Freiheit statt Angst 2013 – Demo am 7. September 2013 in Berlin

Stoppt den Überwachungswahn!

Am 7. September 2013 werden wir in Berlin wieder für unsere Bürgerrechte auf die Straße gehen. Das ist aktueller denn je, die Angriffe auf unsere Privatsphäre, unsere Bürgerrechte und unsere Freiheit nehmen zu und werden immer umfassender.

Wir wehren uns gegen die totale Überwachung durch #Prism, #Tempora, #Vorratsdatenspeicherung, gegen Drohnen, Klarnamenspflicht und vieles weitere mehr.

Dagegen tun wir wieder etwas! Es wäre toll, wenn Ihr teilnehmen könnt:

Samstag, 7. September 2013, 13.00 Uhr am Potsdamer Platz Update 21.08: Alexanderplatz!! in Berlin. (Wegen des großen Andrags verlegt zum Alexanderplatz.)

Aber auch im Vorfeld könnt ihr helfen: Mobilisiert über Twitter unter dem Hashtag #fsa13 und #fsa, sagt allen Bescheid, bloggt was das Zeug hält, hängt Plakate auf etc. Es ist wichtig!

Plakate und anderes Demo-Material stellt der Foebud hier (Plakate sogar kostenlos) zur Verfügung. Wie das Plakat aussieht, könnt Ihr links sehen.

Weitere Informationen finden sich immer unter Freiheitstattangst.de

Die Afghanistan-Papiere: Leak, Urheberrecht und Streisand-Effekt

800px-Kunar_river_Noorgal_district_in_Afghanistan's_Konar_provinceDeutsche Soldaten kämpfen in Afghanistan in einer sogenannten Friedensmission, die bereits mehrfach verlängert worden ist. Zwar reden manche Politiker offen von Wirtschaftsinteressen, die am Hindukusch verteidigt werden müssen – Fakt ist, dass dort Krieg stattfindet, der jeden Tag neue Opfer fordert und Menschen traumatisiert, verletzt oder tötet. „Friedensmission“ ist dabei billigster Euphemismus, dies ist ein Krieg, und er ist nicht zu gewinnen.

Die WAZ-Gruppe hat einige tausend Seiten aus den Einsatzberichten der Bundeswehr zugespielt bekommen, die sogenannten „Unterrichtungen des Parlamentes“. Sie sind mit der Geheimhaltungsstufe „VS – nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet, der geringsten der 4 Geheimhaltungsstufen unseres Landes. Die WAZ veröffentlicht sie online zur Überarbeitung, da die Scans teilweise schlecht lesbar sind.

Das Verteidigungsministerium ist über diese Veröffentlichung nicht glücklich, und versucht, auf juristischem Wege die Löschung dieses Materials zu erreichen – das Argument: (Achtung!) Urheberrecht!!!1elf!!

Nun wird das Verteidigungsministerium den Streisand-Effekt kennenlernen. Die Dokumente verteilen sich jetzt überall im Netz, und werden sich schwerlich herausklagen lassen – und die Bemühungen des Ministeriums leiten noch größere Aufmerksamkeit auf diese Unterlagen.

Ich habe die Afghanistan-Papiere hier auf meinen Server hochgeladen:

Crystal_download_managerDie Afghanistan-Papiere: Die bisher transkribierten Texte (2,6 MB)
Die Afghanistan-Papiere: Orignalscans als Grafiken zum Download (Achtung, 319 MB)
Die Afghanistan-Papiere: Torrent zu den Orignal-Grafiken
  (15 KB, setzt Torrent-Client voraus)

Liebes Verteidigungsministerium, meine Adresse findet sich im Impressum.

Grundrechtseingriff durch Überwachungsdrohnen-Einsatz

PM der Piratenfraktion zum Überwachungsdrohneneinsatz in NRW

Nordrhein-Westfalen setzt seit dem Jahr 2009 zwei Drohnen ein. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Daniel Schwerd berichtet Innenminister Ralf Jäger von insgesamt 26 Einsätzen der unbemannten Fluggeräte. Diese fanden demnach in den Regionen Köln, Heinsberg, Bochum, Wesel, Viersen, Krefeld, Märkischer Kreis und in Rheinland-Pfalz statt. In der überwiegenden Zahl der Einsätze wurden die Drohnen zur Aufklärung von Grundstücken und Gebäuden im Zusammenhang mit Cannabisplantagen eingesetzt. Daniel Schwerd, Abgeordneter der Piratenfraktion im Landtag NRW: “Bei der verdeckten Bildüberwachung mithilfe von Überwachungsdrohnen handelt es sich um einen schweren Grundrechtseingriff. Die Rechtsgrundlage, auf der diese Einsätze stattfinden, lässt vieles offen – die angewendeten Rechtsordnungen sind auf Drohneneinsätze nicht ausgelegt.

Immerhin sind die Überwachungsdrohnen wohl nicht zur Überwachung von Großveranstaltungen eingesetzt worden – aber auch bei Einsätzen auf der Jagd auf Cannabisplantagen können durchaus auch völlig unschuldige Menschen gefilmt werden.

Ich möchte nicht gefilmt werden, nur weil vielleicht mein Nachbar Cannabis im Garten anbaut. Hier treten die Ermittler das Persönlichkeitsrecht von unbescholtenen Bürgern mit Füßen!

Und selbst wenn gewährleistet wird, dass nur die Verdächtigen gefilmt werden, ist hierbei immer noch nicht die Rechtsgrundlage vollständig geklärt. Denn wenn man auf dem Boden in das Gelände eindringen wollen würde, wäre ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss notwendig. Aber ein Lufteinsatz wird einfach so durchgeführt.

Wie schon bei anderen Technologien, die mit Terror und organisierter Kriminalität begründet werden, werden die Überwachungsdrohnen sehr schnell auch bei leichtesten Vergehen eingesetzt. Hier ist keine Verhältnismäßigkeit gegeben. Wir fordern das Innenministerium eindringlich auf, Überwachungsdrohnen nur bei Verdacht auf schwerste Straftaten einzusetzen und dabei die Persönlichkeitsrechte aller Bürger zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sollte der Einsatz von verdeckter Bildüberwachung Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Debatte sein, die wir dringend führen müssen. Denn die weitere technische Entwicklung wird eine noch intensivere und gleichzeitig unsichtbarere Überwachung möglich machen, und wir sollten uns alle fragen, ob wir das wollen.“

Piratenfraktion erleichtert über Erfolg im Streit um „Pille danach“

Download-Logo-Signet-150x150Der Katholische Krankenhausverband Deutschland zeigt sich nun doch offen dafür, Frauen nach einer Vergewaltigung die Pille danach zu verschreiben. Nachdem die Piratenfraktion NRW den Fall eines Vergewaltigungsopfers, dass von zwei katholischen Kliniken in Köln abgewiesen worden war, erfolgreich ins Plenum des Landtags eingebracht hat, ändert der Katholische Krankenhausverband Deutschland jetzt seine Haltung.

Der Geschäftsführer des 435 Kliniken umfassenden Verbands, Thomas Vortkamp, erklärte gestern im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol, er halte es für vertretbar, Frauen nach einer Vergewaltigung die „Pille danach“ zu verschreiben. Er kündigte zudem an, Gespräche mit der Deutschen Bischofskonferenz aufzunehmen. Vergangene Woche war in einer Stellungnahme auf der Homepage des Verbands noch zu lesen, dass in katholischen Kliniken die „Pille danach“ nicht verabreicht würde.

„Wir sind sehr erleichtert, über diesen wichtigen Schritt, eine allumfassende medizinische Versorgung von Vergewaltigungsopfern auch in katholischen Krankenhäusern sicherzustellen. Krankenhäuser, die von der Allgemeinheit finanziert werden, sollten auch im Sinne der Allgemeinheit handeln. Es darf nie wieder passieren, dass die Behandlung Hilfsbedürftiger vom Glauben abhängig gemacht wird“, sagt Lukas Lamla, Gesundheitspolitischer Sprecher der Piratenfraktion.

„Die Beschäftigten katholischer Krankenhäuser waren offenbar unsicher, welche Hilfe sie Opfern einer Vergewaltigung zukommen lassen durften“, erklärt Daniel Schwerd, Kölner Abgeordneter der Piratenfraktion. „Es ist wichtig, ihnen diese Unsicherheit zu nehmen.“ Birgit Rydlewski, Frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, ergänzt: „Insofern ist es nur schlüssig, dass mehrere Abgeordnete der Piratenfraktion NRW eine entsprechende Petition von Pro Familia unterstützen.“

Den Link zur Petition von Pro Familia finden Sie hier: http://chn.ge/WwrGrT

Katholische Krankenhäuser weisen Vergewaltigte ab

Download-Logo-Signet-150x150Piraten: „Solche Praktiken müssen verhindert werden!“

Zwei Katholische Krankenhäuser aus Köln sollen lt. Medienberichten einer vergewaltigten Frau eine vollumfängliche Versorgung verwehrt haben. Da vor allem die „Pille danach“ den Grundsätzen der Katholischen Kirche widerspräche, musste die Frau auf ein anderes Krankenhaus ausweichen. Eine umfassende medizinische Versorgung wurde dadurch verzögert und ggf. im Erfolg gemindert.

„Wer den Glauben über den Opferschutz stellt, hat das mit den Menschenrechten nicht verstanden“, protestiert Lukas Lamla, Gesundheitspolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW. „Wir fordern in einem Eilantrag die Landesregierung auf, sich strikt gegen solche Praktiken auszusprechen, sämtliche Hintergründe dieser Vorgehensweise aufzuarbeiten und entsprechende deutliche Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn selbst das Krankenhaus von einem “vermutlichen Missverständnis” spricht, ist eine umfassende Aufklärung dringend notwendig. Eins muss klar sein: Ein Krankenhaus, dass mit Steuermitteln finanziert wird, muss sich um jeden Steuerzahler kümmern – völlig unabhängig von dessen Glauben oder dessen Gesundheitsgeschichte“, sagt Lamla. „Auch wenn die Katholischen Krankenhäuser möglicherweise mit Blick auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht korrekt gehandelt haben sollten, so muss dennoch klar sein, dass die umfassende ärztliche Behandlungspflicht höchste Priorität genießen sollte.”

„Völlig unabhängig von religiösen Standpunkten über die ‚Pille danach‘ muss einem Vergewaltigungsopfer geholfen werden – schnell, umfassend und mit allen notwendigen medizinischen Konsequenzen. Mit meiner Vorstellung von christlicher Nächstenliebe ist diese Verweigerung von Hilfe nicht zu vereinen“, sagt Birgit Rydlewski, Frauenpolitische Sprecherin der Piratenfraktion NRW.

Der heute von den Piraten eingereichte Eilantrag soll in der anstehenden Plenarsitzung am 23./24. Januar debattiert werden. Darüber hinaus will die Piratenfraktion NRW mit einer Kleinen Anfrage weitere generelle Hintergründe erfahren. „Wir wollen wissen, wie viele Katholische Krankenhäuser wie viele Steuergelder erhalten und wie die Landesregierung solche Vorkommnisse künftig verhindern will. Uns allen muss klar sein: so etwas darf sich nicht mehr wiederholen“, sagt Daniel Schwerd, Kölner Abgeordneter der Piratenfraktion NRW.

Download des Eilantrages: http://bit.ly/WKvepM

Download der Kleinen Anfrage: http://bit.ly/11By3kt

Die Würde des Menschen

Stell Dir vor, nachts um drei kommt die Polizei und nimmt Dir die Decke weg.

Stell Dir vor, Du stehst nach mehreren Tagen Fußmarsch im eiskalten Regen, und darfst Dich nicht unter einer Plane schützen.

Ganz egal, ob die Demonstration genehmigt ist oder nicht, ganz egal, ob die Flüchtlinge ihre Aufenthaltsgenehmigung bekommen oder nicht – so behandelt man keine Menschen. Das ist unwürdig.

GG Artikel 1 (1)
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Schämt Euch

Ich kotze: Menschenrechte sind unwichtig, über Brüste würden sie berichten. Es war offenbar tatsächlich die BILD-Zeitung, die Piratinnen zum Brüste-Entblößen aufgefordert hat. Ich bin wütend, dass diese Journallie junge Frauen, die ein Anliegen transportieren wollen, zum blankziehen zwingen wollen. Meines Erachtens ein Fall für den Presserat.

Glücklicherweise haben die Damen die Presse getrollt und sich nicht entblößt.

BILD und der Rest vom Boulevard: Schämt Euch. Berichtet über die unmenschliche Behandlung der Flüchtlinge, denen man Decken und Isomatten wegnimmt, die im Stehen übernachten, die ihre Rücksäcke ständig tragen müssen. Das ist nämlich wichtig.

Foto: CC BY-NC-SA 2.0 von handverbrennung

Beschwerde an Bezirksbürgermeister Hanke, Berlin-Mitte, wegen der Vorgänge um das Flüchtlingscamp

Angeregt von Zoqz habe ich eine Email gesendet, in der ich mich wegen der Vorgänge um das Flüchtlingscamp beschwere.

E-Mail: christian.hanke@ba-mitte.verwalt-berlin.de

Sehr geehrter Herr Dr. Hanke,

wie den Medien zu entnehmen ist, wurden den hungerstreikenden Asylbewerbern am Pariser Platz Decken, Isomatten und Schlafsäcke von der Polizei weggenommen. Selbst das Ausstopfen der Kleidung mit Zeitung wird untersagt. Sie als Bezirksbürgermeister sind meines Erachtens nach mit verantwortlich für diese Vorkommnisse. Außerdem sind Sie Mitglied bei Amnesty International, für mich ein bitterer Widerspruch.

Die Proteste am Pariser Platz verlaufen seit Tagen komplett gewaltlos. Bei den Protestierenden handelt es sich um Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben in unser Land gekommen sind. Erst am 27. Juni hat die Bundestagsfraktion Ihrer Partei bessere Bedingungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber gefordert. Den Anspruch, auch diesen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, wurde mit diesem Polizeieinsatz mit Füßen getreten.

Ihrem Lebenslauf entnehme ich, dass Sie im Fach Philosophie promoviert haben. Haben Sie sich Gedanken gemacht, ob nicht eben dieser Polizeieinsatz und aktiv praktizierte Exklusion dieser Menschen vom politischen Diskurs kontraproduktiv, womöglich sogar moralisch verwerflich sein könnte? Es handelt sich um die Ärmsten der Armen, die dort in klirrender Kälte ausharren. Auch diese Menschen haben Rechte, für die Sie sich persönlich mit Ihrer Mitgliedschaft bei Amnesty International engagieren.

Denken Sie bitte auch an die Gewissensnöte, welche Polizisten ausgesetzt sind, die diese Anweisungen umsetzen müssen, sowie an das Bild, welches die Behörden und Organe der Bundesrepublik Deutschland in der Weltöffentlichkeit dadurch abgeben.

Ich möchte Sie herzlich bitten, innezuhalten und nachzudenken, ob nicht ein menschenwürdiger Umgang mit den Hungerstreikenden möglich wäre, ob nicht ein offenes Ohr statt eine verschlossene Tür das bessere Signal an die Asylbewerber wäre, ob nicht alternatives Handeln möglich wäre.

Die Werte, für die Sie – persönlich, aber auch mit Ihrer Partei – stehen, werden momentan eklatant verletzt. Meine Solidarität gilt den dort ausharrenden Asylbewerbern, und auch Sie sollten ihnen friedlichen, menschenwürdigen Protest ermöglichen.

Ich bitte Sie, diese Nachricht an die ggf. zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Um Antwort wird gebeten.

Mit freundlichen Grüßen,

Daniel Schwerd MdL

Daniel Schwerd
Piratenfraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen
Sprecher für Wirtschaft, Netz- und Medienpolitik
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

Update 13:15h:
Es gibt mittlerweile auch eine eindeutige Positionierung durch den Vorstand der Piratenpartei Deutschland. Danke!
PIRATEN unterstützen Protestcamps in Berlin und Frankfurt am Main

Update 17:30h:
Die vier Piratenfraktionen haben eine gemeinsame Pressemitteilung herausgegeben:
Wir fordern menschlichere Asylpolitik

Beschneidungsdebatte, Fortsetzung

Im Grunde bin ich nicht überrascht, dass die Debatte unvermindert anhält – eigentlich wollte ich zu dem Thema vorerst nicht mehr bloggen. Allerdings hat der Gegenwind, den ich erfahren habe, durchaus vergleichbar mit den religiös motivierten Beschimpfungen in diesem Thema zu tun, samt justiziablen Beleidigungen, Bedrohungen und natürlich jeder Menge Polemik, nur das diese aus der anderen Richtung stammt.

Daher habe ich das Bedürfnis, mich erneut zu erklären, auch wenn ich etwas enttäuscht bin, wie sehr man mich falsch verstanden hat, und wie wenig man meine Einstellungen offenbar kennt.

Beschneidungen halte ich grundsätzlich für zumutbar. Man bemerke das Wort „Grundsätzlich“. Es bedeutet eben nicht „alternativlos“, oder „unbedingt“, sondern „im Grunde, es kann aber Ausnahmen geben, die dann ihrerseits gut begründet sein sollen“. Das heißt, es gibt Beschneidungsformen und -Arten, die eben nicht zumutbar sind.

Was für mich auf keinen Fall hinnehmbar ist sind Kindesmisshandlungen. Daher verurteile ich auch jede Beschneidung, die mit Gewalt oder Zwang zu tun hat. Kleine Jungs mit mehreren Erwachsenen festzuhalten und gewaltsam zu beschneiden ist absolut nicht zu tolerieren. Man kann sich vorstellen, dass ärztliche Sorgfalt bei einem zappelnden Kleinkind nicht anzuwenden ist. Solche Situationen können schwere, lebenslange Traumata auslösen. Genauso unakzeptabel halte ich Beschneidungen ohne Betäubung. Es ist in der Beschneidungszeremonie sicher hinzunehmen, dass der Schmerz des Kindes soweit wie möglich gelindert wird.

Sichergestellt werden muss auch Ausbildung und Hygiene. Eine Beschneidung auf dem Küchentisch des Rabbi oder des Imam ist unakzeptabel. An eine Beschneidung müssen dieselben Anforderungen gestellt werden wie an jede andere Operation auch.

Schließlich ist die Information und Belehrung der Eltern unabdingbar. Eltern müssen über die Gefahren, Risiken und Spätfolgen eindringlich informiert werden. Ihnen muss vor Augen geführt werden, dass sie die Sexualität ihres Sohnes möglicherweise auf Dauer beeinträchtigen. Dazu sollte man Zahlenmaterial erheben und vorlegen, welches die Risiken verdeutlicht. Eine Regelung, über die Belehrung zu „schlafen“, kann auch sinnvoll sein.

Man halte sich aber auch vor Augen, dass die Beschneidung in aller Regel ohne Folgen oder Nebenwirkungen verläuft. Man verbietet ja nicht grundsätzlich alle risikogeneigten Tätigkeiten oder Operationen, sondern man wägt den Vorteil und das Risiko gegeneinander ab. Eine Automatik, dass Beschneidung zu Kindesleid führt, gibt es nicht.

Gewiss ist es sinnvoller, mit der Beschneidung zu warten, bis der Junge einwilligungsfähig ist, und über seine Religion und den dazu notwendigen Ritus selbst entscheiden kann. Ich weiß nicht, wie das in den Strömungen des Islam ist, aber für das Judentum stellt dieser Wunsch offenbar keine Lösung dar. Eventuell abweichende Riten wären wünschenswert, der Eingriff von Staatswegen in die Ausübung der Religion halte ich aber für kritisch. Für die absolute Mehrzahl der gläubigen Juden führt kein Weg an der Beschneidung am achten Tag vorbei.

Um es an dieser Stelle auch ganz deutlich zu sagen: Ich selbst bin gar nicht religiös. Religiöse Riten selbst sind mir egal. Ich bin nicht beschnitten, und bin auch sehr froh, es nicht zu sein. Ich halte Beschneidungen für ein nicht mehr zeitgemäßes Ritual, sie in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr angezeigt oder wünschenswert.

Was mir aber nicht egal ist, das ist die Freiheit. Jeder hat die Freiheit, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden. Wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob wir das für richtig oder sinnvoll halten – Religion ist Privatsache. Dazu gehört auch die Freiheit, dumme oder unverständliche Riten zu vollziehen.

Kleine, nicht einwilligungsfähige Kinder haben die notwendige Entscheidungsfreiheit nicht. Das liegt in der Natur – Kinder erlangen ihre Entscheidungsfreiheit erst im Laufe der Jahre. Bis dahin sind die Eltern dafür zuständig, solche Entscheidungen zum Wohle ihrer Kinder zu treffen.

Und hier liegt für mich der Hase im Pfeffer: Dürfen wir Eltern untersagen, eine Religionsentscheidung für ihre Kinder zu treffen? Darf diese Entscheidung auch die körperliche Unversehrtheit umfassen? Dürfen Eltern ihre Kinder Risiken aussetzen?

Hier nehme ich den Standpunkt der Eltern ein: Ich treffe jeden Tag Entscheidungen für meine Kinder. Ich entscheide, wo sie wohnen, was sie essen, ich entscheide, wo sie zur Schule gehen. Ich steige mit ihnen in ein Flugzeug oder ein Auto ein. Selbstverständlich setze ich meine Kinder tagtäglich Risiken aus. Die Entscheidung, welches ihr Schulweg ist, wird von mir getroffen. Wenn ich den Job wechsle, umziehe, oder mich scheiden lasse, dann beeinflusst und beeinträchtigt das meine Kinder auf vielerlei Hinsicht, und nicht immer positiv, aber auch nicht immer vermeidbar.

Meine Entscheidungen beeinflussen das Wohl der Kinder auf vielfältige Weise. Ich verwehre mich aber dagegen, von der Gesellschaft, dem Staat, den Gesetzen entmündigt zu werden – ich trage die Verantwortung und das Risiko, bis meine Kinder alt genug sind. Wenn ich dazu nicht in der Lage bin, hat der Staat mich in Bezug auf meine Kinder zu entmündigen. In einzelne Regelungen eingreifen ist jedoch stets ein Eingriff in meine Freiheit. Das darf nur dann geschehen, wenn Eltern nicht mehr das Wohl ihrer Kinder im Blick haben.

Um den Bogen zurück zur Religion zu spannen: Ich bin überzeugt davon, dass muslimische und jüdische Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen. Sie sind der Ansicht, ihren Kindern gerecht zu werden, wenn sie sie beschneiden, und sie Mitglied einer gläubigen Gemeinde werden lassen. Die Entscheidung, das richtig zu halten, muss man den Eltern überlassen. Wichtig ist allerdings, dass sie in der Lage versetzt sind, das Risiko und die Folgen abzuschätzen.

Religionsfreiheit ist die Freiheit, sich für oder gegen Religion entscheiden zu können. Für nicht einwilligungsfähige Kinder bedeutet das, dass diese Freiheit den Eltern zufällt, bis die Kinder sich selbst entscheiden können. Wir haben nicht das Recht, in die Religionsfreiheit der Eltern einzugreifen, um Kinder vor ihren eigenen Eltern zu schützen und sie religionsfrei zu halten – dies ist eine Bevormundung, die ich nicht akzeptieren möchte. Dann ist jede drohende, mögliche Beeinträchtigung von Kindern ein Grund, Entscheidungsfreiheit von Eltern zu begrenzen.

Gleichwohl sollte man eine gesellschaftliche Debatte in den Religionen anregen, wie man mit Beschneidungen umgehen will. Ist es möglich, auf mittlere oder lange Sicht auf Beschneidungen zu verzichten, bzw. den Ritus den Kindern selbst freizustellen im einwilligungsfähigen Alter? Ist es möglich, wenn jemand sich partout nicht beschneiden lassen will, ihn dennoch als Mitglied der Gläubigen und Gemeinden zu akzeptieren? Diese Debatten kann man aber nicht mit Gesetzen und Sanktionen befördern, das wird nur zu Ausweichbewegungen in die Illegalität führen.

Derzeit wird ein Kompromiss erarbeitet, den ich charmant finde: Verbot von Beschneidungen bei nicht einwilligungsfähigen Jungen bei gleichzeitiger Straflosigkeit, und Fristenregelung zur Beratung. Dies verdeutlicht unsere gesellschaftliche Position, von Beschneidungen abzugehen, respektiert aber, wenn Religionen vorerst nicht darauf verzichten wollen.

Ich bin zu diesem Thema vom Krähennest interviewt worden, wer das nachhören möchte, kann das hier tun:
https://blog.piratenpartei-nrw.de/kraehennest/2012/08/26/daniel-schwerd-zur-pm-situation-in-der-fraktion-bzgl-der-beschneidungsdebatte/

Noch ein Wort zu Bedrohungen, die gegen Ali ausgesprochen worden sind: Androhung von Gewalt, Bedrohungen und Beschimpfungen Andersdenkender verurteile ich auf das Schärfste. Man kann anderer Meinung sein, aber man hat eine gut begründete Meinung seines Gegenübers zu respektieren, genauso wie die Person als Mensch. Ali hat unser aller vollste Unterstützung und unser vollstes Mitgefühl. Gegen Diffamierung und Bedrohung sprechen wir uns entschieden aus! Da sind wir vollkommen auf seiner Seite. Ich habe Ali Unterstützung, Unterschlupf, Begleitung und Gesellschaft angeboten. „Ich mag anderer Meinung sein als Du, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass Du sie äußern darfst.“

Zu Pressemitteilungen: Ich möchte gar keine Pressemitteilungen zu diesem Thema herausgeben. Es gibt keinen Konsens in dieser Frage, weder in der Fraktion, noch in der Partei. Daher möchte ich auch verhindern, dass eine einseitige Pressemitteilung herausgeht – es ist einfach nicht angemessen, hier vorzupreschen und eine einseitige Meinung mithilfe der medialen Aufmerksamkeit als Fraktionsmitglied zu transportieren. Sollte das jedoch geschehen, ist es mir wichtig, die Pluralität in dieser Frage darzustellen.

Und wer bis hierhin gelesen hat, dem bin ich besonders dankbar. Ich möchte jetzt wieder Landespolitik machen.

Bild: Autor Sgerbic http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sgerbic – Lizenz CC-BY-SA-3.0