Schon eine Lüge: Der allererste Satz der Präambel des ACTA-Vertrages.

Bereits der allererste Satz der Präambel des ACTA-Vertrages, der die Konzerne der Welt einflussreicher machen soll als Regierungen und Staaten, ist eine Lüge. Da steht:

IN ANBETRACHT der Tatsache, dass eine wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums für ein dauerhaftes Wachstum aller Wirtschaftszweige wie auch der Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist

Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Das Wirtschafts-Wunderland China ist nicht gerade für seinen Respekt vor dem sogenannten „geistigen Eigentum“ bekannt. Gerade wegen seiner Konsequenz in Nachahmen und Nachmachen ist China wirtschaftlich so enorm erfolgreich geworden – sie machen die Dinge billiger, und ermöglichen dadurch einer viel größeren Schicht, ihre Produkte zu kaufen. Es steht außer Frage, dass die Arbeitsbedingungen in China katastrophal sind, dass Demokratie dort ein Fremdwort ist, dass China mit dem Manchester-Kapitalismus mehr gemein hat als mit Sozialismus – mit dem besonders hohen Schutz „geistigen Eigentums“ hat der wirtschaftliche Erfolg des Landes jedenfalls nichts zu tun. Und die Weltwirtschaft hängt zu großen Teilen am Erfolg Chinas und der anderen BRIC-Staaten.

Auch in der Geschichte waren genau die Staaten und Industrien oft wirtschaftlich erfolgreich, die erfolgreich nachgeahmt haben. Hätte es einen solchen Aufschwung in Europa geben können, wenn die industrielle Revolution, die in England begann, durch Patente und Rechte in ihrer Ausbreitung in Europa gehindert worden wäre?

In der Wirtschaft waren Nachahmer oft erfolgreicher als die Erfinder. Der PC wurde von IBM erfunden – die ihn heute nicht einmal mehr produzieren. Hätte IBM den Computer als Konzept geschützt, und Nachahmer erfolgreich an der Verwendung dieses Rechts gehindert, hätte die Informations- und Internetrevolution so nicht stattgefunden.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Forschung und Kunst auf Bestehendem aufbaut, um diesem dann etwas Neues, Eigenes hinzufügen. Mit dem Kampfbegriff des digitalen Eigentums wird hier bereits jetzt schon eingegriffen, und der Fortschritt effektiv behindert, auf Dauer finanziell abgeschöpft, oder gar abgewürgt. Ein Monopol mit einem gut funktionierenden Geschäftsmodell kann so auf Dauer den Fortschritt in seinem Bereich verhindern, und damit das Wohlergehen der Gesellschaft schmälern.

Künstler greifen Ideen anderer Künstler auf, verarbeiten sie und entwickeln sie weiter. Aus etwas Altem entsteht etwas Neues, das ist in der Kunst ein ganz alltäglicher Prozess. Das geistige Eigentum macht die Weiterbearbeitung unmöglich – bei digitalen Gütern sogar noch effektiver als bislang. Auch die kulturelle Fortentwicklung wird so effektiv behindert.

Derzeit werden sogar Ideen, Konzepte und Anmutungen patentiert. Der „Slide to Unlock“-Button ist geschützt. Man stelle sich vor, die Funktion eines Schieberegelers wäre „geistiges Eigentum“ – viele technische Geräte wären nicht möglich, oder wären mit hohen Lizenzgebühren verbunden, die letztlich wieder zu Lasten der Käufer gingen.

Apple verklagt Samsung erfolgreich, weil der von Samsung angebotene Tablet-Computer so ähnlich aussieht wie der von Apple. Damit wird ein ganzer Produktbereich monopolisiert – man stelle sich vor, die ersten Autohersteller hätten die anderen Hersteller erfolgreich verklagt, weil deren Autos auch Räder, Türen, Kotflügel und Lenkräder besitzen? Hätte es den Industriezweig Automobile überhaupt gegeben, oder wäre dann nicht eher ein Auto-Monopol entstanden?

Denn das ist der Zweck der ACTA-Vereinbarungen: Die Schaffung von Monopolen, Monopolisierung von Wissen und Ideen, Basisstoffen und Konzepten, und deren weltweite Durchsetzung zur Erzeugung von exorbitanten Gewinnen, die auf Dauer gesichert sind.

Schlimm, dass die zuerst genannte Aussage auf Regierungs- und Staatenebene bereits unwidersprochen unterzeichnet wird.

Den aktuellen Text von ACTA kann man hier ansehen

18950 Leser.

2 Gedanken zu „Schon eine Lüge: Der allererste Satz der Präambel des ACTA-Vertrages.

  • 7. Februar 2012 um 19:55 Uhr
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    Mit Verlaub: IBM hat den PC nicht „erfunden“, sondern bestenfalls konzipiert – als Antwort auf den Apple II.

    Antwort
    • 7. Februar 2012 um 20:21 Uhr
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      Das meine ich damit – sie haben das „Konzept“ PC erfunden. Man stelle sich vor, sie hätten dieses Konzept als ihr geistiges Eigentum geschützt.

      Antwort

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