Freie drahtlose Internetzugänge sind in Gefahr. Die derzeitige Rechtsprechung bedroht Betreiber: Für illegale Aktionen ihrer Nutzer müssen sie auch ohne eigenes Wissen möglicherweise haften. Die Bundesregierung wollte mit einer Änderung des Telemediengesetz (TMG) „Rechtssicherheit schaffen“, indem sie die Einzelfallrechtslage in das Gesetz goss: Verschlüsselungspflicht, die Forderung, jeden Nutzer namentlich zu kennen und eine nicht praktikable Belehrungspflicht sollten in das Gesetz geschrieben werden. Dies wäre das Ende des Freifunks, und würde der Verbreitung freier und offener Bürgernetze im Wege stehen.
Glücklicherweise hat der Gesetzentwurf massiven Widerspruch geerntet: Nicht nur von Netz-Fachleuten, der Industrie und Juristen, sondern auch von drei Fachausschüssen des Bundesrates: Dem Wirtschaftsausschuss, dem Kultur- und dem Rechtsausschuss. Diese schlugen einen deutlich verbesserten Gesetzentwurf vor.
Am 6. November befasst sich der Bundesrat mit dem TMG-Gesetzentwurf. Ich möchte mit dem unten stehenden Antrag erreichen, dass die Landesregierung mitgeht, und den veränderten Entwurf unterstützt. Mein Antrag mit der Antragsnummer 16/10056 wird am kommenden Donnerstag als letzter Tagesordnungspunkt beraten. Ich bin sehr gespannt, wie sich die anderen Fraktionen dazu positionieren – der Zeitpunkt als letzter Tagesordnungspunkt um ca. 17:30 Uhr ist denkbar ungünstig.
I. Ausgangslage
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Novelle des Telemediengesetzes (TMG) wurde von Seiten der Fachleute kritisiert. Das Ziel, Rechtssicherheit in Haftungsfragen für die Betreiber von drahtlosen Netzwerken zu schaffen, ist mit diesem Entwurf nach Meinung der Experten verfehlt worden. Insbesondere die Verschlüsselungspflicht, das Einholen von Nutzerdaten und die Belehrungspflicht stehen dem Ziel im Weg, die Verbreitung von offenen Netzwerken in unserem Land zu fördern. Dieses Gesetz würde der Freifunk-Initative in Deutschland den Todesstoß versetzen.
Der federführende Wirtschaftsausschuss des Bundesrates, sowie die beiden mitberatenden Ausschüsse, der Ausschuss für Kulturfragen und der Rechtsausschuss, haben sich in Ihren Sitzungen mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt. Sie geben in der Bundesratsdrucksache 440/1/15 in Teil A eine Empfehlung an den Bundesrat für seine Abstimmung am 6.November 2015 ab.
Sie schlagen einen veränderten Gesetzestext vor. Darin werden insbesondere die bisherigen Voraussetzungen der Verschlüsselung und Einholung einer Erklärung gestrichen und durch ein Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer ersetzt.
Damit, so die Begründung der Empfehlung, würde die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum gestärkt und diesbezügliche Rechtssicherheit geschaffen. Das Ziel, die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken, könne nämlich nicht erreicht werden, wenn lediglich versucht werde, die jetzige durch Einzelfallrechtsprechung geschaffene Rechtslage in Gesetzesform zu gießen. Die drei Ausschüsse erwarten auch weder negative Auswirkungen auf die Rechtsverfolgung, noch eine Ausweitung von Rechtsverletzungen, da die Bedeutung von offenen Zugangspunkten dafür gering sei. Weiter heißt es: „Von den im Regierungsentwurf aufgeführten „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“ ist keine substanzielle Auswirkung für Strafverfolgung und das Themengebiet Urheberrechtsverletzungen zu erwarten. Jedoch sind gravierende negative Auswirkungen dieser Normierung für die Verbreitung öffentlicher WLAN-Zugangspunkte zu erwarten: Rechtsunsicherheit hat zu der niedrigen Verbreitung solcher Angebote in Deutschland geführt, neue Rechtsunsicherheit wird denselben Effekt haben.“
Das Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer erreicht den beabsichtigen Zweck des Gesetzes ohne diese beschriebenen Nachteile.
II. Der Landtag stellt fest:
1. Der Landtag begrüßt das Ziel, Rechtssicherheit für die Betreiber offener drahtloser Netzwerke zu schaffen, um die Verbreitung öffentlicher Hotspots zu stärken.
2. Der Landtag begrüßt die Änderungen im Gesetzentwurf, die die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates in Drucksache 440/1/15 Teil A vorgeschlagen haben. Sie sind geeignet, die Ziele des Gesetzes zu erreichen, ohne dass die befürchteten negativen Auswirkungen auf Rechtssicherheit und Verbreitung offener WLANs zu erwarten sind.III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. sich dem Vorschlag der Ausschüsse zur Novelle des Telemediengesetzes des Bundesrates aus Drucksache 440/1/15 Teil A anzuschließen;
2. in der Bundesratssitzung vom 6.November 2015 den Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache 440/1/15 Teil A zu folgen, entsprechend abzustimmen und dazu notwendige Beschlüsse zu tätigen.
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Rechtssicherheit für offene WLANs: Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates folgen! https://t.co/ajO5KtGcJd #freifunk
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„Dieses Gesetz würde der Freifunk-Initative in Deutschland den Todesstoß versetzen.“
Geht’s vielleicht noch eine Nummer kleiner?
Als Telekom, Unitymedia und Co würde ich dann zuschauen, dass das Gesetzt genau so „as is“ beschlossen wird.
Und dann einfordern, dass die Freifunkenden ihre Geräte abschalten, da sie das ja (auch seitens der BerlinerInnen) so versprochen hatten.
Die werden das nicht verlangen – das wird die Abmahnindustrie dann erledigen, da das Haftungsrisiko Freifunker in voller Höhe trifft, wenn sie eben die Auflagen des Gesetzgebers (Namenspflicht, Belehrungspflicht) nicht erfüllen.
Ich denke man sollte es an dieser Stelle einmal feststellen – als Freifunker haben wir bereits eine technische Lösung um die Betreiber der Zugangspunkte vor zivilrechtlichen Haftungsrisiken zu schützen. Die Lösung ist teuer (Supernodes, Backbone, Peerings, RIPE-Mitgliedschaft) und muss dauerhaft von unseren ehrenamtlichen Admins bertrieben werden.
Von der TMG-Novelle haben wir uns dort Erleichterung erhofft. Idealerweise hätten wir den oben beschriebenen Aufwand auf ein Minimum eindampfen können. War nicht. Schade. Ist aber kein Todesstoß für Freifunk. Machen wir eben weiter wie vorher.
Das Todesgeschreie nervt inzwischen nur noch.
Lieber Michael,
diese Lösung gilt nur heute. Bislang könnt ihr Euch als Provider bezeichnen und das Providerprivileg in Anspruch nehmen. Wenn das Gesetz in Kraft ist, werdet ihr Euch auf das Haftungsprivileg nicht mehr berufen können, wenn ihr keine Identifizierung und keine Belehrung vorseht. Und ob Verschlüsselung zu den „zumutbaren Maßnahmen“ gehört, geht mit 100prozentiger Sicherheit vor Gericht. Die technische Lösung, in das Ausland ein VPN aufzubauen, um die Strafverfolgung auszuhebeln, damit man die IP-Adresse nicht ermitteln kann, ändert an der Haftbarkeit und dem grundsätzlichen Problem nichts.
Der Gesetzentwurf ist kein „Status Quo“, sondern ein Rückschritt im Bereich des Providerprivilegs, soweit es offene WLAN betrifft.
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