#Eikonal: Die Kernschmelze staatlicher Integrität

camera-89012_640Aus der deutschen Geschichte, vor allem der NS-Zeit, haben wir das Bewusstsein gewonnen, dass Rechtsstaatlichkeit ein hoher Wert ist. Sie zu verteidigen ist uns von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes zu einer Verpflichtung erhoben worden.

So erklärte einmal Konrad Adenauer: „Demokratie ist mehr als eine parlamentarische Regierungsform, sie ist eine Weltanschauung, die wurzelt in der Auffassung von der Würde, dem Werte und den unveräußerlichen Rechten eines jeden einzelnen Menschen“.

Es ist nicht bekannt, ob Adenauer dies an einem Sonntag sagte. Bekannt hingegen ist, was er veranlasste, als sein Innenminister Hermann Höcherl einst verfassungsgesetzlich geschützte Grundrechte mit den Füßen trat. Dieser erlaubte dem Verfassungsschutz, von alliierten Nachrichtendiensten gesetzwidrig abgehörte Telefongespräche und ausgespähte Briefe der Bürger auszuwerten. Bürgerrechte, die laut Grundgesetz Artikel 10 unverletzlich sind.

Die Antwort lautet: Er veranlasste nichts. Selbst, als jener Innenminister über den bekannt gewordenen Grundrechtsverstoß spottete und dazu nur hämisch anmerkte: „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“.

Daraufhin geschah wiederum nichts. Entfernte der Bundeskanzler damals einen solchen Mann aus seinem Amt? Nein, er stellte sich noch hinter ihn. Der Bürger rieb sich die Augen.

Eine bittere Lektion, so den Unterschied zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit zu enthüllen.

Seitdem sind mehr als fünfzig Jahre vergangen. Die Welt hat sich verändert. Die Mauer ist gefallen. Der „Unrechtsstaat“ der DDR ist passé. Und sogar Gregor Gysi erklärte aus den Erfahrungen im anderen Teil Deutschlands: „Rechtssicherheit ist die beste Staatssicherheit.“

Gleichwohl haben sich zwischen 2004 und 2008 die Dinge wiederholt. Diesmal stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Bundesnachrichtendienst grundgesetzlich geschützte Informationen an den amerikanischen Geheimdienst NSA weitergab.

Dies geschah vom deutschen Internetknotenpunkt De-Cix aus und hätte – wenn überhaupt – nur in sehr wenigen begründeten Einzelfällen und mit Richtervorbehalt geschehen dürfen. Das wusste der BND sehr genau. Denn zumindest versuchte er erfolglos, aus den weitergeleiteten Daten und Inhalten diejenigen der deutschen Benutzer herauszufiltern. Die Beamten hatten also ihr Grundgesetz diesmal sehr wohl unter dem Arm. Aber nicht die Politik!

Als feststand, dass der angestrebte Filter nicht hinreichend funktioniert und innerhalb des BND ernste verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden, was geschah? Man setzte die Praxis des systematischen Verfassungsbruchs ungerührt weiter fort.

Damit noch nicht genug. Den politisch Verantwortlichen war sehr wohl bewusst, dass es den US-Amerikanern nicht um die Abwehr einer akuten Terrorgefahr ging. Vielmehr geht aus den inzwischen enthüllten Unterlagen eindeutig hervor, dass das Interesse der USA an Wirtschaftsspionage an vorderster Spitze stand.

So rufen wir Piraten in unserem vorliegenden Antrag dazu auf, aus der massiven Grundrechtsverletzung diesmal Konsequenzen zu ziehen.

Weder gibt es einen Grund, die Wahrung der verfassungsmäßigen Grundrechte einer wie auch immer gearteten „Staatsräson“ unterzuordnen. Der Preis dafür wäre die Glaubwürdigkeit unseres Staatswesens zu unterminieren.

Noch kann eine wie auch immer begründete vage „Bedrohungslage“ die Preisgabe von zentralen Verfassungsrechten rechtfertigen. Kant drückte das so aus: Der Sinnspruch des Notrechtes heißt zwar „Not hat kein Gebot“, doch kann es keine Not geben, die aus Unrecht Recht macht.

Wer anderer Meinung ist, sollte sich schleunigst eine Antwort auf die Frage einfallen lassen: Wie oft soll den Bürgern dieses Landes eigentlich noch diese bittere Lektion zugemutet werden?

In Sonntagsreden werden Verfassungsstaat und die Rechtsstaatlichkeit beschworen, im politischen Alltag aber soll es zu einer Binsenweisheit werden, dass zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit Welten liegen? Dies wäre die Konsequenz aus der Normativität des Faktischen. Das ruiniert jedes Vertrauen in den Staat.

Auch die Bundesregierung hat inzwischen erkannt, wie weit die Angelegenheit greift. Doch welche Schlussfolgerung zog sie daraus? Sie sanktionierte das Bekanntwerden weiterer Details auf das Schärfste und klassifizierte die Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters zu Eikonal mit der höchsten denkbaren Geheimhaltungsstufe ein.

Aufgeschlüsselt bedeutet diese laut Geheimschutzordnung des Bundestags, dass die Weitergabe von Kenntnissen an Unbefugte „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würden“.

In der Tat haben wir es mit einem derart ernsthaften Fall des Versagens staatlicher Vertreter zu tun, dass man von drohender Kernschmelze staatlicher Integrität sprechen kann.

Unseren Antrag „Der Landtag Nordrhein-Westfalen verurteilt den millionenfachen Grundrechtsbruch durch Eikonal“ findet man hier:
http://daniel-schwerd.de/drucksachen/7151

Plenarrede „Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen #CETA stoppen!“

Am 5. November habe ich zu unserem Antrag „Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA stoppen!“, Drucksache 16/7150, gesprochen. Die Rede könnt hier hier nachlesen bzw. nachsehen. Ich freue mich auf Euer Feedback!

Redeprotokoll

Daniel Schwerd (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal, auf der Tribüne und am Stream!

(Beifall von Marcel Hafke [FDP])

In den letzten Jahren war vielfach von einem verlorengegangenen Primat der Politik die Rede. Begriffe wie „Postdemokratie“ folgten und sprachen eine generelle Krise des demokratischen Systems in der westlichen Welt an. Wer bis jetzt noch nicht so recht verstanden hat, was damit gemeint ist, sollte einmal einen Blick in CETA werfen, das beabsichtigte Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union. Was Politikwissenschaftler und Intellektuelle seit Langem auf theoretischer Grundlage diskutieren, hat dort nachvollziehbare Formen angenommen.

Dieses abseits von jeder politischen Öffentlichkeit, hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Abkommen gibt Konzernen eine Brechstange in die Hand, in zentrale Bereiche des Staatswesens einzudringen. Die Grundrechte der Bürger sowie Standards im Bereich des Arbeitsrechts, des Verbraucher- und Umweltschutzes sind in Gefahr, durch diesen Vertrag ausgehebelt zu werden.

Auf dem Altar eines vermeintlichen Investitionsschutzes wird darauf abgezielt, Konzernen sogar ein außergerichtliches Klagerecht gegen alles einzuräumen, was ihren Geschäftsinteressen entgegensteht. Dabei sind die Karten äußerst ungleich verteilt. Während Konzerne ein Klagerecht gegen Staaten haben, ist es umgekehrt nicht möglich, dass Staaten ihrerseits gegen Konzerne klagen. Zudem gibt es keinerlei Rechtsmittel gegen ein Schiedsurteil.

An vielen Stellen ist das Abkommen zudem unpräzise formuliert. Die Auslegung und Interpretation solcher unklaren Rechtsbegriffe werden später in der Praxis einem außerdemokratischen Komitee überlassen sein. Dies setzt Wirtschaft und Bürger unkalkulierbaren Risiken aus.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Vertrag selbst wird eine knappe Ausnahmeliste aufgestellt. Alle anderen Wirtschaftsbereiche sind vom Vertragswerk umfasst. Das bedeutet, dass vergessene oder zukünftig entstehende Bereiche vom Vertrag eingeschlossen sein werden, auch wenn diese eines besonderen Schutzes bedurft hätten. Eine Reihe von Regelungen, die das Europäische Parlament mit der Ablehnung des ACTA-Abkommens verworfen hat, findet sich im CETA-Vertragsentwurf erneut. Dies bedroht die dringend notwendige und geplante EU-Urheberrechtsreform, die wir Piraten mit vorantreiben wollen.

Schließlich gibt es im Vertragswerk keine Exception culturelle, durch die Kultur und Bildung generell ausgenommen wären. Es ist ganz offensichtlich: CETA greift in die Kompetenz des Bundes und der Länder ein. NRW ist vielfach unmittelbar und selbst von diesen Einschränkungen betroffen. Aus diesem Grunde darf das Abkommen in der jetzigen Form auf keinen Fall unterzeichnet werden!

(Beifall von den PIRATEN)

Der amerikanische Regierungsberater Samuel Huntington bemerkte einmal, Macht sei dann am stärksten, solange sie im Dunkeln bleibe. Dem Sonnenlicht ausgesetzt, beginnt sie sich zu verflüchtigen. Genau dies ist scheinbar auch bei CETA der Fall. Das steht uns auch beim Handelsabkommen TTIP bevor. Der hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Vertragsentwurf wurde glücklicherweise von Whistleblowern geleakt, und man kann jetzt sehr gut nachvollziehen, wovor es Huntington graust. Die Transparenz, die wir immer eingefordert haben, ist dringend nötig, um vor solchen fatalen Fehlentwicklungen warnen zu können, wie wir sie jetzt sehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich freue mich sehr, dass der Mehr Demokratie e. V. sowie die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unseren Antrag ausdrücklich unterstützen. Vielen Dank und viele Grüße von dieser Stelle! Im Diskurs über CETA ist unsere Grundposition klar: Wir Piraten sind entschieden gegen jede Transformation der Demokratie in marktkonforme Gesellschaftssysteme, in denen Märkte die Entscheidungen des demokratischen Souveräns aushebeln.

(Beifall von den PIRATEN)

Genauso wenig halten wir es für akzeptabel, dass eine außerstaatliche Paralleljustiz, ein Primat des Marktes, installiert wird. Wir halten es dagegen mit Kant, der bereits vor mehr als 200 Jahren feststellte: Alle Politik muss ihre Knie vor dem Recht beugen. Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Genau!)

Das „#Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ ist ein Schuss in den Ofen. #LSR jetzt abschaffen!

newspaper-502778_640Folgenden Text habe ich als Antrag Drucksache 16/7149 für den heutigen Plenartag eingereicht. Er wird im Landtag – zunächst ohne Debatte – an die zuständigen Ausschüsse, nämlich den Ausschuss für Kultur und Medien (federführend) und an den Wirtschaftsausschuss (mitberatend) überwiesen, eine Debatte im Plenum wird dann nach der jeweiligen Beratung im Ausschuss erfolgen. Im Ausschuss haben wir dann die Gelegenheit, Experten zum Scheitern dieses Vorhabens zu befragen.

Das „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ sollte ursprünglich bewirken, dass bereits kleinste Ausschnitte aus Zeitungsartikeln, auch Snippets genannt, für ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung gesetzlich geschützt sind. Allein den Verlagen sollte das ausschließliche Recht eingeräumt werden, solche kleinen Ausschnitte zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Die Anzeige von Snippets in Suchergebnissen, beispielsweise beim Suchmaschinenanbieter Google, wäre demnach nicht mehr zulässig gewesen, soweit nicht eine Regelung bzw. Lizenzierung mit dem jeweiligen Verlag getroffen wurde. Im Gegenzug hätten Suchmaschinenbetreiber eine angemessene Vergütung an die Verlage zahlen müssen.

Wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP von 2009 vorgesehen war, wurde das „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ im Jahr 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossen und trat – nach der Zustimmung des Bundesrates am 22. März 2013 – am 1. August 2013 in Kraft.

Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hatte bereits am 27. November 2012 eine Stellungnahme zum damals geplanten „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ veröffentlicht. Es prophezeite, dass das geplante „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ „leer laufen“ werde. Verleger würden nicht aus Suchindexen gelöscht werden wollen, gleichzeitig seien Suchmaschinenbetreiber allerdings nicht bereit, Lizenzgebühren für Snippets zu zahlen. Dies könne zur Vergabe von Gratislizenzen und damit zu einem hohen Aufwand ohne direkten Mehrwert führen. Das Institut kommt zu dem Schluss, dass sich das „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ „stets zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft auswirken“ und inländische Nutzer benachteiligen würde. Der Regierungsentwurf lasse sich „durch kein sachliches Argument rechtfertigen“, daher fehle „jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden“.

Wie zuvor von den Kritikern des Gesetzes befürchtet, setzte nach Inkrafttreten des „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ eine Rechtsunsicherheit ein, und einige Anbieter von Newsaggregatoren stellten ihre Dienstleistung ein. Die Berliner Verwertungsgesellschaft VG Media, die etwa 200 digitale verlegerische Angebote vertritt, und der Suchmachinenbetreiber Google stritten sich in den vergangenen Monaten um die Anzeige von Snippets der durch die VG Media vertretenen Verleger in den Google-Suchergebnissen. Daraufhin kündigte Google zunächst an, die entsprechenden Angebote ab dem 9. Oktober 2014 aus ihrem Index zu streichen. Nach Bitten der VG Media verschob Google die Streichung auf den 23. Oktober 2014. Am Tag zuvor, am 22. Oktober, räumte die VG Media Google ein „widerrufliches Gratisrecht“ ein, die Angebote der von ihnen vertretenen Unternehmen vorläufig kostenfrei nutzen zu dürfen. Die VG Media sah sich „angesichts der überwältigenden Marktmacht von Google zu diesem außergewöhnlichen Schritt gezwungen“.

Während Google durch diese Gratislizenz gestärkt aus der Auseinandersetzung hervorgeht, sind die kleinen deutschen Anbieter von Newsaggregatoren und Suchmaschinen extrem benachteiligt. Sie dürfen ohne Lizenz keine Snippets verwenden und können aufgrund ihrer geringen Größe kaum auf Gratislizenzen hoffen. Die Rechtsunsicherheit, unter welchen Umständen und bei welcher Größe ein Snippet noch frei zur Benutzung oder lizenzpflichtig ist, trifft sie nach wie vor.

Der Plan der Verleger, an den Einnahmen des de-facto-Monopolisten Google partizipieren zu können, ist trotz des „Leistungsschutzrechts für Presseverleger“ gescheitert.

Ich beantrage, dass der Landtag feststellen soll:

  1. Das Ziel, Verleger an den Einnahmen des großen Suchmaschinenbetreibers Google für die Anzeige von kleinsten Snippets derer Verlagsangebote zu beteiligen, wurde durch die Einführung des „Leistungsschutzrechts für Presseverleger“ nicht erreicht.
  2. Durch die Erteilung von Gratislizenzen für große Anbieter wird deren Marktmacht gestärkt. Kleine Anbieter werden benachteiligt – auch und gerade solche aus Deutschland und NRW.
  3. Ein Gesetz, welches seinen ursprünglichen Auftrag nicht erfüllt, sondern nur seine schädlichen Nebenwirkungen entfaltet, ist überflüssig und muss abgeschafft werden.

Ich beantrage, die Landesregierung aufzufordern,

  1. auf allen politischen Ebenen auf die Abschaffung des „Leistungsschutzrechts für Presseverleger“ hinzuwirken;
  2. eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel, das Urheberrechtsgesetz dahingehend zu ändern, dass die für das „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ vorgenommenen Änderungen wieder zurückgenommen werden.

Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen #CETA stoppen!

flag-472394_640Folgenden Text habe ich als Antrag Drucksache 16/7150 für die kommenden Plenartage eingereicht. Er wird am Donnerstag, den 06.11., etwa gegen 14:30 Uhr im Landtag NRW debattiert und abgestimmt werden.

Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) steht nach fünfjähriger Beratungszeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit kurz vor seinem Abschluss. Am 26. September 2014 wurde von den Vertragsparteien eine Erklärung zum Abschluss der Verhandlungen unterzeichnet. CETA gilt auch als Blaupause für das sich in den Beratungen befindliche Freihandelskommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, TTIP.

An CETA ist vielfache Kritik laut geworden. Es heble demokratische Kontrolle aus und bevorzuge einseitig die Interessen internationaler Großkonzerne. Die Vereinbarungen sind den Parlamentariern von Bund und Ländern nicht zur Verfügung gestellt worden. Eine transparente öffentliche Debatte fand bisher ebenso wenig statt.

Wegen unklarer Rechtsbegriffe im Abkommen und der fehlenden institutionellen Unabhängigkeit privater Schiedsgerichte könnten Maßnahmen und Auflagen des Landes zum Grundrechts-, Menschenrechts-, Sozial-, Arbeits-, Verbraucher-, Natur- oder Umweltschutz dem Risiko unüberschaubarer Schadensersatzforderungen ausgesetzt werden.

Die privaten Schiedsgerichte, die internationale Unternehmen zur Durchsetzung ihrer Interessen anrufen können, werden ad-hoc gebildet, wobei die Verdienstmöglichkeiten der Schiedsrichter mit der Zahl der Verfahren steigen. Es gibt keine Rechtsmittel gegen einen Schiedsspruch. Selbst wenn der Staat obsiegt, ist eine vollständige Erstattung seiner Rechtsverteidigungskosten nicht gewährleistet, so dass alleine schon das hohe Kostenrisiko eine Kommune oder ein Land veranlassen kann, auf ihr Regulierungsrecht zu verzichten.

Schiedsverfahren zwischen demokratischen Rechtstaaten etablieren unnötigerweise eine doppelte Gerichtsbarkeit, da ausländische Konzerne gegen Beschränkungen gleichzeitig vor staatlichen Gerichten vorgehen und vor dem privaten Schiedsgericht Entschädigung fordern können. Auch die kommunalen Spitzenverbände wenden sich in einem gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen vom Oktober 2014 gegen eine solche Schiedsgerichtsbarkeit. Sie sehen in den transatlantischen Freihandelsabkommen eine Gefährdung der kommunalen Rechte.

Weiter besteht die Ansicht, dass CETA die demokratischen Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern vielfach beschränken. So sollen staatliche Genehmigungsverfahren laut CETA „so einfach wie möglich“ und ohne „unangemessene Verzögerung oder Verkomplizierung“ zu gestalten sein. Bei so unbestimmten Rechtsbegriffen könnte schon eine Beteiligung der Öffentlichkeit oder Umweltverträglichkeitsgutachten als „unangemessen“ oder „kompliziert“ angesehen werden.

Auch dort wo das Abkommen den bestehenden Standards entsprechen soll, könnte es die gewählten Volksvertretungen an zukünftigen Änderungen hindern, etwa wenn Umwelt oder Verbraucher auf der Grundlage neuer Erkenntnisse oder einer neuen Bewertung besser geschützt werden sollen. Es ist zudem vollkommen unklar, ob das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW als „ungerechtfertigte Diskriminierung“ oder „unnötige Handelsbeschränkung“ im Sinne von CETA verworfen würde.
Im Kapitel über „Rechte am geistigen Eigentum“ finden sich zahlreiche Ansätze des von der europäischen Öffentlichkeit und vom Europäischen Parlament mehrheitlich abgelehnten ACTA-Abkommens wieder. So soll etwa privaten Internetprovidern die Durchsetzung von Urheberrechten aufgebürdet werden, wodurch die Interpretation von Gesetzen privatwirtschaftlichen Firmen überlassen würde. Bestimmte Urheberrechtsverstöße könnten sogar unter das Strafrecht fallen. CETA würde die Spielräume bei der für die laufende Legislaturperiode anvisierte und mittlerweile auch seitens der Kommission geforderte EU-Urheberrechtsreform massiv einschränken.

CETA geht über bestehende Freihandelsabkommen nicht nur insofern hinaus, als es neben Handel und Dienstleistungen erstmals für jegliche „wirtschaftliche Tätigkeit“ gelten soll, beispielsweise auch für den Abbau und die Weiterverarbeitung natürlicher Ressourcen. Erstmals sollen von dem geplanten CETA-Abkommen zudem nur noch solche Bereiche ausgenommen sein, die in dem Abkommen ausdrücklich aufgeführt sind (sog. Negativliste). Aufgrund dessen ist intransparent und nicht vorhersehbar, in welchen Bereichen das Abkommen Anwendung finden wird. Aufgrund der Komplexität des Abkommens besteht ein hohes Risiko, dass die definierten Ausnahmen lückenhaft sind und das Abkommen somit Auswirkungen auf Politikfelder entfaltet, die nach derzeitigem Stand gar nicht absehbar sind.

Wir fordern daher vom Landtag, folgendes festzustellen:

  1. Der Entstehungsprozess von CETA ist in höchstem Maße intransparent. Der Ausschluss von Parlamentariern auf EU-, EU-Länder, Bundes- und Länderebene sowie das Fehlen einer breiten zivilgesellschaftlichen Debatte ist zu verurteilen.
  2. CETA enthält zahlreiche unbestimmte Klauseln und Rechtsbegriffe und stellt daher Staat, Gesellschaft und heimische Wirtschaft vor ungewisse Risiken.
  3. Private Schiedsgerichtsverfahren sind in Abkommen zwischen demokratischen Rechtsstaaten unnötig.
  4. Ein vollständiger Ausschluss von Kultur, Bildung und Presse ist nicht vorgesehen, es gibt zahlreiche Schlupflöcher und Ausnahmen.
  5. CETA geht weit über die Zuständigkeiten der EU hinaus. Ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten kommt ebenso zu dem Schluss, dass es sich bei CETA um ein „gemischtes Abkommen“ handelt, welches die Zustimmung aller Mitgliedsländer erforderlich macht.
  6. CETA greift in die Zuständigkeiten der Länder, insbesondere in den Bereichen Kultur- und Medienpolitik, ein. Das Abkommen bedarf auch der Ratifizierung durch den Bundesrat.

Wir fordern die Landesregierung dazu auf,

  1. auf allen politischen Ebenen darauf hinzuwirken, dass CETA in der derzeitigen Form weder unterzeichnet bzw. ratifiziert wird.
  2. auf allen politischen Ebenen die Zustimmungspflicht aller EU-Mitgliedstaaten sowie insbesondere des deutschen Bundesrats zum CETA-Abkommen einzufordern.
  3. sich auf allen politischen Ebenen für die Herausnahme der Investorenschutzklauseln und Negativlisten aus dem CETA-Abkommen einzusetzen.
  4. eine breite gesellschaftliche und politische Debatte zum CETA-Abkommen zu fördern.
  5. im Bundesrat gegebenenfalls gegen das CETA-Abkommen zu votieren.

netzpolitik.org alles Gute zum Geburtstag

netzpolitik-geburtstagsfoto2Seit zehn Jahren bloggt ihr, das Team um Markus Beckedahl bei netzpolitik.org zur deutschen und internationalen Netzpolitik. Dafür möchte ich Euch herzlich danken!

Ihr legt immer wieder den Finger in die netzpolitischen Wunden – immer der Sache verpflichtet. Ihr habt zahlreiche brisante Dokumente veröffentlicht und die Debatten rund um Themen wie ACTA, TTIP oder die NSA-Leaks von Snowden spürbar vorangetrieben. Danke für Eure Ausdauer und Eure Begeisterung! Es ist auch Euch zu verdanken, dass Netzpolitik die Nische verlassen hat und in der Mitte der Gesellschaft und Politik angekommen ist.

Ich wünschen Euch weiter viel Erfolg bei der Arbeit und viel Spaß auf der Geburtstagskonferenz ‘Das ist Netzpolitik!‘.

Solidarität mit Rotkäppchen und der Großmutter! Hilfe für Kobane!

Rotkäppchen und der WolfDie Dummheit der Menschen ist grenzenlos. Heißt es. Ich musste daran denken, als ich bei Facebook ein Foto der Bundestags-Abgeordneten und verteidigungspolitischen Sprecherin der Linken Christine Buchholz sah, in der sie ein Plakat in der Hand hielt, auf dem stand: „Solidarität mit Kobane! US-Bombardement stoppen!“ Ihre Erklärung dieses Plakates findet ihr hier.

Pazifismus und die Wendung gegen jeden Krieg sind ehrenwert. Doch so, wie es da steht, erscheint es, als ob es die US-Amerikaner seien, die den Krieg gegen die Bewohner von Kobane führen. Dass die Bombardements auf Wunsch der dort kämpfenden Kurden durchgeführt werden, also die eingeforderte und gelebte Solidarität mit Kobane darstellen, blendet Frau Buchholz völlig aus. Eine lesenswerte, harsche Kritik zu diesem Plakat findet sich bei den Ruhrbaronen, geschrieben von Thomas Heck. Es ist eine Schande, wie die Welt dem drohenden Genozid tatenlos zuschaut.

Natürlich ließ die Antwort der Netzgemeinde nicht auf sich warten, darunter auch mein Foto, wie abgebildet. Ich freue mich über hundertfache Verbreitung in den sozialen Medien.

Damit das Ganze aber nicht nur ein trauriger Spaß bleibt, habe ich heute das Plakat bei Ebay eingestellt. Bis zum Freitag, den 24. Oktober 2014 um 16:37 Uhr, kann man jetzt auf das Papp-Plakat bieten. Dem Höchstbieter werde ich einen Kaffee im Landtag kredenzen, wenn ich ihm das Plakat persönlich überreiche. Zeit für ein nettes Gepräch ist dann ebenfalls. Und den Erlös der Versteigerung werde ich verdoppeln, und der humaitären Kobane-Aktion von Medico International spenden (bzw. einer anderen, passenden humanitären Organisation in Absprache mit dem Höchstbieter).

Deswegen bitte ich Euch um Gebote, und fleissige Verbreitung der Aktion! Ich würde mich freuen, wenn viel zusammenkommt!

http://www.ebay.de/itm/Plakat-034-Solidaritaet-mit-Rotkaeppchen-und-der-Grossmutter-034-netnrd-pro-KOBANE-/171501236454

Landesregierung und die Geheimdienste: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

selfie-413162_640Der Spiegel berichtet, dass die Geheimdienste NSA und GCHQ im Rahmen des Spionageprogramms „Treasure Map“ Zugriff auf das Netz der Deutschen Telekom und der im Kölner Raum tätige Firma Netcologne haben. Vor einigen Wochen bereits wurde bekannt, dass auch die Satelliten-Kommunikationsanbieter Stellar und Cetel in Nordrhein-Westfalen Ziel von Geheimdienstangriffen waren. Beide Informationen stammen aus Unterlagen des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden.

Im Rahmen einer „aktuellen Viertelstunde“ haben wir das Thema heute im Innenausschuss des Landtages besprochen, und Fragen an das Innenminísterium gestellt.

Nicht allzu viel kam dabei rum, sinngemäß: Wir wissen nichts, von dieser Angelegenheit haben wir erst durch die Presse erfahren, wir haben keine gesicherten Erkenntnisse, es ist Bundesangelegenheit. Solange Unternehmen nicht zu den Behörden kommen, könne man nichts tun, einen Anfangsverdacht auf weitere Einbrüche sähe man nicht. Eine absolute Sicherheit gegen Hacker gibt’s nicht, ein Angriff auf die Kommunikation der Kölner Polizei sei unwahrscheinlich.

Haarsträubend, wie die Landesregierung und die Landesbehörden den Kopf in den Sand stecken. Es drängt sich die Frage auf, ob Cyber-Kompetenzzentrum und NRW-Verfassungsschutz nicht als vertrauenswürdige und seriöse Partner für NRW-Unternehmen wahrgenommen werden. Vollkommen unverständlich ist, dass man immer noch keinen Anfangsverdacht für weitere Einbrüche in Nordrhein-Westfalens Unternehmen, bzw. für Spionage gegen Bürger unseres Landes sieht.

Dazu haben wir jetzt eine Pressemitteilung rausgegeben:
http://www.piratenfraktion-nrw.de/2014/09/online-einbruche-ignoranz-des-themas-kennt-keine-grenzen/

Auch die Piraten im Kölner Rat haben sich bereits diesem Thema angenommen, und unangenehme Fragen nach der Bedeutung für die Stadtverwaltung, die Kölner Polizei und die Bürger gefragt.
http://thomashegenbarth.wordpress.com/2014/09/16/weitergehen-hier-gibts-nichts-zu-sehen/

Ein parlamentarischer Antrag dazu ist auch in Planung, ich halte Euch auf dem Laufenden.

Busfahrt zur Freiheit statt Angst-Demo am 30.08. in Berlin

BerlinAm 30. August findet in Berlin wieder die alljährliche „Freiheit statt Angst“-Demonstration gegen Überwachungswahn und Sicherheitsparanoia statt.

Von NRW aus gibt es mehrere gesponserte Busfahrgelegenheiten.

Dieses Jahr hat sich das Bündnis #StopWatchingUs Köln bereiterklärt, einen Bus ab Köln zu organisieren:
http://cologne.stopwatchingus.info/fsa14.html
Vielen Dank dafür, daher muss ich dieses Jahr keinen Bus organisieren.

Mein Kollege Frank Herrmann sponsert Busfahrten von Düsseldorf und Bielefeld aus:
http://www.piratenfraktion-nrw.de/2014/07/fahr-mit-zur-freiheit-statt-angst-in-berlin/

Wer nicht in einer der genannten Städte ist, sollte bei den üblichen Fernbuslinien mal umschauen, möglicherweise eine Mitfahrzentrale nutzen, oder das Wiki des Bündnisses Freiheit statt Angst nach einer Mitfahrmöglichkeit durchsuchen.

Kommt zahlreich! Aufstehen statt Aussitzen – Freiheit statt Angst.

Piraten wirken: SPD und Grüne stimmen unserem Antrag „Verschlüsselung stärken“ zu

key-252239_640Am 4. Juli wurde unser Antrag „Spione unerwünscht: Wissen über sichere E-Mail-Kommunikation verbreiten!“ debattiert. Hierin fordern wir die Landesregierung auf, der Öffentlichkeit auf den Internetseiten der Landesregierung, ihrer Ministerien und Behörden Informationen zur verschlüsselten Kommunikation im Internet anzubieten. Darüber hinaus soll für die Bürger die Möglichkeit geschaffen werden, mittels echter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit der Landesregierung, ihren Ministerien und Behörden zu kommunizieren.

Angesichts der fortgesetzten Spionage westlicher Geheimdienste und des BND sowie täglich bekannt werdender ´Datendiebstähle´ muss Wissen über verschlüsselte Kommunikationsmöglichkeiten unbedingt verbreitet werden. DE-Mail und Email Made in Germany sind jedenfalls keine brauchbaren Lösungen. Der Autor und IT-Sicherheitsexperte Linus Neumann nannte De-Mail „Bullshit made in Germany“. Ich habe mich ja schon öfter zu De-Mail ausgelassen…

Ich finde, die Landesregierung, ihre Ministerien und Behörden müssen Vorreiter und Vorbild in verschlüsselter E-Mail-Kommunikation sein.

SPD und Grüne sind an mich herangetreten, unseren Antrag zu unterstützen. Wir haben einen gemeinsamen Änderungsantrag erstellt, weil Rotgrün natürlich noch ein bisschen Regierungslobhudel einbauen will (wenn’s schee macht) und die Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung nicht zu jedem einzelnen Mitarbeiter jeder Behörde will (kann man machen), und zudem das Ganze als Prüfauftrag an die Regierung formuliert (zähneknirschend akzeptiert – ich werde aber sicher dranbleiben und verfolgen, wie diese Prüfungen voranschreiten).

Wir freuen uns also, dass wir die regierungstragenden Fraktionen von dieser Notwendigkeit überzeugen konnten 🙂

Erklärende Informationen werden also auf unsere Initiative hin in Zukunft an geeigneter Stelle der Internetauftritte des Landes erscheinen, und das Land wird für die Kommunikation von Bürgern und Unternehmen mit den Behörden prüfen, welche Möglichkeiten zur Verschlüsselung eingeführt werden können. Alle diese Maßnahmen kosten nicht viel, aber setzen ein Zeichen, dass wir Datensicherheit und Privatsphäre in NRW ernst nehmen. Und: Im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen ist das keine Symbolpolitik, sondern eine ganz handfeste Maßnahme, die den Unternehmen und Bürgern einen unmittelbaren Gewinn an Sicherheit gibt. Dafür haben Piraten gesorgt.

Die Plenardebatte könnt ihr hier nachsehen, über Feedback freue ich mich natürlich immer!


Redeprotokoll

Vizepräsident Oliver Keymis: Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6115, Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6203. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Bildschirmen! E-Mails stellen heutzutage den Dreh- und Angelpunkt elektronischer Kommunikation dar. Wir versenden auf diese Weise Bewerbungen, Angebote, Verträge, wir senden Grüße, Liebesbriefe, berichten aus unserem Privatleben. Alle diese Nachrichten sind alleine für die Augen des Empfängers bestimmt.

Leider ist die E-Mail von Hause aus keine sichere Kommunikationsform. Sie reist in der Regel offen lesbar durch die Datennetze und wird unverschlüsselt auf den für den Transport zuständigen Servern abgelegt.

Die „E-Mail made in Germany“ ist keine Lösung, denn hier wird nur eine Transportverschlüsselung eingesetzt, die auf einem einzelnen Zertifikat beruht. Einmal geknackt sind alle Transporte unsicher. Zudem gilt das zugrundeliegende Verfahren als kompromittiert. Diese Art der Transportverschlüsselung existiert schon seit vielen Jahren. Das als neue Form der Sicherheit zu bewerben ist eine fiese kleine Masche der Marketingabteilung – nichts weiter.

Auch die De-Mail ist nicht sicher, denn auch hier ist ein nur ein einzelnes Transportzertifikat im Einsatz. Das ist so katastrophal schlecht, dass man ein Bundesgesetz verabschieden musste, um die De-Mail überhaupt als sicher zu definieren. Jeder Sicherheitsexperte lacht sich kaputt. Der Autor und IT-Sicherheitsexperte Linus Neumann nannte De-Mail „Bullshit made in Germany“.

Und in beiden Fällen liegen die E-Mails auf den zum Transport verwendeten Servern unverschlüsselt vor. Dass solche Daten Hackern in die Hände fallen, beweisen die fast täglichen Nachrichten über sogenannte Datendiebstähle. Und diese bekannt gewordenen Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Über die Spionage westlicher Geheimdienste haben wir in den vergangenen Wochen hier viel geredet. Fest steht, dass der amerikanische und der britische Geheimdienst massenhaft E-Mail-Kommunikation auch deutscher Unternehmen, Behörden und Bürger abfängt, speichert und auswertet.

Aber auch deutsche Geheimdienste sind nicht untätig. Wie das sogenannte „BND-Dossier“ aus den Unterlagen Edward Snowdens belegt, sind deutsche Geheimdienste an der Überwachung beteiligt. Der Bundesnachrichtendienst hat demnach massenhaft Daten Deutscher an andere Geheimdienste weitergegeben. Am deutschen Internetknoten DE-CIX überwacht der sogenannte Auslandsgeheimdienst BND einen großen Teil der Internetkommunikation. Obwohl ihm die Überwachung von Bürgern unseres Landes nur nach richterlicher Anweisung erlaubt ist, wertet er hier Millionen von E-Mails von deutschen Bürgern aus, wenn diese zufälligerweise eine E-Mail-Adresse haben, die nicht auf „.de“ endet. Denken Sie nur an die Millionen Deutsche mit Googlemail.com- oder Gmx.net-Adressen, oder an die Unternehmen, die aufgrund der Internationalisierung „.com“-Domains nutzen. Dieses Vorgehen des Auslandsnachrichtendienstes BND ist meines Erachtens illegal und klar verfassungswidrig.

(Beifall von den PIRATEN)

Dabei gibt es heute schon eine Lösung, wie man sich wirksam gegen Datenklau und Bespitzelung wehren kann. Die Verschlüsselung darin ist stark und reicht vom Sender lückenlos bis zum Empfänger. Das Verfahren ist erprobt und schon jahrelang im Einsatz. Auf PGP bzw. GnuPG setzen viele Menschen sowie Institutionen weltweit. Und: Das Ganze ist kostenlos möglich.

Leider ist das Wissen über diese Technik noch nicht weit verbreitet, und sie ist noch nicht ausreichend intuitiv bedienbar. Und sie funktioniert nur, wenn Sender und Empfänger es gleichermaßen verwenden. Wir fordern im vorliegenden Antrag die Landesregierung und ihre Ministerien und Behörden auf, Vorreiter und Vorbild zu sein, und freuen uns, dass unsere Initiative von der Landesregierung und den sie tragenden Parteien in einem gemeinsamen Antrag aufgenommen worden ist. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich allen Beteiligten meinen Dank aussprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Erklärende Angebote zur E-Mail-Verschlüsselung werden prominent platziert, und auf den verschiedenen Internetkanälen verbreitet. Und selbstverständlich werden alle öffentlichen Stellen, die mit Bürgern oder Unternehmen kommunizieren, diese sicheren Möglichkeiten prüfen. Das alles kostet dem Land nicht viel, setzt aber ein Zeichen, dass wir Datensicherheit und Privatsphäre in unserem Bundesland ernst nehmen. Und im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen ist das keine Symbolpolitik, sondern eine ganz handfeste Maßnahme, die den Unternehmen und Bürgern unseres Landes einen unmittelbaren Gewinn an Sicherheit gibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Schwerd. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Geyer.

Piraten wirken beim Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen

tube-radio-338511_640Am 2. Juli hat der Landtag Nordrhein-Westfalens mit Stimmen von SPD, Grünen und Piraten das neue Landesmediengesetz beschlossen. Zuvor wurden durch einen gemeinsamen Änderungsantrag, wiederrum von SPD, Grünen und Piraten, einige zentrale Verbesserungen in das Gesetz eingebracht.

In Verhandlungen mit Rot-Grün konnten wir so einige substanzielle Änderungen durchsetzen, die uns sehr am Herzen lagen. So wurde die Aufsicht über die Einhaltung der Netzneutralität der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) übertragen. NRW hat jetzt als erstes Bundesland eine Institution, die sich aktiv für die Netzneutralität einsetzt.

Außerdem haben wir mit dafür gesorgt, dass die LfM-Medienkommission zukünftig staatsferner besetzt wird. Die Anzahl der staatsnahen Mitglieder wird auf maximal ein Drittel begrenzt. Damit haben wir dazu beigetragen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF im neuen Landesmediengesetz berücksichtigt wird. Zudem wird für Mitglieder der LfM-Medienkommission eine Karenzzeit vor der Aufnahme in die Kommission eingeführt, die Interessenskonflikte vermeidet.

Und wir konnten gemeinsam erreichen, dass sich zukünftig auch gesellschaftliche Gruppen und Einzelpersonen um eine Mitgliedschaft in der LfM-Medienkommission bewerben können. Dies bietet dann auch netzpolitischen Initiativen und Aktivisten die Möglichkeit, sich inhaltlich im Bereich der Medienaufsicht einbringen zu können.

Wir haben uns aufgrund dieser Erfolge entschlossen, das Gesetz zu unterstützen.

Die Plenarrede dazu könnt ihr hier nachsehen. Zugleich mitberaten wurde der FDP-Antrag „Beitrag zu Vielfalt und Qualität im Journalismus leisten – Gemeinnützigkeit von Journalismus anerkennen„.

Über Feedback freue ich mich immer!


Redeprotokoll

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. Für die Piratenfraktion erteile ich als nächstem Redner Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und an den Mattscheiben! Wir Piraten haben von Anfang an deutlich gemacht, wo unsere Schwerpunkte bei der Überarbeitung des Landesmediengesetzes liegen. So wie wir es seit Jahren für alle Aufsichtsgremien von Rundfunkmedienanstalten fordern, wollen wir mehr Transparenz in deren Arbeit erreichen und die Gremien selbst staatsferner gestalten als das bisher der Fall ist.

Diese Forderung haben wir für den WDR-Rundfunkrat selber umgesetzt. Wir haben die Position öffentlich ausgeschrieben und daraufhin den unserer Einschätzung nach am besten geeigneten und politisch unabhängigen Experten benannt.

(Beifall von den PIRATEN)

Die staatsferne Zusammensetzung auch der LfM-Medienkommission war eine unserer zentralen Forderungen. Im März diesen Jahres, als der Gesetzentwurf der Landesregierung schon auf dem Tisch lag, hat uns das Bundesverfassungsgericht mit seinem wegweisenden Urteil zur Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates Schützenhilfe geleistet. Das Gericht hat bestätigt, was wir schon lange fordern: Die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber eben auch die Gremien der Landesmedienanstalten müssen staatsfern zusammengesetzt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine weitere wichtige Forderung unsererseits war, dass auch ein Vertreter der Netzbürger in diesen Gremien vertreten sein muss. Uns war bewusst, dass man nicht irgendeine Gruppe per Gesetz aussuchen kann. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass sich Gruppen oder Einzelpersonen initiativ um eine Mitgliedschaft in der LfM-Medienkommission bewerben können, so wie wir das Verfahren schon für unser WDR-Rundfunkratsmitglied durchgeführt haben. Insofern freut es mich wirklich, dass wir im Landesmediengesetz gemeinsam verankern konnten, dass sich auch Gruppen und Einzelpersonen beim Landtag bzw. bei der LfM bewerben können. Dies ermöglicht den netzpolitischen Initiativen tatsächlich, sich einzubringen.

Gleiches gilt für die Frage der Karenzzeitregelung, die wir in den Verhandlungen zum Änderungsantrag anregten. Jetzt ist sichergestellt, dass aus der Medienkommission ausscheidende Mitglieder 18 Monate lang keine Tätigkeiten ausüben dürfen, die im Widerspruch zum vorigen Mandat stehen. Diese Abkühlphase wird sicher dazu führen, dass Interessenkonflikte abnehmen. Es wird niemanden überraschen: Natürlich haben wir auch die von Herrn Prof. Holznagel in der Anhörung geäußerte Idee aufgegriffen, die LfM mit den Aufgaben der Überwachung der Netzneutralität zu betrauen, soweit diese die Vorgaben des § 2 des Landesmediengesetzes betreffen.

Hier bestand im Anschluss an unsere Anregung zumindest im Ausschuss fraktionsübergreifende Einigkeit, dass das sinnvoll sei. Auch dazu konnten wir nun eine Regelung im vorgelegten Änderungsantrag einbringen. Ich möchte die viel diskutierte „Stiftung für ‚Vielfalt und Partizipation‘„ ansprechen. Schon im Ausschuss habe ich gesagt: Eine Regelung, nach der die LfM auch für die Aus- und Fortbildung in Medienberufen zuständig ist, gibt es schon im derzeit noch geltenden Gesetz von Schwarz-Gelb. Insofern fand ich die Diskussion darüber an einigen Stellen etwas befremdlich.

Natürlich muss man über die genaue Ausgestaltung Stichwort: Staatsferne reden. Aber grundsätzlich in Abrede zu stellen, dass die LfM in diesem Bereich überhaupt tätig sein soll, war schon sehr merkwürdig. Wir haben es von Anfang an abgelehnt, dass eine Landesstiftung etabliert werden soll, in der die Regierung unmittelbaren Einfluss auf journalistische Arbeit nehmen könnte. Davon wurde glücklicherweise Abstand genommen. Aber der LfM einen Rahmen an die Hand zu geben, den Umwälzungsprozess in der Medienlandschaft zu begleiten und die Entwicklung vor allem von Onlinejournalismus zu unterstützen, halten wir für völlig richtig.

Insofern haben wir auch mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen, dass mit der Formulierung „im Rundfunk und in den vergleichbaren Telemedien“, also im Internet, genau dies nun als inhaltlicher Schwerpunkt der Arbeit der „Stiftung“ festgeschrieben wird.

Zum Schluss möchte ich noch kurz anbringen, was aus unserer Sicht darüber hinaus noch wünschenswert gewesen wäre. Wir haben vorgeschlagen, dass der Zwang zur Nutzung der deutschen Sprache im Bürgerfunk entfallen solle. Das hätte ermöglicht, dass sich auch Migrantinnen und Migranten in ihren Muttersprachen im Bürgerfunk hätten engagieren können. Dem Bürgerfunk wäre damit eine weitere Zielgruppe erschlossen worden. Das wäre ein weiterer kleiner Schritt hin zur Anerkennung einer bunten Gesellschaft gewesen. Der Bürgerfunk hätte von weiteren Hörerschichten profitiert. Es bestehen jedoch rechtliche Bedenken in den Redaktionen, die letztlich die Verantwortung für die ausgestrahlten Beiträge haben, die sie dann aber unter Umständen nicht verstehen würden. Diese Bedenken teile ich persönlich zwar nicht, erkenne sie aber an. Vielleicht findet sich später noch eine Lösung.

Und wir hätten uns gewünscht, der LfM die Möglichkeit zu belassen, auch im Internet verbreiteten Hörfunk fördern zu können. Fördern zu können, wohlgemerkt. Eine Pflicht zur Förderung besteht darin ja nicht. Alles in allem aber sind wesentliche Punkte unserer Forderungen aufgenommen worden. Wir haben uns deshalb entschieden, diesen Änderungsantrag gemeinsam zu stellen und dem so geänderten Gesetz dann zuzustimmen. Ich freue mich sehr über die stattgefundene erfolgreiche Zusammenarbeit. Dass dieser Änderungsantrag am Tag vor der abschließenden Debatte reichlich spät kommt, ist absolut richtig. Insofern ist der Wunsch nach weiterer Beratung nachvollziehbar. Für die Chance, parteiübergreifend gemeinsame Lösungen zu finden, sollte immer ausreichend Zeit und Raum zur Verfügung stehen. Einer Rücküberweisung in den Ausschuss können wir daher ebenso auch zustimmen.

Zum Schluss noch einige Worte zum Antrag der FDP-Fraktion bezüglich der Möglichkeit von gemeinnützigem Journalismus. Die Idee zusätzlicher Möglichkeiten zur Unterstützung investigativen Journalismus hat Charme. Natürlich stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss zu. Wir werden dort sehr genau prüfen, dass mit einer solchen Initiative nicht genau die Verlage subventioniert werden, die kurz vor der Pleite stehen, weil sie sich seit Jahren neuen Geschäftsmodellen verweigern. Neue Ideen und unabhängigen investigativen Journalismus im digitalen Zeitalter zu unterstützen als Beispiele nenne ich den „Krautreporter“ oder das Correctiv machen aber tatsächlich Sinn.

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. Für die Landesregierung erteile ich nunmehr Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren das Wort.