#Leistungsschutzrecht im Landtag: Die ganze Debatte

Wer noch irgendeine Hoffnung in den Parlamentarismus legt, wie ihn die „Altparteien“ betreiben, der möge sich bitte die Debatte zum Leistungsschutzrechtsgesetz ansehen. Da ging es um einen Antrag, sich gegen das Verhalten der Landesregierung zum Bundesrats-Abstimmung des Leistungsschutzrechts auszusprechen, den wir eingereicht haben, nachdem uns die Landesregierung mit unserem Grundantrag über den Tisch gezogen hatte. Ich habe dazu Klartext geredet – sogar von Seiten mancher Abgeordneten der Grünen und der SPD kam unter der Hand Zustimmung.

Dass CDU und FDP pro Leistungsschutzrecht sprechen war zu erwarten, offenbarten sie jedoch ihre Ahnungslosigkeit zum Thema. Die Verrenkungen, die die Sprecher von SPD und den Grünen machen mussten, eine Entscheidung zu verteidigen, die sie selbst nicht mittragen, sind definitiv sehenswert. Alexander Vogt von der SPD musste sichtlich selbst lachen angesichts der Absurdität seiner Argumente – Matthi Bolte war sein körperiches Unwohlsein wegen der Ablenkungsmanöver in seiner Rede anzusehen. Frau Ministerin Schwall-Düren las hölzern vom Blatt ab – sie fühlte sich offensichtlich ebenfalls nicht wohl in ihrer Haut.

Wenn Ihr die halbe Stunde Zeit erübrigen könnt, tut das, es ist sehenswert.

Interessant ist auch das Abstimmungsverhalten. SPD und Grüne haben Einzelabstimmung der Beschlusspunkte beantragt. So kam es, dass unser Antrag in Teilen angenommen wurde (in seiner Gänze dann aber wieder abgelehnt).

Die drei Beschlussaussagen lauteten:

– Der Landtag lehnt das Leitungsschutzrecht für Presseverlage ab

wurde mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen;

– Der Landtag kritisiert das Verhalten der Landesregierung in der 908. Sitzung des Bundesrats am 22. März 2013, bei der sie ein handwerklich mangelhaftes und unnützes Gesetz, das schädlich für die Meinungs- und Informationsfreiheit ist, entgegen der eigenen Überzeugungen durchgewunken hat. Die Landesregierung beschädigt mit ihrem Verhalten nicht nur ihre eigene politische Glaubwürdigkeit, sondern auch die Position der Abgeordneten des Landtags NRW

wurde abgelehnt, SPD, CDU, GRÜNE und FDP stimmten geschlossen dagegen;

– Der Landtag fordert die Landesregierung auf, in Zukunft Absichtserklärungen und tatsächliches Handeln miteinander in Einklang zu bringen, zu den eigenen Überzeugungen zu stehen und diese in politisches Handeln umzusetzen

wurde ebenfalls abgelehnt, mit der Mehrheit von SPD und GRÜNEN. Neben uns Piraten stimmten auch CDU und FDP für diesen Punkt. Man könnte sagen, die Regierungsfraktionen haben ihrer Regierung einen Freifahrtsschein ausgestellt, in Zukunft die eigenen Überzeugungen vernachlässigen zu können, sowie die eigenen Absichtserklärungen dann im Handeln zu missachten.

Der Gesamtantrag wurde dann allerdings wieder abgelehnt, mit den Stimmen aller Fraktionen ausser den Piraten.

Über Feedback freue ich mich immer!

Plenarrede zum Bundesratsbeschluss #Leistungsschutzrecht

Am Donnerstag, den 25. April 2013, redete ich zu der äußerst unglücklich gelaufenen Abstimmung zum Leistungsschutzrecht im Bundesrat.

Die Abstimmung ist durchwachsen verlaufen, die Regierungsfraktionen liessen unseren Antrag in drei Teilen abstimmen.

Folgende Pressemitteilung haben wir dazu rausgegeben:

Piraten-Antrag gegen Leitungsschutzrecht teilweise erfolgreich

Die Piratenfraktion hat sich im Plenum des Landtags NRW erneut gegen das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgesprochen und das Verhalten der NRW-Landesregierung scharf kritisiert. „Es ist traurig, dass unser erneuter Antrag überhaupt notwendig ist“, sagt Daniel Schwerd, Netz- und Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion. „Ministerin Schwall-Düren hat im Kultur- und Medienausschuss erklärt, sie werde im Sinne des Piraten-Antrags alle Möglichkeiten im Bundesrat ausloten, um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu stoppen.“ In der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat ließ die NRW-Landesregierung das Gesetz jedoch einfach passieren.

„Die Ministerin sagt A und tut B. Für uns ist klar, dass es sich hierbei um ein Wahlkampfmanöver handelt: Offensichtlich hatte man in der rot-grünen Landesregierung Angst, sich im Bundestagswahlkampf mit den mächtigen Presseverlagen in NRW anzulegen“, vermutet Schwerd. „Die Ministerin hat die Parlamentarier im Ausschuss auf eine falsche Fährte geführt, um zu verhindern, dass der Landtag die Regierung mit einem klaren Auftrag in die Bundesratssitzung zum Leistungsschutzrecht schickt. Aber wir bleiben dabei: Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage dient nicht der Vielfalt oder Qualität von journalistischen Angeboten, es schränkt die Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet unzulässig ein. Wir lehnen das Gesetz weiterhin ab und setzen uns dafür ein, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage wieder abzuschaffen.“

Das Plenum hat den Antrag der Piratenfraktion teilweise angenommen. Damit hat es beschlossen, dass der Landtag NRW das Leitungsschutzrecht für Presseverlage ablehnt.

 
Das Wortprotokoll zu dieser Rede (Achtung, es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Leistungsschützer und Leistungsbeschützte!

CDU und FDP haben am 1. März 2013 mit ihrer Mehrheit im Bundestag ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage eingeführt. Dieses Leistungsschutzrecht ist handwerklich schlecht gemacht und schädlich für die Meinungsfreiheit.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten haben daher schon vor Wochen einen Antrag eingebracht, in dem wir die Landesregierung auffordern, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen. Sie, Frau Dr. Schwall-Düren, sagten in unserer Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 14. März wörtlich – ich zitiere –:

„Die Landesregierung lehnt das Leistungsschutzrecht so, wie es der Bundestag am 1. März beschlossen hat, ab. Mit dieser Ablehnung stehen wir an der Seite der uns tragenden Koalitionsfraktionen, aber auch an der Seite der Piraten.“

Und weiter:

„Das Gesetz, wie es im Bundesrat vorliegt, ist handwerklich mangelhaft. Es vernachlässigt die legitimen Interessen zu vieler Beteiligter und leistet keinen erkennbaren Beitrag zur publizistischen Vielfalt im Netz.“

Und dann sagten Sie noch:

„Die Landesregierung wird im Bundesrat mit den anderen Ländern alle Möglichkeiten ausloten, um ein besseres Ergebnis zu erzielen.“

Ich glaube, Piraten, die Fraktion der SPD, die Fraktion der Grünen und die Landesregierung sind sich im Ausschuss für Kultur und Medien selten so einig gewesen wie bei der Diskussion um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage.

(Beifall von den PIRATEN)

Sowohl der Kollege Alexander Vogt von der SPD als auch der Kollege Matthi Bolte von den Grünen werden sich erinnern, wie froh wir alle über die Haltung der Landesregierung waren. Herr Vogt begrüßte die eindeutige Positionierung der Landesregierung. Auch Herr Bolte war dankbar dafür, dass sich die Landesregierung im Bundesrat gegen dieses Gesetz stellen wollte. Hören Sie sich noch einmal den Audiomitschnitt der Ausschusssitzung an!

Wir Piraten haben offenbar einen Fehler gemacht. Wir glaubten, dass bei der Regierungspolitik hier im Land Sachorientierung und Vernunft Vorrang hätten. Doch offensichtlich gibt es hier im Landtag stattdessen nur eine Prämisse, die lautet: Wahlkampftaktik!

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn die Landesregierung ankündigt, alle Möglichkeiten zu ergreifen, das sinnlose Leistungsschutzrecht zu stoppen, dann erwarten wir, dass die Landesregierung tatsächlich alle Möglichkeiten ergreift, dieses sinnlose Leistungsschutzrecht zu stoppen.

(Beifall von den PIRATEN)

Nur aus diesem Grund waren wir damit einverstanden, vor der entscheidenden Bundesratssitzung auf ein Votum zu verzichten und stattdessen einer Sachverständigenanhörung zuzustimmen. Entsprechend perplex waren wir, als wir kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung die ersten Berichte hörten, dass die Landesregierung im Bundesrat nun doch nicht für die Einberufung eines Vermittlungsausschusses stimmt. Genau diese Einberufung wäre aber das Mittel der Wahl gewesen, um tatsächlich alle Möglichkeiten für ein besseres Ergebnis im Bundesrat auszuloten.

(Beifall von den PIRATEN)

Stattdessen hat der Bundesrat, in dem Rot-Grün die Mehrheit hat, eine windelweiche Entschließung gefasst, in der die neue Bundesregierung dazu aufgefordert wird, ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu erarbeiten. Da kann ich mir nur an den Kopf fassen: Welche neue Bundesregierung denn?

Frau Dr. Schwall-Düren, glauben Sie etwa, ein schlechtes Gesetz ist besser als gar kein Gesetz? Oder haben Sie kurzfristig von Ihrem Kanzlerkandidaten, dem Herrn Steinbrück, eine neue Marschrichtung vorgegeben bekommen? Könnte es sein, dass Sie sich gerade hier in NRW so kurz vor der Bundestagswahl nicht mit den großen Presseverlagen anlegen wollten?

Frau Ministerin, ich muss feststellen: Sie haben uns veräppelt! Sie haben den Ausschuss und uns Parlamentarier auf eine falsche Fährte geführt. Aber zu welchem Preis? – Sie haben im Bundesrat ein handwerklich mangelhaftes und schädliches Gesetz abgenickt, obwohl Sie wenige Tage vorher signalisierten, das Leistungsschutzrecht aufhalten zu wollen. Sie sind dafür verantwortlich, dass wir in Deutschland ein schlechtes und ungerechtes Gesetz mehr haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich fasse zusammen: Wir Piraten kritisieren das Verhalten der nordrhein-westfälischen Landesregierung in der 908. Sitzung des Bundesrates scharf. Sie haben mit Ihrem Verhalten die Position dieses Parlamentes geschwächt und unser aller politische Glaubwürdigkeit beschädigt.

Nordrhein-Westfalen lehnt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ab. Nur sind Sie als Landesregierung offenbar zu ängstlich, auch im Bundesrat so zu handeln. Sie sind politisch unglaubwürdig.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie sollten sich überlegen, wieso draußen auf der Straße niemand mehr Politikern traut. Wegen solcher politischer Winkelspielchen, weil Sie heute A sagen und morgen B tun! Jedenfalls kann ich dieser Landesregierung nicht mehr glauben. – Vielen Dank!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Vogt.

Pressekonferenz und Videostatement zu den Afghanistan-Papieren

Gestern haben Lukas Lamla, Markus Kompa und ich eine kleine Pressekonferenz zu der Veröffentlichung der Afghanistan-Papiere, und zu der Bereitstellung einer eigenen Leak-Plattform auf Fraktionsservern gehalten. Die Pressemitteilung, die wir gleichzeitig herausgegeben haben, kann man hier nachlesen: „Echte Transparenz erlaubt keine Willkür!“ Presseresonanz gab es z.B. hier: „NRW-Piraten übernehmen Afghanistan-Papiere auf eigenen Server“.

Lukas und ich haben dazu noch einen kleinen Vodcast aufgenommen. Hier:

Die Afghanistan-Papiere: Leak, Urheberrecht und Streisand-Effekt

800px-Kunar_river_Noorgal_district_in_Afghanistan's_Konar_provinceDeutsche Soldaten kämpfen in Afghanistan in einer sogenannten Friedensmission, die bereits mehrfach verlängert worden ist. Zwar reden manche Politiker offen von Wirtschaftsinteressen, die am Hindukusch verteidigt werden müssen – Fakt ist, dass dort Krieg stattfindet, der jeden Tag neue Opfer fordert und Menschen traumatisiert, verletzt oder tötet. „Friedensmission“ ist dabei billigster Euphemismus, dies ist ein Krieg, und er ist nicht zu gewinnen.

Die WAZ-Gruppe hat einige tausend Seiten aus den Einsatzberichten der Bundeswehr zugespielt bekommen, die sogenannten „Unterrichtungen des Parlamentes“. Sie sind mit der Geheimhaltungsstufe „VS – nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet, der geringsten der 4 Geheimhaltungsstufen unseres Landes. Die WAZ veröffentlicht sie online zur Überarbeitung, da die Scans teilweise schlecht lesbar sind.

Das Verteidigungsministerium ist über diese Veröffentlichung nicht glücklich, und versucht, auf juristischem Wege die Löschung dieses Materials zu erreichen – das Argument: (Achtung!) Urheberrecht!!!1elf!!

Nun wird das Verteidigungsministerium den Streisand-Effekt kennenlernen. Die Dokumente verteilen sich jetzt überall im Netz, und werden sich schwerlich herausklagen lassen – und die Bemühungen des Ministeriums leiten noch größere Aufmerksamkeit auf diese Unterlagen.

Ich habe die Afghanistan-Papiere hier auf meinen Server hochgeladen:

Crystal_download_managerDie Afghanistan-Papiere: Die bisher transkribierten Texte (2,6 MB)
Die Afghanistan-Papiere: Orignalscans als Grafiken zum Download (Achtung, 319 MB)
Die Afghanistan-Papiere: Torrent zu den Orignal-Grafiken
  (15 KB, setzt Torrent-Client voraus)

Liebes Verteidigungsministerium, meine Adresse findet sich im Impressum.

Plenarrede „Abschaffung der Störerhaftung“

Am Freitag, den 22.03.2013, Top 6., redete ich zu unserem Antrag „Abschaffung der Störerhaftung“.

Dabei handelt es sich um ein Bundesthema – wir können aus dem Landtag also nur die Regierung auffordern, sich im Bundesrat entsprechend zu verhalten- Seitens der Grünen und der SPD kam Zustimmung zu unserem Antrag, irgendwas mit „Offenen Scheunentoren“. Die Antworten der CDU und FDP auf meine Rede waren vorhersehbar. Die Behandlung dieses Antrags geht dann in den Ausschüssen weiter. Ich bin sehr gespannt.

Über Feedback freue ich mich!

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Opfer der Abmahnindustrie! Heute werde ich Ihr Gerechtigkeitsempfinden strapazieren. Ich entführe Sie in die Niederungen der deutschen Rechtsprechung, der sogenannten Störerhaftung. Da man komplexe, trockene Dinge am besten in bekannten Bildern erklärt, erzähle ich Ihnen dazu eine kleine Geschichte:

Stellen Sie sich vor: An Ihrer Tür klingelt ein Passant und fragt Sie, ob er Ihr Telefon benutzen dürfe. Da Sie eine Deutschlandflatrate haben, ist das kein Problem. Und weil Sie wohlerzogen sind, hören Sie dem fremden Telefongespräch nicht zu.

Einige Wochen später erhalten Sie den Brief eines Anwalts mit einer vierstelligen Rechnung. Es stellt sich heraus, dass sich der Mensch einen Maserati bestellt hat, aber nicht bezahlen kann. Weil er das von Ihrem Telefon aus gemacht hat, werden Sie als Mitverursacher haftbar gemacht.

Klingt bizarr! Warten Sie ab, es geht noch bizarrer:

Am nächsten Tag – es ist schönes Wetter – gehen Sie spazieren und lassen Ihr Fenster zu Hause geöffnet. Auch das rächt sich: Ein paar Wochen später finden Sie wieder Post von einem Rechtsanwalt. Ein Passant hat nämlich durch Ihr Fenster gegriffen, sich Ihr Telefon geangelt und einen Lamborghini bestellt, den er nicht bezahlen kann.

Und wieder sind Sie als Mitverursacher haftbar, weil Sie nämlich Ihr Telefon nicht ausreichend vor unberechtigter Benutzung gesichert haben.

Das finden Sie ungerecht? – Seien Sie gewiss: Wir auch!

(Beifall von den PIRATEN)

Leider ist genau das geltende Rechtsprechung: Wenn jemand Ihren Internetanschluss benutzt und damit einen Urheberrechtsverstoß begeht, werden Sie als Mitstörer auf Unterlassung haftbar gemacht, unabhängig davon, ob Sie von dem Verstoß wussten oder nicht, auch dann, wenn Sie nicht einmal explizit erlaubt haben, dass Ihr Anschluss benutzt wird, jedenfalls dann, wenn Sie Ihren Anschluss nicht verschlüsseln.

Dieses Risiko betrifft keineswegs nur Privatleute. Auch wenn Hotels oder Cafés ihren Inter-netanschluss für ihre Gäste freigeben, haften sie als Mitstörer für die Verstöße ihrer Besucher. Das ist so, als würden Kneipiers für Verbrechen mithaften, zu denen sich ein Gast am Münztelefon im Gang verabredet hat.

Um Ihr Gerechtigkeitsempfinden noch ein wenig weiter zu belasten: Es gibt eine Industrie, die von dieser Haftung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das sind nämlich diejenigen, deren Geschäftszweck im Vermieten von Internetzugängen besteht. Die haften nicht für Verstöße ihrer Kunden.

Der Bundesgerichtshof nannte in einem Urteil am 24. Januar 2013 die Versorgung mit Internet ein Grundrecht.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass alle Menschen Zugang dazu haben, auch solche mit wenig Geld. Gleichzeitig machen sich viele Kommunen Gedanken darüber, wie sie für ihre Besucher kostenlose WLAN-Zugänge bereitstellen können. Dabei gibt es eine einfache Lösung, die weder den Staat noch die Kommunen oder die Bürger einen Cent kos-ten würde: Die Inhaber eines Internetanschlusses könnten die nicht genutzte Bandbreite ihrer Flatrate für die Allgemeinheit freigeben. Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation und -daten sowie die benötigte Bandbreite des Nutzers blieben dabei gewahrt.

Natürlich sind nur wenige Menschen unter diesem schwebenden Haftungsrisiko bereit, ihre Internetanschlüsse zu teilen. Die aktuelle Rechtslage nutzt nur einer Abmahnindustrie, die durch die restriktive Auslegung der Haftungsfrage ihre Abmahnungen mit Einnahmegarantie versenden kann.

(Beifall von den PIRATEN)

Die zehn größten Kanzleien in diesem Sektor machen 80 % des gesamten Abmahnvolumens von Urheberrechtsverstößen aus. Die Summe dieser Kostennoten liegt seit Jahren im dreistelligen Millionenbereich jährlich. Die größte Kanzlei hat in diesen Sachen allein im Jahr 2010 Rechnungen von zusammengenommen 80 Millionen € verschickt.

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme für den Bundesrat vom 26. Februar keinen Handlungsbedarf gesehen. Sie setzt darauf, dass sich die Rechtsprechung schon in die richtige Richtung entwickeln werde.

Das hilft den 110.420 Menschen, die im vergangenen Jahr eine Abmahnung bekommen haben, nicht weiter. Wir fordern Sie auf, sich für die Abschaffung dieser Rechtsunsicherheit einzusetzen und das beschriebene Teilen von Internetzugängen zu ermöglichen, damit noch mehr Menschen einen Zugang zur vielfältigen Teilhabe an Kultur, Wissen, Unterhal-tung, Bildung und Arbeit im Internet bekommen können. – Vielen Dank!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Pressemitteilung zur Störerhaftungs-Debatte im Parlament

wlan-150x150Heute fand die Debatte zu unserem Antrag gegen die Störerhaftung statt. Wir haben dazu die folgende Pressemitteilung herausgegeben:

Störerhaftung: der Abmahnindustrie die Geschäftsgrundlage entziehen!

Die Piratenfraktion im Landtag NRW fordert in ihrem heutigen Antrag die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Abschaffung der Störerhaftung einzusetzen. „Die derzeitige Gesetzeslage zur Haftung von Betreibern offener WLAN-Netze ist weder gerecht noch verhältnismäßig“, so der Medienpolitische Sprecher der Piratenfraktion, Daniel Schwerd. Nach der aktuellen Rechtsprechung müssen Betreiber eines geteilten Internetzugangs als sogenannte Mitstörer selbst dann für Rechtsverstöße von Mitnutzern haften, wenn sie hiervon keine Kenntnis hatten. Demgegenüber haften kommerzielle Internet-Zugangsprovider für Verstöße erst ab Kenntnis.

„Diese rechtliche Benachteiligung führt dazu, dass die Menschen davor zurückschrecken, ihren Internetzugang zu teilen. Gerade finanzschwachen Menschen würde dies jedoch ungemein helfen – in den aktuellen Regelsätzen der sozialen Sicherung ist keine ausreichende finanzielle Berücksichtigung eines Internetzugangs enthalten. Ein Internetzugang ist heute jedoch eine Grundvoraussetzung für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe“, erklärt Marc Olejak, Sprecher der Piratenfraktion für Bürgerbeteiligung. „Darüber hinaus würde das Teilen von Internetzugängen dazu beitragen, auch Menschen und Firmen in Gebieten mit Breitband-Unterversorgung einen Zugang zum Internet zu ermöglichen.“

Schwerd ergänzt: „Auch wirtschaftlich wäre die Abschaffung der Störerhaftung sinnvoll. Aktuell begeben sich Cafés, Veranstaltungszentren, Jugendtreffs, Hotels und Co-Working-Spaces in die Gefahr, mittels Abmahnung zur Kasse gebeten zu werden, wenn sie Kunden und Besuchern offene WLAN-Netze zur Verfügung stellen.“ Die aktuelle Rechtslage nützt aus Sicht der Piratenfraktion allein der Abmahnindustrie. Diese verschickt im Jahr Rechnungen im dreistelligen Millionenbereich – mehr als 100.000 Menschen in Deutschland erhielten im vergangenen Jahr entsprechende Abmahnungen.

„Wir fordern die Landesregierung auf, sich für die Abschaffung dieser Rechtsunsicherheit einzusetzen, damit noch mehr Menschen einen Zugang, und damit zur vielfältigen Teilhabe an Kultur, Wissen, Unterhaltung, Bildung und Arbeit im Internet bekommen“, resümiert Schwerd.

Der Antrag der Piratenfraktion trägt die Drucksache 16/2284 und wurde heute in die Ausschüsse verwiesen.

Unschöne Wendung beim Leistungsschutzrecht

LeistungsschutzEine unschöne Wendung nahm die Haltung der Landesregierung zum Leistungsschutzrecht. Wie wir heute der Presse entnehmen konnten, will Ministerin Schwall-Düren im Bundesrat nicht für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen. Das heißt, dass die SPD auf die Möglichkeit, das LSR im Vermittlungsausschuss zu verzögern, verzichten will. Man ist zwar dagegen, tut aber nichts.

Das steht in krassem Widerspruch zu der Aussage, die wir vergangene Woche von ihr im Ausschuss für Kultur und Medien zu hören bekamen. „Alle Register gegen das Gesetz ziehen“, wie sie es dort zusagte, sieht anders aus. Die Beantragung einer Anhörung durch die Grünen zum Thema, der dafür sorgte, dass wir unseren Antrag gegen das Leistungsschutzrecht heute nicht im Plenum diskutierten, bekommt so auch eine ganz neue, fiese Note.

Wir haben folgende Pressemitteilung verfasst:

Leisungsschutzrecht: Ministerin Schwall-Düren darf nicht umkippen!

Kurz vor der Bundesrat-Abstimmung über das Leistungsschutzrecht für Presseverleger scheint die rot/grüne NRW-Landesregierung einzuknicken.

Daniel Schwerd, Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:

„Diese Landesregierung versagt in der Netzpolitik völlig. Die rot-grünen Politiker gehen vor den starken Verlagen in NRW in die Knie und brechen lieber uns gegenüber ihr Wort. Denn noch in der vergangenen Sitzung des Ausschusses Kultur und Medien sagte Ministerin Schwall-Düren, dass sie alle Register ziehen werde und sich auf breiter Front gegen das geplante neue Leistungsschutzrecht einsetzen werde. Und heute? Heute kündigt zunächst sie und dann SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück an, dass das alles nicht mehr gelten soll.“

Frank Herrmann, Kulturpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:

„Es ist einfach nicht einzusehen, wieso die Ministerin sich an einem Tag in den Ausschuss setzt und zugibt, dass die Regelung zum Leistungsschutz für Presseverleger handwerklich schlecht und inhaltlich unsinnig ist, und eine Woche später komplett anders handelt. Wir fordern die Landesregierung auf, morgen im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen! Wir hoffen sehr auf ein Einsehen über Nacht. Es muss in jedem Fall verhindert werden, dass unzählige Blogger in eine völlige Rechtsunsicherheit gestoßen werden.“

Christopher Schrage vom Landesverband der Piratenpartei NRW:

„Die Landesregierung torpediert ihr eigenes Engagement im Bereich des Lokaljournalismus, denn die noch in der vergangenen Woche gelobten neuen und unabhängigen lokalen Online-Angebote wären die ersten, die unter einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu leiden hätten. Denn diese müssten schon direkt nur für Hinweise auf überregionale Berichte zahlen, oder sie schließen Exklusivverträge mit Großverlegern und untergraben damit ihre journalistische Unabhängigkeit.“

Nach Ansicht der Piraten in NRW sorgt das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger wegen unklarer Formulierungen für zusätzliche rechtliche Unsicherheit bei Bloggern und schützt die Urheber nicht ausreichend. Erste Beispiele gibt es bereits ( http://www.nfhdata.de/ ).

Hintergrund – Was bisher geschah:

Die Piratenfraktion hatte im Landtag NRW ihren Antrag “Nordrhein-Westfalen lehnt die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit durch ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage ab” (Drucksache 16/2136) eingereicht. Ziel des Antrags war es, die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat dafür einzutreten, dass der Vermittlungsausschuss angerufen und ggf. anschließend Einspruch gegen den von der Bundesregierung eingereichten Gesetzentwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage (BT-Drucksache 17/11470) eingelegt wird.

Dieser Antrag hätte in der vergangenen Woche am 14.03.2013 im zuständigen Kultur- und Medienausschuss abschließend beraten werden müssen, um in der heutigen Plenarsitzung abgestimmt zu werden. Die die Landesregierung tragenden Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen signalisierten in der Ausschusssitzung, ebenso wie Ministerin Schwall-Düren für die Landesregierung, dass sie das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in der vorgelegten Form ablehnen.

Gleichwohl beantragte Matti Bolte (Bündnis90/Die Grünen) eine Expertenanhörung, um sich mit dem Thema noch ausführlicher zu beschäftigen. Durch diesen politischen Schachzug wurde verhindert, dass das Plenum den Antrag heute abstimmen kann. Letztlich haben sich die Parlamentarier an dieser Stelle ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten genommen. Bündnis90/Die Grünen haben somit verhindert, dass der Landtag NRW die Landesregierung mit einem eindeutigen Auftrag zur Bundesratssitzung schickt.

Landesregierung begrüßt unseren Antrag gegen das LSR

MdL Daniel SchwerdHeute im Kultur- und Medienausschuss hat Frau Ministerin Schwall-Düren klare Worte gegen den vorliegenden Entwurf zum Leistungsschutzrecht gefunden, und unseren Antrag auf Ablehnung des Leistungsschutzrechtes sehr deutlich unterstützt. Sie sagte, die Landesregierung würde die erforderlichen Schritte ergreifen, die im Bundesrat möglich seien.

Seitens der Grünen wurde der Antrag auf Durchführung einer Anhörung gestellt – das bedeutet leider, dass der Antrag in der kommenden Woche im Plenum nicht mehr behandelt wird. Andererseits bietet es die Möglichkeit, im Rahmen der Anhörung einige Experten zu Wort kommen zu lassen und die Kritik noch deutlicher zu formulieren. Die SPD unterstützte diesen Antrag auf Anhörung, erwartungsgemäß lehnen CDU und FDP die Anhörung – und natürlich auch unseren Antrag – ab.

Wir haben dazu die untenstehende Pressemitteilung herausgegeben:

Daniel Schwerd, Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW, zur heutigen Sitzung des Ausschusses Kultur und Medien und zum neuen Leistungsschutzrecht:

„Wir freuen uns, dass die Landesregierung unseren Antrag auf Ablehnung der Einführung eines neuen Leistungsschutzrechtes für Presseverlage begrüßt. Frau Ministerin Schwall-Düren hat angekündigt, sich in der kommenden Woche im Bundesrat für eine Änderung des vor zwei Wochen vom Bundestag verabschiedeten neuen Leistungsschutzrechtes einzusetzen. Das bestätigt unsere Einschätzung, dass das verabschiedete Gesetz in dieser Form untauglich ist. Es berücksichtigt nicht die Interessen der Journalisten, eröffnet massive Rechtsunsicherheiten und schränkt die Meinungs- und Informationsfreiheit erheblich ein.

Der Ausschuss Kultur und Medien wird im Landtag NRW eine ausführliche Anhörung zum Thema durchführen, um die Möglichkeiten und Notwendigkeiten zum Schutz der journalistischen Arbeit im Internet zu besprechen. Dieser Anhörung blicken wir gespannt entgegen. Wir bedauern aber, dass vor der Entscheidung im Bundesrat die Befassung im Plenum des Landtags NRW nicht mehr möglich ist. Im weiteren Verlauf werden wir uns ganz klar gegen das neue Schutzrecht und unter anderem für eine Stärkung der Rechte der Urheber und Verwerter gegenüber den Verlagen einsetzen.“

Antrag der Piratenfraktion NRW:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-2136.pdf