Burkhardt Müller-Sönksen und die Piratenpartei

Burkhardt Müller-Sönksen, Mitglied des Bundestages und medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erklärte in der 47.Sitzung des Bundestages am 11. Juni folgendes:

“Wir beobachten daher seit einigen Monaten die Gründungsbemühungen einer Partei, die das Urheberrecht gänzlich infrage stellt, mit großer Sorge. Wer den Schutz geistigen Eigentums nicht anerkennt, der wird auch in anderen Bereichen vor Rechtsbrüchen nicht haltmachen.”

Er meint doch nicht die Piratenpartei, oder?

Denn die Piratenpartei wurde bekanntlich schon 2006 gegründet, über das Stadium der Gründungsbemühungen sind wir glücklicherweise hinaus.

Außerdem stellen wir nicht das Urheberrecht gänzlich infrage – auch wenn man das immer wieder zu hören bekommt. Uns geht es um das Recht, Privatkopien anfertigen zu dürfen, eine faire Nutzung zu ermöglichen und einen vernünftigen Ausgleich zwischen Nutzern und Rechteinhabern zu erreichen.

Nein, Herr Müller-Sönksen kann die Piratenpartei nicht meinen. Oder etwa doch? Ich habe ihm die Frage gesendet, welche Partei er da meint, und bin gespannt auf die Antwort.

Immerhin ist Herr Müller-Sönksen medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion des Bundestages, und hat sogar einen Twitteraccount. Sollte er also doch die Piratenpartei meinen, zeugt das von einem eklatanten Mangel an Wissen über die Internetkultur und Internetpolitik, denn als medienpoltisch interessierter Mensch ist man den zentralen Fakten und Themen der Piratenpartei zwangsläufig begegnet. Es würde sich die Frage stellen, welche Kompetenz er zum Thema Netzpolitik tatsächlich hat.

Zurück zum Zitat: Der zweite Satz ist reine Polemik. Wer Schwarzfährt raubt auch Omas ihre Handtaschen? Worin besteht die zwingende Logik?

Ist es schon kriminell, das Urheberrecht (ganz oder teilweise) in Frage zu stellen? Besteht ein Denkverbot im Hinblick auf die Anpassung des Rechtssystems an das 21. Jahrhundert?

Herr Müller-Sönksen sagt in seiner Rede ebenfalls:

“Für uns Liberale ist die Wahrung des Urheberrechts eine staatspolitische Aufgabe.”

Staatspolitik besteht nicht im Zementieren eines Rechtssystems ungeachtet der gesellschaftlichen Ansprüche und Änderungen. Sonst würden wir uns immer noch im Feudalsystem befinden, und das “ius primae noctis” wäre weiterhin das gute Recht der Grundbesitzer. Die Schaffung von Recht und Ordnung schließt auch ein, dass dieses Recht einen fairen Ausgleich zwischen Bürgern herstellt, und ist damit auch gesellschaftlichen Änderungen unterworfen.

Enttäuscht kann man über die “Bürgerrechtspartei” FDP sein. Sie stellt offenbar die Rechte gewisser Klientelgruppen über die der Bürger, und achtet die Interessen letzterer auf Zugang zu Kultur, Bildung und Forschung nicht allzu hoch. Zur Beförderung der Klientelinteressen wird sogar auf Polemik und Falschinformation zurückgegriffen. Sehr bedauerlich.

Wer seinen Augen nicht recht glauben will, findet es im stenografischen Bericht auf der Seite 47 zum Thema “Filmförderung” neben dem Buchstaben (B):

http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/17047.pdf