Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen

Rede zu den beiden Anträgen „Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen“ sowie „Mehr politische Widersprüchlichkeit geht nicht. CDU und SPD bejubeln erst die Aufkündigung von Safe Harbor und führen dann die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder ein“ (wurden gemeinsam beraten) vom 05. November 2015:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und an den Bildschirmen!

Es gibt genau zwei Arten von Datenbanken: solche, die bereits gehackt worden sind und von denen anschließend gespeicherte Daten in den Umlauf geraten sind, und solche, wo das noch nicht bekannt ist.

Es gibt aber keinen Grund, zu glauben, dass irgendwelche Daten tatsächlich sicher sind. Warum glaubt man also jetzt, dass ausgerechnet die Vorratsdaten sicher aufbewahrt werden können? Darauf basiert letztlich das gesamte Gesetz, indem man spitzfindig unterscheidet zwischen der anlasslosen und massenhaften Speicherung und Erfassung von Daten bei den Providern auf der einen Seite und der gezielten Abfrage durch die Ermittlungsbehörden nach richterlichem Vorbehalt auf der anderen Seite. Das soll dann die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs einhalten. Abgesehen davon, dass vollkommen unklar ist, ob die Gerichte das auch so sehen werden:

Wer bringt denn den Bundesgesetzgeber auf das schmale Brett, die Bewohner unseres Landes dem Risiko einer solchen monströsen Datenspeicherung auszusetzen? Jeden Tag liest man von gehackten Daten im freien Umlauf samt Krankenakten, Passwörtern, Kreditkartendaten etc.

Wir hatten hier im Landtag eine Anhörung, in der der befragte Experte erzählt hat, dass er binnen Stunden in jede kommunale Datenbank einbrechen konnte und dort meist sogar Spuren früherer Einbrüche vorgefunden habe. Wie kommt man also jetzt auf die Idee, dass ausgerechnet die Vorratsdaten auf einmal sicher seien? Dass die ein gefundenes Fressen für Geheimdienste sind, die sich bekanntermaßen einen Dreck um Richtervorbehalte kümmern, das muss man wohl nicht extra betonen. Der beste Datenschutz ist nach wie vor, Daten gar nicht erst zu speichern.

Wie man Berufsgeheimnisträger schützt, ist auch immer noch unklar. Schließlich sind an Kommunikation immer zwei Parteien beteiligt. Wie realisiert man den Schutz eines Anwalts, eines Journalisten oder eines Pfarrers, der plötzlich am anderen Ende einer Kommunikation auftaucht? Das ist völlig ungeklärt.

Über die Vorratsdatenspeicherung haben wir tatsächlich schon oft gesprochen. Die Argumente sind unverändert. Bis heute hat noch niemand den Nutzen einer solchen Regelung belegen können. Sehr wohl aber wird vor dem Schaden gewarnt. Das tun Verfassungsrechtler, Technikexperten und selbst die Industrie.

Lassen Sie uns also dieses Gesetz stoppen, bevor es von den Gerichten kassiert werden muss und bevor die 260 Millionen € rausgeworfen sind, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kosten wird. Die Zeche dafür zahlen nämlich wir alle, auch mit erhöhter Datenunsicherheit.

Vielen herzlichen Dank.

Schwer(d) informiert! Radio-Interviews zur Vorratsdatenspeicherung und Transparenz durch soziale Medien

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Hallo liebe Blogleser_innen,

vor einigen Tagen führte das Campusradio Köln, der Studentensender aus Köln, ein Interview mit mir. Der Redakteur Andreas Jansen vom Campusradio besuchte mich im Landtag und führte mit mir ein Gespräch zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Es entwickelte sich ein Dialog, welcher die Pro- und Contraargumente anschaulich darstellt und den vermeintlichen Nutzen der massenhaften Vorratsdatenspeicherung entlarvt. Der Link zur Datei ist unterhalb dieses Textes.

 

Ein weiteres Interviews habe ich mit Hauke van Göns (@hauke_vg) geführt, der für das Campusradio Wilhelmshaven und das unabhängige Münchener Radio Lora 924 das Interview aufgezeichnet hatte. Schwerpunkt war hierbei die Frage, ob und welche Möglichkeiten der Digitale Wandel mit sich bringt um Politik transparenter, responsiver und direkter zu gestalten. Das Interview wurde noch nicht ausgestrahlt, ist aber fertig produziert, ich verlinke es ebenfalls unten.

Runter vom toten Pferd! Angstmache beenden, Vorratsdatenspeicherung ablehnen!

man-358969_640Wir haben heute zu einem CDU-Antrag, der eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert, einen Entschließungsantrag eingereicht:

„Runter vom toten Pferd! Angstmache beenden, Vorratsdatenspeicherung ablehnen!“ (Drucksache 16/7849).

Dazu habe ich das folgende Pressestatement abgegeben:


Die Vorratsdatenspeicherung ist ein datenschutztechnischer Alptraum. Mit ihr
werden die Kommunikationsdaten und damit die persönlichen Informationen über
Millionen Bürger anlasslos, massenhaft und grundlos gespeichert. Demgegenüber
steht die anlassbezogene Datenspeicherung, bei der in einem Verdachts- oder
Ermittlungsfall selbstverständlich ganz gezielt Daten von bestimmten
Verdächtigen gesammelt werden.

In der Debatte gehen diese beiden Arten von Datenspeicherung wild durcheinander.
Die eine wird mit der anderen begründet. Diese absichtsvolle Vermischung darf
nicht toleriert werden. Verwerflich ist auch die Instrumentalisierung der Opfer
der Anschläge von Paris, um die Vorratsdatenspeicherun zu rechtfertigen.

Bisherige Versuche auf bundesdeutscher oder europäischer Ebene, eine anlasslose
Vorratsdatenspeicherung einzuführen, sind an verfassungsrechtlichen Bedenken
gescheitert. In Deutschland darf es keine Einführung der Vorratsdatenspeicherung
gegen die Grundrechte geben. Sicherheit gibt es nur durch mehr Freiheit, nicht
durch den Abbau von Freiheitsrechten. Der beste Datenschutz ist immer noch,
sowenig Daten wie möglich zu sammeln. Und Datenschutz erhöht unser aller
Sicherheit.

Vorratsdatenspeicherung: Das Ermittlungsvakuum in den Köpfen

Diesen Beitrag habe ich ursprünglich am 13. Mai bei Carta veröffentlicht.


Vorratsdatenspeicherung: Das Ermittlungsvakuum in den Köpfen

Wie Sicherheitsbehörden und -politiker Sachargumente ignorieren

Der Glaube an die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung hat esoterische Züge. Rational ist er nicht zu erklären, und Gegenbeweise werden ignoriert. Stattdessen werden Kritiker mit Totschlagargumenten bedacht. Die Rechtfertigungsstrategien dieser Vorratsdatenspeicherungs-Gläubigen ähneln der von Anhängern der Homöopathie oder anderen Nichtwissenschaften.

Die Innenpolitischen Sprecher von CDU/CSU in Bund und Ländern verabschiedeten auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag, dem 9. Mai 2014, eine „Erfurter Erklärung“. Darin fordern sie „eine bundesgesetzliche Grundlage für die Vorratsdatenspeicherung“. Ohne Vorratsdatenspeicherung könnten Ermittler derzeit schwere Straftaten nicht aufklären, heißt es.

Sie postulieren eine Schutzlücke; Datenschutz drohe zum Täterschutz zu werden. Und weiter:
 

„Insbesondere Täter, die im Bereich der Internetkriminalität agieren oder die die Verbreitung und den Konsum von Kinderpornografie ermöglichen, dürfen nicht länger im Dunkelfeld dieses gegenwärtigen Ermittlungsvakuums untertauchen.“

 
Auch die Innenminister SPD-geführter Länder bestehen auf der Vorratsdatenspeicherung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger beispielsweise behauptete in einem Interview mit heute.de:
 

„Der Wegfall der Mindestspeicherfrist hat zu einer gravierenden Schutzlücke im Kampf gegen Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie bei der Bekämpfung von Terrorismus geführt.“

 
Für diese Behauptungen bleiben sie jedoch Beweise schuldig. Dabei sind im Fall der Vorratsdatenspeicherung die Voraussetzungen für eine systematische Untersuchung optimal.

In Deutschland bestand in der Vergangenheit schon einmal eine gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung. Am 01.01.2008 trat ein entsprechendes Gesetz in Kraft, welches bis zum 02.03.2010 galt, nachdem die Regelung vom Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt wurde. Im Vergleich zu Ermittlungs- und Verurteilungszahlen der Vor- bzw. Folgejahre sollte es möglich sein, die Erfolgsbilanz, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung zu analysieren.

Doch solche Zahlen liegen gar nicht vor. Mit einer kleinen Anfrage erkundigten wir Piraten im Landtag Nordrhein-Westfalens uns bei der Landesregierung, wie viele Anfragen es für den Datenpool der Vorratsdatenspeicherung im Zeitraum zwischen dem 01.01.2008 und dem 02.03.2010 gab, aufgrund welcher Straftatbestände diese vorgenommen wurden, und welchen Anteil sie am Ermittlungserfolg jeweils hatten.

Die Antwort ist vielsagend nichtssagend: Solche Daten liegen nicht vor. Innenminister Jäger kann nur allgemein argumentieren und verweist ansonsten vage auf Statistiken des Bundesjustizamtes.

Tatsächlich ist die Aufklärungsrate von schweren Verbrechen, dokumentiertem Kindesmissbrauch sowie der Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ überdurchschnittlich hoch. In den Jahren, in denen die Vorratsdatenspeicherung in Kraft war, ist kein Anstieg der Aufklärungsraten schwerer Straftaten feststellbar. Ein Absinken oder gar ein Einbruch in diesen Quoten nach dem 02.03.2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen.

Im Tatbereich „Besitz/Verschaffung von Kinderpornographie gemäß § 184b Abs. 2 und 4 StGB“ (Titel 14330 der polizeilichen Kriminalstatistik) lag die Aufklärungsquote 2007 unmittelbar vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung bei 93,1%.

Die Quote veränderte sich anschließend kaum. 2008 lag sie bei 94,2%, 2009 bei 93,5%, 2010 bei 87,2%. Nach dem Wegfall der Vorratsdatenspeicherung gibt es keinen Einbruch in der Aufklärungsrate: 2011 wurden 90,6% der Fälle aufgeklärt, 2012 wiederum 91,8%. Es werden also jedes Jahr rund 9 von 10 Fällen aufgeklärt.

Eine Auswirkung der Vorratsdatenspeicherung auf die Zahlen kann man nicht feststellen. Eine Schutzlücke gibt es in diesen Fällen nicht, im Gegenteil – die Täter werden recht zuverlässig ermittelt und verurteilt, ungeachtet der Existenz oder Abwesenheit einer Vorratsdatenspeicherung. Das – ohnehin hohe – Aufklärungsniveau konnte durch die Vorratsdatenspeicherung nicht weiter gesteigert werden. Damit ist sowohl die Notwendigkeit als auch überhaupt eine Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung solcher Verbrechen in Frage zu stellen.

Warum aber halten Innenpolitiker und Sprecher von CDU, SPD und Polizei an der Vorratsdatenspeicherung so fanatisch fest, obwohl sie selbst keine nachprüfbaren Argumente für die Notwendigkeit oder Wirksamkeit anbringen? Warum ignorieren sie alle Belege, dass Vorratsdatenspeicherung weder erforderlich noch effektiv ist?

Im Gegenteil – jeder, der gegen den Glauben dieser Sicherheitsesoteriker argumentiert, muss befürchten, als Kinderschänder denunziert zu werden. Jede Diskussion wird mit solchen Totschlagargumenten im Keim erstickt. Wissenschaftlich oder rational ist dieser Neigung offenbar nicht beizukommen. Dulden darf man die Kontrollsucht der Spähfanatiker dennoch nicht.

Wie bei Verschwörungstheorien wird selbst die Abwesenheit von Argumenten als Argument verwendet, und jeder Kritiker gilt als interessengesteuert, manipuliert und verdächtig. So etwas muss ich auf den neuen Montagsdemonstrationen wohl hinnehmen, aber nicht in den Kabinetten unseres Landes.

Die religiös anmutende Überzeugung von etwas, was sich nicht beweisen lässt, das Niederschreien aller Gegenargumente erinnert mich an Esoteriker. So argumentieren Anhänger der Homöopathie, die ebenfalls keine rationalen Argumente vorbringen und Gegenbelege ignorieren.

Doch Homöopathie ist im Normalfall harmlos – sie schadet auch nicht. Vorratsdatenspeicherung hingegen ist gefährlich für unsere Freiheit und unsere Demokratie, und die Datenberge gefährden unsere Sicherheit.

 

#Vorratsdatenspeicherung im Landtag NRW – oder: Parlamentarische Zwänge tun manchmal weh

alone-62253_640Am vergangenen Mittwoch, den 27. November wurde im Landtag NRW unter Tagesordnungspunkt 6 etwa gegen 21 Uhr über unseren Antrag debattiert, sich auf allen Ebenen gegen die Vorratsdatenspeicherung einzusetzen. Dazu haben wir einen Antrag remixt, der im Schleswig-Holsteinischen Landtag bereits behandelt wurde, und ihn nahezu wortgleich ins Plenum eingebracht.

Er lautete wie folgt:

Vorratsdatenspeicherung stoppen!

I. Der Landtag stellt fest:
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in die Grundrechte der Bürger unseres Landes.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
sich auf allen politischen Ebenen, auf EU-Ebene, im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.

Kurz, knackig, unmissverständlich.

Während der entsprechende Antrag in Schleswig-Holstein von Piraten, SPD, Grünen und SSW eingebracht und gemeinsam beschlossen wurde, ist dieser Antrag in Nordrhein-Westfalen durchgefallen. Neben CDU und SPD haben auch die Grünen gegen diesen Antrag gestimmt. Letztere aus „parlamentarischen Zwängen“, genauer gesagt aufgrund ihres Koalitionsvertrages mit der SPD. Wollen hat man schon gemocht, aber dürfen hat man sich nicht getraut. Hier haben die Aussagen wieder einmal nicht zum Handeln gepasst.

Die Debatte ist insgesamt höchst aufschlussreich. Hans-Willi Körfges (SPD) redet über alles mögliche, aber nicht über die Sache. Verena Schäffer (Grüne) argumentiert für unseren Antrag, stellt aber fest, ihn ablehnen zu müssen. Daniel Sieveke (CDU) findet den Antrag eine Missachtung des Parlaments, weil er ja nur aus zwei Zeilen besteht. Eine Begründung, warum der Antrag in Schleswig-Holstein gut, aber bei uns schlecht ist, hat niemand von ihnen geliefert. Lediglich die FDP hat mit uns gegen die Vorratsdatenspeicherung und für unseren Antrag gestimmt. Besonderes Highlight ist der Beitrag von Innenminster Jäger (SPD). Er lässt wirklich kein Argument aus der Gruselkiste der Angstmacher aus. Wer die Debatte nachsehen will, kann das hier tun:

Bei der namentlichen Abstimmung sind bei manchen Grünen die körperlichen Beschwerden, „Nein“ zu sagen, quasi spürbar.

Meinen Redebeitrag zum Nachlesen gibt es hier.

Im Anschluss an dieses interessante Abstimmverhalten haben wir ein Pressestatement herausgegeben, dessen Videoaufzeichnung Ihr hier sehen könnt:

Ich freue mich auf Feedback!

Freiheit statt Angst 2013 – Demo am 7. September 2013 in Berlin

Stoppt den Überwachungswahn!

Am 7. September 2013 werden wir in Berlin wieder für unsere Bürgerrechte auf die Straße gehen. Das ist aktueller denn je, die Angriffe auf unsere Privatsphäre, unsere Bürgerrechte und unsere Freiheit nehmen zu und werden immer umfassender.

Wir wehren uns gegen die totale Überwachung durch #Prism, #Tempora, #Vorratsdatenspeicherung, gegen Drohnen, Klarnamenspflicht und vieles weitere mehr.

Dagegen tun wir wieder etwas! Es wäre toll, wenn Ihr teilnehmen könnt:

Samstag, 7. September 2013, 13.00 Uhr am Potsdamer Platz Update 21.08: Alexanderplatz!! in Berlin. (Wegen des großen Andrags verlegt zum Alexanderplatz.)

Aber auch im Vorfeld könnt ihr helfen: Mobilisiert über Twitter unter dem Hashtag #fsa13 und #fsa, sagt allen Bescheid, bloggt was das Zeug hält, hängt Plakate auf etc. Es ist wichtig!

Plakate und anderes Demo-Material stellt der Foebud hier (Plakate sogar kostenlos) zur Verfügung. Wie das Plakat aussieht, könnt Ihr links sehen.

Weitere Informationen finden sich immer unter Freiheitstattangst.de