Seit dem 25. Mai 2012 bin ich offiziell Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen – ganz habe ich mich zwar noch nicht daran gewöhnt, aber so langsam wird es ernst mit der politischen Arbeit: Ich habe meine erste Rede im Plenum gehalten, Kleine Anfragen an die Landesregierung gestellt und zumindest ein vorläufiges Büro im Landtag bezogen (nächste Woche ziehen wir ein paar Etagen höher), die Landtagsausschüsse haben sich konstituiert (und sind dabei terminlich direkt kollidiert) und meine beiden Landtags-Mitarbeiter sind seit dieser Woche ebenfalls an Bord gekommen. Um euch künftig darüber auf dem Laufenden zu halten, was ich hier im Landtag tue und was sonst noch so in der Fraktion passiert, werden wir ab jetzt regelmäßig Wochenrückblicke auf der Webseite einstellen. Heute fange ich direkt damit an – und weil es der erste Rückblick dieser Art ist, wird er auch gleich ein wenig länger.
Ausschüsse
Die konstituierende Sitzung des Landtags, bei der sich die Abgeordneten zum ersten Mal treffen, fand am 31. Mai 2012 statt. Die eigentliche Arbeit, also vor allem der Feinschliff an und die Fachdiskussion über Gesetzesentwürfe, wird in den verschiedenen Fachausschüssen geleistet. In dieser Legislaturperiode wird es insgesamt 26 Ausschüsse geben. Ich werde in den Ausschüssen für Kultur und Medien sowie für Wirtschaft (eigentlich: „Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk“) ordentliches Mitglied sein, sowie in zwei weiteren Ausschüssen Stellvertreter. Donnerstag haben sich die Ausschüsse konstituiert und ich bin dort jetzt also offiziell Mitglied (Details in meinem Landtagsprofil). Allerdings sollen meine beiden Ausschüsse bislang zeitgleich stattfinden – aber ich bin sicher, dass die parlamentarischen Geschäftsführer, die für (solche) organisatorischen Absprachen zwischen den Parteien zuständig sind, eine Lösung finden werden.
Im Kultur und Medien-Ausschuss bin ich übrigens nicht nur Mitglied, sondern auch stellvertretender Vorsitzender – das bedeutet, dass ich dort Sitzungsleiter bin, wenn der Vorsitzende nicht teilnimmt. Die Verteilung der Posten für Vorsitzende und Stellvertretende Vorsitzende in den verschiedenen Ausschüssen orientiert sich an der Stärke der Fraktionen im Landtag. Darum stellen wir Piraten lediglich einen Vorsitzenden – Nico Kern im Europaausschuss – und eben einen Stellvertretenden Vorsitzenden. Wie wichtig diese Posten in der praktischen Arbeit tatsächlich sind, werden wir noch sehen müssen. Ich freue mich jedenfalls sehr, gerade in diesen beiden Ausschüssen zu sitzen, da ich glaube, meinen politischen Interessen hier sehr gut einbringen zu können. Ich bin gespannt und werde berichten, was man dort bewegen kann.
Plenardebatte: Mittelstandsgesetz
Neben der Detailarbeit in den Ausschüssen besteht der andere große Teil der parlamentarischen Arbeit in den Debatten im Plenum. Dies ist die Gelegenheit, öffentlich darzustellen, wie die Fraktionen grundsätzlich zu dem vorliegenden Thema eingestellt sind. Anschließend wird dann über die jeweiligen Vorlagen abgestimmt – in der ersten Lesung geht es bei einer Abstimmung fast immer nur darum, einen Gesetzesentwurf in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen (siehe Gesetzgebungsverfahren in NRW).
Obwohl der aktuelle Landtag noch nicht lange besteht, gab es schon einige Gesetzesentwürfe, Entschließungsanträge und andere Vorlagen, über die wir abstimmen mussten. In diesem Zusammenhang habe ich am Donnerstag meine erste Rede im Plenum zu einem recht schwammigen Gesetz gehalten, das vom neuen Wirtschaftsminister Duin eingebracht wurde und das mittelständische Unternehmen in NRW fördern soll (Link zum Gesetzesentwurf). Tatsächlich besteht das Gesetz fast ausschließlich aus Absichtserklärungen und Konjunktiven – die wenigen konkreten Vorhaben haben es dafür in sich: Nach § 6 des Gesetzes soll eine so genannte Clearing-Stelle geschaffen werden, in der verschiedene Interessenvertretungen des Mittelstands (also: Lobbyverbände) das Recht haben sollen, Gesetzesentwürfe zu Gesicht zu bekommen, noch bevor diese auch nur vom Kabinett (also der Landesregierung) diskutiert worden sind. Das entspricht nicht gerade meinen Vorstellungen von Demokratie und Transparenz. Hier das Video von meiner Rede (die Qualität ist grausam; die Landtagsverwaltung will aber demnächst neue Videotechnik anschaffen):
(Auf Youtube gibt es übrigens seit neuestem einen Channel, auf dem sich alle Reden von Mitgliedern der Piratenfraktion als Video finden: http://www.youtube.com/user/PiratenfraktionNRW/videos)
Wir als Piratenfraktion haben am Donnerstag auch einen eigenen Gesetzentwurf ins Plenum eingebracht, bei dem es um die Stärkung der direkten Demokratie bei Verfassungsänderungen geht (Link zum Gesetzesentwurf). Wie nicht anders zu erwarten wurde der Entwurf in den zuständigen Fachausschuss überwiesen.
Außerdem haben wir am Mittwoch die Regierung getrollt: Obwohl es eine Anwesenheitspflicht im Plenum gibt, sind viele Abgeordnete während der Debatten gar nicht im Plenarsaal. Bei einer Abstimmung über einen Gesetzesentwurf waren die Regierungsfraktionen (SPD und Grüne) prompt in der Minderheit, da zu wenig Abgeordnete von ihnen anwesend waren. Antrag mit Oppositionsmehrheit abgelehnt. 🙂 Seither strömen die Abgeordneten von SPD und Grünen zuverlässig kurz vor einer Abstimmung in den Plenarsaal – Zufälle gibt’s…
Kleine Anfragen
Kleine Anfragen sind ein hervorragendes Mittel, um die Regierung auf Trab zu bringen, sie sind das schärfste Schwert des Abgeordneten der Opposition. Jeder Abgeordnete kann sie stellen und die Landesregierung muss innerhalb von vier Wochen darauf antworten. Das habe ich genutzt und drei Anfragen gestellt – unter anderem wollte ich wissen, wie viel das Land NRW im Jahr an die GEMA für Musik in Telefonwarteschleifen und Wartebereichen zahlt. Hier gibt es meine Anfragen in der Übersicht – die Antworten der Regierung stehen noch aus.
Fraktion
Die Abgeordneten der Piraten treffen sich mindestens einmal in der Woche, meistens dienstags, zur Fraktionssitzung, um über Gesetzesentwürfe von uns und den anderen Parteien zu diskutieren, unsere politische Arbeit abzustimmen und allgemeine organisatorische Dinge zu verabreden. Alle Fraktionssitzungen übertragen wir live im Internet.
In dieser Woche haben wir vor allem darüber gesprochen, wer was zu welchem Thema im Plenum sagen wird und ob wir den Überweisungen der verschiedenen Gesetzesentwürfe in die Fachausschüsse zustimmen können. Wir Piraten kennen keinen Fraktionszwang, jeder Abgeordnete stimmt so ab, wie er es für richtig hält, wie es seinem Gewissen entspricht und wie er seiner Meinung nach die Basis am besten repräsentiert. Trotzdem ist es in der Regel sinnvoll, der Überweisung eines Gesetzesentwurfes in den jeweiligen Ausschuss zuzustimmen – selbst wenn wir den Entwurf inhaltlich ablehnen. Denn nur in den Ausschüssen ist es möglich, inhaltlich an den Entwürfen zu arbeiten und sie zu verbessern.
Außerdem werden in der Fraktionssitzung Personalangelegenheiten besprochen (bspw. wer in welchen Ausschuss geht, wer aufgrund seines Mandats als Kuratoriumsmitglied in eine Stiftung entsendet wird, welche Fraktionsreferenten wir einstellen usw.). Ich bin am Freitag zum netz- und medienpolitischen Sprecher der Piratenfraktion gewählt worden. Vielen Dank!
Und sonst?
Seit dieser Woche habe ich ein vorläufiges Büro im Landtag – mit wunderschöner Aussicht, wie man auf diesem Bild sieht. Allerdings werden wir nächste Woche nochmal um- und ein paar Stockwerke höher ziehen. Dann hoffentlich mit schönerem Panorama. Dass dort oben eine geheime Zapfanalage installiert sein soll, weswegen die dort oben untergebrachten CDU-Abgeordneten angeblich nicht ausziehen wollen, halte ich für ein boshaftes Gerücht 😉
Zusammen mit dem Büro wurden übrigens meine neuen Mitarbeiter geliefert – Gabriel Heinzmann und René Gögel werden meine Arbeit künftig inhaltlich und administrativ unterstützen.
Was von dieser Woche bleibt ist jedenfalls die Erkenntnis, dass das Leben als Parlamentarier kein reines Zuckerschlecken ist – im Gegenteil, der Landtag ist ein hartes Pflaster. So hart sogar, dass bereits das erste Paar Schuhe draufgegangen ist. (Das Foto ist unmittelbar nach meiner Rede entstanden.)
Ausblick
Kaum geht die Arbeit im Parlament richtig los, ist auch schon sitzungsfreie Zeit – die nächsten Plenarsitzungen sind erst wieder Mitte September. (Die Ausschüsse gehen allerdings schon vorher los.) Wir werden die Zeit bis dahin nutzen, unser (dann hoffentlich finales) Büro ein- und herzurichten, die IT zum Laufen zu bringen und uns möglichst tief in die politischen Themen einzuarbeiten. Das wird ein Spaß! Außerdem gibt es da noch die Arbeit vor Ort in den Kreisen in Nordrhein-Westfalen.
23489 Leser.
Danke für den Rückblick und bitte genauso weitermachen 🙂
Verbesserungswünsche: Vorstellung/Profil/Kontakt deiner Mitarbeiter. Gläserner MdL so wie es die Berliner gerade angefangen haben.
Bis die Tage Sleepy
Hallo Sleepy,
…was die Mitarbeiter angeht, so habe bitte Verständnis, dass deren Privatsphäre vor Transparenz in der Politik geht. Es sind keine Politiker, sondern Angestellte.
Zum Stichwort „Gläserener Abgeordneter“, dazu wird noch was kommen, keine Sorge.
Hallo Daniel,
Ein wirklich anschaulicher Bericht. Wünsche dir gute politische und im Büro schönere optische Aussichten. Die Schuhe kannst du ja noch aufheben und in arabischer Tradition für dummschwätzende Redner aufheben.
Gruss
Dirk
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