< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/3249

 

11.06.2013

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

Achtung! YES, WE SCAN.

Bürger in NRW vor PRISM und anderen Überwachungsprogrammen schützen!

 

 

I. Sachverhalt

 

In der digitalisierten Welt basieren nicht nur zahlreiche Geschäftsmodelle auf der massenhaften Ansammlung und Verwendung von elektronischen Daten. Auch im öffentlichen wie privaten Bereich existiert längst keine Trennung mehr von Internet und Alltag. Die moderne Kommunikationsgesellschaft ist somit auf digitale Netze angewiesen, die zur Wahrung einer freien Gesellschaft besonderen rechtsstaatlichen Schutzes bedürfen.

 

Aktuelle Medienberichte legen die Überwachung der elektronischen Kommunikation durch US-Geheimdienste in bisher ungeahntem Ausmaß offen. Im Rahmen des Projektes PRISM kann der US-amerikanische Militärnachrichtendienst National Security Agency (NSA) Zugriff auf nahezu jegliche elektronische Kommunikation erlangen, die über US-amerikanische Unternehmen abgewickelt wird.

 

Die überproportional starke Präsenz von Unternehmen auf dem Markt der Diensteanbieter, die US-amerikanischer Jurisdiktion unterliegen, sorgt dafür, dass faktisch alle Internetnutzer und Nutzer elektronischer Kommunikation von dieser Überwachung betroffen sind.

 

Von der Überwachung und Datensammlung der NSA ist die gesamte Kommunikation von Bürgern, öffentlichen Stellen wie auch privatwirtschaftlichen Unternehmen betroffen. In allen Fällen müssen die Kommunikationsteilnehmer sich auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation verlassen können.

 

Neben PRISM wurde die Existenz eines NSA-Programms mit Namen „Boundless Informant“ bekannt, das die Menge der von der NSA gesammelten Daten aus Telefon- und Datennetzwerken erfasst. Nach Informationen des britischen „Guardian“ ist Deutschland von den US-Bespitzelungen in vergleichbarem Maße betroffen wie Kenia, Afghanistan, Irak, China und die USA selber. Nur in Iran, Pakistan, Jordanien, Ägypten und Indien werden noch mehr Daten von der NSA gesammelt.

Der nun publik gewordene Vorgang entzog sich nahezu in Gänze der Kenntnis der betroffenen Öffentlichkeiten und damit jeder demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kontrolle.

 

Grundsätzlich sollte jedem Bürger aus Nordrhein-Westfalen bewusst sein, dass die Nutzung von alltäglichen Diensten (E-Mail, Cloud etc.) von US-amerikanischen Anbietern wie z.B. Yahoo, Microsoft, Google, Dropbox, Facebook, Twitter, WhatsApp die Möglichkeit der Erfassung, Nutzung, Auswertung und Speicherung der entsprechenden elektronischen Daten eröffnet.

 

Auch in Deutschland ist eine Zunahme von solchen Überwachungsmaßnahmen feststellbar. Mit dem Gesetz zur Bestandsdatenauskunft (BDA) erhalten Ordnungs- und Sicherheitsbehörden weitreichende Befugnisse, sensible Daten von Bürgern auch schon bei Ordnungswidrigkeiten abzufragen. Andere Maßnahmen wie die Fluggastdatenspeicherung, die die verstärkte Ansammlung und Analyse von persönlichen Daten beinhalten, werden auf europäischer Ebene vorbereitet, erforscht oder sind bereits Teil der EU-Gesetzgebung. Über die lange Liste der bestehenden Überwachungsinstrumente wissen die wenigsten Bürger Bescheid – eine demokratische Legitimierung ist offenbar auch hierzulande von den involvierten Institutionen nicht gewünscht oder beabsichtigt (ein klarer Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen: „Recht auf Datenschutz“).

 

II. Der Landtag stellt fest

 

1.      Die Überwachung elektronischer Kommunikation, sei es durch Ermittlung der Kommunikationspartner, sei es durch Zugriff auf den Inhalt, bedroht nicht nur den einzelnen Kommunikationsvorgang, sondern ein Kernelement der offenen und  diskursiven Gesellschaft.

 

2.      Für die öffentliche Verwaltung gebietet schon die Obhutspflicht des Staates die Vertraulichkeit der Kommunikation mit dem Bürger und macht datenschutztechnische Vorkehrungen zwingend erforderlich.

 

3.      Die im Rahmen des PRISM-Programms erfolgte weitreichende Überwachung der elektronischen Kommunikation von Bürgern, öffentlichen Stellen wie auch privatwirtschaftlichen Unternehmen stellt eine willkürliche und unrechtmäßige Verletzung des Rechts auf Privatsphäre in der Kommunikation und des Rechts auf freie Meinungsäußerung dar.

 

4.      Die IT-Infrastruktur des Landes Nordrhein-Westfalen ist anfällig für verdeckte elektronische Überwachung. Die Landesregierung ist zudem nicht darüber informiert, in welchem Umfang Daten von Bürgern, öffentlichen Stellen und in Nordrhein-Westfalen ansässigen privatwirtschaftlichen Unternehmen von Überwachungsprogrammen ausländischer Regierungen betroffen sind.

 

5.      Die im Bund beschlossene und von der Landesregierung geduldete BDA weist ebenfalls Tendenzen zu unverhältnismäßiger staatlicher Datensammlung und -auswertung auf.

 

6.      Der Landtag weist entsprechende Forderungen wie beispielsweise von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nach mit der US-amerikanischen Praxis vergleichbaren Überwachungs-Methoden für Deutschland zurück. Datenschutz muss auch für die deutschen Sicherheitsbehörden einen hohen Stellenwert haben und mindestens gleichberechtigt neben dem Schutz vor Terrorismus und Kriminalität stehen.

 

III. Der Landtag beschließt

 

1.      die sofortige und vollumfängliche Überprüfung aller IT-Systeme im Landtag und den kooperierenden Stellen in Bezug auf sicherheitsrelevante Datenlecks und grundlegende datenschutzrelevante Versäumnisse in der IT-Infrastruktur.

 

2.      präventive Maßnahmen zum Datenschutz innerhalb der IT-Systeme des Landtags, insbesondere in der Kommunikation zwischen Landtag, Abgeordneten und Ministerien.

 

3.      die sofortige Bereitstellung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des E-Mail-Verkehrs im Landtag.

 

4.      eine umfangreiche Schulung des Personals des Landtags und auf Wunsch auch der Fraktionen im Bereich der IT-Sicherheit.

 

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

 

1.      die sofortige und vollumfängliche Überprüfung aller IT-Systeme der Landesregierung und kooperierender Stellen in Bezug auf sicherheitsrelevante Datenlecks und grundlegende  datenschutzrelevante Versäumnisse in der IT-Infrastruktur vorzunehmen.

 

2.      auf Landesebene unverzüglich Maßnahmen zur  Bereitstellung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu ergreifen, um eine sichere Kommunikation mit und zwischen Behörden zu ermöglichen

 

3.      auch auf Bundesebene unverzüglich darauf hinzuwirken, dass die Vertraulichkeit des Inhalts elektronischer Kommunikation mit und zwischen öffentlichen Stellen durch das Angebot einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewährleistet wird.

 

4.      in der Open.NRW-Strategie der Landesregierung darauf zu achten, dass die Behörden keine Öffentlichkeitsarbeit über Soziale Netzwerke ausführen, ohne auf die erheblichen datenschutzrelevanten Risiken hinzuweisen, die mit einer Kommunikation über diese verbunden sind.

 

5.      für vollständige Aufklärung hinsichtlich der Frage zu sorgen, ob nordrhein-westfälischen Behörden die Existenz von PRISM, „Boundless Informant“ sowie ggf. anderen US-Spionageprogrammen bekannt war.

 

6.      sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass deutsche Bürger und Unternehmen wirksam vor in- und ausländischer Datenspionage und -sabotage geschützt werden.

 

7.      sich auf allen Ebenen für den Schutz vor Strafverfolgung für Whistleblower einzusetzen.

 

8.      ein umfassendes Datenschutzprogramm für die nordrhein-westfälischen Kommunen aufzubauen.

 

 

Dr. Joachim Paul

Monika Pieper

 

und Fraktion


< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!