NRW:StrgAltEntf: Grundsätze einer piratischen Landessatzung

Derzeit wird bekanntlich in NRW an einer neuen Satzung gearbeitet, nachdem die “Strukturfrage” im Landesverband eskaliert ist. In der letzten Landesmitgliederversammlung gab es mehrere Anläufe, die Satzung zu überarbeiten, von der aber keine die notwendige Zweidrittelmehrheit erringen konnte. Auch die von mir mitvertretene “Reboot-Satzung” konnte sich nicht durchsetzen.

Um die Patt-Situation zu durchbrechen, haben sich alle Seiten an einen Tisch gesetzt – den sogenannten “Korschenbroicher Kuschel-Kreis”, um einen gemeinsamen Satzungsvorschlag zu erarbeiten. Zwei dieser Runden haben bereits stattgefunden.

Ich habe in einer ruhigen Stunde meine höchstpersönlichen Grundsätze einer solchen möglichen Landessatzung notiert. Dies ist meine persönliche Meinung, ich möchte sie dennoch nicht nur für mich behalten.

Hier gibt es das Ganze als PDF zum Herunterladen:
NRW:StrgAltEntf: Grundsätze einer piratischen Landessatzung

NRW:StrgAltEntf

Meine Grundsätze einer piratischen Landessatzung

Schlankheit

Bei jeder einzelnen Regelung möge man sich überlegen, ob sie unbedingt erforderlich ist. Unbedingt erforderlich sind z.B. Regelungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben notwendig sind. Ist eine Regelung nicht zwingend, so ist sie wegzulassen – auch wenn es sich um eine „Nice to have“-Regelung handelt.

Regelungen, die keine konkreten Regelungsfolgen haben bzw. unwirksam sind, sollen ebenfalls weglassen werden (Ausnahme: die Präambel). Keine Worthülsen, Füllsätze, keine Kann-Sätze.

Immer dann, wenn es eine gesetzliche Regelung (aus Parteiengesetz, Verbandsrecht oder BGB) gibt, und immer dann, wenn es eine Regelung aus der Bundessatzung gibt, soll auf eine eigene Regelung verzichtet werden, wenn die vorhandene Regelung bereits passt oder größtenteils im Sinne des Landesverbandes ist. Abgewichen werden soll nur, wo es schwerwiegende Gründe dafür gibt (und wo es legal ist).

Freiheit

Die Satzung soll Einzelnen, Minderheiten und Mehrheiten größtmögliche Freiheiten lassen. Dabei ist Freiheit immer die Freiheit der anderen – sie findet dort ihre Grenzen, wo Freiheiten anderer beschränkt werden. Keine Verbote!

Ideologiefreiheit

Piraten haben Wertvorstellungen und Ziele. Diese sind größtenteils einheitlich, es gibt aber auch grundsätzliche Unterschiede innerhalb der Partei. Zudem sind wir ein Verbund von Individuen mit jeweils einheitlichen Wertmaßstäben.

Die Satzung soll, soweit möglich, nicht von Werten gesteuert sein. Zumindest aber sollen Werte nicht durch Satzung „verordnet“ werden. Werte müssen gelebt werden. Die Signalwirkung von Werten in der Satzung (abgesehen von der Präambel) kann man bestreiten. Werte in der Satzung machen nur dann Sinn, wenn der Konsens innerhalb der Partei überwältigend ist, und es keine Wertekollision gibt. (Transparenz vs. Privatsphäre o.ä.)

Strukturfreiheit

Struktur ist kein Wert an sich. Struktur ersetzt keinen Inhalt. Struktur soll Erfordernissen folgen und effektiv sein.

Bürokratie und Formalismus ist abzulehnen. Transparenz ist gut und wichtig, sollte aber nicht in überbordenden Regelungen ausufern – Transparenz ist gegen Freiheit abzuwiegen.

Es soll Gruppen von Piraten erlaubt sein, sich so zu organisieren, wie sie das für richtig und zielführend halten. Grenzen sollen lediglich in der Praktikabilität und in rechtlichen Erfordernissen bestehen.

Dabei soll es jedem einzelnen Piraten freigestellt sein, sich einer solchen Gruppe anzuschließen, bzw. aus einer solchen Gruppe auszutreten. Nur bei Kleinstgruppen ohne „offiziellen“ Auftrag kann geregelt sein, dass die anderen Mitglieder einem Eintritt zustimmen müssen.

Auch Minderheiten sollen dieses Recht genießen, solange die Freiheit der Mehrheit nicht eingeschränkt wird, und der Piratenpartei dadurch kein übermäßiger Schaden zugefügt wird. Die Toleranz soll dabei größtmöglich sein.

Keine Strukturform soll einer anderen gegenüber bevorzugt oder benachteiligt werden.

  • Es darf keine finanziellen Anreize zur Gründung einer Strukturform geben.
  • Es darf nicht mit finanziellen Nachteilen, Risiken oder erhöhter Haftung verbunden sein, eine bestimmte Form zu wählen.
  • Das Beitragszahlungsrisiko der Mitglieder darf nicht auf einer Strukturebene lasten, sondern muss alle Ebenen gemäß ihrem Anteil betreffen. Beiträge von Mitgliedern sollen von der Struktur nicht vorgestreckt werden müssen.
  • Der Gründung, Änderung oder Auflösung einer Struktur dürfen keine überhöhten formalen Ansprüche entgegenstehen, die Ansprüche müssen genau so niedrig sein, wie es rechtlich vertretbar bzw. geboten ist.
  • Die jeweils übergeordnete Struktur muss die untergeordnete Struktur organisatorisch entlasten, wenn gewünscht, um Synergieeffekte zu erhalten.

Vertrauen und Handlungsfreiheit

Piraten soll Vertrauen entgegen gebracht werden. Vertrauen soll man der Basis, zielführende und sinnvolle Entscheidungen zu treffen, genauso aber einem Vorstand, im Sinne der Partei zielführend zu handeln.

Legitimation ist grundsätzlich zunächst einmal anzunehmen. Aktivität ist grundsätzlich zunächst einmal gut. Nur so lassen sich Themen vorantreiben, Thesen erarbeiten, Wahrnehmung erzeugen. Dies betrifft ausdrücklich alle Ebenen incl. der Basis.

Fehler dürfen gemacht werden (jedenfalls mindestens einmal).

Eine gesunde Kontrolle ist gut, sollte aber einen Vertrauensvorschuss enthalten. Zunächst einmal sollte ein Pirat (egal welcher Ebene) Handlungsfreiheit haben. Es ist uns bekannt, dass Freiheit das Potential zu Missbrauch enthält.

Bekanntermaßen sind Regelungen nicht geeignet, Missbrauch von vorneherein zu verhindern. Vielmehr sollten effektive Maßnahmen bereitstehen, erfolgten Missbrauch zu sanktionieren, zu verwarnen, oder solche Piraten von Ämtern oder ggf. aus der Partei zu entfernen.

Man vergleiche dies bitte mit der Netzsperrendebatte. Auch hier sind wir für eine Freiheit des Internets, die grundlose Überwachungen und Verdächtigungen ablehnt. Wird jedoch eine Straftat begangen, sind auch wir dafür, dass diese effektiv verfolgt und sanktioniert wird.

Analog sehe ich das mit unserer Satzung. Auch der Vorstand soll zunächst einmal handlungsfähig und entscheidungsfähig sein. Die Chance, die ein starker Vorstand den Piraten bietet, ist zumindest so groß, das eine grundsätzliche Vorsicht, er könnte diese Macht missbrauchen, dagegen aufgewogen wird. Man berücksichtige bitte auch, dass der Vorstand gemäß Gesetz mit der Führung des Verbandes beauftragt ist, das Gesetz ihm also bereits diese Macht einräumt. Die mangelnde Wahrnehmung der Piraten liegt auch an der Schwäche unserer „Gallionsfiguren“.

Fairness und Korrektheit

Keine Regelungen mit Hintergedanken. Geregelt werden soll nur genau das, was da steht. Keine Spitzfindigkeiten, keine Winkelzüge, keine kalkulierten Seiteneffekte, der wirkliche Wille soll erforscht werden. Unbeabsichtigte Seiteneffekte sollen unwirksam sein bzw. behoben werden!

Einen kalkulierten oder unabsichtlichen Verstoß gegen Recht wollen wir nicht. Eine Satzung soll von einem Fachanwalt geprüft werden.