„Geistiges Eigentum“ und die Menschenrechte

Derzeit wird in der Urheberrechtsdebatte gerne damit argumentiert, ein Recht auf „geistiges Eigentum“ sei in den Menschenrechten festgeschrieben. Dies soll als Totschlagargument dazu dienen, Diskussionen um eine Reform des Rechtskomplexes im Keim zu ersticken, möglicherweise im Vertrauen darauf, dass niemand weiß, welches die Menschenrechte so genau sind und was sie regeln.

Schaut man mal genauer nach Menschenrechten, dann ist deren wichtigste, allgemein anerkannte Basis sicherlich die „Universal Declaration of Human Rights“, wie sie die UN-Generalversammlung am 10. Dezember 1948 beschlossen hat – damals im Schatten des zweiten Weltkrieges und der faschistischen Diktaturen, als klares Bekenntnis zur Menschlichkeit und zum Frieden. Deutschland hat im Grundgesetz in Artikel 1 Absatz (2) die Menschenrechte als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft anerkannt.

Sucht man in diesen Menschenrechten nach geistigem Eigentum, was findet man da? Richtig, nichts. Dieser Begriff ist in den Menschenrechten nicht erwähnt, schon gar nicht geschützt.

Allerdings findet man in Artikel 27 Absatz 2. folgende Regelung:

Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Hier ist die Rede von Urheberrechten: Künstler, Forscher, Autoren, Musiker haben ein Recht auf den Schutz sowohl ihrer geistigen als auch materiellen Interessen, die sie an und durch ihre Werke haben. Urheberrechte, und das ist der feine Unterschied zu geistigem Eigentum, können aber nur die Urheber halten – Urheberrechte sind keine Ware, und können nicht gehandelt werden. Alleine die Vervielfältigungs- und Lizenzierungsrechte können gehandelt werden – genießen aber keinen menschenrechtlichen Schutz.

Der zweite, feine Unterschied ist die sprachliche Ausweitung des „geistigen Eigentums“ auf Konzepte, Ideen, Fragmente, Zitate, Anmutungen – all diese Dinge sind im Urheberrecht aber gar nicht geschützt, sondern stets nur konkrete Werke. Trivialpatente, Marken- und Patentrolling, Leistungsschutz von Verlagen gehören nicht zu den Urheberrechten.

Indem man das Urheberrecht sprachlich auf ein „geistiges Eigentum“ aufweicht, versucht man in der Diskussion das Menschenrecht für den Handel mit Immaterialgütern zu missbrauchen – ein Unding, denn das Menschenrecht erstreckt sich natürlich nur auf Menschen, nicht auf Güter, Händler oder eine Distributionsindustrie. Die Geiselhaft der Urheber durch die Contentindustrie ist durch die Menschenrechte keineswegs zu decken.

Sehr erwähnenswert und aufschlussreich ist allerdings der Absatz 1. des Artikel 27, der sich in der Menschenrechtsdeklaration also sogar unmittelbar vor diesem Recht auf Urheberschutz findet:

Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.

Dies ist eine klare Absage an das Konzept des „geistigen Eigentums“ wie es heutzutage mehr und mehr Bestandteil unserer Rechtsprechung geworden ist. An der Teilnahme an Kunst, Kultur und Wissenschaft darf niemand gehindert werden. Monopole auf Wissen, auf Kultur, Forschung und Bildung verstoßen gegen die Menschenrechte. Zugang zu Kunst und Kultur, zu den Errungenschaften von Forschung und Wissenschaft muss diskriminierungsfrei für alle möglich sein. Das Recht auf den freien Handel mit Immaterialgütern ist den Menschenrechten unterzuordnen – so ist dieser Absatz zu lesen. Nur die Urheber selbst genießen einen speziellen Schutz – nicht aber eine Contentindustrie, Verwerter, Vermarkter, Verlage, Konzerne oder Patenttrolle.