Im Nachgang zu meinen beiden Blogposts, die sich mit unserem Antrag „Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland“ beschäftigen: „Kein Bett für Snowden im Landtag NRW“ und „Zur Behauptung, die Piraten wären beim Snowden-Antrag nicht kompromissbereit gewesen“, bin ich Euch noch die Videos zur Debatte schuldig, die der Grund für die Posts war.
Hier könnt Ihr die gesamte Debatte nachsehen:
Die Reaktionen der anderen Fraktionen sind durchaus auch interessant und vielsagend. Am Ende der Debatte antworte i h auf die Vorwürfe Priggens, zu denen ich im zweiten Blogpost Stellung genommen hatte.
Wer nur meine Redebeiträge sehen will:
Viel Spaß, und vielen Dank für Feedback!
Protokoll der Reden:
Vizepräsident Oliver Keymis:
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Schwerd das Wort.
Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe ausspionierte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte total überwachte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Wir feiern heute ein trauriges Jubiläum. Vor genau einem Jahr wurden die ersten Enthüllungen Edward Snowdens bekannt. Seitdem wird er von der US-Regierung verfolgt, der Snowden mehrfachen Verfassungsbruch nachgewiesen hat. Die USA haben seinen Pass eingezogen und üben massiven Druck auf alle Regierungen aus, die ihm sicheren Aufenthalt gewähren wollen. Menschen, Journalisten und Abgeordnete werden bedroht, nur, weil sie mit ihm sprechen wollen.
Ausgerechnet in Russland wahrlich kein Hort von Demokratie und Freiheit hat Snowden befristetes Asyl gefunden. Und warum? Weil alle anderen Staaten inklusive Deutschland sich vor den Wildwestmethoden der USA wegducken. Das ist armselig.
(Beifall von den PIRATEN)
Dabei haben wir Snowden unendlich viel zu verdanken. Durch ihn wissen wir, dass Deutschland und gerade NRW im Fokus der Five-Eyes-Spionageallianz steht. Dank Snowden wissen wir, dass die Überwachung durch westliche Geheimdienste totalitär ist. Dank Snowden wissen wir, dass US-amerikanische und britische Geheimdienste die Kommunikation unserer Verfassungsorgane ausspionieren bis hin zum Handy der Kanzlerin und anderer Regierungsmitglieder, auch auf Landesebene. Keiner hier im Saal sollte glauben, er wäre davon ausgenommen. Wir sollten Edward Snowden aus mehreren Gründen nach Deutschland holen. Zuallererst, weil wir unsere Verfassung ernst nehmen,
(Beifall von den PIRATEN) und zweitens, um Snowden zu schützen. Drittens: weil wir ihn als Kronzeugen brauchen. Er kann uns detailliert Auskunft darüber geben, welche Verbrechen westliche Geheimdienste in Deutschland begangen haben und fortwährend begehen.
Snowden war ausgebildeter Geheimagent mit einer Tarnidentität und mit der Überwachung Deutschlands selbst befasst. Er wird persönlich noch sehr viel mehr Informationen haben, als bislang bekannt geworden ist. Snowden muss Gelegenheit haben, vor einer deutschen Staatsanwaltschaft und vor deutschen Untersuchungsausschüssen frei, ohne Angst vor Abhörung oder Nachteilen auszusagen. Dies müsste Staatsraison sein.
(Beifall von den PIRATEN)
Viertens: schlicht und ergreifend als Zeichen unseres Dankes. Schließlich: Wie wollen wir zukünftig mit Whistleblowern umgehen? Niemand hier im Saal spricht Snowdens Enthüllungen ihre Bedeutung ab. Wie sollen zukünftig Menschen den Mut finden, Skandale aufzudecken, wenn wir so schäbig mit Snowden umgehen? Das ist eine Schande!
(Beifall von den PIRATEN)
Unsere Regierung ist zu feige, Snowden aufzunehmen oder anzuhören. Wichtiger als Demokratie und Freiheit ist ein sogenanntes Staatswohl. Doch wo steht denn dieses Staatswohl im Grundgesetz? Was ist denn diese transatlantische Freundschaft? Greift man Bürgerrechte von Freunden an? Hört man die Kommunikation befreundeter Regierungen ab? Wird Deutschland von der NSA als lohnendes Angriffsziel bezeichnet, weil wir so gut befreundet sind? Eine Regierung, die die Totalüberwachung der deutschen Gesellschaft so ungerührt hinnimmt, ohne die Verantwortlichen in den USA und England in die Schranken zu weisen, die leidet an einem akuten Minderwertigkeitskomplex.
(Beifall von den PIRATEN)
Wer im Namen der Freundschaft bereit ist, alles hinzunehmen, der verwechselt Freundschaft mit Unterwürfigkeit und Kriecherei.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich finde das widerwärtig. Edward Snowden hat alles aufgegeben, was er besaß, damit wir in Freiheit leben können. Er war nie auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Er verkörpert Werte, die manchen Politikern offensichtlich fehlen: Aufrichtigkeit, Mut und staatsbürgerliche Verantwortung. Es gibt nur einen Grund, warum Edward Snowden nicht nach Deutschland kommt: Feigheit vor der Realität und ein jämmerliches Versagen im Amt. Ein Verrat am Amtseid. Das ist beschämend!
(Beifall von den PIRATEN)
Ersparen Sie sich und uns allen, weiterhin ein derartiges Resümee ziehen zu müssen.
Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd…
(Weiter geht’s gegen Ende der Debatte):
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die Piratenfraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Schwerd zu Wort gemeldet. Er hat noch 23 Sekunden.
Daniel Schwerd (PIRATEN): Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.
Ich möchte natürlich sehr gerne auf die Rede von Herrn Priggen eingehen. Es ist natürlich eine ganz schöne Doppelmoral, die sich hier offenbart, wenn Sie in anderen Ländern ähnliche Anträge einreichen, die Sie, wenn sie von den Piraten kommen, falsch finden.
(Beifall von den PIRATEN)
Der Wunsch, Druck auf die Politik auszuüben, kommt unmittelbar aus dem Unterstützerumfeld Edward Snowdens. Gehen Sie einmal davon aus, dass Herr Ströbele nicht der Einzige ist, der Kontakt in diese Szene hat. Wir profilieren uns aber nicht so damit.
(Beifall von den PIRATEN)
Wenn es Ihnen nicht gefällt, dass wir einen Antrag stellen und er hier in diesem Plenum abgelehnt wird, dann kann das kaum unser Fehler, also derjenigen sein, die ihn gestellt haben. Wie könnte eine Ablehnung hier im Landtag mehr schaden als die Haltung der Bundesregierung, die wir erleben? Es ist nämlich die Bundesregierung, die untätig ist. Sie verletzt ihren Amtseid. Oliver Welke hat im ZDF gesagt: Der Rechtsstaat ist offiziell im Arsch. – Das versetzt uns in die Pflicht, unsererseits dagegen zu handeln. Dies könnten wir tun, indem wir von hieraus über den Bundesrat auf die Bundesregierung Druck ausüben. Da die Bundesregierung hier offenbar zum Jagen getragen werden muss, müssen wir das von hieraus tun. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. – Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung
Ich muss hier offenbar etwas aus dem Nähkästchen plaudern.
Sämtliche anderen Fraktionen haben geschlossen gegen unseren Antrag votiert. Hauptargument der Redner der anderen Fraktionen war die fehlende Zuständigkeit: Für diese Fragen sei die Bundesebene zuständig.
Besonders krass ist die Doppelmoral, die Priggen damit offenbart. Die Grünen im Bayrischen Landtag – dort in der Opposition – hatten einen
Sie hätten einen – wie auch immer gearteten – Kompromissvorschlag ausarbeiten können in ihrer Rolle zwischen den Stühlen. Sie hätten – als weichste Form des Protests – persönliche Erklärungen abgeben können. Aber nichts von all dem ist geschehen – man wollte das Fiasko einfach nur aussitzen, den Kopf einziehen und die Piraten dafür verantwortlich machen.
Man untertreibt mit Sicherheit nicht, wenn man festhält, dass das Internet seit dem 05. Juni 2013 nicht mehr dasselbe ist wie zuvor. Das Internet ist kaputt, und es sind westliche Geheimdienste, die es zerstört haben. Doch die schlimmsten Auswirkungen sind nicht technischer Natur, sondern die fatalen Folgen für unsere Wirtschaft, unsere Demokratie und unsere Freiheit.
Auch Deutschland macht auf seine Weise mit. Obwohl Deutschland als besonders interessantes Ziel für Überwachung durch die NSA markiert worden ist, funktioniert der Datenaustausch reibungslos. Man stellt den westlichen Geheimdiensten Daten zur Verfügung, man bekommt offenbar auch hin und wieder interessante Daten – und stellt keine Fragen. Von Spionageabwehr, also der Abwehr gegen diese grundrechtswidrigen Angriffe durch „befreundete“ Nachrichtendienste gibt es keine Spur.
Warum fehlt jedoch der öffentliche Aufschrei angesichts eines täglichen, millionenfachen, fortgesetzten Grundrechtsbruchs? Wo sind die Massendemonstrationen, die öffentlichen Apelle? Wo schlägt sich die Besorgnis in Wählerstimmen nieder? Oder auch: Warum hört man von Piraten in der Angelegenheit nichts (obwohl diese seit einem Jahr ununterbrochen aus vollem Hals alarmieren)?
Im Wissen, dass jede Meinungsäußerung im Internet mitgelesen und für immer gespeichert werden kann, setzt jetzt schon eine innere Zensur ein: Kann ich das so noch sagen? Wird mir diese Äußerung womöglich zum Nachteil ausgelegt werden? Muss ich mit Restriktionen bei zukünftigen Flugreisen rechnen, bei der Einreise in bestimmte Staaten? Mit Problemen im Beruf, im Ausland? Und wie verhält es sich, wenn diese Informationen anderen Menschen in die Hände fallen, etwa Kriminellen, Extremisten, oder einem totalitären Staat in der Zukunft?