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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/11320

 

03.03.2016

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 4429 vom 3. Februar 2016

des Abgeordneten Daniel Schwerd   FRAKTIONSLOS

Drucksache 16/11018

 

 

 

Rechtsfreier Raum Nazidemo in NRW? Symbol verbotener Organisation auf Duigida-Demo unter den Augen der Polizei

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4429 mit Schreiben vom 2. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Auf der Duigida-Demonstration in Duisburg am 1. Februar 2016 trugen Demonstranten ein Banner „Good Night Left Side“ durch die Straßen, in dessen Mitte zwischen dem zweiten und dritten Wort ein Keltenkreuz (Fadenkreuz, also die Darstellung eines gleichschenkligen Balkenkreuzes, um dessen Schnittpunkt ein Ring gelegt ist) abgebildet war. Fotos zeigen, dass die Zurschaustellung dieses Symbols unter den Augen der Polizisten geschah, welche die Demonstration bewachten, ohne dass diese eingriffen.[1] Bei Gegendemonstranten, die diesen Umzug zu blockieren versuchten, wurden hingegen noch vor Ort die Personalien festgestellt. Sie müssen mit Ermittlungen wegen Nötigung rechnen.[2]

 

Das gleichschenklige Keltenkreuz war das Symbol der 1982 nach zwei Morden verbotenen, rechtsextremen „Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch eine isolierte Verwendung dieses Kennzeichens nach § 86a des deutschen Strafgesetzbuches strafbar sein, wenn nicht die äußeren Umstände eindeutig ergeben, dass der Schutzzweck der Norm nicht tangiert ist – wie das bei der Demonstration zweifellos der Fall ist. [3] Diese Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Darüber hinaus lässt sich das Symbol – gesehen als Fadenkreuz, verbunden mit dem Spruch „Good Night Left Side“ – als Aufforderung zur Gewalt interpretieren. Die Polizei ließ diesen strafbaren Zustand ungeahndet.

 

In Duisburg herrscht – unter dem Deckmantel der Demonstration „besorgter Bürger“ – mittlerweile offenes Nazitum. Die Polizei lässt die Rechtsextremen gewähren. Das ist ein unerträglicher Zustand: Auch rechte Demonstrationen dürfen kein rechtsfreier Raum sein. Gerade einmal zwei Stunden zuvor befand sich Innenminister Jäger mit Personenschutz im Duisburger Bahnhof.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Die Landesregierung tritt seit Jahren entschieden gegen Rechtsextremismus ein. Davon zeugen die vielfältigen durchgeführten bzw. geförderten Präventionsmaßnahmen auf der einen Seite, aber auch auf der anderen Seite das konsequente Vorgehen gegen rechtsextremistische Strukturen, wie zum Beispiel die Verbote von Vereinigungen. Zu den vielfältigen polizeilichen Aktivitäten gehören unter anderem:

 

·        Am 22.12.2011 hat die Landesregierung ein Acht-Punkte-Programm gegen Rechtsextremismus zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität-Rechts beschlossen und umgesetzt. Die Eckpunkte dieses Programms sind u. a. die Erhöhung des Kontrolldrucks auf rechtsmotivierte Straftäter, die konsequente Verfolgung von erkannten Straftaten, die Vernetzung relevanter Informationen in einem Kompetenzzentrum des LKA NRW sowie verstärkte Prävention gegen das Abrutschen in den Rechtsextremismus und das Ausweiten von Aussteigerprogrammen.

·        Darüber hinaus hat die Landesregierung mit dem „Handlungskonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Früherkennung rechtsextremistischer Terroristen sowie zur Verhütung und Verfolgung der Politisch motivierten Kriminalität“ die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität-Rechts als Aufgabenschwerpunkt in allen Polizeibehörden des Landes verankert.

·        Im Oktober 2015 wurde im LKA NRW eine Task Force zur Bekämpfung rechtsextremistischer Hetze im Internet und den sozialen Medien eingesetzt. Sie ermittelt gezielt gegen die Urheber von rechten Hasskommentaren und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus.

·        Die Polizei und der Verfassungsschutz des Landes NRW arbeiten im Rahmen der rechtlichen Grundlagen vernetzt mit den anderen Polizeien und Diensten der Länder und des Bundes auch zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zusammen. Das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum ist eine Plattform für diese Zusammenarbeit, die fortwährend evaluiert und weiterentwickelt wird.

 

 

1.      Bei welchen Demonstrationen wurden seit Anfang 2012 bis heute Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt? Nennen Sie jeden einzelnen Fall.

 

Die erbetenen Daten liegen auf Landesebene nicht automatisiert abrufbar vor. Statistisch wird das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bei versammlungsrechtlichen Veranstaltungen landesweit nicht gesondert erfasst. Darüber hinaus würde eine Erhebung der erbetenen Daten eine händische Auswertung der polizeilichen Vorgänge mit Demonstrationsbezug über den angefragten Zeitraum bedingen und wäre mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich.

 

 

2.      Bei welchen dieser Fälle griff die Polizei nicht ein?

 

Die konsequente und beweissichere Verfolgung von Straftaten gehört zu den Kernaufgaben der nordrhein-westfälischen Polizei. Sofern die Polizei Kenntnis von Straftaten erhält, trifft sie die anlassbezogen geeigneten, erforderlichen und verhältnismäßigen Maßnahmen zu deren Erforschung.

Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

 

 

3.      Aus welchen Gründen griff die Polizei jeweils nicht ein?

 

Siehe Antworten zu den Fragen 1. und 2.

 

 

4.      Wie bewertet die Landesregierung das Zeigen des Banners mit dem „Keltenkreuz“ auf der Duisburger „Duigida“-Demonstration am 01. Februar 2016? Gehen Sie darauf ein, inwieweit es sich um eine strafbare Handlung handelt, sowie inwieweit der Eingriff der Polizei geboten wäre. Begründen sie, warum in diesem Falle nicht eingegriffen wurde, sowie die Verhältnismäßigkeit im Vergleich zum Umgang mit Gegendemonstranten.

 

Am 01.02.2016 fand im Zeitraum 19:00 bis 21:06 Uhr die angemeldete Versammlung zum Thema „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ unter Beteiligung von ca. 330 Personen in der Duisburger Innenstadt in Form eines Aufzuges mit Auftakt- und Abschlusskundgebung weitgehend störungsfrei statt. In der Nähe des Versammlungsortes wurde eine Person mit einer Reichskriegsflagge festgestellt. Diese wurde zur Gefahrenabwehr sichergestellt. Zwei Teilnehmer der PEGIDA-Versammlung führten Waffen, gefährliche Gegenstände bzw. Schutzwaffen mit sich. Die Personen wurden in Gewahrsam genommen und entsprechende Strafverfahren eingeleitet. Darüber hinaus wurden drei Strafanzeigen gegen Teilnehmer dieser Versammlung wegen Beleidigung erstattet. Einer dieser Tatverdächtigen wurde ebenfalls in Gewahrsam genommen.

Während des Aufzuges blockierten acht Personen den Aufzugsweg. Diese Versammlung wurde aufgelöst, nachdem die Personen der Auflage, die Fahrbahn zu verlassen, nicht nachkamen. Trotz dreimaliger Aufforderung entfernten sich die Personen nicht und wurden durch die Einsatzkräfte von der Fahrbahn getragen. Ihre Personalien wurden festgestellt und ein Strafverfahren eingeleitet.

Aus der PEGIDA-Demonstration heraus wurde eine Glasflasche in Richtung der Blockierer geworfen. Personen wurden nicht getroffen; eine Strafanzeige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung wurde gegen Unbekannt erstattet.

Die Gegendemonstrationen der Bündnisse „Duisburger Netzwerk gegen Rechts“ und „Duisburg stellt sich quer“ verliefen mit insgesamt 125 Teilnehmern im Zeitraum 18:38 bis 21:12 Uhr störungsfrei.

Durch Einsatzkräfte wurde das durch den Fragesteller beschriebene Banner mit einem Keltenkreuz während der Versammlung festgestellt, jedoch nicht als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation erkannt. Im Nachgang wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a StGB eingeleitet, das durch die Staatsanwaltschaft Duisburg geführt wird. Die Ermittlungen dauern an. Eine Sensibilisierung der Einsatzkräfte ist erfolgt.

 

Da die Einsatzkräfte die strafrechtliche Relevanz nicht erkannten, unterblieben erste strafprozessuale Maßnahmen. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass die Vielzahl verbotener Kennzeichen und deren Varianten - auch vor dem Hintergrund der sich stets fortentwickelnden unterschiedlichen Rechtsprechung - eingesetzte Polizeibeamte immer wieder vor Schwierigkeiten in der rechtlichen Einordnung stellt. Gerade in dynamischen Einsatzlagen, in denen die Einsatzkräfte unterschiedlichste Aufgabenstellungen (u. a. Trennung rivalisierender Gruppen, Verhinderung von Gewaltdelikten) zeitgleich zu bewältigen haben, stellt dies eine besondere Herausforderung dar.

 

 

5.      Was unternimmt die Landesregierung, um das Zeigen verbotener Symbole auf solchen Demonstrationen zukünftig zu unterbinden?

 

Die Einsatzkonzeptionen der nordrhein-westfälischen Polizeibehörden aus Anlass versammlungsrechtlicher Veranstaltungen sind unter anderem darauf ausgerichtet, eine konsequente und beweissichere Strafverfolgung zu gewährleisten. Gewonnene Einsatzerfahrungen - auch im Lagefeld Rechtslage - werden in zukünftigen Einsatzplanungen angemessen berücksichtigt.

 

Rechtliche Themen und Fragestellungen sind darüber hinaus grundlegender Gegenstand der polizeilichen Aus- und Fortbildung sowie anlassbezogener Einsatznachbereitungen. Dies gilt auch für Straftatbestände, die Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaates beschreiben.

 

 

 



[1] https://twitter.com/hashtag/noduigida?f=images

[2] http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/50510/3240485

[3] Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 1. Oktober 2008, Az. 3 StR 164/08, http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/08/3-164-08.php


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