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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2048

 

06.02.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 807 vom 8. Januar 2013

der Abgeordneten Birgit Rydlewski und Daniel Schwerd  PIRATEN

Drucksache 16/1860

 

 

 

Verbot und Entziehung der Gemeinnützigkeit von Vereinen

 

 

 

Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 807 mit Schreiben vom 5. Februar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Schon seit geraumer Zeit wird Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen, wenn diese als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Im Entwurf für das Jahressteuergesetz 2013 war vorgesehen, dass in Zukunft alle im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes geführten Vereinigungen künftig automatisch ihre Gemeinnützigkeit und damit verbundene steuerliche  Vorteile verlieren sollen.

 

Gegen eine Nennung oder Einstufung in einem Verfassungsschutzbericht bestehen keine rechtsstaatlichen Mittel, ein darauf fußender automatischer Verwaltungsakt ist aus diesem Grund kritisch einzustufen. Zudem entsteht eine Beweislastumkehr durch die Erwähnung, womit die Unschuldsvermutung aufgehoben ist.

 

Da die Berichte aller Bundesländer herangezogen werden, würde sich die kritischste Einstufung eines Landesverfassungsschutzes durch die Erwähnung des Vereins durchsetzen, auch wenn er in anderen Bundesländern als nicht erwähnenswert eingestuft wird. Damit wird das Subsidiaritätsprinzip bzw. das Prinzip des Föderalismus verletzt.

 

Auch wenn die betroffene Körperschaft vor den Verwaltungsgerichten gegen die Einstufung als extremistisch klagt, und Finanzämter und Finanzgerichte den Ausgang dieser Verfahren abwarten, entsteht durch die Rechtsunsicherheit ein existenzbedrohender Schaden.

 

In mindestens einem Fall wurde in Nordrhein-Westfalen einem eingetragenen Verein die Gemeinnützigkeit mit Hinweis auf einen Verfassungsschutzbericht aberkannt. Dem Frauenverband Courage e.V. wurde im Steuerbescheid vom 14.12.2012 vom Finanzamt Wuppertal mitgeteilt, dass ihm aufgrund der Nennung im Bericht des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen 2010 die Gemeinnützigkeit ab 2010 aberkannt wird.

 

Hingewiesen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/8711 aus dem Jahr 2009, in der es heißt: „Nach den Grundsätzen unseres Rechtsstaats reicht ein Verdacht oder eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch nicht für eine Sanktion – hier: Aberkennung der Gemeinnützigkeit – aus“, dessen Gültigkeit die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundesdrucksache 17/10181 aus dem Jahr 2012 nochmals bekräftigte.

 

 

1.         Welche Vereine wurden in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.2010 bis zum heutigen Datum mit welcher Begründung verboten?

 

1.  Am 27.05.2011 wurde das am 21.04.2011 erlassene Verbot des Vereins „Die Helfenden“ in Rees vollzogen. Der Zweck und die Tätigkeit des Vereins „Die Helfenden e.V.“ liefen den Strafgesetzen zuwider.

2.  Am 26.04.2012 wurde das am 23.04.2012 erlassene Verbot des Vereins „Bandidos MC Aachen“ einschließlich seiner Teilorganisationen „Chicanos MC Chapter Aachen“, „Chicanos MC Chapter Alsdorf“, „ Chicanos MC Chapter Düren“, X-Team MC Aachen“ und „Diablos MC Heinsberg“ vollzogen, da Zweck und Tätigkeit des Vereins einschließlich seiner Teilorganisationen den Strafgesetzen zuwiderliefen.

3.  Am 03.05.2012 wurde das am 18.04.2012 erlassene Verbot des Vereins „Hells Angels MC Cologne“ einschließlich seiner Teilorganisation „Red Devils MC Cologne“ vollzogen. Der Zweck und die Tätigkeit des Vereins und seiner Teilorganisation liefen den Strafgesetzen zuwider.

4.  Am 10.05.2012 wurde das am 25.04.2012 erlassene Verbot des Vereins „Kameradschaft Walter Spangenberg“ vollzogen. Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und lief nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider.

5.  Am 23.08.2012 wurde das am 31.07.2012 erlassene Verbot des Vereins Kameradschaft Aachener Land“ vollzogen. Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zudem lief sie nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider.

6.  Am 23.08.2012 wurde das am 06.08.2012 erlassene Verbot des Vereins „Kameradschaft Hamm“ vollzogen. Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Er lief nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider.

7.  Am 23.08.2012 wurde das am 10.08.2012 erlassene Verbot des Vereins „Nationaler Widerstand Dortmund“ vollzogen. Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und lief nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider.

 

 

 

 

 

 

2.       Welchen Vereinen wurde in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.2010 bis zum heutigen Datum die Gemeinnützigkeit ent­zogen?

Nennen Sie den jeweiligen Aberkennungsgrund, insbesondere ob eine Erwähnung oder Einstufung im Verfassungsschutzbericht der Grund war.

 

Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit kann aus diversen Gründen in Betracht kommen. So ist der Status der Gemeinnützigkeit insbesondere auch dann in Gefahr, wenn die tatsächliche Geschäftsführung (siehe § 63 der Abgabenordnung – AO –) nicht im Einklang mit den Geboten der Selbstlosigkeit (§ 55 AO), der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) oder der Unmittelbarkeit (§ 57 AO) steht. Angesichts dessen dürften die auf Grundlage des § 51 Abs. 3 AO erfolgten Aberkennungen der Gemeinnützigkeit lediglich einen äußerst geringen Anteil an der Gesamtzahl der Fälle haben, in denen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde.

 

Statistiken zu der Anzahl und dem Aberkennungsgrund der Fälle, in denen die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, liegen nicht vor. Etwaige der Landesregierung bekannt gewordene diesbezügliche Erkennt­nisse in Einzelfällen unterlägen zudem der Verpflichtung zur Wahrung des Steuer­geheimnisses (vgl. § 30 AO).

 

 

3.       Wie viele Verbotsverfahren verfolgt die Landesregierung derzeit noch mit welcher Begründung?

 

Die Landesregierung prüft vereinsrechtliche Handlungsmöglichkeiten fortlaufend sorgfältig. Wegen der damit ggf. notwendig werdenden Beweissicherungsmaßnahmen werden aktuelle Anstrengungen naturgemäß nicht öffentlich gemacht.

 

 

4.       Wie viele Verfahren zur Entziehung der Gemeinnützigkeit sind gegenwärtig anhängig und welche Fallkonstellation liegt der beabsichtigten Entziehung jeweils zugrunde?

Schlüsseln Sie die Zahlen nach dem jeweiligen Aberkennungs­grund auf, insbesondere ob eine Erwähnung oder Einstufung im Verfassungsschutzbericht der Grund sein soll.

 

Siehe Antwort zu Frage 2.

 

 

5.       Wie bewertet die Landesregierung die Aberkennung der Gemein­nützig­keit eines eingetragenen Vereins aufgrund einer Nennung oder Einstufung in einem Verfassungsschutzbericht, insbesondere vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung, Verhältnis­mäßig­keit, rechtsstaatlicher Verfahren, der Subsidiarität bzw. Föderalis­mus und der oben zitierten Antwort der Bundesregierung?

 

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 sind folgende Sätze in § 51 Abs. 3 AO aufgenommen worden:

 

„Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwider­han­delt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“

Die Landesregierung geht in Übereinstimmung mit den Regelungen im bundeseinheitlichen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) davon aus, dass der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO voraus­setzt, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutz­bericht "als extremistische Organisation“ aufgeführt ist oder bei denen es nach einem Verfassungsschutzbericht zumindest belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch gibt (AEAO zu § 51 Abs. 3 Nr. 10 Satz 2). Das ist nicht der Fall, wenn die Körperschaft dort nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet (AEAO zu § 51 Abs. 3 Nr. 11).

 

 


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