Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

Stadion

Ein für den 3. September geplantes internationales kurdisches Kulturfestival im Kölner Rhein-Energie-Stadion kann nicht stattfinden. Der Stadionvermieter, die Sportstätten Köln GmbH (eine 100%ige Tochter der Stadt Köln), hat ihre Zusage vor Abschluss des Mietvertrages wieder zurückgezogen, nachdem die Kölner Polizei empfohlen hatte, den Veranstaltungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

Angemeldet hatte die Veranstaltung der eingetragene Verein „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland“, kurz „Nav-Dem“, welcher ein demokratischer Dachverband kurdischer Kultur und Gesellschaft in Deutschland ist. Das kurdische Kulturfestival wird bereits seit vielen Jahren ohne Zwischenfälle durchgeführt und hat in der Vergangenheit schon friedlich im Kölner Stadion stattgefunden.

Polizeipräsident Jürgen Mathies begründet die „Empfehlung“ mit Sicherheitsbedenken. Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führten zu einer hohen Emotionalisierung auch der in Köln lebenden Kurden und Türken, er halte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden rund um das Stadion für wahrscheinlich.

Es stellt sich die Frage, warum die Kölner Polizei sich nicht in der Lage sieht, ein legales, friedliches und demokratisches Kulturfest vor eventuellen Auseinandersetzungen im Umfeld schützen zu können, und angesichts dieser Bedenken nicht etwa Gegendemonstrationen fernhalten will, sondern die ursprüngliche Veranstaltung verhindert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint das Versammlungsrecht in NRW ausgehöhlt und brüchig. Zudem erscheint ein Kulturfestival im Stadion am Stadtrand sehr viel einfacher zu sichern als eine Kundgebung in der Innenstadt.

Die Sportstätten Köln GmbH hatte die Veranstaltung zunächst verteidigt. In einer Mitteilung dazu hieß es: „Bei dieser Organisation handelt es sich um einen in Deutschland eingetragenen Verein, der sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt.“ Der anschließenden „Empfehlung“ der Kölner Polizei konnte sich der Vermieter jedoch faktisch nicht entziehen, da er natürlich auch weiterhin auf die Unterstützung und Kooperation der Polizei angewiesen ist und eine enge Bindung an die Stadt Köln besteht. Es steht außer Frage, dass eine solche „Empfehlung“ der Polizei einem faktischen Verbot nahekommt.

Die türkische Generalkonsulin Sule Gürel hatte zuvor die geplante Veranstaltung „terroristische Propaganda“ genannt und ein Verbot gefordert. Eine Großdemonstration nationalistischer Türken in Köln-Deutz hatte die Kölner Polizei am 31. Juli ungehindert stattfinden lassen. Der Polizei war es an diesem Tage gelungen, ein Aufeinandertreffen von feindlichen Gruppen zu verhindern. Auch in diesem Falle war schon im Vorfeld mit möglichen Auseinandersetzungen zu rechnen, auch diese Demonstration fand in emotional aufgeheizter Stimmung statt. Die kurdische Gemeinde hatte sich an diesem Tag außerordentlich diszipliniert gezeigt und war überwiegend zu Hause geblieben.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Polizei des Landes sei hier servil dem Wunsch der Türkei nach einem Verbot der Veranstaltung gefolgt, indem sie durch die „Empfehlung“ ein Verbot durch die Hintertür erreicht hat. Der Vermieter konnte sich der Empfehlung aus naheliegenden Gründen nicht entziehen. Für ein tatsächliches Verbot fehlt der Polizei die rechtliche Basis. Man könnte meinen, zwischen kurdischen und türkischen Veranstaltungen wird in NRW mit zweierlei Maß gemessen. Es erscheint, als würde sich die Polizei geäußerter Kritik und drohenden gewalttätigen Angriffen durch türkische Nationalisten beugen. Kurdische Verbände hingegen werden in Deutschland weiter kriminalisiert.

Die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete und Autorin Lale Akgün kritisierte die Absage gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger scharf. Als Gesellschaft müssen wir dringend diskutieren, was an Politik von Außen in unser Land hereingetragen werden darf, sagte sie. Wenn die Demokratie wie Ende Juli dazu in der Lage sei, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müsse sie auch ein kurdisches Kulturfest im Kölner Stadion ertragen.

Die Bundesregierung sieht Verbindungen zwischen der Türkei sowie Präsident Erdogan und islamistischen und terroristischen Organisationen im Nahen und Mittleren Osten. Diese Zusammenarbeit sei nach Einschätzung der Bundesregierung seit Jahren bewusste Politik der Regierung in Ankara und werde von Erdogan aktiv unterstützt.

Ich habe daher der Landesregierung NRW heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum sah sich die Polizei nicht in der Lage, das geplante Kulturfestival von den befürchteten Störungen auf andere, grundrechtsschonende Weise zu schützen als durch eine faktische Unterbindung der Veranstaltung selbst?
  2. Inwieweit unterscheidet sich diese Situation von der des 31. Juli in Köln so grundsätzlich, dass hier die Verhinderung der Veranstaltung, und damit die Einschränkung des Versammlungsrechts, angezeigt ist? Belegen Sie, dass die Landesregierung zwischen Türken und Kurden nicht mit zweierlei Maß misst.
  3. Welchen Stellenwert hat die Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, wenn man mit der Verhinderung eines friedlichen und demokratischen Kulturfestes auf Bedrohungen von außen bzw. im Umfeld reagiert, anstatt es vor genau diesen Bedrohungen zu schützen?
  4. Welche Forderungen der Türkei bzw. des Generalkonsulates waren den Behörden des Landes bzw. der Landesregierung bezüglich des geplanten kurdischen Kulturfestes vom 3. September bekannt? Geben Sie auch an, inwieweit diese sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, einen Nichtabschluss der Vertragsverhandlungen zu empfehlen.
  5. Welche Folgen hat die bekannt gewordene Einschätzung der Bundesregierung zur Türkei für die Landesregierung?

Über die Antworten werde ich berichten.

20182 Leser.

8 Gedanken zu „Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

  • 23. August 2016 um 07:57 Uhr
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    6. Ist es angesichts dessen, daß die Polizei das Kulturfest nicht schützen kann überhaupt noch zu verantworten, größere Veranstaltungen wie den Karneval in Köln und/odr Düsseldorf zu veranstalten?

    Antwort
  • 24. August 2016 um 17:37 Uhr
    Permalink

    Die Bundeskanzlerin ruft die „deutschen Mitbürger türkischer Herkunft“ auf, die Konflikte der Türkei nicht nach Deutschland zu verschleppen und auszutragen – Offenbar hat sie damit eindeutig nur die Kurden türkischer Herkunft gemeint, die sich zurückhalten sollen, und den Erdoganisten als Light-Faschos damit den Freibrief gemäss der Forderung Erdogans für jedwede Demonstrationen erteilt – wie anders sollte denn nun schon wieder der Innenminister von NRW und seine Polizei sie sonst verstanden haben, wenn sie NICHT WILLENS sind, braven deutschen Mitbürgern kurdischer Herkunft die Durchführung und SICHERUNG ihres jährlichen Volksfestes zu zu sichern?
    Der Arm Erdogans hat nicht nur Frau Merkel empfindlich am Ärmelzipfel erwischt und angebunden, sondern gleich den ganzen „INNEN-Apparat“ von NRW noch mit im „vorauseilendem Gehorsam“ an Erdogan!
    Bleibt die Frage:
    Wo war die Ministerpräsidentin von der SPD dabei? Auch „erdoganisch eingeklinkt“, in Urlaub, oder mit den Gedanken weit weit weg von IHREN Wählern aus dem „wilden“ Kurdistan?
    Nein, Daniel Schwerd, die Hauptverantwortung für derartige offene Diskriminierung von breiten friedlichen Volksgruppen liegt beim „Chef“, bei der Ministerpräsidentin – oder steht da etwa auch eine erdoganistische „Vernunftehe“ an? Zu Lasten kurdischer Volksgruppen?

    Antwort

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