Wir brauchen eine #Glasfaser-Strategie für unser Land

light-579290_1280

Die Versorgung mit schnellem Internet ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Der Bundesgerichtshof hat Breitband-Internet sogar zu den materiellen Lebensgrundlagen gezählt. Doch der Ausbau mit schnellem Internet stockt. Eine staatliche Förderung muss also her, um diese Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge zu erfüllen. Doch wie macht man das richtig?

Wir hören in der Debatte permanent das Argument von der Technologieneutralität: Breitband-Ausbauförderung müsse technologieneutral sein, heißt es. Das Argument hörte ich zum Beispiel letzte Woche im Wirtschaftsausschuss im Landtag.

Wenn man dem Landwirt das Futter für die Ochsen subventioniert, die der dann vor den Pflug spannt, dann das ist technologieneutral: Auch so ein Ochsengespann erfüllt die vorgesehene Aufgabe, denn damit kann man das Feld umpflügen. Ist das sinnvoll? Sollte es nicht eher bei so einer Förderung – jetzt hier im Beispiel – um moderne Traktoren gehen?

Förderung soll nicht technologieneutral sein, Förderung muss technologiepositiv sein. Es geht nicht darum, etwas zu fördern, was das Ausbauziel gerade so erreicht – es geht um die nachhaltige Erfüllung eines Auftrages, um eine Zukunftsvision. Das stellt aber das Koaxialkupferkabel nicht dar, das ist nun mal die Technologie aus den 90er Jahren.

Uns steht der Sprung in die Gigabit-Gesellschaft bevor. Der Bedarf an Bandbreite wächst exponentiell: Derzeit kann man etwa alle 12 Monate eine Verdoppelung des Bandbreitenbedarfs beobachten. Das ist eine Exponentialfunktion, die wächst dramatisch. Man kennt die Folge: Im ersten Jahr eine Verdoppelung, im Jahr danach eine Vervierfachung, dann 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512 und so weiter und so weiter.

Eine ganz ähnliche Wachstumskurve gibt es zum Beispiel bei Prozessorleistungen – das sogenannte Moore’sche Gesetz besagt, dass sich Prozessorleistung alle etwa 18 Monate verdoppelt. Diese Beobachtung kann man bereits seit 40 Jahren machen – man sollte also besser nicht davon ausgehen, dass dieses dramatische Wachstum bei den Bandbreiten nicht ebenfalls anhält. An den mathematischen Gesetzmäßigkeiten von Exponentialfunktionen führt nun mal kein Weg vorbei.

Was also stellt ein Ausbauziel von 50 Mbit/s dar, wie es sich die Landesregierung gesetzt hat? Gehen wir von einem Ausbaustand von 4 Mbit/s aus, was bedeutet dann so ein Ziel ganz konkret? 4-8-16-32-64: Nach 4 Jahren reicht ein solcher Ausbau also absehbar nicht mehr aus. Was macht es also für einen Sinn, die Fördermittel der nächsten Jahre in eine Technologie zu stecken, die das Förderende nicht mal überlebt, zum Beispiel in VDSL-Vectoring? Dann stehen wir 2020 wieder genau da, wo wir jetzt sind. So leid mir das tut: Nur Glasfaser ist diejenige Technologie, die diese Zukunftsvision derzeit erfüllt – und wenn wir eine bessere finden, dann fördern wir diese.

Solange brauchen wir eine Glasfaser-Strategie, die zum Ziel hat, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen. In Deutschland ist Schleswig-Holstein mit einer Anschlussquote von 23 % Glasfaser-Vorbild. In NRW sind es dagegen aktuell nur 7 %. Für Einzellagen bieten sich Funklösungen an. Vectoring, das Ausquetschen der letzten Bits aus dem Kupferkabel ist eine Brückentechnologie, das kann der Markt leisten.

Und es macht keinen Sinn, das Geld den Monopolisten hinterherzuwerfen, damit diese sich herablassen, gnädigerweise die Infrastruktur auszubauen: Wenn öffentliche Mittel in diesen Summen in die Hand genommen werden, dann gehört das Ergebnis, gehört das damit geschaffene Netz, die damit geschaffenen langfristigen Infrastrukturwerte auch in Bürgerhand. Daher bevorzugen wir entsprechende Betreibermodelle. Am besten durch OpenAccess-Modelle, die sich langfristig selbst refinanzieren.

An sinnvollen Lösungen mangelte es also nicht: Sie sind technisch ausgereift und es gibt genügend überzeugende Referenzmodelle. Sie sind finanzierbar und fürs Gemeinwesen weitaus vorteilhafter als alles, was der politische Wettbewerb so vorschlägt.

Bei Politik geht es um Visionen, und nicht um Verwaltung des Status Quo. Technologie kann unser Leben zum Besseren wenden – wenn man sie denn gestaltet, und nicht nur reagiert. Doch leider verweigert sich die Realpolitik, angesichts der vorgebrachten Kritik steckt man den Kopf lieber in den Sand. Doch noch ist es nicht zu spät, ich hoffe, dass man sich von den besseren Argumenten leiten lässt.

Wir haben für das aktuelle Plenum einen Antrag eingereicht:
Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft

29041 Leser.

3 Gedanken zu „Wir brauchen eine #Glasfaser-Strategie für unser Land

  • 11. September 2015 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Ja, auf der einen Seite benötigen wir eine Glasfaserstrategie – auf der anderen Seite muss es eine Möglichkeit geben, statt (oder zusätzlich) zur Glasfaser für den reinen Telefoniebetrieb weiterhin Kupfer zu erhalten (und zwar mit analogem Telefonsignal oder ISDN auf der Leitung und nicht mit VoIP!).
    Das ganze hat einfach schon Sicherheitsgründe: wenn der Strom ausfällt, so ist die Glasfaser tot, das ganze aktive Equipment im eigenen Haus (Router, evtl. VoIP-Telefon etc.) ist eventuell über eine USV notstromversorgt, aber spätestens im nächsten Verteilerkasten ist die aktive Technik des TK-Anbieters aus, weil dort um Kosten zu sparen meist keine Notstromversorgung vorhanden ist. Gleiches gilt für VoIP (insbesondere auch bei Vectoring, da es dort nicht möglich ist, neben dem DSL-Signal noch ein analoges Signal zu übertragen).
    Und wer jetzt sagt „ich hab ja mein Handy“: bei einer großflächigen Lage muss man mit dem „Silvestereffekt“ rechnen – die Netzzelle ist überlastet. Und nach spätestens 15 Minuten ist die Notstromversorgung der meisten Zellen aufgebraucht, dann ist das Handynetz weg; viele Zellen haben auch gar keine Notstromversorgung.
    Was daran bei einem analogen- oder ISDN-Anschluss anders ist? Nun, hier ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Anschluss von der Vermittlungsstelle aus mit Notstrom versorgt werden muss. Ein fernspeisefähiges Telefon erkennt dies auch und schaltet dann in einen „Notmodus“ – Display aus, Telefonbuch, Anrufbeantworter und ähnliches lahmgelegt – die Telefonfunktion (sowohl eingehend als auch ausgehend) geht aber noch.
    Dies ist jetzt eine Kurzfassung – wer mehr lesen will für den habe ich schon im Jahr 2012 einen Blogpost zu diesem Thema veröffentlicht: Gründe gegen entbündelte DSL-Anschlüsse und FTTH/FTTL ohne Fall-back

    Antwort

Schreibe einen Kommentar zu Florian Pankerl Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert