Debatte und Redebeitrag zum Antrag „Sicheren Aufenthalt für Edward Snowden“ im Landtag NRW

Im Nachgang zu meinen beiden Blogposts, die sich mit unserem Antrag „Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland“ beschäftigen: „Kein Bett für Snowden im Landtag NRW“ und „Zur Behauptung, die Piraten wären beim Snowden-Antrag nicht kompromissbereit gewesen“, bin ich Euch noch die Videos zur Debatte schuldig, die der Grund für die Posts war.

Hier könnt Ihr die gesamte Debatte nachsehen:

Die Reaktionen der anderen Fraktionen sind durchaus auch interessant und vielsagend. Am Ende der Debatte antworte i h auf die Vorwürfe Priggens, zu denen ich im zweiten Blogpost Stellung genommen hatte.

Wer nur meine Redebeiträge sehen will:

Viel Spaß, und vielen Dank für Feedback!


Protokoll der Reden:

Vizepräsident Oliver Keymis:

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe ausspionierte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte total überwachte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Wir feiern heute ein trauriges Jubiläum. Vor genau einem Jahr wurden die ersten Enthüllungen Edward Snowdens bekannt. Seitdem wird er von der US-Regierung verfolgt, der Snowden mehrfachen Verfassungsbruch nachgewiesen hat. Die USA haben seinen Pass eingezogen und üben massiven Druck auf alle Regierungen aus, die ihm sicheren Aufenthalt gewähren wollen. Menschen, Journalisten und Abgeordnete werden bedroht, nur, weil sie mit ihm sprechen wollen.

Ausgerechnet in Russland wahrlich kein Hort von Demokratie und Freiheit hat Snowden befristetes Asyl gefunden. Und warum? Weil alle anderen Staaten inklusive Deutschland sich vor den Wildwestmethoden der USA wegducken. Das ist armselig.

(Beifall von den PIRATEN)

Dabei haben wir Snowden unendlich viel zu verdanken. Durch ihn wissen wir, dass Deutschland und gerade NRW im Fokus der Five-Eyes-Spionageallianz steht. Dank Snowden wissen wir, dass die Überwachung durch westliche Geheimdienste totalitär ist. Dank Snowden wissen wir, dass US-amerikanische und britische Geheimdienste die Kommunikation unserer Verfassungsorgane ausspionieren bis hin zum Handy der Kanzlerin und anderer Regierungsmitglieder, auch auf Landesebene. Keiner hier im Saal sollte glauben, er wäre davon ausgenommen. Wir sollten Edward Snowden aus mehreren Gründen nach Deutschland holen. Zuallererst, weil wir unsere Verfassung ernst nehmen,

(Beifall von den PIRATEN) und zweitens, um Snowden zu schützen. Drittens: weil wir ihn als Kronzeugen brauchen. Er kann uns detailliert Auskunft darüber geben, welche Verbrechen westliche Geheimdienste in Deutschland begangen haben und fortwährend begehen.

Snowden war ausgebildeter Geheimagent mit einer Tarnidentität und mit der Überwachung Deutschlands selbst befasst. Er wird persönlich noch sehr viel mehr Informationen haben, als bislang bekannt geworden ist. Snowden muss Gelegenheit haben, vor einer deutschen Staatsanwaltschaft und vor deutschen Untersuchungsausschüssen frei, ohne Angst vor Abhörung oder Nachteilen auszusagen. Dies müsste Staatsraison sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Viertens: schlicht und ergreifend als Zeichen unseres Dankes. Schließlich: Wie wollen wir zukünftig mit Whistleblowern umgehen? Niemand hier im Saal spricht Snowdens Enthüllungen ihre Bedeutung ab. Wie sollen zukünftig Menschen den Mut finden, Skandale aufzudecken, wenn wir so schäbig mit Snowden umgehen? Das ist eine Schande!

(Beifall von den PIRATEN)

Unsere Regierung ist zu feige, Snowden aufzunehmen oder anzuhören. Wichtiger als Demokratie und Freiheit ist ein sogenanntes Staatswohl. Doch wo steht denn dieses Staatswohl im Grundgesetz? Was ist denn diese transatlantische Freundschaft? Greift man Bürgerrechte von Freunden an? Hört man die Kommunikation befreundeter Regierungen ab? Wird Deutschland von der NSA als lohnendes Angriffsziel bezeichnet, weil wir so gut befreundet sind? Eine Regierung, die die Totalüberwachung der deutschen Gesellschaft so ungerührt hinnimmt, ohne die Verantwortlichen in den USA und England in die Schranken zu weisen, die leidet an einem akuten Minderwertigkeitskomplex.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer im Namen der Freundschaft bereit ist, alles hinzunehmen, der verwechselt Freundschaft mit Unterwürfigkeit und Kriecherei.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich finde das widerwärtig. Edward Snowden hat alles aufgegeben, was er besaß, damit wir in Freiheit leben können. Er war nie auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Er verkörpert Werte, die manchen Politikern offensichtlich fehlen: Aufrichtigkeit, Mut und staatsbürgerliche Verantwortung. Es gibt nur einen Grund, warum Edward Snowden nicht nach Deutschland kommt: Feigheit vor der Realität und ein jämmerliches Versagen im Amt. Ein Verrat am Amtseid. Das ist beschämend!

(Beifall von den PIRATEN)

Ersparen Sie sich und uns allen, weiterhin ein derartiges Resümee ziehen zu müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd…

(Weiter geht’s gegen Ende der Debatte):

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die Piratenfraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Schwerd zu Wort gemeldet. Er hat noch 23 Sekunden.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.

Ich möchte natürlich sehr gerne auf die Rede von Herrn Priggen eingehen. Es ist natürlich eine ganz schöne Doppelmoral, die sich hier offenbart, wenn Sie in anderen Ländern ähnliche Anträge einreichen, die Sie, wenn sie von den Piraten kommen, falsch finden.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Wunsch, Druck auf die Politik auszuüben, kommt unmittelbar aus dem Unterstützerumfeld Edward Snowdens. Gehen Sie einmal davon aus, dass Herr Ströbele nicht der Einzige ist, der Kontakt in diese Szene hat. Wir profilieren uns aber nicht so damit.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn es Ihnen nicht gefällt, dass wir einen Antrag stellen und er hier in diesem Plenum abgelehnt wird, dann kann das kaum unser Fehler, also derjenigen sein, die ihn gestellt haben. Wie könnte eine Ablehnung hier im Landtag mehr schaden als die Haltung der Bundesregierung, die wir erleben? Es ist nämlich die Bundesregierung, die untätig ist. Sie verletzt ihren Amtseid. Oliver Welke hat im ZDF gesagt: Der Rechtsstaat ist offiziell im Arsch. – Das versetzt uns in die Pflicht, unsererseits dagegen zu handeln. Dies könnten wir tun, indem wir von hieraus über den Bundesrat auf die Bundesregierung Druck ausüben. Da die Bundesregierung hier offenbar zum Jagen getragen werden muss, müssen wir das von hieraus tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. – Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung

Zur Behauptung, die Piraten wären beim Snowden-Antrag nicht kompromissbereit gewesen.

portrait-317041_640Ich muss hier offenbar etwas aus dem Nähkästchen plaudern.

Im Nachgang zu unserem Snowden-Antrag „Sicheren Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland!“, der u.a. durch die Grünen abgelehnt wurde, wie ich hier berichtet habe, kamen die Grünen in Erklärungsnot. Es wird jetzt behauptet, wie mir zugetragen wurde, wir Piraten wären im Vorfeld nicht zu Kompromissen bereit gewesen.

Hierzu kann ich feststellen:

Die Verzögerung von mehreren Monaten in der Abstimmung dieses Antrages habe ich – teils gegen großen Widerstand in meiner eigenen Fraktion – durchgesetzt, gerade um einen Kompromiss in der Sache zu finden. Mir wäre nämlich ein gemeinsamer, positiver Entscheid um ein vielfaches lieber gewesen. Ich bin auch aus dem Umfeld Edward Snowdens darum gebeten worden. Ich habe die Abstimmung, die ursprünglich im November vorgesehen war, auf eigene Verantwortung und unter Einsatz meiner Reputation verschieben lassen.

Daraufhin habe ich einen Kompromissvorschlag des Antrages erstellt, der so weichgespült war, wie ich es gerade noch ertragen konnte. Darin war die konkrete Forderung nach sicherem Aufenthalt für Edward Snowden ersetzt gegen den Auftrag an die Landesregierung, zu prüfen, auf welche Weise ein solcher Aufenthalt ermöglicht werden kann.

Diesen Kompromissvorschlag habe ich an die Grünen (!) übergeben, diese wollten die Konsensfähigkeit bei der SPD prüfen.

Zurück kam ein derartig rundgelutschter Antrag, aus dem sogar dieser Prüfauftrag entfernt wurde, sodass ich mich nicht getraut habe, diesen meiner Fraktion vorzulegen. Ein Antrag, der sich mit der Möglichkeit des sicheren Aufenthaltes von Edward Snowden nicht einmal befasst ist so nichtssagend, dass wir nicht als Antragsteller darauf erscheinen wollten (selbst wenn die meisten der Formulierungen darin von mir stammten). Auch waren sämtliche Verweise auf die Selbstlosigkeit und den Mut Edward Snowdens entfernt. Der Antragstellung durch SPD und Grüne alleine hätte aber nichts entgegengestanden.

Eigene oder weitere Kompromissvorschläge von den Grünen oder der SPD an uns kamen nicht mehr vor der Abstimmung.

Mir wäre eine gemeinsame, positive Abstimmung selbstverständlich lieber gewesen, und ich habe alles versucht, diese zu erreichen. Ich habe auch den Kräften widerstanden, die daraus in der Vorwahlzeit eine parteipolitische Aktion gemacht hätten. Aber zu unseren Überzeugungen und zu unserem politischen Willen müssen wir stehen dürfen.

Auf die Doppelzüngigkeit, uns diesen Antrag vorzuwerfen, und ihn selbst in einem anderen Landtag einzureichen und zur Abstimmniederlage zu führen habe ich bereits hingewiesen.

Liebe Grüne: Ich weiß, dass wir in der Sache einer Meinung sind. Hört bitte auf, uns dafür verantwortlich zu machen, dass ihr unserem Antrag aus „parlamentarischen Zwängen“ (meint: Rücksichtnahme auf den Koalitonspartner SPD) nicht zustimmen konntet. Versucht bitte weiter, in der Koalition, in der Ihr Euch befindet, für diese unsere gemeinsame Sache zu arbeiten. Und wir tun das von außen.

Dokumentation der Abstimmung bei Abgeordnetenwatch.de

Strafanzeige wegen Spionage durch die NSA

Strafanzeige_NSABislang hat sich Generalbundesanwalt Range für die massenhafte Verletzung unserer Privatsphäre durch den Spionageangriff westlicher Geheimdienste nicht zuständig gefühlt. Tatsächlich sind auch die Landesanwaltschaften nach den Verfahrensregeln als erste zuständig.

Der Generalbundesanwalt könnte die Zuständigkeit aber an sich ziehen, denn zu seinem Aufgabenbereich gehören nicht nur Straftaten gegen die äußere, sondern auch Straftaten gegen die innere Sicherheit. Generalbundesanwalt Harald Range entzieht sich dieser Zuständigkeit und Verantwortung jedenfalls gegenwärtig.

Bis die oberste Instanz die Angelegenheit an sich zieht, wird die Landesanwaltschaft alleine auf Strafanzeige von Bürgern tätig. Und das kann sie gerne haben!

Nachdem die Bundesstaatsanwaltschaft sich nicht für zuständig hält, da das Staatswohl mit dem millionenfachen Ausspähen der Bürger des Landes offenbar nichts zu tun hat, habe ich heute Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft des Landes NRW gestellt. Vielleicht fühlt diese sich zuständig für die Bürger unseres Landes.

Die Strafanzeige kann man hier als PDF herunterladen.

Kein Bett für Snowden im NRW-Landtag

Der Antrag auf sicheren Aufenthalt für Snowden

Am Donnerstag, den 5. Juni – einem Tag vor dem Jahrestag der ersten Veröffentlichungen von NSA-Dokumenten – wurde im Landtag NRW unser Antrag „Sicheren Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland!“ debattiert und in Einzelabstimmung abgestimmt (Drucksache 16/4439). Wir fordern darin die Landesregierung auf, im Bundesrat und auf allen weiteren politischen Ebenen darauf hinzuwirken, dass Edward Snowden ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland erhält– ob nun per Asyl, Aufenthaltsgenehmigung oder einer anderen Lösung – und nicht an die USA ausgeliefert werden darf.

bed-21276_640Sämtliche anderen Fraktionen haben geschlossen gegen unseren Antrag votiert. Hauptargument der Redner der anderen Fraktionen war die fehlende Zuständigkeit: Für diese Fragen sei die Bundesebene zuständig.

Meine Gegenfrage, wer denn für den Schutz der 18 Millionen Einwohner NRWs vor der Verletzung ihrer Privatsphäre, und der 760.000 kleinen und mittelständigen Unternehmen in NRW vor Wirtschaftsspionage zuständig sei, wenn der Bund das nicht tut, blieb hingegen unbeantwortet.

Von der CDU ist leider nichts anderes zu erwarten. Die SPD hat zwar hin und wieder widersprüchliche Signale gesendet, im Endeffekt dann doch immer den Schwanz eingekniffen – und die Landes-SPD scheint nicht willens, eine eigene Haltung in der Frage zu entwickeln. Die FDP hat sich durch dieses Abstimmverhalten wieder einmal als Bürgerrechtspartei disqualifiziert.

Man kann festhalten: Der politische Wille fehlt.

Politische Zwänge der Grünen

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Verhalten der Grünen im Landtag. Wir wissen, dass sie politisch unsere Forderungen nach Aufenthalt unterstützen. Jedoch zwingt sie die Koalition mit der SPD, sich anders zu verhalten. So sind nun mal die Realitäten, genötigt durch den abgeschlossenen Koalitionsvertrag. Auch schon mal „parlamentarische Zwänge“ genannt. Oder: Ein krankes System. Denn was nützt es, wenn man dafür ist, aber dagegen stimmt?

Am Donnerstag schickten sie nicht den netzpolitischen Sprecher Matthi Bolte in die Debatte, sondern gleich den Fraktionsvorsitzenden Reiner Priggen. Wikipedia zählt ihn zum Realoflügel seiner Partei.

Er griff die Piratenfraktion scharf an. Er warf uns vor, den Antrag nur in Eigeninteresse und zur Profilierung eingebracht zu haben. Wir wüssten, dass der Antrag mehrheitlich abgelehnt werden wird, und dies würde Edward Snwoden mehr schaden als nützen. Sie selbst seien durch Koalitionsdisziplin gebunden.

Das ist eine haarsträubende Verdrehung der Verantwortlichkeiten!

Es kann doch wohl kaum der Ersteller eines Antrages, der damit seinen politischen Wiillen formuliert, dann dafür verantwortlich sein, wenn andere seinen Antrag ablehnen. Soll man als Opposition nur noch Anträge stellen, die sich mit dem Koalitionsvertrag der Regierung vertragen? Wenn man als Opposition nur Anträge stellen soll, die nicht zu Ablehnungen führen, kann man Oppositionsarbeit im Parlament generell einstellen.

Grüne Doppelmoral

smurf-139451_640Besonders krass ist die Doppelmoral, die Priggen damit offenbart. Die Grünen im Bayrischen Landtag – dort in der Opposition – hatten einen inhaltlich gleichen Antrag eingebracht, und diesen schon im Januar – durch eine CSU-Mehrheit vorhersehbar – zu einer Abstimmungsniederlage geführt. Wenn die Grünen das also selbst aus der Opposition heraus tun, ist das dann OK, Herr Priggen?

Er unterschlägt, dass wir monatelang nach einem Konsens gesucht haben, der die Aufenthaltsfrage Snowdens nicht ausklammert. Er unterschlägt, dass wir uns den Wünschen des Unterstützerumfeldes Edward Snowdens immer gebeugt haben – was die Grünen in Bayern nicht taten.

Denn es ist nicht nur Hans-Christian Ströbele, der Kontakte in das Unterstützerumfeld Snowdens pflegt. Nur dass wir uns damit nicht so profilieren, wie das die Grünen tun.

Nachdem aber in Bayern eine Abstimmungsniederlage durch die Grünen herbeigeführt wurde, und die Bundesregierung Snowden quasi zur unerwünschten Person erklärt hat, kann durch eine Ablehnung unseres Antrags kein weiterer Schaden entstehen. Im Gegenteil: Aus dem Unterstützerumfeld Snowdens kam der Wunsch, jetzt den Druck auf die Politik zu erhöhen. Durch den Fristablauf des Asyls von Snowden in Russland im Juli des Jahres ist jetzt dazu der richtige Zeitpunkt.

Grüne Flucht vor der Verantwortung

Die Grünen wären in der Verantwortung gewesen, Einfluss auf ihren Koalitionspartner zu nehmen – denn das liegt im Bereich ihrer Möglichkeiten, nicht in unserem.

Es wäre ihnen möglich gewesen – nein, es wäre ihre Pflicht gewesen, Druck auf die SPD auszuüben!

innsbruck-358280_640Sie hätten einen – wie auch immer gearteten – Kompromissvorschlag ausarbeiten können in ihrer Rolle zwischen den Stühlen. Sie hätten – als weichste Form des Protests – persönliche Erklärungen abgeben können. Aber nichts von all dem ist geschehen – man wollte das Fiasko einfach nur aussitzen, den Kopf einziehen und die Piraten dafür verantwortlich machen.

Und nicht zuletzt: Ich habe für diesen Antrag Einzelabstimmung beantragt, um jedem einzelnen Abgeordneten Gelegenheit zu geben, auch gegen Widerstände zu seinen Überzeugungen zu stehen, wie Edward Snowden das tut.

Von dieser Möglichkeit hat im Plenum niemand Gebrauch gemacht.


Diesen Blogpost habe ich heute auf Ruhrbarone.de veröffentlicht.

Ein Jahr kaputtes Internet

Zum Jahrestag der NSA-Veröffentlichungen durch Edward Snowden.

car-accident-337764_640Man untertreibt mit Sicherheit nicht, wenn man festhält, dass das Internet seit dem 05. Juni 2013 nicht mehr dasselbe ist wie zuvor. Das Internet ist kaputt, und es sind westliche Geheimdienste, die es zerstört haben. Doch die schlimmsten Auswirkungen sind nicht technischer Natur, sondern die fatalen Folgen für unsere Wirtschaft, unsere Demokratie und unsere Freiheit.

An diesem Tag fanden die ersten Veröffentlichungen über den weltweiten Spionageangriff durch westliche Nachrichtendienste statt. Edward Snowdens Dokumente offenbarten einen ersten Blick auf die totalitäre Überwachung, die Geheimdienste der „Five Eyes“, allen voran der US-amerikanische Nachrichtendienst NSA sowie der britische GCHQ, im Internet errichtet haben.

Was vorher als Verfolgungswahn von leicht paranoiden Sicherheitsspezialisten verlacht wurde, hat sich als zutreffend, oder sogar als noch zu blauäugig erwiesen. Die Aluhüte hätten sehr viel größer sein dürfen.

Wir wissen heute, dass die Geheimdienste die Telefonate eines ganzen Landes speichern können, aus Glasfaserkabeln die gesamte Kommunikation mitlesen, unbegrenzten Zugriff auf private Google-, Facebook- und Microsoft-Konten haben. Wir wissen, dass sie Mobiltelefone in Wanzen verwandeln können, ohne sie berühren zu müssen – und sie selbst dann aktivieren können, wenn diese ausgeschaltet sind. Wir wissen, dass sie Privataccounts von Administratoren angreifen, um darüber die Netzwerke ihrer Arbeitgeber zu infiltrieren. Sie betreiben Wirtschaftsspionage zum Vorteil ihres eigenen Landes auf dem Boden ihrer angeblichen Freunde. Sie brechen in die Internetinfrastruktur weltweit ein und verwanzen diese. Sie hören Kommunikation aller Menschen auf der Welt ab, und speichern diese Informationen unbegrenzt. Auf Privatsphäre, auf schutzwürdige Daten wird nicht die geringste Rücksicht genommen.

Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Schranken durch Moral oder Gesetz gelten nicht.

Wirtschaftsspionage per Formular

Wirtschaftsspionage ist eine Hauptaufgabe der Nachrichtendienste geworden. Nachweislich werden Unternehmen auch der befreundeten Länder angegriffen, um heimischer Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die NSA betreibt eine Internetseite, auf der US-amerikanische Unternehmen ihre Spionagewünsche online eingeben können. In den Fokus gerät dabei Know-how gerade auch kleiner und mittelständischer Unternehmen.

Absurderweise sind es die besten Absolventen der US-amerikanischen Eliteuniversitäten, welche die NSA für exorbitante Gehälter einstellt – und die dann der Wirtschaft in den USA verloren gehen. Die dadurch fehlende Brain Power muss dann offenbar durch Wirtschaftsspionage wieder ausgeglichen werden.

Auch internationale Organisationen und Konferenzen, wie die Europäische Union, die Vereinten Nationen oder die Weltklimakonferenz sind zum Spionageziel geworden. Indem man Positionen, Planungen und Absichten von Verhandlungspartnern ausspäht, gewinnt man einen strategischen Vorsprung in Verhandlungen. Dabei geht es nur um eines: Um Macht.

Geheimdienste entziehen sich dabei jeder Kontrolle. Sie agieren im Verborgenen, belügen die Parlamente, die sie kontrollieren sollen. Es wird nur zugegeben, was sich nicht leugnen lässt. Lokale Gesetze, wonach die eigenen Staatsbürger nicht ausgespäht werden dürfen, werden umgangen, indem man diesen Auftrag durch einen befreundeten Auslandsgeheimdienst der „Five Eyes“ ausführen lässt, und die gewonnenen Daten austauscht.

Ein unwürdiges Theater in Deutschland

hut-172789_640Auch Deutschland macht auf seine Weise mit. Obwohl Deutschland als besonders interessantes Ziel für Überwachung durch die NSA markiert worden ist, funktioniert der Datenaustausch reibungslos. Man stellt den westlichen Geheimdiensten Daten zur Verfügung, man bekommt offenbar auch hin und wieder interessante Daten – und stellt keine Fragen. Von Spionageabwehr, also der Abwehr gegen diese grundrechtswidrigen Angriffe durch „befreundete“ Nachrichtendienste gibt es keine Spur.

Vielleicht mag eine noch stärkere Verstrickung deutscher Geheimdienste in diese Affäre einer der Gründe sein, warum die deutsche Politik sich gegen eine Aufklärung mit Händen und Füßen wehrt. Übergroß ist jedenfalls die Angst vor dem Verlust der „transatlantischen Freundschaft“ mit den USA. So groß, dass Bundesstaatsanwalt Range sich nicht traut, in größerem Rahmen Ermittlungen einzuleiten – ein „Staatswohl“ postulierend, welches wohl wichtiger zu sein scheint als Bürgerrechte, Demokratie und Grundgesetz. Oder muss man gar annehmen, dass die totale Überwachung aller Menschen auch von der deutschen Politik genau so wie sie stattfindet erwünscht und befördert wird?

Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird derweil ein unwürdiges Theater aufgeführt: Seit Monaten ist unklar, ob man den Kronzeugen Edward Snowden überhaupt anhören will. Die Bundesregierung hat schon erklärt, ihre Informationen nur geschwärzt an den Ausschuss übergeben zu werden. Die Ausreden könnten kaum skurriler sein. Eine Aufklärung ist in diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht zu erwarten.

Ungewisse Zukunft für Snowden

Überhaupt, Edward Snowden: Er sitzt seit einem Jahr in Russland fest – wahrlich kein Hort von Demokratie und Bürgerrechten. Sein Asyl läuft im Juli aus, seine Zukunft ist ungewiss. Nachdem mittlerweile die meisten Menschen der Ansicht sind, dass seine Leistung anerkennenswert ist, und dass er Schutz und sichere Zukunft verdient, ringt sich immer noch kein demokratisches Land dazu durch, ihn aufzunehmen. Eine Schande. Das Signal, welches dadurch an potentielle Whistleblower der Zukunft gesendet wird, ist fatal.

Edward Snowden – ein Mensch mit im Grunde konservativen Wertvorstellungen – konnte die täglichen Rechtsbrüche der Geheimdienste nicht hinnehmen, er verließ seine Heimat, seine Familie, eine langjährige Beziehung und einen gutdotierten Job, er begab sich unter Lebensgefahr in eine ungewisse Zukunft, um der Weltöffentlichkeit von diesem Skandal zu berichten. Er bewies damit Integrität, Aufrichtigkeit und Mut – landläufig nennt man jemanden, der große persönliche Last auf sich nimmt, um die Allgemeinheit zu schützen, einen Held. Leider jedoch sind das keine Merkmale, die wir von Politikern in unserem Land in dieser Angelegenheit erwarten dürfen.

Wo bleibt die Empörung?

auto-245447_640Warum fehlt jedoch der öffentliche Aufschrei angesichts eines täglichen, millionenfachen, fortgesetzten Grundrechtsbruchs? Wo sind die Massendemonstrationen, die öffentlichen Apelle? Wo schlägt sich die Besorgnis in Wählerstimmen nieder? Oder auch: Warum hört man von Piraten in der Angelegenheit nichts (obwohl diese seit einem Jahr ununterbrochen aus vollem Hals alarmieren)?

Offenbar ist das allgemeine Interesse doch nicht so hoch, wie es der Sache angemessen wäre. Das Thema scheint abstrakt, wird nicht ausreichend erklärt, und betrifft nach Meinung vieler wohl nur Menschen, die intensiv im Internet unterwegs sind. Es geht vermeintlich um „Internetkommunikation“, also im Internet fließende Daten, und im Grunde wusste man von der Überwachung auch vorher. Der Schutz vor Terrorismus oder dem Missbrauch von Kindern wird vorgeschoben. Man habe ja nichts zu verbergen. Mit der letzten Supermacht auf der Welt mag man es sich nicht verscherzen. Und gegen die Macht weltweit vernetzter Geheimdienste mit unbegrenzten technischen und finanziellen Mitteln könne man ohnehin nichts tun.

Doch ist das tatsächlich so? Beschränkt sich diese Überwachung einfach nur auf Internetkommunikation, auf Daten? Ist das ein Territorium unserer Welt, welches wir einfach „verloren geben“, und ansonsten weitermachen wie zuvor?

Das Internet wurde zerstört

Das Internet ist heute unsicherer als zuvor. Spezialabteilungen der NSA sammeln Sicherheitslücken in Hard- und Software und unterminieren Kryptografie allerorten. Anonymität wurde abgeschafft. Geheimdienste haben das Internet in ein Waffensystem verwandelt, um Menschen, Organisationen, Unternehmen und Staaten weltweit angreifen zu können. Und es sieht nicht so aus, als ob sie damit in absehbarer Zeit aufhören wollen. Die NSA ist wie ein Krebsgeschwür, das wuchert und den Wirt, das Internet, ständig weiter zerfrisst.

So wird das grundsätzliche Vertrauen in die Privatheit elektronischer Kommunikation fundamental zerstört. Und dabei handelt es sich nicht nur um Kommunikation zwischen Menschen, sondern auch Kommunikation über Menschen, die Unternehmen, Banken, Versicherungen oder Behörden untereinander austauschen.

Doch es ist eben nicht einfach nur Kommunikation, die bespitzelt wird. Es ist unser Leben, was damit ausgespäht wird. Es ist unser ganzes Leben, welches minuziös erfasst und gespeichert wird. Aus den Bewegungsdaten der Mobiltelefone ergibt sich ein Bild, wer wann wo war. Es ist erkennbar, wer mit wem spricht, also wer mit wem befreundet ist, wer Kollege, Vereinsmitglied, Liebhaber ist. Es ist erkennbar, welche Interessen jemand hat, welche Partei er wählt, welche Gesellschaftsauffassungen er vertritt. Man kennt seine Einkäufe. Natürlich auch, welche Krankheiten er hat, seine kompletten Finanzen, seine im Privaten ausgetauschten Fotos. Da ist das persönliche Tagebuch nur das Tüpfelchen auf dem I.

Es sind nicht „wir im Internet“, die überwacht werden. Es ist unser gesamtes, vollumfängliches Leben, das da überwacht und gespeichert wird. Wir alle, überall und zu jeder Zeit.

Das Ende der freien Meinungsäußerung

glass-101792_640Im Wissen, dass jede Meinungsäußerung im Internet mitgelesen und für immer gespeichert werden kann, setzt jetzt schon eine innere Zensur ein: Kann ich das so noch sagen? Wird mir diese Äußerung womöglich zum Nachteil ausgelegt werden? Muss ich mit Restriktionen bei zukünftigen Flugreisen rechnen, bei der Einreise in bestimmte Staaten? Mit Problemen im Beruf, im Ausland? Und wie verhält es sich, wenn diese Informationen anderen Menschen in die Hände fallen, etwa Kriminellen, Extremisten, oder einem totalitären Staat in der Zukunft?

Die Überwachung wird spürbar, wenn sie in Repression mündet. Bereits jetzt wurden Aktivisten an der Einreise in die USA gehindert, welche sich beispielsweise gegen die Spionagepraxis der NSA oder das geplante Freihandelsabkommen engagieren. Oder Menschen, die sich auf Facebook unpassend geäußert hatten. Und dies dürften erst die Anfänge sein. Die Auswahl der Drohnen-Ziele in Pakistan und anderen Ländern, also der durch Drohnen zu tötenden Menschen basiert letztlich auch auf durch die NSA gesammelten Daten, sowie dem von der NSA gefälltem Urteil über die Gefährlichkeit dieser Menschen.

Das Wissen darüber, dass es Anonymität und Privatsphäre im Netz nicht mehr gibt, sickert allmählich in das Bewusstsein aller Menschen. Dies führt zu selbstzensierten Meinungsäußerungen, einem verarmenden demokratischen Diskurs, und damit zu einer Gefahr für die Grundlage unserer Demokratie.

Regierungen von Bund und Ländern verletzen ihren Amtseid, wenn sie uns davor nicht schützen.

Vorratsdatenspeicherung: Das Ermittlungsvakuum in den Köpfen

Diesen Beitrag habe ich ursprünglich am 13. Mai bei Carta veröffentlicht.


Vorratsdatenspeicherung: Das Ermittlungsvakuum in den Köpfen

Wie Sicherheitsbehörden und -politiker Sachargumente ignorieren

Der Glaube an die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung hat esoterische Züge. Rational ist er nicht zu erklären, und Gegenbeweise werden ignoriert. Stattdessen werden Kritiker mit Totschlagargumenten bedacht. Die Rechtfertigungsstrategien dieser Vorratsdatenspeicherungs-Gläubigen ähneln der von Anhängern der Homöopathie oder anderen Nichtwissenschaften.

Die Innenpolitischen Sprecher von CDU/CSU in Bund und Ländern verabschiedeten auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag, dem 9. Mai 2014, eine „Erfurter Erklärung“. Darin fordern sie „eine bundesgesetzliche Grundlage für die Vorratsdatenspeicherung“. Ohne Vorratsdatenspeicherung könnten Ermittler derzeit schwere Straftaten nicht aufklären, heißt es.

Sie postulieren eine Schutzlücke; Datenschutz drohe zum Täterschutz zu werden. Und weiter:
 

„Insbesondere Täter, die im Bereich der Internetkriminalität agieren oder die die Verbreitung und den Konsum von Kinderpornografie ermöglichen, dürfen nicht länger im Dunkelfeld dieses gegenwärtigen Ermittlungsvakuums untertauchen.“

 
Auch die Innenminister SPD-geführter Länder bestehen auf der Vorratsdatenspeicherung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger beispielsweise behauptete in einem Interview mit heute.de:
 

„Der Wegfall der Mindestspeicherfrist hat zu einer gravierenden Schutzlücke im Kampf gegen Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie bei der Bekämpfung von Terrorismus geführt.“

 
Für diese Behauptungen bleiben sie jedoch Beweise schuldig. Dabei sind im Fall der Vorratsdatenspeicherung die Voraussetzungen für eine systematische Untersuchung optimal.

In Deutschland bestand in der Vergangenheit schon einmal eine gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung. Am 01.01.2008 trat ein entsprechendes Gesetz in Kraft, welches bis zum 02.03.2010 galt, nachdem die Regelung vom Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt wurde. Im Vergleich zu Ermittlungs- und Verurteilungszahlen der Vor- bzw. Folgejahre sollte es möglich sein, die Erfolgsbilanz, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung zu analysieren.

Doch solche Zahlen liegen gar nicht vor. Mit einer kleinen Anfrage erkundigten wir Piraten im Landtag Nordrhein-Westfalens uns bei der Landesregierung, wie viele Anfragen es für den Datenpool der Vorratsdatenspeicherung im Zeitraum zwischen dem 01.01.2008 und dem 02.03.2010 gab, aufgrund welcher Straftatbestände diese vorgenommen wurden, und welchen Anteil sie am Ermittlungserfolg jeweils hatten.

Die Antwort ist vielsagend nichtssagend: Solche Daten liegen nicht vor. Innenminister Jäger kann nur allgemein argumentieren und verweist ansonsten vage auf Statistiken des Bundesjustizamtes.

Tatsächlich ist die Aufklärungsrate von schweren Verbrechen, dokumentiertem Kindesmissbrauch sowie der Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ überdurchschnittlich hoch. In den Jahren, in denen die Vorratsdatenspeicherung in Kraft war, ist kein Anstieg der Aufklärungsraten schwerer Straftaten feststellbar. Ein Absinken oder gar ein Einbruch in diesen Quoten nach dem 02.03.2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen.

Im Tatbereich „Besitz/Verschaffung von Kinderpornographie gemäß § 184b Abs. 2 und 4 StGB“ (Titel 14330 der polizeilichen Kriminalstatistik) lag die Aufklärungsquote 2007 unmittelbar vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung bei 93,1%.

Die Quote veränderte sich anschließend kaum. 2008 lag sie bei 94,2%, 2009 bei 93,5%, 2010 bei 87,2%. Nach dem Wegfall der Vorratsdatenspeicherung gibt es keinen Einbruch in der Aufklärungsrate: 2011 wurden 90,6% der Fälle aufgeklärt, 2012 wiederum 91,8%. Es werden also jedes Jahr rund 9 von 10 Fällen aufgeklärt.

Eine Auswirkung der Vorratsdatenspeicherung auf die Zahlen kann man nicht feststellen. Eine Schutzlücke gibt es in diesen Fällen nicht, im Gegenteil – die Täter werden recht zuverlässig ermittelt und verurteilt, ungeachtet der Existenz oder Abwesenheit einer Vorratsdatenspeicherung. Das – ohnehin hohe – Aufklärungsniveau konnte durch die Vorratsdatenspeicherung nicht weiter gesteigert werden. Damit ist sowohl die Notwendigkeit als auch überhaupt eine Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung solcher Verbrechen in Frage zu stellen.

Warum aber halten Innenpolitiker und Sprecher von CDU, SPD und Polizei an der Vorratsdatenspeicherung so fanatisch fest, obwohl sie selbst keine nachprüfbaren Argumente für die Notwendigkeit oder Wirksamkeit anbringen? Warum ignorieren sie alle Belege, dass Vorratsdatenspeicherung weder erforderlich noch effektiv ist?

Im Gegenteil – jeder, der gegen den Glauben dieser Sicherheitsesoteriker argumentiert, muss befürchten, als Kinderschänder denunziert zu werden. Jede Diskussion wird mit solchen Totschlagargumenten im Keim erstickt. Wissenschaftlich oder rational ist dieser Neigung offenbar nicht beizukommen. Dulden darf man die Kontrollsucht der Spähfanatiker dennoch nicht.

Wie bei Verschwörungstheorien wird selbst die Abwesenheit von Argumenten als Argument verwendet, und jeder Kritiker gilt als interessengesteuert, manipuliert und verdächtig. So etwas muss ich auf den neuen Montagsdemonstrationen wohl hinnehmen, aber nicht in den Kabinetten unseres Landes.

Die religiös anmutende Überzeugung von etwas, was sich nicht beweisen lässt, das Niederschreien aller Gegenargumente erinnert mich an Esoteriker. So argumentieren Anhänger der Homöopathie, die ebenfalls keine rationalen Argumente vorbringen und Gegenbelege ignorieren.

Doch Homöopathie ist im Normalfall harmlos – sie schadet auch nicht. Vorratsdatenspeicherung hingegen ist gefährlich für unsere Freiheit und unsere Demokratie, und die Datenberge gefährden unsere Sicherheit.