Themenübersicht 2. Sitzung Wirtschaftsausschuss

Hallo liebe Leute,

folgende Themen werden im Wirtschaftsausschuss am 5. September 2012 im Landtag behandelt:

In federführender Beratung:

1) Gesetz zur Förderung des Mittelstandes in Nordrhein-Westfalen (Mittelstandsförderungsgesetz)

In Mitberatung:

2) Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes

3) Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)

4) Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen

Links zu 1-4) findet man jeweils unter:
http://netnrd.de/a18

Weitere Themen:

5) Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Gewerberechtsverordnung 16/45
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-45.pdf

6) Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Gewerberechtsverordnung 16/102
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-102.pdf

7) Einrichtung eines Unterausschusses „Bergbausicherheit“

8) Abbausituation an den Braunkohletagebauen Inden und Garzweiler (noch keine Vorlage vorhanden)

9) Netzausbau in Nordrhein-Westfalen – Bericht der Landesregierung (liegt noch nicht vor)

10) Verschiedenes

Die Sitzung ist öffentlich, sie findet am Mittwoch, den 05.09 ab 10 Uhr in Raum E1-D05 statt.

Über Feedback / Input freue ich mich.

Beschneidungsdebatte, Fortsetzung

Im Grunde bin ich nicht überrascht, dass die Debatte unvermindert anhält – eigentlich wollte ich zu dem Thema vorerst nicht mehr bloggen. Allerdings hat der Gegenwind, den ich erfahren habe, durchaus vergleichbar mit den religiös motivierten Beschimpfungen in diesem Thema zu tun, samt justiziablen Beleidigungen, Bedrohungen und natürlich jeder Menge Polemik, nur das diese aus der anderen Richtung stammt.

Daher habe ich das Bedürfnis, mich erneut zu erklären, auch wenn ich etwas enttäuscht bin, wie sehr man mich falsch verstanden hat, und wie wenig man meine Einstellungen offenbar kennt.

Beschneidungen halte ich grundsätzlich für zumutbar. Man bemerke das Wort „Grundsätzlich“. Es bedeutet eben nicht „alternativlos“, oder „unbedingt“, sondern „im Grunde, es kann aber Ausnahmen geben, die dann ihrerseits gut begründet sein sollen“. Das heißt, es gibt Beschneidungsformen und -Arten, die eben nicht zumutbar sind.

Was für mich auf keinen Fall hinnehmbar ist sind Kindesmisshandlungen. Daher verurteile ich auch jede Beschneidung, die mit Gewalt oder Zwang zu tun hat. Kleine Jungs mit mehreren Erwachsenen festzuhalten und gewaltsam zu beschneiden ist absolut nicht zu tolerieren. Man kann sich vorstellen, dass ärztliche Sorgfalt bei einem zappelnden Kleinkind nicht anzuwenden ist. Solche Situationen können schwere, lebenslange Traumata auslösen. Genauso unakzeptabel halte ich Beschneidungen ohne Betäubung. Es ist in der Beschneidungszeremonie sicher hinzunehmen, dass der Schmerz des Kindes soweit wie möglich gelindert wird.

Sichergestellt werden muss auch Ausbildung und Hygiene. Eine Beschneidung auf dem Küchentisch des Rabbi oder des Imam ist unakzeptabel. An eine Beschneidung müssen dieselben Anforderungen gestellt werden wie an jede andere Operation auch.

Schließlich ist die Information und Belehrung der Eltern unabdingbar. Eltern müssen über die Gefahren, Risiken und Spätfolgen eindringlich informiert werden. Ihnen muss vor Augen geführt werden, dass sie die Sexualität ihres Sohnes möglicherweise auf Dauer beeinträchtigen. Dazu sollte man Zahlenmaterial erheben und vorlegen, welches die Risiken verdeutlicht. Eine Regelung, über die Belehrung zu „schlafen“, kann auch sinnvoll sein.

Man halte sich aber auch vor Augen, dass die Beschneidung in aller Regel ohne Folgen oder Nebenwirkungen verläuft. Man verbietet ja nicht grundsätzlich alle risikogeneigten Tätigkeiten oder Operationen, sondern man wägt den Vorteil und das Risiko gegeneinander ab. Eine Automatik, dass Beschneidung zu Kindesleid führt, gibt es nicht.

Gewiss ist es sinnvoller, mit der Beschneidung zu warten, bis der Junge einwilligungsfähig ist, und über seine Religion und den dazu notwendigen Ritus selbst entscheiden kann. Ich weiß nicht, wie das in den Strömungen des Islam ist, aber für das Judentum stellt dieser Wunsch offenbar keine Lösung dar. Eventuell abweichende Riten wären wünschenswert, der Eingriff von Staatswegen in die Ausübung der Religion halte ich aber für kritisch. Für die absolute Mehrzahl der gläubigen Juden führt kein Weg an der Beschneidung am achten Tag vorbei.

Um es an dieser Stelle auch ganz deutlich zu sagen: Ich selbst bin gar nicht religiös. Religiöse Riten selbst sind mir egal. Ich bin nicht beschnitten, und bin auch sehr froh, es nicht zu sein. Ich halte Beschneidungen für ein nicht mehr zeitgemäßes Ritual, sie in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr angezeigt oder wünschenswert.

Was mir aber nicht egal ist, das ist die Freiheit. Jeder hat die Freiheit, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden. Wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob wir das für richtig oder sinnvoll halten – Religion ist Privatsache. Dazu gehört auch die Freiheit, dumme oder unverständliche Riten zu vollziehen.

Kleine, nicht einwilligungsfähige Kinder haben die notwendige Entscheidungsfreiheit nicht. Das liegt in der Natur – Kinder erlangen ihre Entscheidungsfreiheit erst im Laufe der Jahre. Bis dahin sind die Eltern dafür zuständig, solche Entscheidungen zum Wohle ihrer Kinder zu treffen.

Und hier liegt für mich der Hase im Pfeffer: Dürfen wir Eltern untersagen, eine Religionsentscheidung für ihre Kinder zu treffen? Darf diese Entscheidung auch die körperliche Unversehrtheit umfassen? Dürfen Eltern ihre Kinder Risiken aussetzen?

Hier nehme ich den Standpunkt der Eltern ein: Ich treffe jeden Tag Entscheidungen für meine Kinder. Ich entscheide, wo sie wohnen, was sie essen, ich entscheide, wo sie zur Schule gehen. Ich steige mit ihnen in ein Flugzeug oder ein Auto ein. Selbstverständlich setze ich meine Kinder tagtäglich Risiken aus. Die Entscheidung, welches ihr Schulweg ist, wird von mir getroffen. Wenn ich den Job wechsle, umziehe, oder mich scheiden lasse, dann beeinflusst und beeinträchtigt das meine Kinder auf vielerlei Hinsicht, und nicht immer positiv, aber auch nicht immer vermeidbar.

Meine Entscheidungen beeinflussen das Wohl der Kinder auf vielfältige Weise. Ich verwehre mich aber dagegen, von der Gesellschaft, dem Staat, den Gesetzen entmündigt zu werden – ich trage die Verantwortung und das Risiko, bis meine Kinder alt genug sind. Wenn ich dazu nicht in der Lage bin, hat der Staat mich in Bezug auf meine Kinder zu entmündigen. In einzelne Regelungen eingreifen ist jedoch stets ein Eingriff in meine Freiheit. Das darf nur dann geschehen, wenn Eltern nicht mehr das Wohl ihrer Kinder im Blick haben.

Um den Bogen zurück zur Religion zu spannen: Ich bin überzeugt davon, dass muslimische und jüdische Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen. Sie sind der Ansicht, ihren Kindern gerecht zu werden, wenn sie sie beschneiden, und sie Mitglied einer gläubigen Gemeinde werden lassen. Die Entscheidung, das richtig zu halten, muss man den Eltern überlassen. Wichtig ist allerdings, dass sie in der Lage versetzt sind, das Risiko und die Folgen abzuschätzen.

Religionsfreiheit ist die Freiheit, sich für oder gegen Religion entscheiden zu können. Für nicht einwilligungsfähige Kinder bedeutet das, dass diese Freiheit den Eltern zufällt, bis die Kinder sich selbst entscheiden können. Wir haben nicht das Recht, in die Religionsfreiheit der Eltern einzugreifen, um Kinder vor ihren eigenen Eltern zu schützen und sie religionsfrei zu halten – dies ist eine Bevormundung, die ich nicht akzeptieren möchte. Dann ist jede drohende, mögliche Beeinträchtigung von Kindern ein Grund, Entscheidungsfreiheit von Eltern zu begrenzen.

Gleichwohl sollte man eine gesellschaftliche Debatte in den Religionen anregen, wie man mit Beschneidungen umgehen will. Ist es möglich, auf mittlere oder lange Sicht auf Beschneidungen zu verzichten, bzw. den Ritus den Kindern selbst freizustellen im einwilligungsfähigen Alter? Ist es möglich, wenn jemand sich partout nicht beschneiden lassen will, ihn dennoch als Mitglied der Gläubigen und Gemeinden zu akzeptieren? Diese Debatten kann man aber nicht mit Gesetzen und Sanktionen befördern, das wird nur zu Ausweichbewegungen in die Illegalität führen.

Derzeit wird ein Kompromiss erarbeitet, den ich charmant finde: Verbot von Beschneidungen bei nicht einwilligungsfähigen Jungen bei gleichzeitiger Straflosigkeit, und Fristenregelung zur Beratung. Dies verdeutlicht unsere gesellschaftliche Position, von Beschneidungen abzugehen, respektiert aber, wenn Religionen vorerst nicht darauf verzichten wollen.

Ich bin zu diesem Thema vom Krähennest interviewt worden, wer das nachhören möchte, kann das hier tun:
https://blog.piratenpartei-nrw.de/kraehennest/2012/08/26/daniel-schwerd-zur-pm-situation-in-der-fraktion-bzgl-der-beschneidungsdebatte/

Noch ein Wort zu Bedrohungen, die gegen Ali ausgesprochen worden sind: Androhung von Gewalt, Bedrohungen und Beschimpfungen Andersdenkender verurteile ich auf das Schärfste. Man kann anderer Meinung sein, aber man hat eine gut begründete Meinung seines Gegenübers zu respektieren, genauso wie die Person als Mensch. Ali hat unser aller vollste Unterstützung und unser vollstes Mitgefühl. Gegen Diffamierung und Bedrohung sprechen wir uns entschieden aus! Da sind wir vollkommen auf seiner Seite. Ich habe Ali Unterstützung, Unterschlupf, Begleitung und Gesellschaft angeboten. „Ich mag anderer Meinung sein als Du, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass Du sie äußern darfst.“

Zu Pressemitteilungen: Ich möchte gar keine Pressemitteilungen zu diesem Thema herausgeben. Es gibt keinen Konsens in dieser Frage, weder in der Fraktion, noch in der Partei. Daher möchte ich auch verhindern, dass eine einseitige Pressemitteilung herausgeht – es ist einfach nicht angemessen, hier vorzupreschen und eine einseitige Meinung mithilfe der medialen Aufmerksamkeit als Fraktionsmitglied zu transportieren. Sollte das jedoch geschehen, ist es mir wichtig, die Pluralität in dieser Frage darzustellen.

Und wer bis hierhin gelesen hat, dem bin ich besonders dankbar. Ich möchte jetzt wieder Landespolitik machen.

Bild: Autor Sgerbic http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sgerbic – Lizenz CC-BY-SA-3.0

Meine persönliche Meinung zur Beschneidungsdebatte

Beschneidung stellt einen irreversiblen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Jungen dar. Gleichwohl ist das Recht auf freie Wahl und Ausübung der Religion und seiner Bräuche ein Menschenrecht. Bei der Abwägung zwischen beiden Rechten ist es nötig, größte Sorgfalt walten zu lassen. Ein erhobener Zeigefinger und die moralische Keule ist in keinem Fall angebracht. Der Staat hat nicht das Recht, Eltern die Freiheit der religiösen Erziehung zu entziehen. Der Staat hat nicht die Aufgabe, über Zeitgemäßheit von religiösen Bräuchen zu richten.

Auch muslimischen und jüdischen Familien geht es um das Kindeswohl. Sie sind davon überzeugt, dem Wohl ihrer Jungen dadurch gerecht zu werden, sie in einer gläubigen Gemeinschaft aufwachsen zu lassen, bis sie sich selbst für oder gegen eine Religion entscheiden können.

Ich bin der Ansicht, dass die Rechte von Kindern und Gläubigen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.

Grundsätzlich halte ich die Beschneidung von männlichen Säuglingen oder Kleinkindern aus religiösen Gründen für zumutbar, wenn medizinische Sorgfalt beachtet wird, und Aufklärung sichergestellt ist. Beschneidungen sollen nur von medizinisch geschultem Personal unter den Regeln der ärztlichen Kunst und hygienischen Bedingungen erfolgen, eine Betäubung muss selbstverständlich sein. Zumutbar ist auch, dass der Beschneidung eine Beratung der Eltern über Folgen und Risiken vorausgeht. Eine Aufklärungskampagne in den religiösen Gruppen, die für Akzeptanz derjenigen sorgt, die sich gegen die Beschneidung entscheiden, ist denkbar, gleichwohl muss die letzte Entscheidung stets bei den Eltern liegen.

Dies ist meine private Meinung, innerhalb der Piratenpartei gibt es in dieser Frage keinen Konsens.

Blaulichttag und Hengstparade: GEMA-Gebühren in NRW

Ich habe die Landesregierung gefragt, inwieweit und welche GEMA-Gebühren von Ämtern, Ministerien und Dienststellen des Landes Nordrhein-Westfalen anfallen. Die Antwort ist nun verfügbar.

Der Detaillierungsgrad der Antworten ist höchst unterschiedlich, manches Ministerium hat sich viel Mühe gemacht, andere haben offenbar nur eine repräsentative Auswahl von Dienststellen befragt.

Es handelt sich im Wesentlichen um Ausgaben für Konzerte und Aufführungen, gegen die man schwerlich etwas sagen kann – unnötige Kosten für Warteschleifen und Wartebereiche – in denen man gut auf CC-Musik ausweichen könnte – scheinen die Ausnahme zu sein.

Kurios am Rande, was ich nicht wusste: Nordrhein-Westfalen hat ein Gestüt. Hier gab es GEMA-Gebühren in Höhe von rund 7.000 Euro für Musikdarbietungen („Hengstparaden und Hengstschauen“). 800 Euro Gebühren kostete beispielsweise der Blaulichttag des Polizeipräsidium Krefeld.

Ins Auge stechen jedoch zwei große Beträge: Die Justizvollzugsanstalten zahlten über 70.000 Euro, für Aufzeichungs- und Abspielgeräte in Freizeit- und Schulungsräumen. Natürlich sollen auch Häftlinge Zugang zu Musik und Film haben – der GEMA reicht es offenbar nicht aus, die Gebühren auf die Tonträger selbst und die Abspielgeräte zu kassieren, hier müssen offensichtlich auch noch Aufführungsgebühren geleistet werden.

Und das Schulministerium hat einen Pauschalvertrag mit der GEMA zur Aufführung in Schulveranstaltungen und zur Nutzung im Zentralabitur, für das über 259.000 Euro fällig wären. Womit wir wieder bei der Frage der fairen Nutzung von Medien für die Bildung wären.

Die Antwort der Landesregierung samt Liste findet man hier:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-491.pdf

Schäbig: NSU-Tote für Staatstrojaner missbrauchen

Heute kam die Antwort von Innenminister Jäger auf meine Kleine Anfrage, inwieweit die NSU-Morde – oder irgendeine Terrortat rechtsextremen Hintergrundes – durch den Einsatz des Staatstrojaners verhindert oder zumindest aufgeklärt hätte werden können. Ihr erinnert Euch, im Koalitionsvertrag hatte die neue Regierung aus SPD und Bündnis 90 / Die Grünen eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz des Staatstrojaners verabredet, und das ausgerechnet mit den Morden der Terrorzelle „NSU“ begründet.

Heute wurde die Antwort der Landesregierung veröffentlicht, verfasst von Innenminister Jäger. Wie sich zeigt, gibt es nicht den geringsten Hinweis. Ich bin zwar nicht überrascht, dennoch ziemlich sauer. Folgende Pressemitteilung haben wir daraufhin herausgegeben:


MdL Schwerd: Jäger missbraucht NSU-Opfer für Schnüffelprogramm

Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW: „Die rot-grüne Landesregierung will den Staatstrojaner durchsetzen und missbraucht dafür die Mordopfer der Zwickauer Terrorzelle.“

Diese Verbindung zwischen Rechtsterrorismus und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) bewertet Schwerd als „offensichtlich konstruiert und frei aus der Luft gegriffen“. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage Schwerds, die heute in der Drucksache 16/425 veröffentlicht wird, bestätigt seine Auffassung. Darin kann NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) keinerlei Anhaltspunkte dafür liefern, dass eine der NSU-Taten mit der Online-Durchsuchung verhinderbar oder zumindest aufklärbar gewesen wäre.

Die NRW-Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz der TKÜ zu schaffen. Dabei hat schon 2008 das Bundesverfassungsgericht solchen Staatstrojanern enge Grenzen gesetzt: Online-Durchsuchungen dürfen nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib und Leben o. ä. eingesetzt werden. Das Gericht erklärte das entsprechende Gesetz der damaligen schwarz-gelben Landesregierung für verfassungswidrig.

„Ich finde es schäbig, Mordopfer zu missbrauchen, um den Staatstrojaner zu begründen“, meint Schwerd. „Der Ruf nach mehr Überwachung der Bürger wird mittlerweile reflexartig bei allen möglichen Straftaten erhoben, ohne dass sich nachweisen lässt, dadurch mehr Sicherheit zu erreichen.“

Die Frage, warum man dieses Instrument ausgerechnet dem Verfassungsschutz in die Hand geben will, der über keine Befugnisse zur Abwehr solcher Gefahren verfügt, konnte Innenminister Jäger ebenfalls nicht überzeugend beantworten. „Der Hinweis, dass der Verfassungsschutz diese Informationen dann mit der Polizei teilen will, ist nicht überzeugend“, so Schwerd.

Zwei weitere Fragen drängen sich Schwerd auf: Hat sich der Verfassungsschutz etwa durch das Schreddern von NSU-Akten nach Bekanntwerden der Affäre qualifiziert, ein derartiges Abhörinstrument zu erhalten? Und ist nicht gerade der Verfassungsschutz dadurch aufgefallen, trotz V-Leuten und Überwachung der Szene von den Terrorakten der Gruppe keinerlei Ahnung gehabt zu haben?

Minister Jäger kann auf Nachfrage keine Maßnahmen nennen, wodurch der Staatstrojaner auf die Überwachung von Telekommunikation an der Quelle begrenzt bleibt: Er gibt keine Hinweise darauf, wie private Daten auf den Computern geschützt werden können. „Selbst ausgewiesene IT-Experten und Bürgerrechtler melden Zweifel an der technischen Umsetzbarkeit an. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Schnüffelprogramm in Einklang mit den vom Verfassungsgericht aufgezeigten Grenzen gebracht werden kann“, so Schwerd.


Quellen:
Kleine Angrage
Antwort auf Kleine Anfrage
Pressemitteilung

Noch viel lernen Du musst, junger Padawan.

Politiker sein ist ein Beruf. Ich stelle immer mehr fest, dass parlamentarische Politik nach eigenen Regeln läuft, die man erst erlernen muss. Wie der frische Azubi, der „den Spannungsabfall wegwerfen“ soll, oder den man „100 Gramm Lotrecht“ kaufen schickt, fühlt man sich bisweilen als frischer Abgeordnete.

Es ist offenbar üblich, bei Redebeiträgen des politischen Gegners nicht zu klatschen, egal wie gut sie waren. Man muss den Parlamentspräsidenten ansprechen zu Beginn einer Rede. Redebeiträge sind minutengenau ausgehandelt, das Verlassen und Wiederbetreten des Saals kurz vor und nach Abstimmungen folgt gewissen Regeln.

Das kann man blöd finden oder nicht – man muss damit leben. Man muss zwar nicht jeden Mist mitmachen, aber an gewisse Gepflogenheiten muss man sich halten, oder vielmehr: Man muss lernen, sie sich zunutze zu machen.

Ein Beispiel parlamentarischen Geschäfts sind die sogenannten Kleinen Anfragen, die jeder Abgeordnete an die Regierung richten darf. Die Regierung übergibt diese zur Beantwortung an die zuständigen Ministerien, von denen die Antworten innerhalb von vier Wochen erfolgen sollen.

Mit den Kleinen Anfragen adressiert der Abgeordnete oftmals Probleme aus seinem Wahlkreis oder aus seinem politischen Wirkungsbereich. Ziel soll sein, Informationen aus der Administration herauszukitzeln, oder ein Bekenntnis oder eine Aussage der Regierung zu einem Thema zu erlangen.

Es gehört offenbar auch zu den politischen Gepflogenheiten, mit kleinen Anfragen zu provozieren, indem man die Administration damit flutet (indem man z.B. nach den Lehrerzahlen diverser Gemeinden fragt – für jede Gemeinde einzeln in einer eigenen Anfrage) oder populistische, nahezu beleidigende Überschriften wählt (z.B. „Gefährdet die Rot-Grüne Landesregierung die Sicherheit und Ordnung im Kreis Paderborn„). An diesen Gepflogenheiten möchte ich mich übrigens nicht beteiligen.

Umgekehrt ist es üblich, um exakte Antworten herumzulavieren, indem man Fragen möglichst spitzfindig interpretiert und nur genau das daraus beantwortet, was man verstanden haben will.

Ich durfte das bei der Antwort zu meiner Anfrage „Berücksichtigung des Haftungsrisikos der West-LB gegenüber Kommunen“ erfahren.

Um kurz auszuholen, worum es in dieser Anfrage ging: Derzeit klagen Städte und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen wegen Derivatgeschäften gegen die West-LB, welche ihnen zur Zinsoptimierung angeboten und verkauft wurden. Dazu wurden Zins-Swap-Geschäfte abgeschlossen, welche eine Wette auf ein Zinsdifferenzverhältnis verschiedener Währungen darstellten. Die Kommunen beklagen, unzureichend über Risiken aufgeklärt und beraten worden sein.

In einem ersten Verfahren hat die Stadt Ennepetal am 11. Mai 2012 vom Landgericht Düsseldorf in erster Instanz Recht bekommen, Verluste in Höhe von rund 10 Millionen Euro aus solchen Derivaten muss die West-LB tragen.

Ich wollte wissen, welches Haftungsrisiko durch laufende Prozesse auf die WestLB zukommt. Dazu fragte ich, welche und wie viele Gemeinden gegen die WestLB klagen, welche Ansprüche die Gemeinden anmelden, und welche Vorsorge die WestLB dafür getroffen hat. Natürlich geht es mir darum, festzustellen, ob diese Summen ausreichen berücksichtigt worden sind.

Die Antwort erhielt ich diese Woche. Ich muss feststellen, dass sich das Wirtschaftsministerium erfolgreich um eine konkrete Antwort herumgedrückt hat, indem sie meine Fragen geschickt interpretiert hat.

So antwortete man beispielsweise auf meine Frage nach den Ansprüchen, die die Gemeinden angemeldet haben:

Die von den 26 klagenden Kommunen geltend gemachten Schadenersatzforderungen betragen insgesamt 11.811.733,51 EUR. Darüber hinaus klagen die Kommunen auf die Rückabwicklung der zugrunde liegenden Geschäfte.

Dass es mir natürlich in erster Linie um das Volumen der rückabzuwickelnden Geschäfte geht, hat das Ministerium erfolgreich „übersehen“ – die Angabe des Risikos dieser Geschäfte fehlt. Ich habe es ja nicht exakt so gefragt. Stattdessen antwortet man nur mit den Schadenersatzzahlen – die aber nur einen (kleineren) Teil der Forderung darstellen. Das Rückabwicklungsrisiko ist deutlich größer, was man an den zu tragenden Verlusten in Höhe von 10 Millionen Euro für die Stadt Ennepetal sehen kann – bei 25 Gemeinden wird das Risiko insgesamt also ein Vielfaches davon sein.

Danke, liebes Wirtschaftsministerium, für diesen Azubi-Initiationsritus. Mich lehrt das, die Fragen in Zukunft noch viel präziser zu stellen, das weniger Ausweichmöglichkeiten verbleiben.

Besonders schön ist die Antwort auf meine Frage, welche Risikovorsorge die WestLB denn getroffen habe. Man antwortet:

Die WestLB AG, die seit dem 01.07.2012 als Portigon AG firmiert, hat für die genannten Rechtsrisiken bei diesen Geschäften eine entsprechende Risikovorsorge vorgenommen, die sie für derzeit angemessen hält.

Auch hier bin ich selbst schuld. Ich habe ja nicht nach der Höhe gefragt.

Rede zum Mittelstandsförderungsgesetz

Gestern habe ich im Landtag eine Rede zum geplanten Mittelstandsförderungsgesetz gehalten, hier zum nachschauen:

Den Vorwurf, die Landesregierung mit dem Hinweis auf die „Ermächtigung“ diskreditieren zu wollen, habe ich zurückgewiesen. Es handelt sich um ein Zitat aus dem vorliegenden Gesetz. Die Angewohnheit, konkrete Regelungen in Verordnungen zu verschieben, wo sie freihändig von der Regierung festgesetzt werden, während die Gesetze wolkig und unverbindlich bleiben, finde ich intransparant und undemokratisch.

Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die NSU-Morde

Die neue Regierung aus SPD und GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen erfüllt einen feuchten Traum der Sicherheitsfanatiker unter den Innenpolitikern: Im Koalitionsvertrag haben die beiden Regierungsparteien die Quellen-Kommunikationsüberwachung vorgesehen, also den Einsatz der als Staatstrojaner bekannten Software durch den Verfassungsschutz.

Man liest im Koalitionsvertrag auf Seite 152 unter der Überschrift „Wir stärken die Verfassung und schärfen die Instrumente im Kampf gegen Rechtsextremismus“:

Wir wollen dem Verfassungsschutz NRW die sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) ermöglichen und die gesetzliche Grundlage dafür schaffen.

Ausgerechnet die Toten der NSU-Mörder müssen nun dafür herhalten, den Staatstrojaner auf Landesebene einzuführen. Zudem will man ihm nicht etwa der Polizei, sondern dem Verfassungsschutz in die Hand geben – der Institution, die im Vorgehen gegen den NSU ganz besonders versagt hat.

Zum Trojaner kann man einiges kritisieren (ich hatte das im Blog schon getan), unter anderem, dass er verfassungsrechtlich vermutlich gar nicht zulässig sein könnte – zur Auswahl des Verfassungsschutzes als ausübende Behörde ist besonders brisant, dass diese gar nicht über die notwendigen polizeilichen Befugnisse verfügt, eine konkrete Gefahr, die sich durch eine solche Überwachung offenbart, selbst abzuwenden.

Ich finde die ganze Vorlage samt Begründung ausgesprochen haarsträubend, und habe daher heute der Landesregierung NRW eine kleine Anfrage zugeleitet, in der ich ihr folgende Fragen stelle:

  1. Welche Anhaltspunkte gibt es, dass die NSU-Morde verhindert oder aufgeklärt hätten werden können, wenn dem Verfassungsschutz die TKÜ zur Verfügung gestanden hätte?
  2. Welche und wie viele Straftaten rechtsextremistischen Hintergrundes hätten mit der TKÜ verhindert oder aufgeklärt werden können? Bitte differenzieren Sie die Aussagen danach, wie viele und welche jeweils verhindert; sowie wie viele und welche nachträglich aufgeklärt werden könnten.
  3. Inwieweit sieht die Landesregierung den Verfassungsschutz in der Lage und als richtige Stelle, durch TKÜ Gefahr für Leib, Leben und Freiheit eines Menschen bzw. ein vergleichbares Rechtsgut zu schützen, ohne dass dieser die zur Durchführung des Schutzes selbst notwendige polizeiliche Befugnisse hat?
  4. Durch welche technischen, organisatorischen und weiteren Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass die eingesetzte Software auf die Überwachung der Telekommunikation an der Quelle begrenzt ist, und keine anderen Daten sammeln kann?

Ich bin sehr gespannt.

Die ganze Drucksache könnt ihr hier nachlesen:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-140.pdf