Heute wurden verschiedene Anträge debattiert, die sich mit der aktuellen Situation der Türkei, dem vorgesehenen Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems und Wahlkampfauftritten türkischer Regierungsmitglieder befasste. Es lag ein Antrag der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen vor, ein Entschließungsantrag der CDU und einer der FDP.
Der Antrag der regierungstragenden Fraktionen enthielt verurteilende Worte, mir fehlte aber jede konkrete Maßnahme. Das reicht nicht. Auch der der CDU geht fehl, da er sich alleine auf eventuelle Auftrittsverbote beschränkt, sonst aber keine Maßnahmen enthält und nicht über den Tellerrand blickt. Ich finde es auch bezeichnend, dass die im Bund regierenden Parteien hier im Landtag die Bundesregierung zum Handeln auffordern, während sie gleichzeitig als Mitglieder der Bundesregierung einfach handeln könnten. Beide Anträge habe ich daher abgelehnt. Am konsequentesten fand ich den Antrag der FDP, der allerdings lediglich einen Satz zur Solidarität mit Inhaftierten hatte, und „innertürkische Konflikte“ aus unserem Land raushalten wollte – dass es aber auch einer Haltung zu den Konflikten in der Türkei selbst bedarf, kam zu kurz. Daher habe ich mich zu diesem Antrag enthalten.
Hier der Redetext, es gilt das gesprochene Wort.
{Anrede}
Die Türkei ist auf dem besten Wege in einen totalitären Führerstaat. Der Putschversuch im Sommer letzten Jahres wird als letzte Legitimation genutzt, das Land gleichzuschalten. Die Massenentlassungen von Beamten, Lehrern, Professoren und Richtern, das Verbot von kritischen Zeitschriften und Fernsehsendern, systematische Verhaftungen von Journalisten und Oppositionspolitikern kommen nicht von heute auf morgen: Hier werden Entlassungs- und Verhaftungslisten abgearbeitet, die schon sehr viel länger bestehen. Das alles weckt ungute Erinnerungen an Ereignisse aus der Zeit der Machtergreifung im Deutschland der 30er Jahre.
Die Entschließung von SPD und Grünen, die wir hier heute abstimmen, enthält verurteilende Worte. Das ist gut. Gehandelt wird aber nicht. Wie auch auf Bundesebene bleibt es bei einer lauen Verurteilung, die einen Erdogan nicht im Mindesten tangieren wird.
Wo sind denn die konkreten Maßnahmen? Warum isoliert man dieses Regime nicht, warum setzt man Verträge nicht aus, warum stellt man Finanzhilfen nicht ein? Wie wäre es denn mit befristeten Einreiseverboten oder Kontensperrungen für den Erdogan-Clan oder Regierungsmitglieder?
Ich darf daran erinnern, dass diese SPD Mitglied der Bundesregierung ist. Die muss die Bundesregierung hier zu nichts auffordern, die könnte es einfach machen. Die Unterwerfungsgesten der Bundesregierung bei der Armenien-Resolution des Bundestages und im Fall Böhmermann waren jedenfalls einfach nur peinlich.Man lässt sich mit einem unsäglichen Flüchtlingsabkommen erpressen, mit denen man hunderttausende geflüchtete Syrer aus der EU heraushalten will, und pampert dafür das Regime mit Millionenbeträgen. Noch ein Grund, dieses scheußliche Abkommen umgehend zu beenden.
Die Türkei ist im ersten Halbjahr 2016 von Platz 25 auf Platz 8 deutscher Rüstungsexporte aufgerückt. Damit unterstützen wir unmittelbar den Feldzug gegen die Kurden.
Die deutsche Bundeswehr ist in Incirlik stationiert. Auch das ist ein Faktor, auf den sich ein Erdogan berufen kann. Die von den deutschen Tornados gewonnenen Aufklärungsdaten dienen auch dem Angriff auf die Kurden in der Region. Dabei dürfen wir nicht mitmachen, die Bundeswehr muss aus Incirlik abgezogen werden.
Auf EU-Ebene gibt es umfangreiche Zollerleichterungen und Millionenhilfen, sogar über Erweiterungen soll verhandelt werden.
All diese Signale ermutigen Erdogan doch nur, auf seinem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Er muss das alles doch als implizite Zustimmung zu seinem Kurs werten. Und das müssen wir abstellen. Es wird Zeit, auch die konkrete Türkei-Politik grundlegend zu ändern. Von lauen Worten jedenfalls wird sich Erdogan nicht beeindrucken lassen.
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