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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/4020

 

17.09.2013

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

Mehr Transparenz in der Arbeit der Rundfunkkommission – mehr Beteiligung des Landtags und der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung von Staatsverträgen!

 

I. Ausgangslage

 

Mit dem 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) sollte der geltende Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) maßgeblich überarbeitet werden. Anlass für diese Überarbeitung der jugendmedienschutzrechlichen Bestimmungen war zum einen eine Protokollerklärung der Länder zur Evaluierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags aus dem Jahr 2002. Zum anderen sollte mit der Novellierung einem entsprechenden Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz vom 4. Juni 2009 Rechnung getragen werden, den diese nach den Amokläufen von Winnenden und Wendlingen erteilt hatte. Ziel der Überarbeitung war eine Weiterentwicklung und Stärkung des Ansatzes der regulierten Selbstregulierung sowie eine Anpassung der jugendmedienschutzrechtlichen Regelungen in Anbetracht der fortschreitenden Medienkonvergenz, also der zunehmenden Verschmelzung unterschiedlicher Einzelmedien (Radiohören über das Handy, Fernsehen am Computer etc.).

 

Die Regierungscheffinnen und Regierungschefs der Länder unterzeichneten den entsprechend ausgearbeiteten Entwurf des 14. RÄStV am 10. Juni 2010. Der Entwurf des Staatsvertrags wurde jedoch am 16. Dezember 2010 einstimmig vom Landtag Nordrhein-Westfalen abgelehnt. Als wesentliche Gründe für die Ablehnung des 14. RÄStV gelten die fehlenden Partizipationsmöglichkeiten der Netzbürger im Verhandlungsprozess des Staatsvertrags sowie die Tatsache, dass die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Anforderungen des vorgeschlagenen JMStV, vor allem zur Alterskennzeichnung von Angeboten und die Bereitstellung von anerkannter Jugendschutzsoftware nicht geschaffen worden waren. Außerdem wurde kritisiert, dass die Regelungen zu komplex seien, vor allem dass das vorgesehene Klassifizierungssystem für Telemedien große Teile der Bevölkerung überfordere und die vorgesehenen Verfahren zu erhöhtem bürokratischem Aufwand führen würden. Die JMStV-Novelle war damit gescheitert, bis zu einer Neuregelung bleibt der mittlerweile mehr als zehn Jahre alte JMStV in Kraft.

 

Im Herbst 2012 haben die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder die sogenannte Rundfunkkommission der Länder aufgefordert, erneut einen Entwurf für eine Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags vorzulegen. Die Rundfunkkommission der Länder dient als ständige Vermittlungsinstanz und Gesprächsforum für eine gemeinsame Medienpolitik der Länder. Beschlüsse, die in der Rundfunkkommission gefasst werden, werden abschließend den Landesregierungen und -parlamenten zur Entscheidung vorgelegt.

 

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist entsprechend einer Vereinbarung mit dem Landtag vom 15.12.2012 (Drs. 16/1724, Abschnitt II) verpflichtet, den Landtag unverzüglich über geplante Staatsverträge zu informieren, sobald das Verfahren im Interministeriellen Ausschuss für Verfassungsfragen abgeschlossen ist, spätestens jedoch vier Wochen vor Unterzeichnung des geplanten Staatsvertrags. Der Landtag seinerseits ist nach dieser Vereinbarung verpflichtet, die Landesregierung unverzüglich zu informieren, falls sich auf Grund der Unterrichtung Einwände ergeben, die zu einer Verweigerung der Zustimmung führen könnten.

 

Die Sitzungen der Rundfunkkommission der Länder sind nicht öffentlich - weder die Presse noch die interessierte Öffentlichkeit oder Experten haben die Möglichkeit, sich über laufende Beratungen zu informieren, auch ein Livestreaming der Sitzungen findet nicht statt. Tagesordnungen und Sitzungsprotokolle, Arbeitsentwürfe, Expertengutachten und
-stellungsnahmen sind ebenso nicht zugänglich.

 

Die Landesregierung, derzeit in der Regel durch den zuständigen Staatssekretär Dr. Eumann in der Rundfunkkommission vertreten, kann nach eigener Aussage ebenfalls nicht über Zwischenergebnisse der laufenden Arbeit der Rundfunkkommission berichten. Eine Information des Landtags NRW erfolgt lediglich darüber, dass die Rundfunkreferenten beauftragt wurden, Vorschläge für einen praktikablen Jugendmedienschutz zu erarbeiten (vgl. Vorlage 16/840), nicht jedoch über fachliche Fragen oder den tatsächlichen inhaltlichen Sachstand der Beratungen.

 

Die gesamte Arbeit der Rundfunkkommission ist demnach völlig intransparent, weder Parlamentarier noch die Bevölkerung können sich über laufende Verhandlungen informieren oder gar eigene Beiträge oder Verhandlungspositionen einbringen. Dieses Prozedere birgt die Gefahr, dass über lange Zeiträume Entwürfe von Staatsverträgen entstehen, die letztlich dann nicht unterzeichnet werden - eine reale Gefahr, wie der gescheiterte 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eindrücklich vor Augen geführt hat. Transparenz und Partizipation würden die Akzeptanz der Arbeitsergebnisse entscheidend verbessern. Transparente, nachvollziehbare Verhandlungen und Entscheidungen sollten in einem demokratischen Gemeinwesen die Regel sein.

 

Die Landesregierung hat dieses Defizit nach eigener Aussage erkannt (vgl. Drs. 16/3684, Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 6 der Fraktion der Piraten) und möchte sich für eine verbesserte Verfahrenstransparenz einsetzen. Es sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden, um das Verfahren zur Änderung der Rundfunkstaatsverträge künftig nachvollziehbarer und partizipativer zu gestalten. Dieser theoretischen Einsicht der Landesregierung sind jedoch bisher keine greifbaren Ergebnisse gefolgt.

 

 

II. Vor diesem Hintergrund stellt der Landtag fest:

 

1. Die Arbeitsweise der Medienkommission der Länder ist intransparent und wird nicht den Ansprüchen an zeitgemäßes Regierungshandeln gerecht.

 

2. Diese Praxis stellt einen groben Verstoß gegen die demokratisch legitimierten Rechte der Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtags dar.

 

3. Die bisher ausbleibende inhaltliche Information der Abgeordneten des Landtags bzw. der Mitglieder des Kultur- und Medienausschusses durch die Landesregierung verhindert eine frühzeitige fachpolitische Beschäftigung mit den geplanten Inhalten des Entwurfs für einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.

 

4. Die Landesregierung nimmt damit ein erneutes Scheitern eines Jugendmedienschutz-Staatsvertrags billigend in Kauf.

 

 

III. Der Landtag beschließt:

 

1.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass bei Sitzungen der Rundfunkkommission der Länder zukünftig eine größtmögliche Öffentlichkeit hergestellt wird; d. h.

·                Öffentlichkeit der Sitzungen,

·                Internet Live-Streaming und Aufzeichnung der Sitzungen,

·                Veröffentlichung von Tagesordnungen, Sitzungsprotokollen, Vorlagen, Stellungnahmen etc.,

·                Veröffentlichung der jeweiligen Zwischenergebnisse, aktueller Entwürfe von Staatsverträgen etc.

Entsprechende Vorschläge an die Rundfunkkommission möge die Landesregierung zeitnah erarbeiten. Der Landtag ist unverzüglich zu informieren.

 

2.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Mitglieder des Landtags zukünftig regelmäßig über die Verhandlungspositionen der Landesregierung sowie den Sachstand der Verhandlungen zu informieren. Der Landtag muss die Möglichkeit erhalten, verbindliche Verhandlungsrichtlinien für die Landesregierung zu beschließen. Dazu soll die Landesregierung dem Landtag so bald wie möglich Vorschläge vorlegen für

·                eine Änderung der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung vom 15.12.2012
(Drs. 16/1724), sowie für

·                eine Ergänzung der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, Artikel 66, dahingehend, dass Verhandlungen über den Abschluss von Staatsverträgen nur mit Zustimmung des Landtags aufgenommen werden dürfen und der Landtag verbindliche Verhandlungsrichtlinien beschließen kann.

 

3.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten für externe Experten und die interessierte Öffentlichkeit durch Einrichtung eines dauerhaften Online-Konsultationsportals sicherzustellen. Dazu möge die Landesregierung darauf hinwirken, dass die Rundfunkkommission der Länder ein solches Portal einrichtet und sicherstellt, dass dort getätigte Hinweise Eingang in die Beratungen der Rundfunkkommission finden. Die Auseinandersetzung mit den so erhaltenen Hinweisen und Stellungnahmen soll substantiiert, transparent und nachvollziehbar dokumentiert sein. Gegebenenfalls möge die Landesregierung ein solches dauerhaftes Online-Konsultationsportal in eigener Verantwortung einrichten.

 

 

Dr. Joachim Paul

Monika Pieper

Daniel Schwerd

Lukas Lamla

 

und Fraktion


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