Wie schon befürchtet ist Zeit eine der knappsten Ressourcen im Politikalltag. In der sitzungsfreien Zeit war es turbulent – und schneller als erwartet kam die erste Sitzungsperiode. Demnächst möchte ich regelmäßiger über meinen Alltag hier im Landtag zu schreiben – vor allem auch deshalb, weil es spannend wird und die inhaltliche Arbeit überwiegt.
Inhaltliches
Nach vielen organisatorischen Dingen ist in den letzten Wochen die inhaltliche Arbeit in den Vordergrund gerückt. Bei einigen Themen arbeiten wir uns gerade ein, wie beispielsweise den Haushalt 2012. Wir haben eine ganze Reihe von Themen in den parlamentarischen Prozess eingebracht: Darunter zwei Gesetzentwürfe (zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und zur Änderung der Landesverfassung), ca. 60 Kleine Anfragen, eine Große Anfrage (zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten bei der Polizei) sowie einige Anträge. In der Aussprache zur Regierungserklärung von Hannelore Kraft am 12.9. waren wir im Übrigen die einzige Oppositionsfraktion, die erklärt hat, wie sie sich die inhaltliche Arbeit in den nächsten fünf Jahren im Landtag konkret vorstellt (Link zur Rede von Joachim Paul). Von den anderen Oppositionsparteien hörte man die üblichen Vorwürfe in Richtung Regierung – die es dafür in die Presse geschafft haben.
Ich habe eine Rede zum Thema der EFRE-Förderung im Ziel II-Programm gehalten – dabei geht es um Strukturförderung mit EU-Mitteln. Die CDU hat einen Antrag vorgestellt, in dem sie sich mehr Wettbewerb und weniger Großprojekte bei der Mittelvergabe wünscht. Ich habe dazu Stellung genommen – ich hoffe, konstruktiv und nicht im üblichen Politgebashe. Sehen kann man die Rede hier. Anzumerken ist, dass diese Rede eigentlich nur zu Protokoll gegeben werden sollte. Ich finde das unsäglich – eine Debatte, die nur auf Totholz stattfindet, ist keine.
Alle Kleinen Anfragen, die ich stelle, verlinke ich hier im Blog. Oft genug drückt sich die Regierung um eine echte Antwort herum, manchmal sind die Antworten aber sehr interessant. Dann – wie zum Beispiel bei meiner kleinen Anfrage zu der Verwertung von Daten, die sich auf den aufgekauften Steuer-CDs befinden – versuche ich daraus auch medial etwas zu machen. (U. a. berichteten in der Folge Spiegel Online, Focus Online und der WDR.)
Eine weitere kleine Anfrage, die sehr erfreulich verlaufen ist, ist die zu den Kölner Jahnwiesen. Hier stand im Raum, dass dieser Platz dem Deutschen Fußballbund als Leistungszentrum zur Bebauung zur Verfügung gestellt worden. Die Kölner waren nicht erfreut, diesen Platz des Breitensports womöglich zu verlieren, und haben protestiert – die Antwort der Landesregierung liest sich nun so, als sei das Thema vom Tisch. Ich würde mir gerne einbilden, dass es an meiner Anfrage liegt, vermute aber, dass das schon vorher zwischen Landesregierung und Stadt so besprochen war.
Andere Anfragen, die ich gestellt habe, drehten sich um die De-Mail, verwaiste Werke von in der NS-Zeit ermordeten und verfolgten Künstlern, NSU-Aktenvernichtung, Zahlungsmoral öffentlicher Stellen und dem Damoklesschwert von Kassenkrediten der Kommunen. Hier stehen Antworten noch aus.
Einen großen Anteil unserer inhaltlichen Arbeit macht momentan der Haushaltsentwurf für 2012 aus. So ein Haushalt ist ein ganz schöner Brocken Totholz:
Der rechte Stapel besteht aus den Einzelplänen und Erläuterungsbänden derjenigen Ressorts, für die ich zuständig bin – also Wirtschaft, Kultur und Medien. Der linke Stapel besteht aus den restlichen Haushaltsplänen. Leider hat die rot-grüne Landesregierung den Haushaltsentwurf sehr spät vorgelegt. Laut Verfassung muss der Haushalt so eingebracht werden, dass er verabschiedet werden kann, bevor das entsprechende Haushaltsjahr beginnt. Der aktuelle Haushalt für 2012 ist erst Ende August eingebracht worden und wird wohl erst im November verabschiedet – wenn das Jahr schon fast rum ist. Direkt im Anschluss kommt dann der Haushalt für 2013 auf den Tisch – bis zu seiner Verabschiedung wird 2013 schon begonnen haben, also im Grunde auch schon zu spät.
Daneben beschäftigt mich das sogenannte Mittelstandsförderungsgesetz. Hier möchte die Landesregierung eine „Clearingstelle Mittelstand“ einrichten, die alle Gesetze der Landesregierung auf Mittelstandsverträglichkeit durchleuchten soll, noch ehe sich das Kabinett mit dem Thema beschäftigt – geschweige denn der demokratisch gewählte Landtag. Das größte Problem an der Sache: Die Clearingstelle soll sich aus bezahlten Interessenvertretern zusammensetzen. Damit würde der Verbandslobbyismus institutionell im Gesetzgebungsprozess verankert (Link zum Pad mit ausführlicher Kritik). Am 25.Oktober findet eine Expertenanhärung im Wirtschaftsausschuss statt, zu dem wir die geeigneten Fragen stellen wollen, um diesen Punkt herauszustellen. Demnächst werde ich euch dann hoffentlich mitteilen können, dass uns das gelungen ist.
Wie man einen Politikalltag organisiert
Wir haben unseren Büro-Umzug bewältigt. Statt des tristen Ausblicks auf die Altglascontainer der Landtags-Kantine schauen wir aus unserem neuen Büro in der obersten Etage jetzt über die Dächer Düsseldorfs und auf das Stadttor, in dem auch die Staatskanzlei untergebracht ist. Wir können als Oppositionsfraktion die Regierung jetzt also nicht nur politisch unter die Lupe nehmen, sondern auch ganz praktisch.
Tatsächlich ist ein Großteil der Sommerpause für organisatorische Dinge draufgegangen. Ich habe eine Vielzahl von Bewerbungsgesprächen geführt – ein Wirtschaftsreferent wurde gefunden und eingestellt, und für Kultur und Medien haben Gespräche auch schon stattgefunden, wenn auch die letzte Entscheidung noch fallen muss.
Inzwischen haben wir als Fraktion einen Großteil der Arbeitsabläufe standardisiert und unsere Arbeitswochen entsprechend durchgeplant. Montags treffen sich die fraktionsinternen Arbeitskreise. Diese sind nach Themenfeldern geordnet und dienen der Vorbereitung für die Fraktionssitzungen. Hier können Themen ausführlich diskutiert werden, während sie in den Fraktionssitzungen aus Zeitgründen oft nur relativ kurz vorgestellt werden können. Wenn ein neues Gesetz bspw. im Wirtschaftsausschuss auf der Tagesordnung steht, stelle ich das in meinem Arbeitskreis vor, um mit den anderen Abgeordneten und Mitarbeitern, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen, darüber zu diskutieren und zu überlegen, wie man sich dazu im Ausschuss und im Plenum verhalten soll.
Mit dem jeweiligen Diskussionsergebnis geht es dann dienstags in die Fraktionssitzung, an der alle Abgeordneten und die Fachreferenten teilnehmen. Hier wird alles besprochen, was die Fraktion insgesamt betrifft: Von der Frage, wer sich um die Technik für die Streams kümmert bis hin zur Diskussion über Gesetze und Anträge. Es werden die Ergebnisse aus den Arbeitskreisen vorgestellt und es wird besprochen, wie man als Fraktion zu einem Vorhaben steht und wer bei der nächsten Plenarsitzung dazu eine Rede halten soll. Alle Fraktionssitzungen und die Arbeitskreissitzungen, werden von uns live ins Internet gestreamt.
Neben diesen Fraktionsterminen gibt es feste Termine für alle Abgeordneten des Landtags: Die Ausschuss- und die Plenarsitzungen (ich habe dazu schon etwas in meinem letzten Wochenrückblick geschrieben). In den Sitzungswochen tagen von dienstags bis freitags die Fachausschüsse, an denen Abgeordnete aller Parteien teilnehmen. Hier wird v.a. über die Details von Gesetzen diskutiert, es werden Änderungen eingearbeitet und bei öffentlichen Anhörungen Experten befragt. Von Juli bis Dezember 2012 gibt es insgesamt fünf Plenarwochen. (Link zu allen Parlamentsterminen)
Findet eine Plenarsitzung statt, wird es in Zukunft bei Bedarf am Freitag davor eine Fraktions-Sondersitzung geben. Hier gehen wir alle Tagesordnungspunkte durch und besprechen, wie wir uns dazu verhalten wollen. Der jeweils mit dem Thema befasste Abgeordnete macht einen Vorschlag, wie man seiner Meinung nach abstimmen soll. Diese Vorschläge haben bei uns keine bindende Wirkung, jeder kann so abstimmen, wie er es für richtig hält. Und das tun wir auch – in den Plenarsitzungen kommt es regelmäßig vor, dass verschiedene Abgeordnete der Piraten unterschiedlich stimmen. In Wochen ohne Plenarsitzung treffe ich mich freitags zudem oft mit den Piratenabgeordneten, mit denen ich im gleichen Ausschuss sitze (Kai Schmalenbach im Wirtschaftsausschuss und Lukas Lamla im Ausschuss für Kultur und Medien), um wiederum die Sitzungen der Arbeitskreise am Montag vorzubereiten.
Termine, Termine
Zwischendrin gibt es eine Vielzahl weiterer Termine, die ich als Abgeordneter wahrnehme, bspw. Veranstaltungen mit Bürgern, Gespräche mit Vertretern von öffentlichen Einrichtungen und Verbänden, Gespräche mit anderen Abgeordneten (alle Termine veröffentliche ich hier auf meiner Webseite). Und schließlich wären da noch die verschiedenen Piraten-Termine, in denen unsere eigenen Inhalte überhaupt erst entstehen: Also Stammtische, Arbeitskreise, Barcamps, Mumble usw.
In der sitzungsfreien Zeit habe ich die Gelegenheit genutzt, durch „meine“ Region zu reisen: Ich habe Piratenstammtische im Rhein-Erft-Kreis, in Düren und Euskirchen besucht und dort Bürgersprechstunden abgehalten. Ich hoffe, dass ich dazu auch in Zukunft regelmässig kommen werde. Mir hat das sehr viel gebracht – Probleme beispielsweise mit dem mangelhaften Netzausbau, die die Piraten „auf dem Land“ haben, verliert man in der Stadt aus den Augen, VDSL-verwöhnt wie man da ist.
Zuletzt noch der Hinweis auf www.piratenfraktion-nrw.de – hier gibt es jeweils auch tagesaktuelle Neuigkeiten. Bei den nächsten Wochenrückblicken wird es dann in die Details der Arbeit gehen.
23015 Leser.
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Hallo Daniel,
danke, dass Du Dir die Zeit nimmst so ausführlich zu berichten.
Lieben Gruß
Renate
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