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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/5475

 

01.04.2014

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

Parteispendensumpf trocken legen: Evonik-Parteispendenaffäre als Ausdruck der Selbstbedienungsmentalität in der Politik

 

I. Sachverhalt

 

Die Parteienfinanzierung ist seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland Gegenstand der politischen, juristischen sowie gesellschaftlichen Diskussion. Sie steht im Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Staatsferne und der Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, die zugleich eine staatliche Aufgabe darstellt. In einer jahrzehntelangen Entwicklung hat sich in der Bundesrepublik der Grundsatz der maximal hälftigen Finanzierung der Parteien durch den Staat etabliert. Damit soll auch die Chancengleichheit der Parteien im demokratischen Wettbewerb, ein wesentlicher Eckpfeiler der Demokratie, gewährleistet werden.

 

In der Vergangenheit gab es immer wieder kritische Vorfälle, in denen Parteien gegen bestehende Regelungen verstoßen oder diese zu umgehen versucht haben. Dies hat dem Ansehen der Parteien, aber auch der Demokratie in Deutschland insgesamt, massiven Schaden zugefügt. Eine wesentliche Ursache für den oft beklagten Vertrauensverlust in die Politik liegt genau hierin begründet.

 

Jüngst wurde bekannt, dass die Evonik AG nach eigenen Angaben an die Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den letzten Jahren über
1,4 Mio EUR gespendet hat. Zwar sind nach dem Parteiengesetz Spenden juristischer Personen an Parteien grundsätzlich zulässig. Um dem Prinzip der Staatsferne zu genügen, sind aber Spenden solcher juristischer Personen gem. § 25 II Nr. 5 PartG verboten, die sich zu mehr als einem Viertel in staatlicher Hand befinden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die relative bzw. absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung gem. § 18 PartG umgangen würde. Der Grund für diese maximal hälftige staatliche Parteienfinanzierung besteht darin, den Parteien einen Anreiz zur Einwerbung von privaten Spenden zu geben, um so eine Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft zu erreichen. Der Gesetzeszweck wäre konterkariert, wenn den Parteien und den für sie handelnden Personen erlaubt wäre, letztlich durch ihren eigenen Einfluss Spenden zu generieren.

 

Bei der Evonik AG handelt es sich um eine juristische Person, die sich im Wesentlichen im Eigentum der RAG-Stiftung befindet (67% Anteilsbesitz). Bei der RAG-Stiftung wiederum handelt es sich zwar de jure um eine Stiftung bürgerlichen Rechts und damit nicht um eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass erheblicher Einfluss durch Bundes- und Landespolitik auf die Stiftung ausgeübt wird. So sieht die Satzung vor, dass die RAG-Stiftung die sich aus der Stilllegung des Steinkohlebergbaus ergebenden Ewigkeitslasten übernimmt. Damit erfüllt sie eindeutig eine staatliche Aufgabe. Gleichzeitig, quasi dem Stiftungszweck entsprechend, gehören dem Stiftungskuratorium die Ministerpräsidenten von NRW und dem Saarland sowie die Bundesminister für Finanzen und für Wirtschaft und Energie an. Insofern kann nicht von einer rein privaten, staatsfernen Stiftung gesprochen werden.

 

Der de jure und de facto bestehende staatliche und parteipolitische Einfluss auf die
RAG-Stiftung setzt sich über die Mehrheitsbeteiligung an der Tochter Evonik AG fort. Die von ihr getätigten Parteispenden müssen also auch im Lichte der bestehenden Abhängigkeiten bewertet werden.

 

Es macht tatsächlich keinen Unterschied, ob der staatliche Einfluss über eine direkte Mehrheitsbeteiligung vermittelt wird, oder aber eine juristische Person, in diesem Fall eine private Stiftung in Form der RAG-Stiftung, dazwischen geschaltet ist. Dies ist der Fall, da qua Satzung die gleichen Einflussmöglichkeiten auf den Vorstand der Evonik AG vermittelt werden, wie eine direkte Mehrheitsbeteiligung durch den Staat.

 

II. Der Landtag stellt fest

 

1.      Die Parteienfinanzierung ist ein für die Demokratie höchst sensibler Bereich. In der Vergangenheit hat das Finanzgebaren verschiedener politischer Parteien zu einem erheblichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung sowohl gegenüber Parteien als auch der Parteiendemokratie insgesamt geführt.

 

2.      Alle Akteure, insbesondere die Parteien selbst, sind aufgerufen, verantwortungsvoll in diesem Bereich zu agieren und jeden Anschein zu vermeiden, dass sie gegen Regelungen zur Parteienfinanzierung verstoßen oder diese umgehen wollen.

 

3.      Die Parteispendenpraxis der Evonik AG ist vor dem Hintergrund ihrer Beherrschung durch die RAG-Stiftung und dem vorherrschenden politischen Einfluss über das Stiftungskuratorium als eine Umgehung von Parteispendenverboten einzustufen und daher abzulehnen.

 

III. Der Landtag beschließt

 

1.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ihren Einfluss auf das Kuratorium der RAG-Stiftung dahingehend auszuüben, dass der Vorstand der RAG-Stiftung angewiesen wird, die von ihr beherrschte Evonik AG zu einer Einstellung ihrer Zahlungen an politische Parteien zu veranlassen.

 

 

Dr. Joachim Paul

Nicolaus Kern

Daniel Schwerd

 

und Fraktion

 


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