzähliger Nutzer auf der ganzen  Welt. Da jeder gleichermaßen Anbieter von Medieninhalten sein kann, ist die klassische Regulierung der Anbieter aus dem Rundfunkbereich nicht, wie mit der letztlich gescheiterten Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) von 2010 versucht, auf das Internet übertragbar.

 

Zudem wurde mit dem Entwurf von 2010 versucht, verpflichtende Alterseinstufungen sowie den Einsatz von Inhaltsfiltern massiv voranzutreiben. Diese und andere Regelungen hätten letztendlich zu einer unsicheren Rechtssituation geführt, in der Privatpersonen und nicht-gewinnorientierte Webseitenbetreiber erheblich benachteiligt worden wären.

 

Bei der auf der Jahreskonferenz der Landesregierungen angestrebten Neugestaltung des JMStV müssen nach Ansicht von Fachleuten, potentiell Betroffenen und Vertretern der Netzgemeinde vor allem folgende Punkte anders angegangen werden:

 

-       Der starre Anbieterbegriff im Vertrag muss überarbeitet werden und sich den Gegebenheiten im Internet anpassen.

-       Es darf nicht zu einem Kategorisierungszwang kommen, damit Jugendschutzprogramme vermeintlich vernünftige Inhalte filtern können.

-       Bei der Ausgestaltung eines solchen Vertrages müssen die Betroffenen einbezogen werden.

-       Die Ausgestaltung des Staatsvertrages muss öffentlich und nachvollziehbar geschehen, um auf erneute Fehlentwicklungen frühzeitig reagieren zu können.

 

Die Landesregierung hat sich bisher nicht dazu geäußert, wie sie diese aus der Sicht der Piratenfraktion notwendigen Eckpunkte in der Rundfunkkommission zu verwirklichen sucht.

 

 

Wir fragen die Landesregierung:

 

1.         Wann wird die Rundfunkkommission der Länder nach Erkenntnis der Landesregierung NRW einen Entwurf für einen neuen JMStV vorlegen?

 

2.       Welche Eckpunkte für einen neuen JMStV haben die Landesregierungen auf ihrer Jahreskonferenz vom 24.-26. Oktober 2012 beschlossen, die über die Forderung nach einer "praktischen und unbürokratischen Regelung" hinausgehen?

 

3.       Welche Ziele verfolgt die Rundfunkkommission der Länder nach Erkenntnis der Landesregierung bei der Novellierung?

 

4.       Sieht die Landesregierung Novellierungsbedarf bei den im Jugendschutzgesetz enthaltenen Regelungen zum Jugendmedienschutz?

Wenn ja, welchen?

 

5.       Was sind aus Sicht der Landesregierung die wesentlichen Punkte des gescheiterten JMStV-Entwurfs von 2010, die einer "praktischen und unbürokratischen Regelung" entgegenstanden?

 

6.       Welche Änderungsbedarfe ergeben sich aus Sicht der Landesregierung gegenüber dem gescheiterten JMStV-Entwurf von 2010, insbesondere welche Vereinfachungen und Schärfungen der Normenklarheit werden als möglich bzw. notwendig erachtet?

 

7.       Welche bereits bestehenden Regelungen des aktuell geltenden JMStV von 2003 sollen aus Sicht der Landesregierung durch die Novellierung in ihrer Durchsetzung verbessert  werden?

 

8.       Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass die Kritik an der letzten, gescheiterten JMStV-Novellierung berücksichtigt wird?

 

9.       Welche Experten aus den Bereichen Netzpolitik und Medienpädagogik sowie aus der Internet-Community hat die Rundfunkkommission der Länder konsultiert oder wird sie konsultieren?

 

10.     Welche Experten in den Bereichen Netzpolitik und Medienpädagogik sowie  aus der Internet-Community hat die Landesregierung konsultiert oder wird sie konsultieren?

 

11.     Was unternimmt die Landesregierung um sicherzustellen, dass der aktuelle Stand der medienpädagogischen Forschung bei der Erarbeitung des Staatsvertragsentwurfs berücksichtigt wird?

 

12.     Wie und durch wen hat die Rundfunkkommission der Länder oder die Landesregierung das gesamte Konzept des geltenden JMStV unabhängig und ergebnisoffen wissenschaftlich evaluieren lassen?

 

 

 

13.     Ist nach Ansicht der Landesregierung der Begriff der Entwicklungsbeeinträchtigung (§ 5 JMStV) für eine rechtliche Regelung des Jugendmedienschutzes geeignet?

Wenn ja, welche wissenschaftlichen Grundlagen für diesen Begriff sind der Landesregierung bekannt?

 

14.     Welche Programme plant die Landesregierung in Ergänzung zum JMStV, um Pädagogen und Eltern für die ethisch-moralischen Diskussion über Onlineinhalte zu qualifizieren?

 

15.     Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, welche Programme andere Landesregierungen in Ergänzung zum JMStV planen, um Pädagogen und Eltern für die ethisch-moralischen Diskussion über Onlineinhalte zu qualifizieren, und plant die Landesregierung diesbezüglich Kooperationen mit anderen Bundesländern?

Wenn ja, welche?

 

16.     Welche Konzepte oder Programme zur begleiteten Teilhabe von Kindern- und Jugendlichen am bzw. aktiven Heranführung an das Netz plant die Landesregierung?

 

17.     Wie stellt die Landesregierung sicher, dass sich Bürger und Mitglieder des Landtags einfach und fortlaufend über Arbeit und Zwischenergebnisse der Rundfunkkommission insbesondere bezüglich der Fortschritte der Novelle des JMStV informieren können?

 

18.     Wann wird die Rundfunkkommission nach Erkenntnis der Landesregierung die Tagesordnungen, Protokolle, JMStV-Entwürfe, Stellungnahmen von Experten und alle weiteren Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich machen?

Falls sie dies nicht tun wird, warum nicht?

 

19.     Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass Tagesordnungen, Protokolle, JMStV-Entwürfe, Stellungnahmen von Experten und alle weiteren relevanten Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

 

20.     Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wann die Sitzungen der Rundfunkkommission über das Internet  zugänglich gemacht werden – entweder als Livestream oder als Aufzeichnung – und warum dies derzeit nicht der Fall ist?

 

21.     Wie wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, die Sitzungen der Rundfunkkommission über das Internet zugänglich zu machen – entweder als Livestream oder als Aufzeichnung?

 

22.     Wie wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass im neuen JMStV-Entwurf die Besonderheiten der jeweiligen Medien beachtet werden, ohne bloß die etablierten Regeln für Film und Fernsehen auf das Internet zu übertragen?

 

23.     Hält die Landesregierung Sperrverfügungen oder Netzsperren im Rahmen des JMStV für sinnvoll und was wird die Landesregierung gegebenenfalls unternehmen, um zu verhindern, dass der JMStV Sperrverfügungen oder Netzsperren vorsieht?

 

24.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass die Novelle nicht zum Einfalltor für eine Abmahnwelle gegenüber privaten Webseitenbetreibern und Bloggern wird?

25.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass nur solche Inhalte Alterseinstufungen unterliegen, die auch sonst üblicherweise altersgerecht differenziert werden?

 

26.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass die im JMStV vorgesehenen, generellen Kennzeichnungspflichten auf offensichtlich schwer jugendgefährdende Inhalte beschränkt werden und nicht Millionen von Webseiten, Mikromedien und Inhalten auf Community Plattformen gekennzeichnet werden müssen?

 

27.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass Inhalte, die für  Kinder unter zwölf Jahren nicht geeignet sind, nicht in Angebote für diese Altersgruppe eingebunden werden?

 

28.     Was unternimmt die Landesregierung, um zu verhindern, dass die Haftungsregeln des Telemediengesetzes über den JMStV indirekt ausgeweitet werden?

 

29.     Was unternimmt die Landesregierung, um zu verhindern, dass der JMStV eine Verpflichtung vorsieht, nutzergenerierte Inhalte zu überwachen?

 

30.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass keine unangemessenen Belastungen für private nichtkommerzielle Anbieter entstehen?

 

31.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass eine nationale Inselbildung durch den JMStV vermieden und das Internet als weltweites Medium erhalten wird?

 

32.     Inwiefern wird sich die Landesregierung in der Rundfunkkommission dafür einsetzen, dass Anbietern aus Deutschland kein Nachteil dadurch erwächst, dass der JMStV nur für inländische Anbieter durchsetzbar ist?

 

33.     Wie soll nach Erkenntnis der Landesregierung sichergestellt werden, dass im novellierten JMStV keine Tendenz zum "Overblocking" stattfindet?

 

34.     Wie wird bei der Erarbeitung des novellierten JMStV dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder und Jugendliche den Umgang mit sensiblen Inhalten schrittweise erlernen müssen, und dass es unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten gibt?

 

35.     Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass durch den novellierten JMStV kein neues Feld gewerblicher Abmahnungen eröffnet werden darf?

Falls ja, was wird die Landesregierung in dieser Hinsicht unternehmen?

 

36.     Inwiefern wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass der novellierte JMStV berücksichtigt, dass sich Jugendliche und Kinder mit diversen Endgeräten, Telefonen, Spielkonsolen etc. im Internet bewegen?

 

37.     Inwiefern wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass der novellierte JMStV berücksichtigt, dass Jugendliche und Kinder mit steigender technischer Kompetenz lernen, Blockingmechanismen zu umgehen?

 

38.     Inwiefern will die Landesregierung ein frühzeitiges Mitwirken des Landtages sicherstellen, um ein erneutes Scheitern des Staatsvertrages zu verhindern?

39.     Welche Ministerialbeamte der Landesregierung vertreten das Land NRW in der Rundfunkkommission der Länder?

(Bitte die involvierten Ministerien, Abteilungen und Referate benennen.)

 

 

 

Dr. Joachim Paul

Frank Herrmann

Daniel Schwerd

Lukas Lamla

 

und Fraktion

 

 

 

 

 


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