Plenarrede „Abschaffung der Störerhaftung“

Am Freitag, den 22.03.2013, Top 6., redete ich zu unserem Antrag „Abschaffung der Störerhaftung“.

Dabei handelt es sich um ein Bundesthema – wir können aus dem Landtag also nur die Regierung auffordern, sich im Bundesrat entsprechend zu verhalten- Seitens der Grünen und der SPD kam Zustimmung zu unserem Antrag, irgendwas mit „Offenen Scheunentoren“. Die Antworten der CDU und FDP auf meine Rede waren vorhersehbar. Die Behandlung dieses Antrags geht dann in den Ausschüssen weiter. Ich bin sehr gespannt.

Über Feedback freue ich mich!

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Opfer der Abmahnindustrie! Heute werde ich Ihr Gerechtigkeitsempfinden strapazieren. Ich entführe Sie in die Niederungen der deutschen Rechtsprechung, der sogenannten Störerhaftung. Da man komplexe, trockene Dinge am besten in bekannten Bildern erklärt, erzähle ich Ihnen dazu eine kleine Geschichte:

Stellen Sie sich vor: An Ihrer Tür klingelt ein Passant und fragt Sie, ob er Ihr Telefon benutzen dürfe. Da Sie eine Deutschlandflatrate haben, ist das kein Problem. Und weil Sie wohlerzogen sind, hören Sie dem fremden Telefongespräch nicht zu.

Einige Wochen später erhalten Sie den Brief eines Anwalts mit einer vierstelligen Rechnung. Es stellt sich heraus, dass sich der Mensch einen Maserati bestellt hat, aber nicht bezahlen kann. Weil er das von Ihrem Telefon aus gemacht hat, werden Sie als Mitverursacher haftbar gemacht.

Klingt bizarr! Warten Sie ab, es geht noch bizarrer:

Am nächsten Tag – es ist schönes Wetter – gehen Sie spazieren und lassen Ihr Fenster zu Hause geöffnet. Auch das rächt sich: Ein paar Wochen später finden Sie wieder Post von einem Rechtsanwalt. Ein Passant hat nämlich durch Ihr Fenster gegriffen, sich Ihr Telefon geangelt und einen Lamborghini bestellt, den er nicht bezahlen kann.

Und wieder sind Sie als Mitverursacher haftbar, weil Sie nämlich Ihr Telefon nicht ausreichend vor unberechtigter Benutzung gesichert haben.

Das finden Sie ungerecht? – Seien Sie gewiss: Wir auch!

(Beifall von den PIRATEN)

Leider ist genau das geltende Rechtsprechung: Wenn jemand Ihren Internetanschluss benutzt und damit einen Urheberrechtsverstoß begeht, werden Sie als Mitstörer auf Unterlassung haftbar gemacht, unabhängig davon, ob Sie von dem Verstoß wussten oder nicht, auch dann, wenn Sie nicht einmal explizit erlaubt haben, dass Ihr Anschluss benutzt wird, jedenfalls dann, wenn Sie Ihren Anschluss nicht verschlüsseln.

Dieses Risiko betrifft keineswegs nur Privatleute. Auch wenn Hotels oder Cafés ihren Inter-netanschluss für ihre Gäste freigeben, haften sie als Mitstörer für die Verstöße ihrer Besucher. Das ist so, als würden Kneipiers für Verbrechen mithaften, zu denen sich ein Gast am Münztelefon im Gang verabredet hat.

Um Ihr Gerechtigkeitsempfinden noch ein wenig weiter zu belasten: Es gibt eine Industrie, die von dieser Haftung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das sind nämlich diejenigen, deren Geschäftszweck im Vermieten von Internetzugängen besteht. Die haften nicht für Verstöße ihrer Kunden.

Der Bundesgerichtshof nannte in einem Urteil am 24. Januar 2013 die Versorgung mit Internet ein Grundrecht.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass alle Menschen Zugang dazu haben, auch solche mit wenig Geld. Gleichzeitig machen sich viele Kommunen Gedanken darüber, wie sie für ihre Besucher kostenlose WLAN-Zugänge bereitstellen können. Dabei gibt es eine einfache Lösung, die weder den Staat noch die Kommunen oder die Bürger einen Cent kos-ten würde: Die Inhaber eines Internetanschlusses könnten die nicht genutzte Bandbreite ihrer Flatrate für die Allgemeinheit freigeben. Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation und -daten sowie die benötigte Bandbreite des Nutzers blieben dabei gewahrt.

Natürlich sind nur wenige Menschen unter diesem schwebenden Haftungsrisiko bereit, ihre Internetanschlüsse zu teilen. Die aktuelle Rechtslage nutzt nur einer Abmahnindustrie, die durch die restriktive Auslegung der Haftungsfrage ihre Abmahnungen mit Einnahmegarantie versenden kann.

(Beifall von den PIRATEN)

Die zehn größten Kanzleien in diesem Sektor machen 80 % des gesamten Abmahnvolumens von Urheberrechtsverstößen aus. Die Summe dieser Kostennoten liegt seit Jahren im dreistelligen Millionenbereich jährlich. Die größte Kanzlei hat in diesen Sachen allein im Jahr 2010 Rechnungen von zusammengenommen 80 Millionen € verschickt.

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme für den Bundesrat vom 26. Februar keinen Handlungsbedarf gesehen. Sie setzt darauf, dass sich die Rechtsprechung schon in die richtige Richtung entwickeln werde.

Das hilft den 110.420 Menschen, die im vergangenen Jahr eine Abmahnung bekommen haben, nicht weiter. Wir fordern Sie auf, sich für die Abschaffung dieser Rechtsunsicherheit einzusetzen und das beschriebene Teilen von Internetzugängen zu ermöglichen, damit noch mehr Menschen einen Zugang zur vielfältigen Teilhabe an Kultur, Wissen, Unterhal-tung, Bildung und Arbeit im Internet bekommen können. – Vielen Dank!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Plenarrede „Landesregierung muss eigenes Mittelstandsgesetz ernst nehmen“

Am Freitag, den 22.03.2013, Top 4., redete ich zum Antrag „Landesregierung muss eigenes Mittelstandsgesetz ernst nehmen – Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen der Clearingstelle Mittelstand zur Prüfung vorlegen“ der CDU. Anträge dieser Art und diesen Inhaltes hatten wir jetzt ein paar. Aber seht selbst.

Über Feedback freue ich mich!

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Dies ist inzwischen der dritte Antrag der CDU, mit dem sie erreichen will, dass ein Gesetz bzw. eine Verordnung von der Clearingstelle Mittelstand überprüft wird. Diesmal soll die neue Verordnung zum Tariftreue- und Vergabegesetz durch die Lobbytruppe der Clearingstelle geprüft werden.

Inhaltlich sind diese CDU-Anträge fast gleich. Ich weise Sie freundlich darauf hin, dass man solche Schriftstücke im anderen Zusammenhang als „Spam” bezeichnet.

(Beifall von den PIRATEN und Daniela Schneckenburger [GRÜNE])

Leider sind die Filter der Landtags-IT noch nicht so ausgereift, dass sie uns vor diesen An-trägen der CDU bewahren. Ich hoffe, dass wir jetzt nicht in jedem Plenum solch einen geklonten Antrag behandeln müssen.

Aber zur Sache: Inhaltlich teilen wir sogar einige Kritikpunkte der CDU an der vorgelegten Verordnung zum Tariftreue- und Vergabegesetz. Der Aufwand der Verfahrensanforderungen, die in dieser Verordnung festgelegt werden, ist sowohl für die öffentlichen Auftraggeber als auch für die Unternehmen enorm. Auf Praktikabilität, Verständlichkeit oder Klarheit scheint bei der Formulierung der 46-seitigen Verordnung kein sonderlich großer Wert gelegt worden zu sein. Auch wenn wir als Piraten das Tariftreue- und Vergabegesetz begrüßen, halten wir die zugehörige Verordnung für sehr wenig gelungen.

Für noch weniger gelungen halten wir allerdings den vorliegenden Antrag der CDU. Denn anstatt Vorschläge zu machen, wie man die Verordnung verbessern könnte, besteht die Lösung aus Sicht der CDU einzig darin, die Verordnung von der Clearingstelle Mittelstand überprüfen zu lassen. Bei dieser Clearingstelle Mittelstand handelt es sich jedoch um nichts anderes als ein geheim tagendes Lobbygremium. Auch wenn in diesem Fall die Verordnung schon vorliegt, möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf die generelle Arbeitsweise dieses Gremiums aufmerksam machen:

Einmalig in Deutschland erhalten durch diese Clearingstelle bezahlte Interessenvertreter der Wirtschaft per Gesetz die Erlaubnis, an neuen Gesetzen der Landesregierung mitzuarbeiten – und das normalerweise lange bevor die demokratisch gewählten Abgeordneten im Landtag die Entwürfe zu Gesicht bekommen. Das ist ein Unding!

(Lothar Hegemann [CDU]: Das ist doch üblich!)

Wir haben immer kritisiert, dass die Clearingstelle Mittelstand ein Einfallstor für Lobbyismus sein wird. Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt. Die Landesregierung hat es geschafft, mit der Clearingstelle Mittelstand den Lobbyismus im Gesetzgebungsprozess zu institutionalisieren und das Parlament weiter zu schwächen. Dass ein solches Gremium auf die heiße Gegenliebe der CDU stößt, wundert mich nicht. Aber es ist nach wie vor der Abgeordnete, der Gesetze gestalten, über sie beraten und sie entscheiden soll, und nicht eine Lobbyinstanz.

(Beifall von den PIRATEN)

Ihren Antrag lehnen wir genauso ab wie die fast wortgleichen Anträge von Ihnen zuvor.

Das Gleiche gilt für die Clearingstelle Mittelstand. Geheim tagende Lobbygremien sind mit dem Demokratieverständnis der Piraten nicht vereinbar.

(Beifall von den PIRATEN)

Damit scheinen wir hier im Parlament leider ziemlich alleine zu sein. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege.

Plenarrede „NRWs Wirtschaft braucht Freiräume“

Am Donnerstag, den 21.03.2013, Top 14., redete ich zum Antrag „Nordrhein-Westfalens Wirtschaft braucht Freiräume statt neuer Abgaben und mehr Bürokratie“ der CDU. Ich empfand das als Trollantrag.

Über Feedback freue ich mich!

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wenn du glaubst, etwas als Wahrheit erkannt zu haben, so halte es dem anderen hin wie einen Mantel, in den er hineinschlüpfen kann, schlage es ihm aber nicht wie ein nasses Handtuch um die Ohren.” Das ist ein Zitat von Max Frisch.

Verehrte CDU-Fraktion, an den Gesetzen, die Sie in Ihrem Antrag nennen, gibt es gewiss viel zu kritisieren. Sie wissen, dass auch die Piratenfraktion beispielsweise am Nichtraucherschutzgesetz und am Mittelstandsförderungsgesetz einiges auszusetzen hatte, wenn bisweilen auch aus anderen Gründen als Sie. Auch an den Gesetzen, die die Piraten grundsätzlich mittragen, gibt es gewiss berechtigte Kritikpunkte. Warum aber verpacken Sie Ihre Feststellungen in einen Antrag, der vor Schmähkritik, Polemik und Angstmache nur so trieft? Warum malen Sie ein Schreckgespenst von Deindustrialisierung an die Wand, das wirklich keinen mehr hinter dem Ofen hervorlockt? Warum fordern Sie pauschal den Rückzug von Gesetzen ohne eigene Änderungsvorschläge für die damit adressierten Probleme vorzulegen?

(Beifall von den PIRATEN)

Diese Schwarz-weiß-Malerei repräsentiert einen Politikstil, den die Piraten ablehnen. Diesen Antrag können wir in dieser Form nicht unterstützen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wie wäre es, wenn Sie stattdessen konstruktive Kritik äußern würden, wenn Sie die von Ihnen als problematisch erkannten Punkte benennen und nicht in Polemik verpacken würden, wenn Sie eigene Änderungsvorschläge zu den kritisierten Gesetzen einreichen würden? Das wären Anträge, mit denen man sich auseinandersetzen könnte und die womöglich die Unterstützung der Piratenfraktion finden würden. Lassen Sie uns gemeinsam Verbesserungsvorschläge unterbreiten, anstatt stets den Holzhammer herauszuholen.

Ich lade Sie herzlich ein, mit uns Piraten in die Sacharbeit einzusteigen. Dann lassen Sie uns testen, wie ernst es die Regierung mit der von ihr mehrfach beschworenen ausgestreckten Hand und mit der von ihr ausgerufenen Koalition der Einladung meint? – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd.