Syrien: Einen weiteren militärischen Alptraum darf es nicht geben

nomorewar

Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP haben heute einen gemeinsamen Antrag „Entschlossen und besonnen für die Freiheit und gegen den Terror“ zu den Terroranschlägen in Paris im Plenum des Landtags NRW verabschiedet. Den Antrag kann man hier nachlesen.

Inhaltlich kann ich mich dieser Resolution voll anschließen, ich habe ihr daher zugestimmt. Die Taten in Paris waren abscheulich, die Täter sollen mit allen gebotenen Mitteln verfolgt und bestraft werden. Die Opfer betrauern wir zutiefst, doch dürfen wir uns von den Mördern nicht einschüchtern lassen, deswegen unsere Freiheit einschränken oder die Bereitschaft verringern, Asyl zu gewähren.

Doch eine Sache kommt mir darin deutlich zu kurz: Die meisten Opfer von Terrorismus gibt es im Nahen Osten, im Irak und in Syrien, in Afghanistan oder den Krisengebieten Nordafrikas. Sie dürfen nicht als Opfer zweiter Klasse angesehen werden, wir müssen uns gegen den Terrorismus weltweit wenden, nicht nur, wenn er in Europa stattfindet. Die Getöteten in diesen Ländern sind nicht weniger wert als die im Westen. Daher begrüße ich die ergänzende Resolution der Piratenfraktion, die das klarstellt, auch dieser habe ich zugestimmt.

Am Entstehen und an der Verbreitung von Terrorismus trägt leider auch der Westen Mitschuld. Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, soziale Ungleichheit zwischen Norden und Süden, geostrategische- sowie wirtschaftspolitische Interessen als Grund für Krieg, einseitige Parteinahme gegen die Kurden, nicht zuletzt der völkerrechtlich fragwürdige Irak-Feldzug sowie die illegalen Drohnenangriffe durch die USA sind mit ursächlich dafür. Die Serie an Kriegen im Nahen und Mittleren Osten hat die Situation bislang nur verschärft und verschlimmert. Leidtragende sind immer die Menschen vor Ort.

Daher habe ich große Sorge vor einem weiteren Kriegseinsatz in Syrien. Aus großer Höhe Bomben auf ein Land zu werfen, wird den Terrorismus nicht besiegen. Das ist ein wenig so, als würden sie im Restaurant mit einer Bratpfanne nach einer Fliege werfen: Nur mit viel Glück wird man sie treffen, viel wahrscheinlicher landet die Pfanne in der Vitrine – oder am Kopf eines Gastes.

Wir müssen angesichts der vielen Menschen auf der Flucht Verantwortung für die Fluchtursachen übernehmen. Wir dürfen bei Völkermord und Vertreibung auch nicht einfach wegsehen. Das sind die wahren Gründe, warum wir uns für die Menschen in Syrien und gegen Daesh engagieren müssen. Doch es darf keine nationalen Alleingänge geben, bei denen jedes Land überwiegend seine eigenen, meist wirtschaftlichen oder geostrategischen Interessen verfolgt.

Wenn es einen militärischen Einsatz geben soll, dann nur mit internationalem Mandat und unter internationalem Kommando, mit einem klaren, vorher definiertem Ziel und einem Plan, wie man es erreichen will. Einen weiteren, nicht endend wollenden, militärischen Alptraum darf es nicht geben.

22610 Leser.

3 Gedanken zu „Syrien: Einen weiteren militärischen Alptraum darf es nicht geben

  • 7. Dezember 2015 um 23:45 Uhr
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    @netnrd
    Der Aufruf ist wohl etwas verspätet, denn diesen „weiteren militärischen Alptraum“ gibt es längst, er ist spätestens seit dem offiziellen Kriegseintritt Deutschlands längst voll im Gange und beschert uns diesen aktuellen Flüchtlingsandrang, der keinesfalls auf das Zentrum Syrien beschränkt bleibt.

    Deshalb wird dieser Aufruf dadurch längst nicht unsinnig oder überflüssig, zumal er in weiten Teilen progressiv und auf breiter Basis formuliert ist.

    Was Entstehung und Verbreitung von Terrorismus angeht, ist längst geklärt , dass das keine originären Erscheinungen sondern ausschliesslich REAKTIONEN auf Terrorismus sind, meist auf vorausgegangenen fremden Staatsterrorismus.
    Dabei spielt es keine Rolle, welcher Staat wo sich terroristisch gewalttätig produziert hat, ob konkrete andere Staaten und / oder Religionen beeinträchtigt werden, denn immer dann, wenn im globalen Verständnis Staatsterrorismus wie der der USA im Irak vor sich geht, heute die involvierten Menschengruppen überall in der Welt ihre Anhänger und Mitbetroffene haben, die immer dann, wenn für sie Teilhabe an der Gesellschaft und ihrer Gestaltung erschwert oder ausgeschlossen ist, zwangsläufig fundamentalistische Sichtweisen sich zu individuellem Terror auswachsen, wo auch immer in der Welt.

    Besonders immanent zeigt sich das , seit Globalisierungsprozesse weltweit das Geschehen versuchen zu bestimmen.
    Dazu erklärt Henry Kissinger:“Was heisst Globalisierung? Globalisierung ist allein die US-Amerikanisierung der Welt“.

    Aha, nun könnten wir zu Syrien kommen.

    Manche meinen ja immer noch, dort ginge es mal um einen arabischen Frühling, später dann um eine Rebellion, einen „Bürgerkrieg“ (in dem meist nur auf einer Seite syrische Bürger kämpften), und sehen die Vorgänge dort noch immer so.
    Mitnichten ist dort Bürgerkrieg, sondern Globalisierung nach Kissinger.

    Und genau das macht inzwischen alles so kompliziert, weil es aufgrund der zu hohen vielartigen gegenseitigen Verstrickungen vieler Interessen globalen Anspruches nicht mehr beherrschbar ist, auf keiner Seite – außer eventuel bei der Alrussischen Allianz, die als einziger Kriegsteilnehmer neben der syrischen Armee gegenwärtig in Syrien legal anwesend sind und völkerrechtlich völlig legal handeln, was nicht einmal den zig sich bekämpfenden meist fremdgerüsteten und fremdbestimmten Rebellengruppen gegeben ist.

    Womit wir beim Anlass meines Kommentars wären. Du schliesst deine zusätzlichen Forderungen mit:
    „Doch es darf keine nationalen Alleingänge geben, bei denen jedes Land überwiegend seine eigenen, meist wirtschaftlichen oder geostrategischen Interessen verfolgt.“
    Das ist bis auf eine Ausnahme völkerrechtlich korrekt! Diese Ausnahme wäre ein eventueller nationale Alleingang Syriens, der gewählten syrischen Administration, die in diesem Land zu Hause ist und der bis heute nominell alle Hoheitsrechte und damit auch solch ein „Alleingang“ zustehen, wie z.B. ihre Bitte um militärische Unterstützung durch Russisches Militär.
    Womit alle anderen in Syrien operierenden ausländischen Militärs dort illegal sich aufhalten und handeln, nun auch Deutschland und andere EU-Staaten.

    Dazu schreibst du weiter völlig nachvollziehbar:
    „Wenn es einen militärischen Einsatz geben soll, dann nur mit internationalem Mandat und unter internationalem Kommando, mit einem klaren, vorher definiertem Ziel und einem Plan, wie man es erreichen will.“ – Eine völlig rätselhafte Vorstellung, denn das, was du verlangst, gibt es in unserer Welt nicht: „Internationales Mandat“ – denn das hiesse:
    Es findet erneut illegaler Staatsterrorismus auf dem Territorium eines fremden Landes statt.
    Da das nicht gegen einen Staat, also mit Kriegserklärung ginge, wäre das umsomehr Staatsterrorismus, denn der IS ist kein anerkanntes Staatsgebilde sondern eine Terroristenansammlung.
    Warum „gibt es das, was du forderst nicht?
    Weil weder der Begriff „internationales Mandat“ noch „unter internationalem Kommando“ völkerrechtlich legitime Objekte / Prozesse rsp. Institute sind.
    Bereits eine „Internationale Koalition der Willigen“ oder ein Eingriff der NATO in Syrien wäre eine völkerrechtswidrige Agression.

    Ausschliesslich das MANDAT der UNO, genauer: Des UN-Sicherheitsrates berechtigt fremde Regierungen auf fremden Territorien militärisch tätig zu werden, sofern sie unter der UN-festgelegten militärischen Führung erfolgt.

    Eventuell korrigierst du deine „Internationalität“ von „Mandat“ und „Führung“ entsprechend, da sonst der Eindruck bleibt, dass du eine erneute völkerrechtswidrige „Internationale Koalition der Willigen“ forderst!

    Wenn, dann geht das nur mit dem UN-Mandat – oder anderenfalls müssen alle fremden Mächte Syrien sofort verlassen – tun sie das dann nicht, sorgen sie ein weiteres Mal – wie schon so oft – für die das öffentliche globale Füssetreten der „westlichen Werte“ und der sich gleich nennenden „Gemeinschaft“ für die Produktion von Unmengen an Terroristen gegen diese Wertegemeinschaft – gleich in welchem der beteiligten willigen Länder, was längst unbestritten ist.

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