Verfassungsschutzbericht NRW: rechts verharmlosen, links kriminalisieren

Verfassungsschutzbericht

Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW ist ein Zeugnis organisierten Staatsversagens. Straftaten von Rechts erreichen ein neues Hoch mit über 4400 Taten. In jeder Nacht brennen Geflüchtetenunterkünfte, der Terrorismus von Rechts bedroht täglich Menschenleben. Und dennoch wird in diesem Bericht suggeriert, es gäbe eine annähernd große Gefahr von links. Um ein Zitat Frank Bsirskes zu verwenden: „Das ist, mit Verlaub, Bullshit“.

Widerspruch von SPD und Grünen

Es ist eine Unverschämtheit, dass Teile der Linken NRW vom Verfassungsschutz beobachtet werden, zum Beispiel die Jugendorganisation solid, oder die AKL, das sind Menschen, die sich kritisch mit dem Kapitalismus auseinandersetzen – als ob von ihnen eine Gefahr für unsere Demokratie ausgehen würde – während die AfD im Verfassungsschutzbericht nicht einmal erwähnt wird. Eine AfD, die den offenen Anschluss an Neonazis sucht, deren Töne immer rassistischer und extremer werden, die den geistigen Boden für Rechtsterrorismus legt. Eine AfD, in denen manche Verbände von einer NPD gar nicht mehr zu unterscheiden sind. Eine AfD voll mit Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Hass auf Muslime. Das ist gefährlich naiv, und das wird Menschenleben kosten.

Wenn irgendetwas gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen unser gemeinsames Wertesystem gerichtet ist, dann ist es diese AfD. Es wird aber höchste Zeit, damit aufzuhören, die Linke in NRW zu kriminalisieren. Der kalte Krieg ist vorbei.

Auch der Frauenverband Courage e.V. wird im Verfassungsschutzbericht wieder erwähnt, ohne dass auch nur ein einziger Grund dafür genannt wird. Als ob die Frauen mit der Kalaschnikov vor dem Landtag stehen würden. Das Innenministerum macht sich damit geradezu lächerlich: Die einzige Straftat, die Courage e.V. vorgeworfen wird, ist, sich gegen die Nennung im letzten Verfassungsschutzbericht gewehrt zu haben.

Die Fallzahlen eines sogenannten „Linksextremismus“ werden hochgejazzt, indem man Leute auf Demonstrationen, die Sonnenbrillen oder Regenschirme bei sich tragen zu Kriminellen macht. Indem man Menschen, die nichts weiter tun als sich auf die Straße zu setzen, um einen Nazi-Aufmarsch damit aufzuhalten zu Straftätern erklärt. Indem man durch Pfeffersprayeinsatz der eigenen Kollegen verletzte Beamte zu Opfern von Demonstranten zählt. Befreit man die Fallzahlen des sogenannten „Linksextremismus“ um diese ganzen künstlichen Fälle, bleibt von einer Gefahr von Links nämlich einfach nichts mehr übrig, und das passt manchen offenbar nicht in den Kram.

Wenn hingegen Geflüchtetenheime brennen, wenn Hakenkreuze an die Ruinen gesprayt werden, ist kein rechtsradikaler Hintergrund erkennbar, erklärt uns die Polizei. Das sind dann alles nur liebe Nachbarjungs, die sich Sorgen gemacht haben. So wird der alltägliche Rechtsterrorismus verharmlost, und das wird noch Menschenleben kosten.
Die Behörden wirken an dieser Verharmlosung nach Rechts, an der Kriminalisierung nach Links massiv mit.

Der Umfang, in dem kurdische Vereine immer noch im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden ist albern. Im Bericht selbst heißt es, dass es schon seit vielen Jahren einen Gewaltverzicht gibt. Es heißt, dass es den Verbänden um das Generieren von medialen Aktionen und Demonstrationen geht, genau so macht man doch bitte in einer Demokratie in friedlicher Art und Weise auf Missstände aufmerksam. Will man das der kurdischen Gemeinde angesichts des andauernden staatlichen Terrorismus in der Türkei verdenken?

Und weiter behauptet der Verfassungsschutzbericht, diese Organisationen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Was sollen das bitte für Belange sein, etwa der schmutzige Deal mit der Türkei, geflüchtete Menschen möglichst von Europa fern zu halten? Gegen diese Art von Belangen bin ich auch.

Besonders lächerlich wird der Verfassungsschutzbericht, wenn er sich mit klassischer Spionage, bzw. mit Wirtschaftsspionage beschäftigt. Auch im Jahre Vier nach Snowden ist Spionage durch befreundete Geheimdienste immer noch kein Thema. Der Feind steht immer noch stets im Osten. Für Herrn Jäger lauert wohl immer noch hinter jedem Grasbüschel der Russe. Für die digitalen Angriffsarsenale von NSA und GCHQ fühlt man sich hingegen immer noch nicht verantwortlich, darüber kann auch die fünfmalige Verwendung der Vorsilbe „Cyber“ in diesem Bericht nicht hinwegtäuschen.

Und dass der deutsche Nachrichtendienst bei der Abhörung der Menschen in unserem Land mitwirkt, hat immer noch keine Konsequenzen – außer, dass illegale Praktiken durch die große Koalition nachträglich legalisiert werden sollen.

Einen Verfassungsschutz, der hauptsächlich Screenshots von Nazi-Seiten aus Facebook ausdruckt und dann abheftet, der Zeitungartikel ausschneidet und in Ordner einklebt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der rechten Terrorismus mit sogenannten Vertrauensleuten direkt finanziert, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der sich demokratischer Kontrolle aktiv entzieht, der Gesetze nach seinem Gusto beugt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der bei der Ausspähung seiner Bürger durch „befreundete Geheimdienste“ mitwirkt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der eine jahrelange Mordserie entweder gar nicht erst bemerkt, oder sie möglicherweise sogar gewusst und gedeckt hat, den brauchen wir erst recht nicht, der muss weg!

Verfassungsschutz auflösen. (Handgemenge)Es wird Zeit, Verfassungsschutz bundesweit aufzulösen. Und die Aufgaben, die in einer modernen Demokratie tatsächlich unerlässlich sind, auf eine neue Behörde zu übertragen, die von Grund auf einer demokratischen Kontrolle unterworfen ist.


Dieser Text basiert auf einer Rede, die ich anlässlich einer aktuellen Stunde im Landtag NRW zum Verfassungsschutzbericht 2015 am 7. Juli 2016 gehalten hatte (ist also keine wörtliche Wiedergabe – die Rede musste deutlich kürzer ausfallen, da mir nur drei Minuten Redezeit in der aktuellen Stunde zustanden).

Erschienen ist er auch als Gastbeitrag im neues deutschland: Rechts verharmlosen, links kriminalisieren.

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