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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/5961

 

27.05.2014

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

Vertrauen ist beschädigt, Kontrolle ist notwendig: Die Landesregierung muss eine „Task Force“ zur Überprüfung der Speicherung personenbezogener Daten durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz einsetzen

 

 

I.        Sachverhalt

 

Am 18. September 2013 musste der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius einräumen, dass der dortige Verfassungsschutz über Jahre Daten von publizistisch und journalistisch tätigen Personen rechtswidrig gespeichert hat. Bei einer stichprobenartigen Überprüfung wurden diese Fälle von der niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidentin, Maren Brandenburger, entdeckt. Besonders brisant war nicht zuletzt, dass einer betroffenen Journalistin im Jahr 2012 mitgeteilt worden war, dass keine Daten über sie gespeichert seien. Es gab allerdings Einträge über sie, die erst nach ihrer Anfrage gelöscht wurden. Zwei Wochen nachdem Pistorius Parlament und Öffentlichkeit über die nicht gerechtfertigten Erhebungen und Speicherungen informiert hatte, wurde in Niedersachsen eine sogenannte „Task Force“ eingerichtet, die die Datensätze in der Amtsdatei des Verfassungsschutzes nach rechtswidrigen und nicht erforderlichen Speicherungen personenbezogener Daten durchsuchen sollte. 

 

Der „Task Force“ in Niedersachsen gehörten sechs stimmberechtigte Mitglieder an – darunter die Verfassungsschutzvizepräsidentin, drei Mitarbeiter des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, ein Mitarbeiter des LKA und ein ehemaliger Präsident des Verwaltungsgerichtes. Der Vertreter des Landesbeauftragten für Datenschutz fungierte zusätzlich als beratendes Mitglied.

 

Der Abschlussbericht der „Task Force“ ist vor kurzem vorgestellt worden und hat die tausendfache illegale Datenspeicherung des niedersächsischen Verfassungsschutzes offengelegt: Rund 2.000 Personenspeicherungen wurden beanstandet und zur umgehenden Löschung empfohlen. Weitere ca. 1.500 Speicherungen sollen, so der Abschlussbericht, „zeitnah“ gelöscht werden, weil sie zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nicht mehr erforderlich sind. Insgesamt hat die „Task Force“ die Datensätze von 9.004 in der Amtsdatei gespeicherten Personen geprüft, lediglich 5.503 Personenspeicherungen davon empfiehlt sie beizubehalten. Das entspricht einem Anteil von 61,12 Prozent. Angesichts dieser hohen Zahl rechtswidriger und nicht erforderlicher Speicherungen erklärte Innenminister Pistorius: „Das ist erschreckend, weil es nicht um Versehen oder individuelle Fehler einiger weniger Mitarbeiter geht, sondern weil das System offenbar versagt hat und es keine Absicherung gab. Nach diesen Ergebnissen liegt ein Fall von Organisationsverschulden vor.“ 

 

Wenn aber ein Systemfehler an der illegalen Datenspeicherung in Niedersachsen Schuld war – und nicht etwa ein individuelles Fehlverhalten –, dann können rechtswidrige Speicherungen auch bei anderen Verfassungsschutzämtern angefallen sein, auch in NRW. Die Paragraphen des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG -), die die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten betreffen, sind durchaus ähnlich strukturiert wie die in Nordrhein-Westfalen (vgl. Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW -). Gewiss gibt es Unterschiede: So dürfen in NRW keine Personen vor der Vollendung ihres 16. Lebensjahres gespeichert werden; aber die Anlässe, die eine Erfassung durch die Verfassungsschutzämter erlauben, sind im Wesentlichen gleich normiert. 

 

Die Ergebnisse der „Task Force“ in Niedersachen verleihen den Forderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen nach unabhängiger Überprüfungen der Datenbestände aller Verfassungsschutzämter Nachdruck. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass auch in NRW fehlerhaft gespeichert wurde. Eine entsprechende Überprüfung und die Offenlegung ihrer Ergebnisse können dazu beitragen, die Bevölkerung für diese Problematik zu sensibilisieren. Immer noch nehmen viel zu wenige Menschen ihr Recht auf Auskunftsersuchen wahr (vgl. Drucksache 16/5427). 

 

In der Amtsdatei des Verfassungsschutzes NRW sind derzeit ca. 532.000 Personen eingetragen. Von diesen werden 498.598 Personen zur Wahrnehmung der Aufgaben in Mitwirkungsangelegenheiten wie Sicherheitsüberprüfungen an Flughäfen gespeichert. Ca. 34.000 Personen speichert der Verfassungsschutz demnach zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 3 Abs. 1 VSG NRW (vgl. Drucksache 16/5341). Bei einer so hohen Anzahl gespeicherter Personen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Es gibt daher auch in NRW Anlass zu zweifeln, ob alle Speicherungen des hiesigen Verfassungsschutzes berechtigt sind.

 

II.       Der Landtag beschließt:

 

1.    Die Landesregierung wird aufgefordert, eine „Task Force“ nach niedersächsischem Vorbild einzurichten, um die personenbezogene Datenspeicherung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes auf ihre Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit zu prüfen, und zwar im Hinblick auf die Zulässigkeit der Erstspeicherungen und der ergänzenden fortgesetzten Speicherungen. 

 

2.    Dem Landesdatenschutzbeauftragten wird das Recht eingeräumt, als stimmberechtigtes Mitglied an der „Task Force“ teilzunehmen; unabhängige externe Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind als stimmberechtigte Mitglieder paritätisch hinzuzuziehen. 

 

3.    Die Einsetzung und die Arbeitsweise der „Task Force“ müssen in einem transparenten Verfahren erfolgen. Das Parlament ist regelmäßig über die Zwischenergebnisse der Untersuchung zu unterrichten. Die finalen Ergebnisse der „Task Force“ sind offenzulegen. 

 

4.    Aus den Erkenntnissen der Überprüfung durch die „Task Force“ sollen Handlungsempfehlungen für die zukünftige Speicherung personenbezogener Daten durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz abgeleitet werden. 

 

5.    Personen, deren Speicherung die „Task Force“ beanstandet, sollen über die Eintragungen und erfolgten Grundrechtseingriffe unverzüglich informiert werden. Die über sie gespeicherten Daten sollen den betroffenen Personen dabei vollständig mitgeteilt und anschließend im Datenbestand ausnahmslos gelöscht werden.

 

 

 

Dr. Joachim Paul

Nicolaus Kern

Frank Herrmann

Daniel Schwerd

 

und Fraktion


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