Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

Stadion

Ein für den 3. September geplantes internationales kurdisches Kulturfestival im Kölner Rhein-Energie-Stadion kann nicht stattfinden. Der Stadionvermieter, die Sportstätten Köln GmbH (eine 100%ige Tochter der Stadt Köln), hat ihre Zusage vor Abschluss des Mietvertrages wieder zurückgezogen, nachdem die Kölner Polizei empfohlen hatte, den Veranstaltungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

Angemeldet hatte die Veranstaltung der eingetragene Verein „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland“, kurz „Nav-Dem“, welcher ein demokratischer Dachverband kurdischer Kultur und Gesellschaft in Deutschland ist. Das kurdische Kulturfestival wird bereits seit vielen Jahren ohne Zwischenfälle durchgeführt und hat in der Vergangenheit schon friedlich im Kölner Stadion stattgefunden.

Polizeipräsident Jürgen Mathies begründet die „Empfehlung“ mit Sicherheitsbedenken. Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führten zu einer hohen Emotionalisierung auch der in Köln lebenden Kurden und Türken, er halte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden rund um das Stadion für wahrscheinlich.

Es stellt sich die Frage, warum die Kölner Polizei sich nicht in der Lage sieht, ein legales, friedliches und demokratisches Kulturfest vor eventuellen Auseinandersetzungen im Umfeld schützen zu können, und angesichts dieser Bedenken nicht etwa Gegendemonstrationen fernhalten will, sondern die ursprüngliche Veranstaltung verhindert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint das Versammlungsrecht in NRW ausgehöhlt und brüchig. Zudem erscheint ein Kulturfestival im Stadion am Stadtrand sehr viel einfacher zu sichern als eine Kundgebung in der Innenstadt.

Die Sportstätten Köln GmbH hatte die Veranstaltung zunächst verteidigt. In einer Mitteilung dazu hieß es: „Bei dieser Organisation handelt es sich um einen in Deutschland eingetragenen Verein, der sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt.“ Der anschließenden „Empfehlung“ der Kölner Polizei konnte sich der Vermieter jedoch faktisch nicht entziehen, da er natürlich auch weiterhin auf die Unterstützung und Kooperation der Polizei angewiesen ist und eine enge Bindung an die Stadt Köln besteht. Es steht außer Frage, dass eine solche „Empfehlung“ der Polizei einem faktischen Verbot nahekommt.

Die türkische Generalkonsulin Sule Gürel hatte zuvor die geplante Veranstaltung „terroristische Propaganda“ genannt und ein Verbot gefordert. Eine Großdemonstration nationalistischer Türken in Köln-Deutz hatte die Kölner Polizei am 31. Juli ungehindert stattfinden lassen. Der Polizei war es an diesem Tage gelungen, ein Aufeinandertreffen von feindlichen Gruppen zu verhindern. Auch in diesem Falle war schon im Vorfeld mit möglichen Auseinandersetzungen zu rechnen, auch diese Demonstration fand in emotional aufgeheizter Stimmung statt. Die kurdische Gemeinde hatte sich an diesem Tag außerordentlich diszipliniert gezeigt und war überwiegend zu Hause geblieben.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Polizei des Landes sei hier servil dem Wunsch der Türkei nach einem Verbot der Veranstaltung gefolgt, indem sie durch die „Empfehlung“ ein Verbot durch die Hintertür erreicht hat. Der Vermieter konnte sich der Empfehlung aus naheliegenden Gründen nicht entziehen. Für ein tatsächliches Verbot fehlt der Polizei die rechtliche Basis. Man könnte meinen, zwischen kurdischen und türkischen Veranstaltungen wird in NRW mit zweierlei Maß gemessen. Es erscheint, als würde sich die Polizei geäußerter Kritik und drohenden gewalttätigen Angriffen durch türkische Nationalisten beugen. Kurdische Verbände hingegen werden in Deutschland weiter kriminalisiert.

Die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete und Autorin Lale Akgün kritisierte die Absage gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger scharf. Als Gesellschaft müssen wir dringend diskutieren, was an Politik von Außen in unser Land hereingetragen werden darf, sagte sie. Wenn die Demokratie wie Ende Juli dazu in der Lage sei, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müsse sie auch ein kurdisches Kulturfest im Kölner Stadion ertragen.

Die Bundesregierung sieht Verbindungen zwischen der Türkei sowie Präsident Erdogan und islamistischen und terroristischen Organisationen im Nahen und Mittleren Osten. Diese Zusammenarbeit sei nach Einschätzung der Bundesregierung seit Jahren bewusste Politik der Regierung in Ankara und werde von Erdogan aktiv unterstützt.

Ich habe daher der Landesregierung NRW heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum sah sich die Polizei nicht in der Lage, das geplante Kulturfestival von den befürchteten Störungen auf andere, grundrechtsschonende Weise zu schützen als durch eine faktische Unterbindung der Veranstaltung selbst?
  2. Inwieweit unterscheidet sich diese Situation von der des 31. Juli in Köln so grundsätzlich, dass hier die Verhinderung der Veranstaltung, und damit die Einschränkung des Versammlungsrechts, angezeigt ist? Belegen Sie, dass die Landesregierung zwischen Türken und Kurden nicht mit zweierlei Maß misst.
  3. Welchen Stellenwert hat die Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, wenn man mit der Verhinderung eines friedlichen und demokratischen Kulturfestes auf Bedrohungen von außen bzw. im Umfeld reagiert, anstatt es vor genau diesen Bedrohungen zu schützen?
  4. Welche Forderungen der Türkei bzw. des Generalkonsulates waren den Behörden des Landes bzw. der Landesregierung bezüglich des geplanten kurdischen Kulturfestes vom 3. September bekannt? Geben Sie auch an, inwieweit diese sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, einen Nichtabschluss der Vertragsverhandlungen zu empfehlen.
  5. Welche Folgen hat die bekannt gewordene Einschätzung der Bundesregierung zur Türkei für die Landesregierung?

Über die Antworten werde ich berichten.

Rechtsverschärfungen des SGB II stoppen & ein sanktionsfreies Existenzminimum schaffen

Parkbankschläfer

Am 7. Juli 2016 wurde mein Antrag „Rechtsverschärfungen des SGB II im Bundesrat stoppen – ein sanktionsfreies Existenzminimum sichern!“ im Landtag debattiert. Es bezieht sich auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu sogenannten „Rechtsvereinfachungen“ im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Bundestagsfraktion der Linken hat bereits nachdrückliche Kritik daran geübt (siehe auch das Flugblatt der Fraktion: Schlimmer geht immer – Mit Union und SPD geht Hartz IV-Drangsal weiter und die Rede von Matthias W. Birkwald zum Thema). Nichts desto trotz wurde das Gesetz mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen und dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Die Beratung dazu war schon für den 8. Juli terminiert, auch da wurde der Beschluss durchgewunken.

Ich hatte beantragt, dass wir im Landtag NRW beschließen, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf ablehnen soll. Darüber hinaus ist es natürlich dringend nötig, ein sanktionsfreies Existenz- und Teilhabeminimum zu schaffen.

Folgendes habe ich beantragt:

Der Landtag soll feststellen:

  1. Die Regelungen von Hartz IV sind für Leistungsberechtigte übermäßig kompliziert, intransparent und unverständlich, sowie mit einem übermäßigen Aufwand für die Verwaltung versehen.
  2. Der Landtag begrüßt Bemühungen, den Bezug von Leistungen nach SGB II zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand abzubauen.
  3. Vereinfachungen müssen sowohl aus Sicht der Verwaltung als auch aus Sicht der Leistungsberechtigten erfolgen. Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften müssen an der Entwicklung dieser Vereinfachungen beteiligt werden.
  4. Ein Grundrecht darf man nicht kürzen. Leistungen müssen existenzsichernd sein. Das Existenz- und Teilhabeminimum darf nicht sanktioniert werden.
  5. Leistungsberechtigte sind keine Bürger zweiter Klasse. Für sie müssen dieselben Verfahrensrechte gelten wie sie im allgemeinen Verwaltungs- und Sozialrecht bestehen.

Der Landtag soll die Landesregierung dazu auffordern,

  1. sich bei den Beratungen im Bundesrat gegen diesem Gesetzentwurf zu positionieren und auszusprechen;
  2. sich auf allen politischen Ebenen für eine sanktionsfreie Mindestsicherung und gegen Sanktionen unter das Existenz- und Teilhabeminimum einzusetzen;
  3. eine echte Vereinfachung des SGB II anzuregen, die sowohl aus der Perspektive der Verwaltung als auch der der Leistungsberechtigten gesehen wird, und an deren Entwicklung auch Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften beteiligt sind.

Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP abgelehnt.

Folgende Rede habe ich anlässlich des Antrages im Landtag gehalten (es gilt das gesprochene Wort):


Ein Minimum, das ist der niedrigstmögliche Wert. So definiert das Websters Dictionary. Der Duden nennt als Synonym des Minimums den Begriff „Mindestmaß“. Und in der Mathematik ist das Minimum ein unterer Extremwert. Nur unser Sozialstaat bringt es fertig, Minima auch noch zu unterschreiten: Nämlich das Existenzminimum. Und damit auch das Mindestmaß an Menschenwürde.

Derzeit ist es nämlich so, dass durch Fehlverhalten der Leistungsberechtigten den Agenturen gegenüber Sanktionen verhängt werden, die den Bezug bis unter das Existenzminimum drücken können. Sanktionen können z.B. direkt in die Obdachlosigkeit führen, sie verursachen Hunger und existentielle Not.

Dass ich Sanktionen grundsätzlich ungeeignet finde, Leistungsberechtigte zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, sei nur am Rande erwähnt, jedenfalls widerspricht diese Art der Bestrafung der Menschenwürde, damit erniedrigt und entmündigt man erwachsene Menschen. Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein werden damit jedenfalls torpediert und nicht ermutigt oder gestärkt.

Das derzeitige Niveau der sozialen Sicherung im SGB II ermöglicht schon jetzt nicht eine würdige Existenz und angemessene Teilhabe. Welche Teilhabe an Bildung können 1 Euro 54 im Monat überhaupt ermöglichen? Davon kann man sich nicht mal ein einziges Buch, eine einzige Zeitschrift kaufen. Kann man sich von 25 Euro 45 für Transport und Verkehr ein Monatsticket leisten, um an gesellschaftlichem Leben teilhaben zu können? Selbst das Sozialticket in unserem Bundesland ist 10 Euro teurer, und damit sind lediglich Nahverkehrsfahrten möglich. Und mit 8 Euro ein Restaurant zu besuchen ermöglicht doch allenfalls einen kleinen Salat und ein Wasser. So ein Regelsatz ist staatlich verordnete Armut. Das ist unwürdig, Hartz IV muss weg.

Aber wenigstens dieser Regelsatz, wenigstens das geringe, was man sich da zusammengerechnet hat, sollte als Sofortmaßnahme doch bitte sanktionsfrei gestellt sein. Und anschließend ein angemessener Betrag sichergestellt werden. Alles andere ist menschenunwürdig. Ich möchte nicht immer an den Artikel 1 des Grundgesetzes erinnern müssen.

Meine Damen und Herren, der Bundestag hat im Juni ein Gesetz zu sogenannten „Rechtsvereinfachungen“ im SGB II beschlossen. Von Vereinfachungen kann man aber nicht sprechen, jedenfalls nicht aus der Sicht der Leistungsberechtigten, im Gegenteil: Deren Rechte bleiben reduziert, sie sind kompliziert zu erlangen und Berechnungen sind intransparent.

Es spricht ja nichts gegen Abbau von Verwaltungsoverhead und Vereinfachungen im Leistungsbezug. Aber warum fragt man nicht Betroffene, Sozial- und Wohlfahrtsverbände oder Gewerkschaften – also diejenigen, die tagtäglich mit den Problemen des SGB II konfrontiert werden? Anlässlich des Änderungsgesetzes gibt es z.B. einen detaillierten Vorschlag des Wuppertaler Sozialhilfeverein Tacheles e.V., initiiert von Harald Thomé. Warum hört man diese Fachleute, diese Verbände nicht an?

Ein weiteres Problem möchte ich noch ansprechen: Im SGB II gibt es Fristverkürzungen zu Lasten der Leistungsberechtigten, die deutlich unterhalb der üblichen Fristen der sonstigen Sozialgesetzgebung liegen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Bescheide nach einem Jahr Bestandskraft erhalten, selbst wenn sich später gerichtlich deren Rechtswidrigkeit zeigt. Sind nun alle Menschen vor dem Gesetz gleich, oder sind die SGB II-Berechtigten Bürger zweiter Klasse mit minderen Rechten? Hier muss doch wohl auch dringend Gerechtigkeit hergestellt werden.

Es freut mich sehr, dass wir gemeinsam mit meinem Antrag heute einen Antrag der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen behandeln, der ebenfalls eine Ungerechtigkeit im SGB II-Bezug thematisiert. Dort geht es um Umgangsmehrbedarf, den Alleinerziehende mit Kindern haben. Auch die regierungstragenden Fraktionen haben hier also einen dringenden Verbesserungsbedarf festgestellt.

Dann möge doch die Regierung des Landes diesen Verbesserungsbedarf im Bundesrat aufgreifen und sich für eine echte Rechtsvereinfachung, auch aus Sicht der Leistungsberechtigten, einsetzen. Diese sogenannte „Rechtsvereinfachung“ wird nämlich im Bundesrat ab diesem Freitag behandelt. Sie haben in ihrem Antrag nur einen kleinen Punkt aufgegriffen, es gibt doch noch so viel mehr zu beanstanden, das müssen Sie doch auch sehen. Bei der Gelegenheit, machen Sie sich ehrlich, schaffen ein echtes, sanktionsfreies Existenz- und Teilhabeminimum und beseitigen das Sonderunrecht vor den Sozialgerichten. Sie sitzen da am Drücker, also: drücken Sie sich nicht.

„Besser einfach wegschauen“: Sexueller Übergriff in der Bahn und die Reaktion der Polizei

Bahmhofsgang

Eine Frau schildert hier in der Zeit online, wie sie im Mai dieses Jahres im Zug von betrunkenen Fußballfans bedrängt und begrabscht wird. Triggerwarnung: Die Schilderung ist drastisch.

Zwar erscheint die Polizei, doch wie sie darauf reagiert ist einfach unfassbar: Dem Zugführer wird empfohlen, einfach wegzuschauen, die Betroffene soll eine eMail mit dem Tathergang schicken, wird ungefragt geduzt und bleibt ansonsten alleingelassen. Natürlich wird sie nur von männlichen Beamten befragt. Gegen die Täter unternimmt man nichts, man will sie nicht provozieren: Die Polizei zieht wieder ab.

Einen Monat nach dem Vorfall bekommt sie einen Brief von der Bundespolizei: Sie möge nach § 185 StGB Anzeige wegen des Verdachts auf Beleidigung gegen die Fußballfans erstatten.

Dieser Fall offenbart sehr krass die Strafbarkeitslücke im deutschen Strafrecht, was solche sexuellen Übergriffe angeht: Die Frau darf eine Anzeige wegen § 185 StGB stellen – wegen Beleidigung. Als das gilt so ein Fall nämlich. Man kann von Glück sagen, wenn deswegen überhaupt Verurteilungen zustande kommen.

Aus den Übergriffen an Silvester am Kölner Hauptbahnhof hat man einfach überhaupt nichts gelernt. Die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden sind so unsensibel wie eh und je, und die Rechtslücke ist immer noch offen.

Gestern saß ich in einer Anhörung im Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation. Geladen waren mehrere Vertreterinnen von Frauenhäusern und -Initativen sowie vom Juristinnenbund, und Vertreter vom Weißen Ring und der Deutschen Bahn. Es ging um die Vorfälle der Silvesternacht in Köln: All diese Probleme, die Strafbarkeitslücke, die anschließend unterlassene Hilfe, das unsensible Vorgehen von Polizei und Justiz in solchen Fällen sind schon so lange bekannt. Vorhandene Instrumente zum Zeugenschutz werden einfach nicht angewendet. Unter diesen Umständen ist auch nicht verwunderlich, dass über 90% aller Opfer gar keine Strafanzeigen stellen.

Ich könnte vor Wut explodieren.

Anhörung zu „Gegen sexualisierte Gewalt. Immer, überall und ausnahmslos“

Landtag Eingang

Heute lief die Anhörung im Landtag NRW im Ausschuss zu Frauen, Gleichstellung und Emanzipation zu den Anträgen, die in der Folge der Silvesternacht gestellt worden waren, auch zu meinem Antrag „Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. Ausnahmslos“. Die Anhörung war sehr spannend und auch erschreckend, sie hat viele Schwachstellen der Betreuung von Opfern dieser Gewalt aufgezeigt. Das Dunkelfeld ist erschreckend, weit über 90% aller Fälle werden nicht angezeigt. Die Auswertung der Anhörung wird sicher sehr umfangreich werden. Wir haben eine gemeinsame Pressemitteilung verfasst:

Gegen sexualisierte Gewalt. Immer, überall und ausnahmslos

Der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation des NRW-Landtags beschäftigte sich heute im Rahmen einer Anhörung mit dem Thema sexualisierter Gewalt. Die NRW-Linke kritisiert, dass viele Übergriffe auf Frauen noch immer nicht aufgearbeitet werden.

„Sexualisierte Gewalt ist für viele Frauen alltäglich, sie werden vergessen, ausgegrenzt und stigmatisiert“, erklärt Özlem Alev Demirel, Landessprecherin der Linken NRW. „Es kann nicht sein, dass über sexualisierte Gewalt und Belästigung nur dann berichtet wird, wenn wie in der Silvesternacht in Köln die Herkunft der Täter nicht deutsch ist. Übergriffe auf Frauen müssen thematisiert werden – egal ob es um die Silvesternacht oder das Oktoberfest geht.“

Die Dunkelziffer sexualisierter Gewalt und Belästigung, das bestätigten die Experten in der Anhörung erneut, ist in Deutschland nach wie vor hoch. Nach Ansicht der Linken ist der Gesetzgeber gefragt wirksame Strukturen zu schaffen, um sexualisierte Gewalt und Belästigung zu verhindern und die Opfer zu schützen.

„Niemand darf Opfer sexualisierter Gewalt werden, und kein Opfer darf damit alleine gelassen werden“, so der Linken-Landtagsabgeordnete Daniel Schwerd. „Das Land muss die Unterstützung von Beratungsstellen und Frauenhäusern und anderer Hilfsangebote gewährleisten und finanziell ausbauen. Polizei und Justiz müssen im sensiblen Umgang mit Opfern intensiver geschult werden. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die immer noch bestehenden Lücken im Strafrecht zu schließen und die von der Bundesregierung bereits unterschriebene Istanbul-Konvention des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen endlich in geltendes Recht umzusetzen.“

Verbeugung vor Brandstiftern und Fremdenfeinden: NRW muss Asylpaket II im Bundesrat ablehnen!

brand

Der Deutsche Bundestag hat heute mit dem sogenannte „Asylpaket II“ eine deutliche Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Die Länderkammer des Bundesrats wird sich schon morgen erstmals mit dem Gesetzentwurf befassen. Migrationsexperten kritisieren den Gesetzentwurf als „wirkungslos und unmenschlich“.

Das Asylpaket II ist eine einzige Verbeugung vor Brandstiftern und Fremdenfeinden. Der brandstiftende Mob vor den Flüchtlingsheimen fühlt sich dadurch bestätigt und ermutigt. So macht man sich an weiteren fremdenfeindlichen Taten mitschuldig. NRW darf dem Asylpaket II im Bundesrat auf keinen Fall zustimmen!

Familien das Zusammenleben an einem sicheren Ort zu verweigern ist schlicht inhuman. Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention. Familien integrieren sich auch stets leichter in eine neue Lebensumgebung.

Immer neue Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ auszuweisen, immer weitere Beschleunigung der Asylentscheidungen vorzunehmen zerstört das Recht auf individuelle Anhörung und individuelle Beurteilung von Fluchtgründen.

Geflüchtete Menschen, die sich um einen Sprachkurs bemühen, sollen mit 10 Euro geringerem Leistungsbezug bestraft werden. Das ist dumm und kontraproduktiv, das konterkariert Integrationsbemühungen. Den geringen Einnahmen daraus steht ein enormer Verwaltungsaufwand gegenüber. Das Existenzminimum wird weiter unterlaufen.

In dem Gesetzentwurf wird u.a. bestimmt, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit einem sogenannten subsidiären Schutz für zwei Jahre auszusetzen. Algerien, Marokko und Tunesien werden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Verfahren sollen deutlich beschleunigt und schneller entschieden werden. Zudem werden die Leistungen abgesenkt, ein alleinstehender Flüchtling erhält zehn Euro monatlich weniger, wenn er an einem Sprach- oder Integrationskurs teilnimmt.

Ich habe einen parlamentarischen Antrag an den Landtag NRW gerichtet (Drs. 16/11213), sich gegen diese Verschärfungen auszusprechen und sie im Bundesrat abzulehnen. Die Beratung im Plenum findet am 03. März statt.

Grundrecht auf menschenwürdige Wohnverhältnisse für alle – Video und Redetext

Welcome

Den zugehörigen Antrag kann man hier nachlesen. Der Antrag wurde mit den Stimmen aller Fraktionen abgelehnt.


(Es gilt das gesprochene Wort.)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und in den Netzwerken,

Herr Innenminister Jäger hat hier gestern gesagt, wir hätten die Situation der Versorgung von geflüchteten Menschen derzeit im Griff. Das liegt allerdings nicht daran, dass das alles so reibungslos funktioniert in unserem Land: Das liegt an den Witterungsbedingungen, die die Flüchtlinge auf ihrer Flucht derzeit aufhalten, das liegt an den heruntergehenden Schlagbäumen in ganz Europa. Das liegt an dem Bestechungsgeld, was Europa an die Türkei zahlt für das Abhalten von Flüchtlingen an seinen Grenzen.

Tatsächlich hat sich aber gar nichts geändert: Täglich kommen immer noch tausende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln an. Die Fluchtursachen, der Krieg, die Not halten ungehindert an.

Millionen Flüchtlinge stecken in den Nachbarländern, oder im Kriegsgebiet selbst fest. Bei besserer Witterung werden die Geflohenen neue Routen finden, und Schlepperbanden werden ein glänzendes Geschäft machen. Wir werden auch im laufenden Jahr einen Zustrom vertriebener Menschen erleben – nur dass dann sämtliche Reserven aufgebraucht sind. Alle Turnhallen sind voll, alle Zelte und Container aufgestellt, selbst Flugzeughangars wurden belegt.
Es gibt also keinen Anlass, jetzt Entwarnung zu geben – vielmehr ist das ein Pfeifen im Dunkeln. Es ist höchste Zeit, sowohl kurzfristige Maßnahmen vorzubereiten, um sie bei Bedarf ziehen zu können – als auch langfristige Maßnahmen einzuleiten.

Als kurzfristige Maßnahme, um tatsächliche Obdachlosigkeit abzuwenden, bietet das Polizeirecht die Möglichkeit, als Ultima Ratio ungenutzten Wohnraum in Anspruch zu nehmen. Doch funktioniert dieses Werkzeug im Notfall, in der Praxis, gut und schnell genug?

Manche Bundesländer sahen da Nachbesserungsbedarf in ihrem Polizeirecht, sie haben entsprechende Gesetzgebung auf den Weg gebracht. Mein vorliegender Antrag bezweckte, dies für NRW zu überprüfen und bei Bedarf ebenfalls anzupassen. Dazu habe ich ein Expertengespräch im Innenausschuss angeregt. Leider haben sich sämtliche Fraktionen über diesen Wunsch hinweggesetzt. Mehr noch, man nutzte nicht mal die naheliegende Gelegenheit, anlässlich dieses Antrags über die Unterbringungssituation von Flüchtlingen in den Zelten, Leichtbauhallen und zugigen Hallen in unserem Land zu reden. Der Antrag wurde ohne Debatte im Ausschuss abgelehnt Das ist traurig!

Außerdem brauchen wir langsam auch ein langfristiges Konzept: Wir brauchen neuen Wohnraum in unserem Land. Die Flüchtlinge werden nicht so schnell wieder weggehen, und es werden in kommenden Jahren neue Flüchtlinge zu uns kommen. Verlorener, umgewidmeter Wohnraum muss zurückgewonnen werden.

Und wir müssen über Sozialbau nachdenken, also Neubau von bezahlbarem, menschenwürdigem Wohnraum, der allen zur Verfügung steht, die ihn benötigen, auch den geflohenen Menschen, die hier ihre Zukunft suchen. Langfristig brauchen wir die Zuwanderung.

Meine Damen und Herren,

das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Es ist keine generöse Geste, die wir nach Belieben austeilen und widerrufen dürfen, sondern es ist ein Recht, auf das sich die Geflüchteten berufen können: Die Genfer Flüchtlingskonvention. Und die kennt keine Obergrenzen. Es ist auch zu gewähren, wenn es lästig, unbequem, schwierig oder teuer ist. Die Zeit des „auf Sicht fahren“, der Verwaltung des Mangels ist jetzt vorbei. Wir sind verpflichtet, die entsprechenden Anstrengungen zu unternehmen, eine Zukunft für geflüchtete Menschen zu schaffen. Lassen Sie uns bitte endlich damit beginnen.

Vielen herzlichen Dank.

Diskriminierung: Warum ist Flüchtlingen der Zutritt zum Hallenbad in Bornheim verboten?

Hallenbad

Gegen einen Flüchtling einer Bornheimer Unterkunft wird wegen sexueller Belästigung ermittelt. Außerdem soll es verbale Übergriffe gegen Frauen im städtischen Hallenbad gegeben haben. Dies nahm der Erste Beigeordnete der Stadt Bornheim zum Anlass, ein Zutrittsverbot für alle erwachsenen männlichen Flüchtlinge zum städtischen Hallenbad durch die Stadt Bornheim aussprechen zu lassen. Dies berichtet der WDR.

Es ist vollkommen korrekt und nachvollziehbar, wenn Personen, die sich im Schwimmbad danebenbenehmen oder andere Badegäste belästigen, des Hauses verwiesen werden. Deswegen aber gleich sämtliche Flüchtlinge in Sippenhaft zu nehmen und für die Taten einzelner zur Verantwortung zu ziehen ist meines Erachtens nach diskriminierend und rassistisch. Das konterkariert jedes Bemühen um Integration und Inklusion. Ich fordere die Stadt Bornheim auf, diese Praxis umgehend zu beenden.

Zudem habe ich der Landesregierung heute einige Fragen zu dem Vorfall gestellt. Sie möge mir bitte beantworten:

  1. Auf welcher Rechtsgrundlage kann die Stadt Bornheim allen erwachsenen männlichen Flüchtlingen den Zutritt zum städtischen Hallenbad verweigern?
  2. Inwieweit handelt es sich bzw. handelt es sich nicht bei diesem Verbot um Diskriminierung?
  3. Inwieweit handelt es sich bzw. handelt es sich nicht bei diesem Verbot um Rassismus?
  4. Wie wirkt sich dieses Verbot nach Meinung der Landesregierung auf die Inklusions- und Integrationsbemühungen von geflüchteten Menschen aus?
  5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung gegenüber der Stadt Bornheim bzw. dem ersten Beigeordneten der Stadt, diese Angelegenheit betreffend?

Sobald die Anfrage veröffentlicht ist, werde ich sie hier verlinken. Auch über die Antworten und die weitere Entwicklung werde ich Euch auf dem Laufenden halten.

Rede zur Resolution „Entschlossen und besonnen für die Freiheit und gegen den Terror“

Liebe Blogleser_innen,

im letzten Plenum durfte ich zu drei Themen eine Rede halten. Die erste Rede befasste sich mit der Resolution „Entschlossen und besonnen für die Freiheit und gegen den Terror“.

Daniel Schwerd (fraktionslos): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und am Stream! Die Taten von Paris waren abscheulich. Die Täter sollen mit allen gebotenen Mitteln verfolgt und bestraft werden. Die Opfer betrauern wir zutiefst.

Doch dürfen wir uns von den Mördern nicht einschüchtern lassen, deswegen nicht unsere Freiheit einschränken und nicht unsere Bereitschaft verringern, Asyl zu gewähren. So habe ich diese Resolution der vier Fraktionen gelesen. Dieser Resolution kann ich mich daher auch inhaltlich voll anschließen.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Doch eine Sache kommt mir tatsächlich zu kurz: Die meisten Opfer von Terrorismus gibt es im Nahen Osten, im Irak, in Syrien, in Afghanistan oder in den Krisengebieten Nordafrikas. Sie dürfen nicht als Opfer zweiter Klasse angesehen werden. Wir müssen uns gegen den Terrorismus wenden, nicht nur, wenn er in Europa stattfindet. Die Getöteten in diesen Ländern sind nicht weniger wert als die im Westen. Daher danke ich den Piraten für ihre ergänzende Resolution.

Am Entstehen und an der Verbreitung von Terrorismus trägt leider auch der Westen Mitschuld. Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, soziale Ungleichheit zwischen Norden und Süden, geostrategische sowie wirtschaftspolitische Interessen als Grund für Krieg, einseitige Parteinahme gegen Kurden, nicht zuletzt der völkerrechtlich fragwürdige Irakfeldzug sowie die illegalen Drohnenangriffe durch die USA sind mit ursächlich dafür.

Die Serie an Kriegen im Nahen und Mittleren Osten hat die Situation bislang nur verschärft und verschlimmert. Leidtragende sind immer die Menschen vor Ort. Daher habe ich große Sorge vor einem weiteren Kriegseinsatz in Syrien. Aus großer Höhe Bomben auf ein Land zu werfen, wird den Terrorismus nicht besiegen. Das ist ein wenig so, als würden Sie mit der Bratpfanne im Restaurant nach einer Fliege werfen. Mit viel Glück treffen Sie sie, aber sehr viel wahrscheinlicher landet die Pfanne in einer Vitrine oder gleich am Kopf eines Gastes.

Meine Damen und Herren, wir müssen angesichts der vielen Menschen auf der Flucht Verantwortung für die Fluchtursachen übernehmen. Wir dürfen bei Völkermord und Vertreibung auch nicht einfach wegsehen. Das sind die wahren Gründe, warum wir uns für die Menschen in Syrien und gegen Daesh engagieren müssen.

Doch es darf keine nationalen Alleingänge geben, bei denen jedes Land überwiegend seine eigenen, meist wirtschaftlichen oder geostrategischen Interessen verfolgt. Wenn es einen militärischen Einsatz geben soll, dann nur mit internationalem Mandat, unter internationalem Kommando, mit einem klaren, vorher definierten Ziel und einem Plan, wie man das erreichen will. Einen weiteren, nicht enden wollenden militärischen Alptraum darf es nicht geben. – Herzlichen Dank.


Die anderen beiden Reden des Plenums vom 2. Dezember stelle ich in den nächsten Stunden online.

Besuch in Geflüchtetenunterkunft in Düsseldorf

Willkommen

Die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen steht zurzeit ganz oben auf der politischen Agenda. Ich besuchte gestern die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im ehemaligen Mannesmanngebäude in Düsseldorf, unmittelbar neben dem Landtag. Die Gebäude rund um das charakteristische, denkmalgeschützte Hochhaus sind in Landesbesitz und stehen seit geraumer Zeit leer. In diesen einstigen Büroräumen in einem Nebengebäude des Hochhauses sind seit Anfang Oktober die ersten 200 Flüchtlinge untergebracht, weitere Räume werden gerade für die Unterbringung vorbereitet. Die meisten Geflohenen stammen aus Syrien und Afghanistan, darunter viele Familien mit ihren Kindern. In dem Gebäude am Rhein bleiben die Flüchtlinge nicht sehr lange – da es sich um eine Erstaufnahmeeinrichtung handelt, werden die Menschen hier erstmals medizinisch untersucht und ihre Daten erhoben, danach erfolgt (nach einigen Wochen bis längstens Monaten) die Verteilung auf die Kommunen. Der Leiter des Hauses, Gregor Michaux-Vignes, zeigte mir die umgebauten Räumlichkeiten, die Platz für insgesamt 800 Personen bieten werden. Der mitunter schöne Ausblick auf den Rhein wird von den Erlebnissen der Menschen überlagert, die sich hierher gerettet haben. Auch im Kindergarten des Hauses wies die Kindergärtnerin auf Zeichnungen hin, die aus dem Blickwinkel der Kleinsten das Schicksal der Flucht und Vertreibung behandeln. Hier werden auf das Land noch einige Anstrengungen zukommen, die humanitäre Notlage zu lindern. Auf meine Frage, was sich der Leiter des Hauses wünschen würde, musste ich leider passen: Die Kriege zu beenden helfen, welche die Menschen in die Flucht trieben. Hier werden die Grenzen der Landespolitik mehr als deutlich.

Insgesamt ist das eine schöne Einrichtung, in der man sich sichtbar viel Mühe gibt, den Aufenthalt den Menschen den Möglichkeiten nach angenehm zu gestalten – es gibt Deutschkurse und Freizeitgestaltung durch Ehrenamtler und eine 24-Stunden-Betreuung durch Muttersprachler. Ich schätze, die Verhältnisse sind nicht überall so gut.

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Mister Horst

Flüchtlingsboot

Kinderbild

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Weiter wurde gestern mein Antrag „Grundrecht auf menschenwürdige Wohnverhältnisse für alle, auch für Geflüchtet: Notfalls ungenutzten Wohnraum in Anspruch nehmen“ im Innenausschuss des Landtages abschließend behandelt. Nach der Geschäftsordnung konnte ich als Antragssteller dazu reden. Diese Möglichkeit habe ich genutzt, um ein Expertengespräch zur Frage anzuregen, welche rechtlichen Hindernisse noch im Wege stehen, ungenutzten Wohnraum zu nutzen, um Obdachlosigkeit in NRW zu verhindern, gleich wer auch immer davon bedroht ist. Leider fand ich dafür im Ausschuss keine Unterstützung für mein Anliegen und auch die Piraten stimmten gegen den eingebrachten Antrag. Dieses Ergebnis wird mich sicher nicht davon abhalten, mich weiterhin dafür einzusetzen.