Unvereinbarkeitserklärung


Die folgende Unvereinbarkeitserklärung haben bereits über 500 Piraten sowie 20 Gliederungen unterzeichnet. Der Kölner Stammtisch und viele Kölner Piraten ebenfalls (ich natürlich auch):

Wir sind eine globale Gemeinschaft von Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, offen für alle mit neuen Ideen.

Wer jedoch mit Ideen von Ras­sis­mus, Sexis­mus, Homo­pho­bie, Ableis­mus, Trans­pho­bie und ande­ren Dis­kri­mi­nie­rungs­for­men und damit verbundener struktureller und körperlicher Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der Akzeptanzgrenze.

Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine alternative Gesellschaft hinarbeitet, deren Grundsätze auf Chauvinismus und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die moralischen Grundsätze, die uns als Piraten verbinden.

Die unterzeichnenden Piraten erklären das Vertreten von Rassismus und von der Verharmlosung der historischen und aktuellen faschistischen Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft.

Wer sich noch anschließen möchte, bitte hier:

http://wiki.piratenpartei.de/Pirantifa/Unvereinbarkeitserklärung

„Geistiges Eigentum“ und die Menschenrechte

Derzeit wird in der Urheberrechtsdebatte gerne damit argumentiert, ein Recht auf „geistiges Eigentum“ sei in den Menschenrechten festgeschrieben. Dies soll als Totschlagargument dazu dienen, Diskussionen um eine Reform des Rechtskomplexes im Keim zu ersticken, möglicherweise im Vertrauen darauf, dass niemand weiß, welches die Menschenrechte so genau sind und was sie regeln.

Schaut man mal genauer nach Menschenrechten, dann ist deren wichtigste, allgemein anerkannte Basis sicherlich die „Universal Declaration of Human Rights“, wie sie die UN-Generalversammlung am 10. Dezember 1948 beschlossen hat – damals im Schatten des zweiten Weltkrieges und der faschistischen Diktaturen, als klares Bekenntnis zur Menschlichkeit und zum Frieden. Deutschland hat im Grundgesetz in Artikel 1 Absatz (2) die Menschenrechte als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft anerkannt.

Sucht man in diesen Menschenrechten nach geistigem Eigentum, was findet man da? Richtig, nichts. Dieser Begriff ist in den Menschenrechten nicht erwähnt, schon gar nicht geschützt.

Allerdings findet man in Artikel 27 Absatz 2. folgende Regelung:

Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Hier ist die Rede von Urheberrechten: Künstler, Forscher, Autoren, Musiker haben ein Recht auf den Schutz sowohl ihrer geistigen als auch materiellen Interessen, die sie an und durch ihre Werke haben. Urheberrechte, und das ist der feine Unterschied zu geistigem Eigentum, können aber nur die Urheber halten – Urheberrechte sind keine Ware, und können nicht gehandelt werden. Alleine die Vervielfältigungs- und Lizenzierungsrechte können gehandelt werden – genießen aber keinen menschenrechtlichen Schutz.

Der zweite, feine Unterschied ist die sprachliche Ausweitung des „geistigen Eigentums“ auf Konzepte, Ideen, Fragmente, Zitate, Anmutungen – all diese Dinge sind im Urheberrecht aber gar nicht geschützt, sondern stets nur konkrete Werke. Trivialpatente, Marken- und Patentrolling, Leistungsschutz von Verlagen gehören nicht zu den Urheberrechten.

Indem man das Urheberrecht sprachlich auf ein „geistiges Eigentum“ aufweicht, versucht man in der Diskussion das Menschenrecht für den Handel mit Immaterialgütern zu missbrauchen – ein Unding, denn das Menschenrecht erstreckt sich natürlich nur auf Menschen, nicht auf Güter, Händler oder eine Distributionsindustrie. Die Geiselhaft der Urheber durch die Contentindustrie ist durch die Menschenrechte keineswegs zu decken.

Sehr erwähnenswert und aufschlussreich ist allerdings der Absatz 1. des Artikel 27, der sich in der Menschenrechtsdeklaration also sogar unmittelbar vor diesem Recht auf Urheberschutz findet:

Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.

Dies ist eine klare Absage an das Konzept des „geistigen Eigentums“ wie es heutzutage mehr und mehr Bestandteil unserer Rechtsprechung geworden ist. An der Teilnahme an Kunst, Kultur und Wissenschaft darf niemand gehindert werden. Monopole auf Wissen, auf Kultur, Forschung und Bildung verstoßen gegen die Menschenrechte. Zugang zu Kunst und Kultur, zu den Errungenschaften von Forschung und Wissenschaft muss diskriminierungsfrei für alle möglich sein. Das Recht auf den freien Handel mit Immaterialgütern ist den Menschenrechten unterzuordnen – so ist dieser Absatz zu lesen. Nur die Urheber selbst genießen einen speziellen Schutz – nicht aber eine Contentindustrie, Verwerter, Vermarkter, Verlage, Konzerne oder Patenttrolle.

Piraten und das Urheberrecht

Das Handelsblatt versucht sich als Kulturbewahrer, und hat 100 „Kreative“ zu Ihrer Meinung zum Thema Urheberrecht und Piraten befragt. Wie befürchtet sind die Piraten für den Untergang des Abendlandes und unserer Kultur verantwortlich, mit ihrer unterstellten Forderung nach Abschaffung des Urheberrechts und Alles-Gratis-Kultur.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Piraten weder das Urheberrecht abschaffen noch Kulturschaffende enteignen wollen – man lese bitte die Position der Piratenpartei – hat das Handelsblatt eine illustre Auswahl von Künstlern gewählt. Nämlich 47 Unternehmer aus der Medienbranche, 8 Politiker, 8 Funktionäre von Branchenverbänden – aber gerade mal einen Musiker, und keinen einzigen Softwareentwickler. 26 Personen der Liste kann man offenbar als Kulturschaffende bezeichnen.

Die Musikpiraten bereiten eine Antwort auf diese Kampagne vor. Mein Statement:

Wir sind nur Zwerge auf den Schultern von Giganten. All unser geistiges Schaffen basiert auf den Werken, die Künstler, Forscher, Wissenschaftler, Musiker und Autoren vor uns geschaffen haben. Die Monopolisierung von Wissen und Werken mit dem Kampfbegriff des „geistigen Eigentums“ unterbricht diese Tradition, und steht der Bildung, Forschung und unserem kulturellem, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Fortschritt im Weg. Eine faire Nutzung von Werken muss möglich sein und bleiben.

Dass ein Kulturschaffender von seiner Arbeit leben können soll, steht dabei ausser Frage. Es gibt aber keinen Grund, dass wir eine Rechtverwertungsindustrie alimentieren, deren Geschäftsmodell obsolet geworden ist. Lass uns lieber dafür sorgen, dass Künstler, Autoren, Musiker, Forscher für Ihre Arbeit angemessen bezahlt werden, denn das ist oft genug nicht der Fall.

Daniel Schwerd, @netnrd, Pirat aus Köln, Listenkandidat zur Landtagswahl NRW, Politiker aus Notwehr, Familienvater, Unternehmer – sowie Blogger, DJ, Musiker und Ersteller von Content aller Art

 

Bild: „Die Blechblos’n“ von Annette Hempfling / Seincon, Lizenz: CC-BY-SA-3.0, Quelle: commons.wikimedia.org