Auf den Schultern von Giganten: Die Konsequenzen des Sampling-Urteils

schallplatte

Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil in der Frage verkündet, inwieweit Musiker kurze Stücke anderer Künstler für eigene Werke benutzen dürfen. Bislang war das – ohne explizite Einwilligung – nicht möglich. Die Düsseldorfer Elektropioniere von Kraftwerk waren gegen den Musikproduzenten Moses Pelham vorgegangen, weil dieser einen zwei Sekunden langen Schnipsel eines ihrer Songs benutzt hat, um damit einen eigenen Song zu erschaffen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes gegen ihn musste Pelham das Stück zurückziehen.

Das Verfassungsgericht entschied nun, dass solche Benutzung unter gewissen Voraussetzungen doch erlaubt sein soll – ein Sieg für die Remix-Kultur und die moderne Pop- und Dance-Musik, die stark von Samples lebt. Die Kunstfreiheit sei berührt, durch dieses Verbot sei faktisch eine ganze Musikrichtung behindert, so das Gericht. Das Verfahren wurde an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen, der nun in diesem Sinne entscheiden soll.

Der Urteilstext des Bundesverfassungsgerichts ist hochspannend. Dort heißt es zum Beispiel: Es »gebietet die Eigentumsgarantie … nicht, dem Tonträgerhersteller jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zuzuordnen. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen; er muss von Verfassungs wegen nur sicherstellen, dass das, was dem Leistungsschutzrechtsinhaber ›unter dem Strich‹ verbleibt, noch als angemessenes Entgelt für seine Leistung anzusehen ist.« Damit stellt das Verfassungsgericht klar, dass ein Künstler nicht pauschal jede Art der Nutzung seines Werks untersagen darf. Es darf sehr wohl erlaubt sein, seine Songs in einer fairen Art und Weise zu nutzen, wenn dem Künstler noch eine angemessene Entlohnung seiner Arbeit verbleibt. Die Grenzen dafür darf der Gesetzgeber festlegen.

Wir alle stehen auf den Schultern von Giganten. Jede Erfindung, jedes Werk bedient sich gewisser Ideen, Teile und Konzepte von Erfindungen und Werken zuvor. Das ist künstlerischer, kultureller, wissenschaftlicher Fortschritt. Eine derartig weite Auslegung des geistigen Eigentumsbegriffs, dass auch kleinste Teile erlaubnis- und vergütungspflichtig sein sollen, behindert diese Fortentwicklung. Man stelle sich vor, der erste Erfinder des Autos hätte den folgenden Autoherstellern die Nutzung des Lenkrades untersagt: Eine Autoindustrie wäre nie entstanden.

Ein Künstler muss in einen künstlerischen Dialog mit vorhandenen Werken treten können, die durch ihre Veröffentlichung nicht mehr dem Urheber alleine gehören, sondern in den gesellschaftlichen Raum getreten seien, urteilt das Gericht. Es muss aber ein ausreichender Abstand zum Ursprungswerk eingehalten werden. Hip-Hop und moderne Dance-Music nutzen Sampling intensiv. Es gibt eine ganze Remix-Kultur, die auf vorhandenen Werken aufbaut und daraus etwas Neues, Eigenständiges schafft. Als Rohmaterial für neue Lieder kann ein Musiker nun Teile von Werken der Künstler vor ihm verwenden, wenn er dies fair tut, also den kommerziellen Erfolg des Vorgängers damit nicht behindert. Damit wird einem Auswuchs des »geistigen Eigentums« Einhalt geboten.

Doch auch ein anderer Auswuchs könnte vom Urteil berührt sein: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. So sagt das Gericht: »Der Grund dafür, dem Tonträgerhersteller ein besonderes gesetzliches Schutzrecht zu gewähren, war nicht, ihm Einnahmen aus Lizenzen für die Übernahme von Ausschnitten in andere Tonaufnahmen zu sichern … Der Schutz kleiner und kleinster Teile durch ein Leistungsschutzrecht, das im Zeitablauf die Nutzung des kulturellen Bestandes weiter erschweren oder unmöglich machen könnte, ist jedenfalls von Verfassungs wegen nicht geboten.« Doch genau das tut das Leistungsschutzrecht für Presseverleger: »Snipplets«, also kleine Textauszüge, die zum Beispiel Suchmaschinen als Textanreißer in ihren News-Suchergebnissen benutzen, sind erlaubnis- und vergütungspflichtig. Die Verleger berufen sich auf ihre verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrechte, und der Gesetzgeber hat die Nutzung solcher auch kurzer Textauszüge lizenzpflichtig gemacht. Damit befindet sich aber dieses Leistungsschutzrecht in klarem Widerspruch zum Bundesverfassungsgerichtsurteil: Es darf in Analogie zu diesem Urteil gerade eben nicht um das Generieren von Einnahmen bei Übernahme von Textausschnitten gehen, und die Nutzung dieses kulturellen Bestandes darf dadurch nicht erschwert werden. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger steht im Lichte dieser Entscheidung auf wackligen Beinen.


Dieser Artikel erschien am 08. Juni 2016 als Gastkommentar im Neuen Deutschland.

LAG Netzpolitik der LINKEN NRW gegründet

Sprecherinnenrat LAG Netzpolitik NRW

Pfingstsonntag hat sich in Düsseldorf die LAG Netzpolitik der LINKEN NRW gegründet. Dazu haben sich 18 Interessentinnen und Interessenten in der Landes-Geschäftsstelle getroffen, die Formalien geklärt und den Gründungsbeschluss gefasst.

Die LAG Netzpolitik wird sich – neben der klassischen Netzpolitik, wie etwa Breitbandausbau, Netzneutralität oder Websperren – auch mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt, dem Grenzbereich zur Innenpolitik (wie Vorratsdatenspeicherung, Datenschutz und Privatsphäre), zum Internetrecht und anderen Querschnittsthemen befassen. Wir wollen in Zukunft auch auf Landesebene linke Antworten zu diesen Fragen geben können!

Deswegen werden wir später sicher auch mit anderen LAGs in Kontakt treten, wo diese Querschnittsthemen einander berühren, wir freuen uns auf eine produktive Zusammenarbeit! Natürlich wollen wir uns auch mit der BAG Netzpolitik vernetzen, sowie mit anderen netzpolitischen Organisationen.

Ebenso wurde ein 4köpfiger Sprecherinnenrat gewählt, zur Sprecherin wurde Kirsten Eickler, zu ihrer Stellvertretung Marion Wegscheider gewählt. Sprecher wurde Daniel Schwerd, Stellvertreter Lühr Koch.

Wir freuen uns auch über weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Meldet Euch! Mailinglisten und ähnliche Infrastruktur muss erst noch aufgebaut werden, dahingehend habt bitte noch etwas Geduld.

Auf eine gute Zusammenarbeit,

Euer Sprecherinnenrat der LAG Netzpolitik NRW

Kirsten, Daniel, Marion und Lühr

Klares Bekenntnis zu Glasfaser-Breitband fehlt in NRW

Glasfaser

Die Versorgung mit schnellem Internet wird heutzutage für jeden Menschen immer bedeutsamer. Informationen, soziale Kontakte und Unterhaltung über das Internet, heute für viele Menschen unverzichtbar, aber auch Wirtschaft, Einkaufen, Arbeiten sowie politische und gesellschaftliche Teilhabe findet heute immer häufiger per Internet statt. Diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen breitbandigen und schnellen Zugang haben, sind effektiv benachteiligt.

Breitband-Internet ist eine materielle Lebensgrundlage

Nicht umsonst hat der Bundesgerichtshof den Zugang zum Breitband-Internet zu einer materiellen Lebensgrundlage erklärt – so wie Strom, Wärme und Wasser. Und diese Bedeutung wird immer wichtiger.

Diese Erkenntnis ist in den Regierungen des Landes und Bundes nur sehr langsam angekommen – in der Umsetzung hapert es aber noch fast überall. Streckenweise wird das Problem zwar erkannt, aber nach wie vor mit den falschen Instrumenten angegangen: Man hofft auf den Markt, dass er von Zauberhand die fehlenden Stücke des Puzzles ergänzt, oder man versucht die marktmächtigen Internetversorger mit finanziellen und politischen Zugeständnissen zum Ausbau zu bewegen. Diese wissen wohl um ihre bequeme Position und lassen sich ihre längst abgeschriebene, einst mit Steuermitteln erstellte Infrastruktur weiter vergolden.

Hier wird insbesondere auf die Vectoring-Technologie gesetzt, die es erlaubt, noch einigen Geschwindigkeitszuwachs aus alten Kupferkabeln herauszuquetschen. Der Preis ist ein Rückbau des Marktes hin zu neuen Monopolstrukturen. Darin investierte Steuermittel werden nur einen kurzfristigen Effekt haben, denn der geringe Leistungszuwachs wird schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen, und das Geld ist dann weg. Der Übergang zur Gigabit-Gesellschaft wird so nicht gelingen.

Glasfaser bis in jedes Haus

Einzig Glasfaser ist die Technologie, mit der das Wachstum der Nutzung des Internets auch langfristig abgebildet werden kann. Bekenntnisse zur Technologie-Neutralität der Förderung verkennen diesen Umstand – wenn man die Wahl zwischen energieeffizientem Traktor und dem Doppelgespann-Pferdepflug hat, so wäre die Förderung eines zweiten Ackergauls zwar technologieneutral, aber sicher nicht zukunftsweisend.

Und damit Glasfaser seinen Vorteil voll ausspielen kann, muss es lückenlos bis in jedes Haus, bis zu jedem Nutzer reichen, denn der Engpass ist meist die letzte Meile. Doch hier fehlen klare Bekenntnisse der Landes- und Bundespolitik.

In NRW sieht es nicht rosig aus: Einigermaßen gut versorgten Ballungsgebieten stehen anachronistische Geschwindigkeiten in Randlagen und weiße Flecken im ländlichen Raum gegenüber. Hier alleine auf den freien Markt zu hoffen reicht ganz offensichtlich nicht aus.

NRW drückt sich um konkrete Antworten

Ich habe die Landesregierung nach Stand und Zukunft des Breitbandausbaus in den einzelnen Kreisen des Landes NRW gefragt. Insbesondere wollte ich wissen, welche Förderprojekte es gab, wie der Ausbaustand insbesondere mit Glasfaser ist, welche Maßnahmen für erforderlich gehalten werden, um die Lage zu verbessern und welche Maßnahmen konkret geplant sind – jeweils aufgeschlüsselt für sämtliche Städte und Gemeinden des Bundeslandes.

Die Antworten sind ernüchternd. Den Glasfaserausbaustand kennt man nicht, konkrete Projekte auf Kreisebene kann die Landesregierung nicht nennen. Stattdessen betet sie nur die allgemeinen, schon bekannten, wenig erfolgreichen bzw. wenig spezifischen Förderprogramme herunter. Eine Strategie ist genauso wenig erkennbar wie ein Ansatz zur Realisierung.

Die Antworten der Landesregierung können für die Kommunalarbeit wichtiger Anknüpfungspunkt sein. Man kann einzelnen Projekten nachforschen und der Einschätzung der Landesregierung kommunal auf den Zahn fühlen.

Die Antworten der Landesregierung findet ihr – geschlüsselt nach Kommunen – hier:

Aachen (Städteregion): Drucksache 16/11028
Bielefeld: Drucksache 16/11029
Bochum: Drucksache 16/11030
Bonn: Drucksache 16/11031
Borken: Drucksache 16/11032
Bottrop: Drucksache 16/11033
Coesfeld: Drucksache 16/11034
Dortmund: Drucksache 16/11035
Duisburg: Drucksache 16/11036
Düren: Drucksache 16/11037
Düsseldorf: Drucksache 16/11038
Ennepe-Ruhr-Kreis: Drucksache 16/11039
Essen: Drucksache 16/11040
Euskirchen: Drucksache 16/11041
Gelsenkirchen: Drucksache 16/11042
Gütersloh: Drucksache 16/11043
Hagen: Drucksache 16/11044
Hamm: Drucksache 16/11045
Heinsberg: Drucksache 16/11046
Herford: Drucksache 16/11047
Herne: Drucksache 16/11048
Hochsauerlandkreis: Drucksache 16/11049
Höxter: Drucksache 16/11050
Kleve: Drucksache 16/11051
Köln: Drucksache 16/11052
Krefeld: Drucksache 16/11053
Leverkusen: Drucksache 16/11054
Lippe: Drucksache 16/11055
Märkischer Kreis: Drucksache 16/11056
Mettmann: Drucksache 16/11057
Minden-Lübbecke: Drucksache 16/11058
Mönchengladbach: Drucksache 16/11059
Mülheim an der Ruhr: Drucksache 16/11060
Münster: Drucksache 16/11061
Oberbergischer Kreis: Drucksache 16/11062
Oberhausen: Drucksache 16/11063
Olpe: Drucksache 16/11064
Paderborn: Drucksache 16/11065
Recklinghausen: Drucksache 16/11066
Remscheid: Drucksache 16/11067
Rhein-Erft-Kreis: Drucksache 16/11068
Rheinisch-Bergischer Kreis: Drucksache 16/11069
Rhein-Kreis Neuss: Drucksache 16/11070
Rhein-Sieg-Kreis: Drucksache 16/11071
Siegen-Wittgenstein: Drucksache 16/11072
Soest: Drucksache 16/11073
Solingen: Drucksache 16/11074
Steinfurt: Drucksache 16/11075
Unna: Drucksache 16/11076
Viersen: Drucksache 16/11077
Warendorf: Drucksache 16/11078
Wesel: Drucksache 16/11079
Wuppertal: Drucksache 16/11080

Der Sozialismus durch die Hintertür der #Netzneutralität: Kann die Landesregierung Licht in das Dunkel Günther Oettingers bringen?

Birne

„Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge, weit entfernt von ihrem Sinn!“ – William Shakespeare

Die Netzplattform „netzpolitk.org“ zitiert EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, der auf einem Kongress mit dem Bankenverband in Berlin folgendes über die Netzneutralität gesagt habe: „Man will den Sozialismus durch die Tür der Neutralität einführen.“

netzpolitik.org hat auch nach einer Erklärung für dieses Äußerung gefragt, allerdings eine weiter verwirrende Antwort erhalten. Es heißt darin: „Wenn es um Dienste im Allgemeinen Interesse geht, also beispielsweise Notdienste, Feuerwehr, Krankendienste, dann sollten diese Vortritt haben. Dagegen steht die Meinung, dass es nicht einmal für medizinische und lebensnotwendige Dienste, Vorrang geben soll, also für alle, ausnahmslos. Daher der Begriff Sozialismus.“

Vielleicht kann die Landesregierung Licht ins Dunkel bringen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat auf der Eröffnung des letztährigen Medienforums recht eindeutig Stellung für die Netzneutralität bezogen.

Verwirrt frage ich also heute die Landesregierung in meiner kleinen Anfrage:

1. Kann der Sozialismus durch die Netzneutralität eingeführt werden?

2. Bedeutet Sozialismus, dass nicht einmal medizinische und lebensnotwendige Dinge Vorrang haben?

3. Was könnte Sozialismus nach Ansicht der Landesregierung mit Netzneutralität zu tun haben?

4. Wie kann die Ministerpräsidentin bzw. die Landesregierung dabei helfen, Herrn Oettinger zu erklären, was Netzneutalität, was Sozialismus ist und was beides miteinander zu tun hat?

5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um sich für die Stärkung der Netzneutralität einzusetzen?

Auf die Antwort bin ich gespannt.

Buchvorstellung „Politik aus Notwehr“

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Ein rasanter Aufstieg und ein genauso rasender Zusammenbruch: Die Piratenpartei. Ich schreibe aus sechs Jahren Parteizugehörigkeit über Erfolge, doch auch über die Gründe für das Scheitern – und welche Lehren man aus diesem Experiment ziehen kann. Es geht um politische Mechanismen einer Partei, um komische und traurige Vorkommnisse, flüssige Demokratie, Zombie-Bügeleisen, Netzpolitik, Schwammintelligenz und Lernen durch Schmerz – nur eben ohne Lernen. (Taschenbuch, ca. 248 Seiten, Softcover.)

„Ihr werdet Euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen“ schrieb Max Winde „@343max“ 2009 bei Twitter. Und fasste damit den größten Erfolg der Piratenpartei zusammen: Eine Generation von Menschen, nämlich die im Internet sozialisierten, politisiert zu haben.

Doch es zeigte sich, dass die „Netzgemeinde“ nicht homogen ist. Es gab nicht einmal ein gemeinsames Wertegerüst. Und das war die Hauptursache für das Scheitern der Piratenpartei, für die gesellschaftliche und politische Erfolglosigkeit der Internetgemeinde insgesamt. Teil des Internets, Teil der Netzgemeinde zu sein allein macht nämlich niemanden zu einem besseren Menschen.

Die Piratenpartei, wir alle haben es vergeigt. Wir haben das Projekt in den Sand gesetzt. Und das ist eine Affenschande: Es gab ein Zeitfenster, in dem alles möglich schien. Wir trieben die etablierte Politik für einige Monate vor uns her. Beobachter wie Akteure: Alle waren sich einig, dass sich im parlamentarisch-politischen System dringend etwas ändern muss, und eigentlich war das unsere Aufgabe. Niemand (26) hat gesagt, dass es einfach werden würde.

Für die gesammelten Niederlagen der Piratenpartei waren wir alleine verantwortlich: Das desaströse Bild, die gegenseitige, öffentliche, permanente Zerfleischung. Die Abgrenzungsprobleme. Der Punkt, wo aus liebenswertem Dilettantismus unentschuldbare Schlamperei wurde. Wo sich eine Mehrheit der Partei nicht entscheiden konnte, eine politische Partei zu sein, sondern an der Parteisimulation festhielt.

Ich habe aus der Innensicht der Partei und des Parlamentes ein Buch geschrieben und es „Politik aus Notwehr“ genannt. Es geht um Mechanismen und Ereignisse in einer Partei und in der Politik, um komische und traurige Vorkommnisse, flüssige Demokratie, Zombie-Bügeleisen, Netzpolitik, Schwammintelligenz und Lernen durch Schmerz – nur eben ohne Lernen.

Wofür sollte das eigentlich alles gut sein und woran ist es letztlich gescheitert? Und schließlich: Welches sind die Lehren, die man aus dem Experiment „Piratenpartei“ ziehen kann? Wie könnte eine neue, zukünftige Bewegung oder auch eine bereits bestehende von den gewonnenen Erkenntnissen profitieren? Und wie geht es jetzt weiter?

Ich nutze die Crowdfunding-Plattform „Startnext“, um ein wenig Interesse an dem Buch zu erwecken, und das Interesse für eine erste Auflage zu sammeln, die dann im Anschluss in einigen Wochen erscheinen soll. Wer Lust hat, mein Buch zu lesen und zu den ersten gehören möchte, der es bekommt, wechsle bitte zu der Projektseite:

Politik-aus-Notwehr.de/

Vielen Dank für Eure Unterstützung.

Jugendschutz-Kennzeichnung von Webseiten: Viel Arbeit, kein Nutzen?

Bär

„Der beste Schutz gegen Haarausfall ist eine Glatze.“ – Telly Savalas

In den derzeit diskutierten Versionen zur Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) ist vorgesehen, dass auf jeder Webseite ein maschinenlesbares Alterskennzeichen (ab 6, ab 12, ab 16 oder ab 18) installiert sein muss. Eltern können auf den Computern ihrer Kinder Filterprogrammen installieren (sogenannte „Jugendschutzprogramme“), die diese Kennzeichen auslesen, und den Kindern dann entsprechend lediglich altersgerechte Webseiten anzeigen. Andere Seiten werden blockiert.

Im Jahre 2012 wurden die ersten Jugendschutzprogramme anerkannt, die solche Kennzeichen auslesen. Erkenntnisse, wieviele Eltern diese Art von Filterprogrammen nutzen, kann man also aus einer über dreijährigen Nutzungszeit gewinnen. Jeder Nutzer, der ein solches anerkanntes Programm installiert hat, kann einfach daran erkannt werden, dass bei seinem Besuch das Alterskennzeichen – standardgemäß eine Datei namens age-de.xml – ausgelesen wird. Entsprechende Nutzer könnten also gezählt bzw. aus den Logfiles von Webseiten bestimmt werden, und die Verbreitung von anerkannten Jugendschutzprogrammen kann im Verhältnis zu den restlichen Besuchern einer Seite errechnet werden.

Da der neue JMStV auf diese Programme setzt und für Webseitenanbieter die Pflicht zur Verwendung von Alterskennzeichen vorsieht, ist es von Interesse, ob und inwieweit sie von Eltern und Erziehenden eingesetzt werden. Einer Verpflichtung zur Installation solcher Kennzeichen durch die Webseitenbetreiber sollte eine messbare Verbreitung der Schutzprogramme vorausgehen, damit der Aufwand in angemessenem Verhältnis zum Nutzen steht. Mit einer gesetzlichen Verpflichtung alleine ist es nämlich nicht getan, dann entsteht lediglich viel Aufwand ohne Nutzen.

Mich interessiert, ob die Landesregierung auf ihren Webseiten selbst überhaupt schon solche Kennzeichen einsetzt – oder verlangt man etwas, was man selbst nicht tut – und welche Verbreitung die Jugendschutzprogramme unter den Besuchern dieser Webseiten haben. Ich habe die Befürchtung, dass es zu beiden Fragen noch nicht viel zu sagen gibt. Aber lassen wir uns überraschen.

Folgende fünf Fragen habe ich der Landesregierung gestellt:

1. Welche Webseiten des Landes, seiner Ministerien, nachgeordneter Behörden oder landeseigener Betriebe verfügen derzeit (heute) nicht über eine installierte Alterskennzeichnung? (Einzeln auflisten)
2. Welche Alterseinstufung haben sämtliche Webseiten des Landes, seiner Ministerien, nachgeordneter Behörden oder landeseigener Betriebe jeweils derzeit (heute)? (Einzeln auflisten, mit jeweiliger Stufe sowie der Kennzeichnungsart)
3. Bezogen auf die 20 Webseiten des Landes mit dem höchsten Besucheraufkommen: Wieviele Besucher haben ein Altersverifikationsprogramm installiert? Geben Sie die Zahlen absolut an, sowie in Prozent gemessen am Besucheraufkommen der Seite, aufgeschlüsselt jeweils nach Kalendermonaten Oktober 2015 bis heute, und nach einzelner Website (soweit die Logfiles noch vorliegen).
4. Steht eine verpflichtende Angabe von Alterskennzeichnung bei diesem Verbreitungsgrad von Kennzeichnungen und installierten Altersverifikationsprogrammen bei Benutzern in angemessenen Verhältnis zum Aufwand der Installation?
5. Was tut die Landesregierung, die Verbreitung solcher Jugendschutzprogramme bei Eltern und Erziehenden zu fördern?

Die zugehörige kleine Anfrage findet man unter der Drucksachennummer 16/11165. Die Antwort wird wieder über die üblichen Wege veröffentlicht, ich halte Euch auf dem Laufenden.

Rede „Rechtssicherheit für offene WLANs. Bund darf die Wünsche der Bundesländer bezüglich der Störerhaftung nicht ignorieren!“

Im Plenum vom 2. Dezember wurde mein Antrag: „Rechtssicherheit für offene WLANs. Bund darf die Wünsche der Bundesländer bezüglich der Störerhaftung nicht ignorieren!“ debattiert. Die Rede könnt Ihr hier nachsehen und nachlesen.

Daniel Schwerd (fraktionslos) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Beim vergangenen Plenum lag bereits ein Antrag von mir zur Störerhaftung vor. Damals ging es darum, dass sich die Landesregierung bitte im Bundesrat für den Änderungsvorschlag einsetzen möge, den die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates zum Telemediengesetz entwickelt hatten.

Sie werden sich erinnern: Die Bundesregierung hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Störerhaftung bei offenen WLANs abwenden sollte. Die Bundesregierung hat dieses Ziel mit ihrem Entwurf jedenfalls deutlich verfehlt. Zwar haben Sie hier im Landtag meinen Antrag mehrheitlich abgelehnt. Aber egal! Die Begründung, den Antrag abzulehnen, weil man sowieso dafür sei, ist bereits entlarvend genug. Hauptsache, die Landesregierung verhält sich dem Antrag entsprechend! In diesem Zusammenhang sage ich auch vielen Dank an Herrn Minister Lersch-Mense für seine Rede und seine eindeutige Position im Bundesrat.

Leider sieht es jetzt aber so aus, als würde die Bundesregierung die Bedenken des Bundesrates ignorieren. Der Gesetzentwurf wurde nach einer sogenannten „eingehenden Prüfung“ der Bedenken des Bundesrates, die gerade einmal fünf Tage dauerte, zur weiteren Befassung im Bundesrat eingereicht. Die kritisierten Punkte der sinnfreien Belehrungspflicht der Nutzer eines Netzwerkes und der unklaren „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“, was auch immer das sein soll, sind nach wie vor darin enthalten.

Es bleibt also dabei: Diese Bundesregierung steht der Verbreitung von freien Internetzugängen und offenen Bürgerdatennetzen im Wege. Sie gefährdet mit diesem Gesetz den Freifunk in unserem Land.

Deutschland ist in Europa Schlusslicht beim Internetausbau und bei freien Internetzugängen. Deutschland hat pro 10.000 Einwohner gerade einmal knapp zwei offene Hotspots. In Großbritannien sind es 28, in Südkorea mehr als 37 freie WLAN-Zugänge, gerechnet auf 10.000 Menschen. Selbst in vietnamesischen Fahrradtaxis kann man freie WLAN-Zugänge benutzen. Und hierzulande wird überlegt, wie man Nutzer belehren muss und wer wann zu haften hat!

Der Rest der Welt nutzt das freie Internet einfach. So etwas wie Störerhaftung gibt es nur in Deutschland. Die politischen Rahmenbedingungen sind hier von gestern. Es ist auch keine Besserung in Sicht. Wir werden abgehängt. Der Abstand wird sogar noch größer.

Meine Damen und Herren, jetzt ist es an den Ländern und damit auch an unserer nordrhein-westfälischen Landesregierung, die Notbremse zu ziehen. Das fordere ich in diesem Antrag.

Ich habe mit Regierungslob nicht gegeizt. Liebe SPD und liebes Bündnis 90/Die Grünen, springen Sie also über Ihren Schatten, und stimmen Sie dem Antrag zu, wenn Sie doch sowieso dafür sind. Damit senden wir dann ein Signal an den Bundestag, der sich mit dem Gesetzentwurf ja auch noch auseinanderzusetzen hat. Selbst die CDU hat sich das letzte Mal freundlich enthalten. Was will man denn noch mehr! – Vielen Dank.

Rede zu „Vectoring-Monopol der Deutschen Telekom verhindern!“

„Vectoring-Monopol der Deutschen Telekom verhindern!“ war das Thema der folgenden Rede. Hierzu lag ein Antrag der Piratenfraktion vor.

Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und am Stream! Die Bundesnetzagentur hat angekündigt, die Pläne, die die Deutsche Telekom bezüglich Vectoring vorgelegt hat, weitestgehend zu billigen. Das halte ich für einen gefährlichen Irrweg.

Beim Vectoring geht es darum, aus den Kupferleitungen der letzten Meile einen kleinen Geschwindigkeitszuwachs herauszuquetschen. Dazu werden die Kupferkabel ausgehend von den rund 8.000 Hauptverteilern im Land so gebündelt und so aktiv aufeinander abgestimmt, dass die physikalischen Grenzwerte gewissermaßen ausgetrickst werden und man in der letzten Meile noch einmal etwa eine Verdoppelung der Geschwindigkeit erreichen kann.

Das erkauft man sich allerdings mit gravierenden Nachteilen: Diese Technologie ist aktiv. Das heißt, dass sie mit Rechenleistung und ständig erhöhtem Stromverbrauch erkauft werden muss. Vectoring ist also teurer und ökologisch nachteilig. Der Geschwindigkeitszuwachs steht nicht allen zugleich zur Verfügung. Der vorhandene Draht wird zwar besser ausgenutzt, aber insgesamt gewissermaßen nicht dicker.

Und vor allem: Die Bündelung muss aus technischen Gründen in einer Hand geschehen. Das will die Deutsche Telekom machen. Damit wird sie wieder zum Monopolisten. Dann haben wir wieder eine Bundespost. Das ist schlecht für Markt und Verbraucher. Es führt zu hohen Preisen und zum Innovationsstau.

Vectoring ist ein Irrweg: Er steht dem dringend notwendigen Ausbau durch Glasfaser im Weg; denn er bindet Kapazitäten und Finanzen auf sich. Der Marktdruck entfällt durch den Wegfall von Konkurrenz. Der Geschwindigkeitszuwachs wiederum ist so gering, dass die Kapazität schon bald erneut an ihre Grenzen stoßen wird. Nicht zuletzt ist Glasfaser aufgrund des geringeren Stromverbrauchs langfristig billiger. Durch geringeren Energieverbrauch wird sich das also von selbst bezahlt machen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an den Klimaschutzplan erinnern. Wollten wir nicht neue stromsparende Technologien fördern und alte Stromfresser abstellen? Meine Damen und Herren, lassen Sie uns der Technologie der 90er-Jahre nicht auch noch gutes Geld in Form von Vectoring-Förderung hinterherwerfen! Glasfaser muss in jedes Haus. Nur das ist zukunftssicher.

Im Wirtschaftsausschuss hatten wir am 10. Juni 2015 eine Anhörung zum Thema „Vectoring“. Jörg Figura vom Verband kommunaler Unternehmen sagte da: „Vectoring im Nahbereich ist absolut schädlich für den Zieleausbau“

Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.

Auf jeden Fall sollten wir den Bemühungen der Telekom, auf diese Weise wieder ein Monopol über die letzte Meile zu erlangen, einen Riegel vorschieben. – Herzlichen Dank.

Für Meinungsfreiheit – gegen Hetze im Internet

Landesanstalt_für_Medien_NRW_logo.svgAm 20. November haben wir in der Sitzung der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) gemeinsam mit dem Vorsitzen den LfM einen Appell gegen Diskriminierung und Hetze im Internet verabschiedet.

Diesen Aufruf unterstütze ich gerne persönlich, ich freue mich über sein Zustandekommen sehr. Auch die anderen Mitglieder der Kommission haben dem Text zugestimmt und ihn unterschrieben – er wird jetzt auch in den entsendenden Organisationen verbreitet, vielleicht schließen diese sich ebenfalls an. Ich konnte an der abschließenden Formulierung mitarbeiten, die wir im Rahmen der Sitzung der Medienkommission vornahmen. Der Text ist auf der Webseite der LfM veröffentlicht, und natürlich auch hier:

„Für Meinungsfreiheit – gegen Hetze im Internet“

Appell der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) gegen Diskriminierung und Hetze im Internet
Düsseldorf, 20. November 2015

Ein demokratisches und tolerantes Miteinander ist auch im Internet unverzichtbar. Gegenwärtig werden dort aber Hetze, Hass und Diskriminierung immer wieder und immer mehr verbreitet – besonders in sozialen Netzwerken, Foren und Kommentarspalten. Die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) und die in ihre Medienkommission entsandten Mitglieder appellieren daher an alle Nutzer, aber auch an die Anbieter von Internetplattformen:

Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Hetze dürfen auch im Internet keinen Raum finden. Diffamierungen sind zu verurteilen und dürfen nicht heruntergespielt oder verharmlost werden. Hasserfüllte Kampagnen im Netz sind Katalysator realer Gewalt. Gerade die aktuellen politischen Debatten und Geschehnisse rund um die Flüchtlingssituation zeigen, dass „Hate Speech“ und reale Gewalt oft nah beieinander liegen.

Die LfM fordert daher insbesondere die Betreiber sozialer Medien auf, ihrer Verantwortung stärker als bisher gerecht zu werden. Internetplattformen wie Facebook oder YouTube haben durch ihre Reichweite eine besondere Bedeutung und damit auch eine besondere Verantwortung. Sie finanzieren sich aus Werbeeinnahmen und anderen Erlösmodellen, die von hohen Nutzungszahlen abhängen. Dies darf aber nicht dazu führen, die Grenzen für zulässige Inhalte zu weit zu fassen, um immer höhere Nutzungszahlen zu generieren.

Zwar ist es unbestritten wichtig, dass sich die Internet-Community durch Meinungen und Argumente im Rahmen von „Social Media“ deutlich positioniert. Aber auch künftig muss es gelingen, eine Diskussionskultur aufrecht zu erhalten, in der Diskriminierung und Hetze von vornherein keinen Platz finden. Daher müssen auch die Anbieter der Internetangebote selbst stärker entsprechend einwirken, Maßnahmen ergreifen und Position beziehen. Diese Verantwortung darf nicht allein auf die Nutzer verlagert werden; die in den sozialen Medien herrschende Kommunikationskultur darf nicht sich selbst überlassen werden.

Immer öfter werden auch Journalisten mit ihrer Berichterstattung zu aktuellen Ereignissen zur Zielscheibe von Angriffen und Verleumdungen. Zeitungen und Zeitschriften, private wie öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender erleben auf ihren Internetseiten immer öfter Anfeindungen in zum Teil extremer Form. Auch hier gilt: Hass und Hetze dürfen nicht zur Normalität werden und somit die Chance erhalten, als ein akzeptiertes und gesellschaftsfähiges Mittel der Meinungsäußerung zu gelten. Diskriminierende, hetzerische, rassistische und hasserfüllte Kommentare dürfen nicht als Teil des legitimen Meinungsspektrums bagatellisiert werden; „Hate Speech“ gegen Medien und Medienschaffende darf keinen Raum erhalten und ist nicht zu akzeptieren.

Die LfM ruft alle Betreiber von „Social Media“-Plattformen und alle Nutzer auf, Hass und Hetze zu stoppen. Und sie ruft alle gesellschaftlichen Gruppen dazu auf, sich gemeinsam für die Meinungsfreiheit und gegen die Hetze im Internet zu engagieren.

Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen

Rede zu den beiden Anträgen „Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen“ sowie „Mehr politische Widersprüchlichkeit geht nicht. CDU und SPD bejubeln erst die Aufkündigung von Safe Harbor und führen dann die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder ein“ (wurden gemeinsam beraten) vom 05. November 2015:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und an den Bildschirmen!

Es gibt genau zwei Arten von Datenbanken: solche, die bereits gehackt worden sind und von denen anschließend gespeicherte Daten in den Umlauf geraten sind, und solche, wo das noch nicht bekannt ist.

Es gibt aber keinen Grund, zu glauben, dass irgendwelche Daten tatsächlich sicher sind. Warum glaubt man also jetzt, dass ausgerechnet die Vorratsdaten sicher aufbewahrt werden können? Darauf basiert letztlich das gesamte Gesetz, indem man spitzfindig unterscheidet zwischen der anlasslosen und massenhaften Speicherung und Erfassung von Daten bei den Providern auf der einen Seite und der gezielten Abfrage durch die Ermittlungsbehörden nach richterlichem Vorbehalt auf der anderen Seite. Das soll dann die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs einhalten. Abgesehen davon, dass vollkommen unklar ist, ob die Gerichte das auch so sehen werden:

Wer bringt denn den Bundesgesetzgeber auf das schmale Brett, die Bewohner unseres Landes dem Risiko einer solchen monströsen Datenspeicherung auszusetzen? Jeden Tag liest man von gehackten Daten im freien Umlauf samt Krankenakten, Passwörtern, Kreditkartendaten etc.

Wir hatten hier im Landtag eine Anhörung, in der der befragte Experte erzählt hat, dass er binnen Stunden in jede kommunale Datenbank einbrechen konnte und dort meist sogar Spuren früherer Einbrüche vorgefunden habe. Wie kommt man also jetzt auf die Idee, dass ausgerechnet die Vorratsdaten auf einmal sicher seien? Dass die ein gefundenes Fressen für Geheimdienste sind, die sich bekanntermaßen einen Dreck um Richtervorbehalte kümmern, das muss man wohl nicht extra betonen. Der beste Datenschutz ist nach wie vor, Daten gar nicht erst zu speichern.

Wie man Berufsgeheimnisträger schützt, ist auch immer noch unklar. Schließlich sind an Kommunikation immer zwei Parteien beteiligt. Wie realisiert man den Schutz eines Anwalts, eines Journalisten oder eines Pfarrers, der plötzlich am anderen Ende einer Kommunikation auftaucht? Das ist völlig ungeklärt.

Über die Vorratsdatenspeicherung haben wir tatsächlich schon oft gesprochen. Die Argumente sind unverändert. Bis heute hat noch niemand den Nutzen einer solchen Regelung belegen können. Sehr wohl aber wird vor dem Schaden gewarnt. Das tun Verfassungsrechtler, Technikexperten und selbst die Industrie.

Lassen Sie uns also dieses Gesetz stoppen, bevor es von den Gerichten kassiert werden muss und bevor die 260 Millionen € rausgeworfen sind, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kosten wird. Die Zeche dafür zahlen nämlich wir alle, auch mit erhöhter Datenunsicherheit.

Vielen herzlichen Dank.