Verfassungsschutzbericht NRW: rechts verharmlosen, links kriminalisieren

Verfassungsschutzbericht

Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW ist ein Zeugnis organisierten Staatsversagens. Straftaten von Rechts erreichen ein neues Hoch mit über 4400 Taten. In jeder Nacht brennen Geflüchtetenunterkünfte, der Terrorismus von Rechts bedroht täglich Menschenleben. Und dennoch wird in diesem Bericht suggeriert, es gäbe eine annähernd große Gefahr von links. Um ein Zitat Frank Bsirskes zu verwenden: „Das ist, mit Verlaub, Bullshit“.

Widerspruch von SPD und Grünen

Es ist eine Unverschämtheit, dass Teile der Linken NRW vom Verfassungsschutz beobachtet werden, zum Beispiel die Jugendorganisation solid, oder die AKL, das sind Menschen, die sich kritisch mit dem Kapitalismus auseinandersetzen – als ob von ihnen eine Gefahr für unsere Demokratie ausgehen würde – während die AfD im Verfassungsschutzbericht nicht einmal erwähnt wird. Eine AfD, die den offenen Anschluss an Neonazis sucht, deren Töne immer rassistischer und extremer werden, die den geistigen Boden für Rechtsterrorismus legt. Eine AfD, in denen manche Verbände von einer NPD gar nicht mehr zu unterscheiden sind. Eine AfD voll mit Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Hass auf Muslime. Das ist gefährlich naiv, und das wird Menschenleben kosten.

Wenn irgendetwas gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen unser gemeinsames Wertesystem gerichtet ist, dann ist es diese AfD. Es wird aber höchste Zeit, damit aufzuhören, die Linke in NRW zu kriminalisieren. Der kalte Krieg ist vorbei.

Auch der Frauenverband Courage e.V. wird im Verfassungsschutzbericht wieder erwähnt, ohne dass auch nur ein einziger Grund dafür genannt wird. Als ob die Frauen mit der Kalaschnikov vor dem Landtag stehen würden. Das Innenministerum macht sich damit geradezu lächerlich: Die einzige Straftat, die Courage e.V. vorgeworfen wird, ist, sich gegen die Nennung im letzten Verfassungsschutzbericht gewehrt zu haben.

Die Fallzahlen eines sogenannten „Linksextremismus“ werden hochgejazzt, indem man Leute auf Demonstrationen, die Sonnenbrillen oder Regenschirme bei sich tragen zu Kriminellen macht. Indem man Menschen, die nichts weiter tun als sich auf die Straße zu setzen, um einen Nazi-Aufmarsch damit aufzuhalten zu Straftätern erklärt. Indem man durch Pfeffersprayeinsatz der eigenen Kollegen verletzte Beamte zu Opfern von Demonstranten zählt. Befreit man die Fallzahlen des sogenannten „Linksextremismus“ um diese ganzen künstlichen Fälle, bleibt von einer Gefahr von Links nämlich einfach nichts mehr übrig, und das passt manchen offenbar nicht in den Kram.

Wenn hingegen Geflüchtetenheime brennen, wenn Hakenkreuze an die Ruinen gesprayt werden, ist kein rechtsradikaler Hintergrund erkennbar, erklärt uns die Polizei. Das sind dann alles nur liebe Nachbarjungs, die sich Sorgen gemacht haben. So wird der alltägliche Rechtsterrorismus verharmlost, und das wird noch Menschenleben kosten.
Die Behörden wirken an dieser Verharmlosung nach Rechts, an der Kriminalisierung nach Links massiv mit.

Der Umfang, in dem kurdische Vereine immer noch im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden ist albern. Im Bericht selbst heißt es, dass es schon seit vielen Jahren einen Gewaltverzicht gibt. Es heißt, dass es den Verbänden um das Generieren von medialen Aktionen und Demonstrationen geht, genau so macht man doch bitte in einer Demokratie in friedlicher Art und Weise auf Missstände aufmerksam. Will man das der kurdischen Gemeinde angesichts des andauernden staatlichen Terrorismus in der Türkei verdenken?

Und weiter behauptet der Verfassungsschutzbericht, diese Organisationen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Was sollen das bitte für Belange sein, etwa der schmutzige Deal mit der Türkei, geflüchtete Menschen möglichst von Europa fern zu halten? Gegen diese Art von Belangen bin ich auch.

Besonders lächerlich wird der Verfassungsschutzbericht, wenn er sich mit klassischer Spionage, bzw. mit Wirtschaftsspionage beschäftigt. Auch im Jahre Vier nach Snowden ist Spionage durch befreundete Geheimdienste immer noch kein Thema. Der Feind steht immer noch stets im Osten. Für Herrn Jäger lauert wohl immer noch hinter jedem Grasbüschel der Russe. Für die digitalen Angriffsarsenale von NSA und GCHQ fühlt man sich hingegen immer noch nicht verantwortlich, darüber kann auch die fünfmalige Verwendung der Vorsilbe „Cyber“ in diesem Bericht nicht hinwegtäuschen.

Und dass der deutsche Nachrichtendienst bei der Abhörung der Menschen in unserem Land mitwirkt, hat immer noch keine Konsequenzen – außer, dass illegale Praktiken durch die große Koalition nachträglich legalisiert werden sollen.

Einen Verfassungsschutz, der hauptsächlich Screenshots von Nazi-Seiten aus Facebook ausdruckt und dann abheftet, der Zeitungartikel ausschneidet und in Ordner einklebt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der rechten Terrorismus mit sogenannten Vertrauensleuten direkt finanziert, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der sich demokratischer Kontrolle aktiv entzieht, der Gesetze nach seinem Gusto beugt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der bei der Ausspähung seiner Bürger durch „befreundete Geheimdienste“ mitwirkt, den brauchen wir nicht. Einen Verfassungsschutz, der eine jahrelange Mordserie entweder gar nicht erst bemerkt, oder sie möglicherweise sogar gewusst und gedeckt hat, den brauchen wir erst recht nicht, der muss weg!

Verfassungsschutz auflösen. (Handgemenge)Es wird Zeit, Verfassungsschutz bundesweit aufzulösen. Und die Aufgaben, die in einer modernen Demokratie tatsächlich unerlässlich sind, auf eine neue Behörde zu übertragen, die von Grund auf einer demokratischen Kontrolle unterworfen ist.


Dieser Text basiert auf einer Rede, die ich anlässlich einer aktuellen Stunde im Landtag NRW zum Verfassungsschutzbericht 2015 am 7. Juli 2016 gehalten hatte (ist also keine wörtliche Wiedergabe – die Rede musste deutlich kürzer ausfallen, da mir nur drei Minuten Redezeit in der aktuellen Stunde zustanden).

Erschienen ist er auch als Gastbeitrag im neues deutschland: Rechts verharmlosen, links kriminalisieren.

Der braune Sumpf: Prozess gegen Reker-Attentäter beginnt

BraunerSchlamm

Am Freitag hat vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen den Attentäter Frank S. begonnen, der vergangenes Jahr versucht hat, die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin und damalige Kandidatin Henriette Reker mit einem Jagdmesser zu töten.

Frank S. war tief in der Bonner Skinhead- und Neonaziszene verwurzelt und hatte in der Vergangenheit an rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen. Er war Sympathisant der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP). Wegen Straftaten wie Raub und Körperverletzung hat er bereits im Gefängnis gesessen. Beim Verfassungsschutz lagen einschlägige Erkenntnisse über ihn vor.

Das Messerattentat selbst erinnert fatal an ein zuvor aufgetauchtes Video, auf dem Rechtsextreme bei einem sogenannten „identitärem Sommerlager“ im Kölner Umland Angriffe mit Messern üben. Die rechte Aktivistin Melanie D. wurde dabei mit dem als Trainer fungierenden Rainer H. (NPD) beim Messerkampf gefilmt. Wiederholt sind dabei Angriffe auf den Hals geübt worden, Frank S. hatte später einen ähnlichen Angriff auf den Hals von Henriette Reker durchgeführt. Möglicherweise hat sich Frank S. an diesen Techniken orientiert.

Nachdem sich zahlreiche Personen des rechten Spektrums im Nachhinein als Informanten oder V-Personen der Geheimdienste herausgestellt haben, und der Kölner Stadt-Anzeiger über Ungereimtheiten in der Arbeitslosengeschichte von Frank S. berichtet hatte, habe ich vier Tage nach dem Attentat der Landesregierung die Frage gestellt, ob der Attentäter als V-Person für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Diese Frage wollte die Landesregierung nicht beantworten. Ob also eine „höhere Behörde“ eine „schützende Hand“ über diesen Herrn gehalten hat, ist nach wie vor unklar. Eine Beschwerde über die nicht ausreichende Antwort blieb bislang unbeantwortet.

In der Prozesseröffnung hat der Angeklagte zunächst einmal über seine traurige Kindheit gejammert. Ich hoffe sehr, dass sich das Gericht nicht vorschnell auf die Theorie des „verwirrten Einzeltäters“ festlegt, sondern seinen rechtsextremen Hintergrund und Verbindungen zu Nazis aus dem Rheinland einerseits, sowie – möglicherweise – zur Polizei bzw. zum Verfassungsschutz des Landes andererseits beleuchtet. Wir werden den Prozess sorgfältig beobachten. Der Sumpf ist tief und noch nicht mal ansatzweise ausgehoben.

Duldet der Innenminister rechtsfreie Räume bei Nazi-Demonstrationen?

Ein Armutszeugnis und eine Kapitulationserklärung der Polizei NRW vor Neonazis. So muss man die Antwort des Innenministeriums auf meine kleine Anfrage zum Thema „Rechtsfreier Raum Nazidemo in NRW? Symbol verbotener Organisation auf Duigida-Demo unter den Augen der Polizei“ empfinden.

Auf der Duigida-Demonstration in Duisburg am 1. Februar 2016 trugen Demonstranten ein Banner „Good Night Left Side“ durch die Straßen, in dessen Mitte zwischen dem zweiten und dritten Wort das in rechtsradikalen Kreisen beliebte, verbotene Symbol „Keltenkreuz“ abgebildet war. Fotos zeigen, dass die Zurschaustellung dieses Symbols unter den Augen der Polizisten geschah, welche die Demonstration bewachten, ohne dass diese eingriffen. Bei Gegendemonstranten, die diesen Umzug zu blockieren versuchten, wurden hingegen noch vor Ort die Personalien festgestellt.

Zwar betonte der Innenminister in seiner nunmehr vorliegenden Stellungnahme, dass „die konsequente und beweissichere Verfolgung von Straftaten zu den Kernaufgaben der nordrhein-westfälischen Polizei“ gehöre. Jedoch musste er einräumen, dass ihm weder statistischen Erkenntnisse über die Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen auf Demonstrationen vorliegen, noch dass die Einsatzkräfte vor Ort die strafrechtliche Relevanz des Keltenkreuzes erkannt hatten.

Die Antworten zeigen eine erschreckende Unkenntnis der verantwortlichen Stellen. Es ist ein Armutszeugnis und eine Kapitulationserklärung der Nordrhein-Westfälischen Polizei gegenüber rechtsgerichteten Demonstrationen. Zudem werden hier erhebliche Mängel in der Ausbildung und Organisation der Polizei in NRW deutlich. Wieso reagierte die Polizei auf die verbotenen rechtsradikalen Symbole nicht einmal dann, als sie von Augenzeugen darauf hingewiesen wurde?

Mir reicht das alles nicht. Wegen der ungeklärten Fragen stelle ich eine neue kleine Anfrage an den Innenminister. „Nachfrage zum Keltenkreuz auf Duigida-Demo: Armutszeugnis und Kapitulationserklärung?“

Armutszeugnis und Kapitulationserklärung der Polizei NRW vor Nazis

FightNazis

Auf der Duigida-Demonstration in Duisburg am 1. Februar 2016 trugen Demonstranten ein Banner „Good Night Left Side“ durch die Straßen, in dessen Mitte zwischen dem zweiten und dritten Wort das in rechtsradikalen Kreisen beliebte, verbotene Symbol „Keltenkreuz“ abgebildet war. Fotos zeigen, dass die Zurschaustellung dieses Symbols unter den Augen der Polizisten geschah, welche die Demonstration bewachten, ohne dass diese eingriffen. Bei Gegendemonstranten, die diesen Umzug zu blockieren versuchten, wurden hingegen noch vor Ort die Personalien festgestellt.

Ich habe daraufhin die Landesregierung gefragt (Drucksache 16/11018), welche Fälle noch bekannt sind, in denen solche Kennzeichen auf Demonstrationen gezeigt wurden, warum keine Rechtsverfolgung vor Ort stattfand, und welche Folgen sie nun daraus zieht.

Die Landesregierung hat inzwischen geantwortet (Drucksache 16/11320). Sie räumt ein, dass das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bei versammlungsrechtlichen Veranstaltungen landesweit nicht gesondert erfasst wird. Zahlen liegen also nicht vor. Demzufolge ist also auch nicht bekannt, wann die Polizei eingriff und wann nicht.

Während der Demonstration sei durch die Einsatzkräfte zwar das beschriebene Banner mit Keltenkreuz gesehen, jedoch nicht als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation erkannt worden. Erst im Nachgang wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a StGB eingeleitet. Zuständig sei die Staatsanwaltschaft Duisburg, die Ermittlungen dauern derzeit an. Ausserdem erklärt die Landesregierung, dass eine Sensibilisierung der Einsatzkräfte erfolgt sei.

Die Landesregierung teilt mir in der Antwort folgendes mit: „Da die Einsatzkräfte die strafrechtliche Relevanz nicht erkannten, unterblieben erste strafprozessuale Maßnahmen. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass die Vielzahl verbotener Kennzeichen und deren Varianten – auch vor dem Hintergrund der sich stets fortentwickelnden unterschiedlichen Rechtsprechung – eingesetzte Polizeibeamte immer wieder vor Schwierigkeiten in der rechtlichen Einordnung stellt.“

Ein Armutszeugnis und eine Kapitulationserklärung vor Nazis.

Vertuschen, Verschweigen, Aussitzen: Fragwürdiger Umgang des Landtags NRW mit seiner NS-Vergangenheit

Holocaust

Wenn man sich anschaut, wie der Landtag Nordrhein-Westfalens mit der NS-Vergangenheit einer Vielzahl ehemaliger Abgeordneter umgeht, drängt sich der Eindruck auf, dass bis heute nur eine Devise gilt: Vertuschen, Verschweigen, Aussitzen.

Jahrzehntelang hatte sich der Landtag des heiklen historischen Themas nicht angenommen. Erst eine 2009 erschienene Studie des Düsseldorfer Historikers Dr. Michael Klepsch (60 Jahre Landtag NRW. Das vergessene braune Erbe, Düsseldorf 2009) brachte zum Vorschein, dass wenigstens 40 Landtagsabgeordnete aus dem Reihen von CDU und FDP mit Nazivergangenheit teils bis Mitte der achtziger Jahre im Landtag saßen.

Auch danach scheiterten verschiedene Anläufe der Aufarbeitung des Themas, die von der Mehrheit des Landtages abgelehnt wurden. Auf Initiative der Fraktion DIE LINKE fasste das Landtagspräsidium 2011 den Beschluss, ein Projekt mit dem Arbeitstitel „Personal des demokratischen Neuanfangs: Die Abgeordneten des Landtags Nordrhein-Westfalen von 1946 bis 1954“ in Auftrag zu geben.

Wie aber jetzt bekannt wurde, ist dieser Arbeitsauftrag bis zur vorgezogenen Landtagswahl 2012 verschleppt und dann, als der Fraktion der LINKEN der Wiedereinzug misslang, im September 2012 „aus Kostengründen“ stillschweigend beerdigt worden.

Während sich im Bund Ministerien intensiv darum bemühen, Licht in die eigene Vergangenheit zu bringen und Historikerkommissionen eingerichtet haben, taucht der Landtag in Nordrhein-Westfalen wortlos weg. Diese Verweigerungshaltung schadet massiv dem Ruf des Landes. Im Moment laufen die letzten Prozesse gegen die letzten lebenden NS-Täter.

Nordrhein-Westfalen kann es sich nicht leisten, eine Sonderrolle zu spielen. Dies gilt umso mehr, als es unserem Bundesland in der Nachkriegszeit der Versuch von Altnazis gab, einzelne Parteien und den Landtag zu unterwandern. Zu diesem Zweck habe ich eine kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet sowie für das nächste Plenum einen Antrag eingebracht. Der Landtag soll seine Verweigerungshaltung endlich beenden und sich seinem braunen Erbe stellen.

Antrag: Der Landtag von Nordrhein-Westfalen muss sich offen seiner NS-Vergangenheit stellen
Kleine Anfrage: Umgang mit der NS-Vergangenheit im Landtag: Aussitzen und Verschweigen?

Rechtsfreier Raum Nazidemo in NRW?

Mephisto

Symbol verbotener Organisation auf Duigida-Demo unter den Augen der Polizei

Auf der Duigida-Demonstration in Duisburg am 1. Februar 2016 trugen Demonstranten ein Banner „Good Night Left Side“ durch die Straßen, in dessen Mitte zwischen dem zweiten und dritten Wort ein Keltenkreuz (Fadenkreuz, also die Darstellung eines gleichschenkligen Balkenkreuzes, um dessen Schnittpunkt ein Ring gelegt ist) abgebildet war. Fotos zeigen, dass die Zurschaustellung dieses Symbols unter den Augen der Polizisten geschah, welche die Demonstration bewachten, ohne dass diese eingriffen. Bei Gegendemonstranten, die diesen Umzug zu blockieren versuchten, wurden hingegen noch vor Ort die Personalien festgestellt. Sie müssen mit Ermittlungen wegen Nötigung rechnen.

Das gleichschenklige Keltenkreuz war das Symbol der 1982 nach zwei Morden verbotenen, rechtsextremen „Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 1. Oktober 2008, Az. 3 StR 164/08) kann auch eine isolierte Verwendung dieses Kennzeichens nach § 86a des deutschen Strafgesetzbuches strafbar sein, wenn nicht die äußeren Umstände eindeutig ergeben, dass der Schutzzweck der Norm nicht tangiert ist – wie das bei der Demonstration zweifellos der Fall ist. Diese Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Darüber hinaus lässt sich das Symbol – gesehen als Fadenkreuz, verbunden mit dem Spruch „Good Night Left Side“ – als Aufforderung zur Gewalt interpretieren. Die Polizei ließ diesen strafbaren Zustand ungeahndet.

In Duisburg herrscht – unter dem Deckmantel der Demonstration „besorgter Bürger“ – mittlerweile offenes Nazitum. Die Polizei lässt die Rechtsextremen gewähren. Gegendemonstranten hingegen müssen mit sofortigen Maßnahmen rechnen. Das ist ein unerträglicher Zustand: Auch rechte Demonstrationen dürfen kein rechtsfreier Raum sein. Gerade einmal zwei Stunden zuvor befand sich Innenminister Jäger mit Personenschutz im Duisburger Bahnhof.

Ich habe daher die Landesregierung gefragt (Drucksache 16/11018):

  1. Bei welchen Demonstrationen wurden seit Anfang 2012 bis heute Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt? Nennen Sie jeden einzelnen Fall.
  2. Bei welchen dieser Fälle griff die Polizei nicht ein?
  3. Aus welchen Gründen griff die Polizei jeweils nicht ein?
  4. Wie bewertet die Landesregierung das Zeigen des Banners mit dem „Keltenkreuz“ auf der Duisburger „Duigida“-Demonstration am 01. Februar 2016? Gehen Sie darauf ein, inwieweit es sich um eine strafbare Handlung handelt, sowie inwieweit der Eingriff der Polizei geboten wäre. Begründen Sie, warum in diesem Falle nicht eingegriffen wurde, sowie die Verhältnismäßigkeit im Vergleich zum Umgang mit Gegendemonstranten.
  5. Was unternimmt die Landesregierung, um das Zeigen verbotener Symbole auf solchen Demonstrationen zukünftig zu unterbinden?

Vielsagend Nichtssagend: Innenminister Jäger möchte nicht verraten, ob Reker-Attentäter ein V-Mann war

Messer

NRWs Innenminister Ralf Jäger möchte nicht beantworten, ob der Mann, der die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker am 17. Oktober mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte, vom Verfassungsschutz als V-Mann geführt worden ist. Ich hatte ihn vier Tage nach der Tat in einer kleinen Anfrage danach befragt. Eine Führung als Informant oder V-Person durch den Verfassungsschutz NRW werde „aus Gründen des Geheimschutzes weder bestätigt noch verneint“, hieß es jetzt in der Antwort. Erkenntnisse über den Täter lägen beim Verfassungsschutz aus den 90er Jahren, sowie aus 2002 und 2008 jeweils im Zusammenhang mit Veranstaltungen der rechtsextremen Szene vor.

Ungereimtheiten im Lebenslauf und der Arbeitslosengeschichte des Attentäters hatten Spekulationen ausgelöst, ob eine „höhere Behörde“ eine „schützende Hand“ über den Täter halten würde.

Diese Antwort ist vielsagend nichtssagend. Sie sorgt nicht gerade dafür, den Verdacht zu zerstreuen, dass der Verfassungsschutz zuvor über diese Person und ihre Gefährlichkeit genau im Bilde war. Für eine fortgesetzte Geheimhaltung besteht kein Grund: Sollte er V-Person gewesen sein, müssen wir das erfahren, eine Verstrickung des Verfassungsschutzes in diesen Mordversuch muss Konsequenzen haben. Ein weiterer Einsatz des Attentäters als Informant in der Szene wäre ohnehin unvorstellbar. Und wenn Frank S. keine V-Person war, könnte der Minister diesen Verdacht leicht entkräften.

Die Verfassungsschutzbehörden stehen nach zahlreichen Affären, dem Versagen angesichts des NSU-Terrorismus und wegen indirekter Unterstützung der rechten Szene in der Kritik. Ihnen wird vorgeworfen, sich als auf dem rechten Auge blind gezeigt zu haben. Sollte auch der Reker-Attentäter im Vorfeld als Informant des Amtes tätig gewesen sein, wäre das ein neuer Tiefschlag für die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsbehörden.

Die Antwort des Innenministers ist nicht ausreichend. Angesichts der Skandale in verschiedenen Verfassungsschutzämtern ist ein gesundes Misstrauen nicht unbegründet. Ich fordere Ralf Jäger auf, rückhaltlos für Klarheit zu sorgen, inwieweit seine Behörden mit dem Attentäter in Verbindung standen. Das Verdecken einer unbequemen Wahrheit rechtfertigt jedenfalls keine Geheimhaltung.

Die kleine Anfrage wurde trotz ihres Einreichens am 21. Oktober 2015 erst fünf Wochen später im Landtagssystem veröffentlicht – eine Verzögerung, für die es ebenfalls keine Erklärung gibt, und die bei diesen Dokumenten absolut unüblich ist.

Unter der Drucksachennummer 16/10321 ist die Anfrage veröffentlicht. Die Antwort des Innenministers wird am 6. Januar unter der Drucksachennummer 16/10628 erscheinen.

Unter anderem haben der Kölner Stadt-Anzeiger und Neues Deutschland berichtet.

2016-01-04 17_40_33-Original Antwort KA 4089.pdf - SumatraPDF

Geheimnisse in der Arbeitslosengeschichte des Reker-Attentäters?

Foto: droneplcr (bei Flickr), Lizenz: CC BY 2.0Foto: droneplcr (bei Flickr), Lizenz: CC BY 2.0

Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet über Ungereimtheiten in der Arbeitslosengeschichte des Messerattentäters Frank S., der am 17.10.2015 die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker zu töten versuchte.

Frank S. soll tief in der Bonner Skinhead- und Neonaziszene verwurzelt gewesen sein, an rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen haben und Sympathisant der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) gewesen sein. Wegen Straftaten wie Raub und Körperverletzung habe er bereits im Gefängnis gesessen. Das Messerattentat selbst erinnert an ein kürzlich aufgetauchtes Video, auf dem Rechsextreme im Kölner Umland Angriffe mit Messern üben.

Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt, Frank S. habe jahrelang ALG2-Leistungen bezogen, ohne bei der Arbeitsagentur jemals vorsprechen zu müssen und ohne je vermittelt worden zu sein. Seine Akte beim Amt sei zudem als geheim eingestuft. Der Kölner Stadt-Anzeiger formuliert die Frage, ob hier etwas verschleiert werden soll.

Nachdem sich zahlreiche Personen des rechten Spektrums im Nachhinein als Informanten oder V-Personen der Geheimdienste herausgestellt haben, muss die Frage gestattet sein, ob das hier möglicherweise der Fall ist. Ist das womöglich der Grund für die Geheimniskrämerei?

Ich habe daher heute der Landesregierung die folgenden Fragen gestellt:

  • Welche Leistungen der Arbeitsagentur hat Frank S. bezogen?
  • Aus welchen Gründen musste Frank S. nicht bei der Arbeitsagentur vorsprechen bzw. gab es keine Vermittlungsversuche?
  • Aus welchen Gründen ist seine Akte bei der Arbeitsagentur als geheim eingestuft?
  • Welche Informationen lagen beim Verfassungsschutz des Landes NRW über Frank S. vor? Nennen Sie auch Zeitpunkte der Informationsgewinnung.
  • Wurde Frank S. als Informant oder V-Person des Verfassungsschutzes des Landes NRW oder einer anderen Verfassungsschutzbehörde geführt? Nennen Sie die beteiligte Behörde, soweit die Landesregierung Kenntnis davon hat.

HoGeSa mit Beteiligung des Verfassungsschutzes? Was wusste die Landesregierung?

Bild: Metropolico.org (bei Flickr), Lizenz: CC BY-SA 2.0Foto: Metropolico.org (bei Flickr), Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wie die Autonome Antifa Freiburg und später SPIEGEL online berichtete, ist der kürzlich verstorbene Gründer der Bewegung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) Roland S. mindestens seit dem Jahr 2009 V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen.

Vergangenes Jahr waren etwa 5000 Hooligans und Nazis aufgrund eines Demonstrationsaufrufs der HoGeSa in der Kölner Innenstadt aufmarschiert und konnten nahezu ungestört randalieren, Menschen bedrohen, Autos umwerfen, den Hitlergruß zeigen und rassistische und menschenverachtende Parolen brüllen. Die Polizei war sichtlich überfordert und unterbesetzt – eine angemessene Aufarbeitung durch Polizei und Landesregierung fand bislang nicht statt. Diese Demonstration war das Signal für eine bundesweite Kette von Folgedemonstrationen, aus denen sich Pegida und andere fremdenfeindliche Bewegungen entwickelten. Angriffe auf Flüchtlingsheime wurden zu täglichen Nachrichtenbildern.

Offenbar ist bereits die Gründung dieser Bewegung unter der Lupe des Verfassungsschutzes vollzogen worden. Gleichwohl wurde nichts unternommen, die erwartbaren Eskalationen abzuwenden, noch das Ausbreiten der Demonstrationen im ganzen Bundesgebiet zu verhindern. Hat sich der Verfassungsschutz einmal mehr als völlig unfähig erwiesen?

Die Polizei hat sogar die Anwesenheit von Neonazis bei der Demonstration lange bestritten, dabei entstammte der Gründer Roland S. selbst einer bekannten Skinhead-Organisation, auch E-Mails seiner Gesinnungsgenossen legte Roland S. dem Verfassungsschutz vor. Der SPIEGEL berichtet von E-Mails eines NPD-Politikers sowie eines bekannten Hamburger Neonazis, die dem Verfassungsschutz bereits vor der HoGeSa-Demonstration in Köln vorlagen. Diesen kann man entnehmen, wie der V-Mann Roland S. die Bewegung laufend weiter radikalisierte.

Das gipfelt in einer E-Mail des Hamburger Neonazis, in der er seine Verwunderung ausdrückt, dass die Demonstration nicht bereits im Vorfeld durch den Staat verboten wurde. Innenminister Jäger hingegen behauptet bis heute, die Gewaltexplosion sei nicht vorhersehbar gewesen.

Gemeinsam mit meinen Kollegen Torsten Sommer, Frank Herrmann, Daniel Düngel, Birgit Rydlewski und Hanns-Jørg Rohwedder habe ich eine kleine Anfrage (Drucksache Nummer 16/9996) eingereicht, um von der Landesregierung Aufklärung über die folgenden Punkte zu verlangen:

  1. Wurde Roland S. vom Landesverfassungsschutz in NRW geführt?
  2. In welchem Umfang war die Landesregierung bzw. die zuständigen Landesbehörden über Gründung und Entwicklung der HoGeSa informiert? Gehen Sie darauf ein, ob und inwieweit Informationen durch den führenden Verfassungsschutz weitergegeben wurden.
  3. Welche Informationen aus dieser Quelle lagen der Landesregierung bzw. den zuständigen Landesbehörden im Vorfeld der HoGeSa-Demonstration im Oktober 2014 in Köln vor, u.a. Umfang und Gefährlichkeit dieser Demonstration betreffend?
  4. Wie bewertet es die Landesregierung, wenn „ein Verfassungsschutz dabei zuschaut, wie ein V-Mann eine ganze Bewegung gründet und weiter radikalisiert?“ Gehen Sie darauf ein, ob ein solcher Verfassungsschutz seiner Aufgabe gerecht wird.
  5. Bleibt die Landesregierung bei Ihrer Darstellung, die Gewalt bei der HoGeSa Demonstration in Köln sei nicht vorhersehbar gewesen? Gehen Sie darauf ein, wie es zu bewerten ist, wenn trotz der vorliegenden, einschlägigen Informationen die Demonstration nicht im Vorfeld verboten wurde.

Brandstiftung aus „Angst vor Flüchtlingen“? Neben der physischen auch noch eine geistige Brandstiftung!

match

„Leicht wird ein kleines Feuer ausgetreten, das – erst geduldet – Flüsse nicht mehr löschen.“ – William Shakespeare

Polizei und Staatsanwaltschaft haben nach der Brandstiftung in einer Flüchtlingsunterkunft in Altena am 03.10.2015, bei der sieben syrische Menschen vor den Flammen fliehen mussten, zwei mutmaßliche Täter im Alter von 23 und 25 Jahren ermittelt. Nachdem die Verdachtsmomente sich verdichtet hatten, wurden die beiden Beschuldigten am 08.10.2015 vorläufig festgenommen und vernommen, sie legten ein Geständnis ab. Das Tatmotiv sei in der „Verärgerung“ über den Einzug von Flüchtlingen in das Haus in direkter Nachbarschaft zu suchen, so berichtet es die Pressemitteilung der Polizei. Da weiterführende Haftgründe nach Meinung der Behörden nicht vorlagen, wurden die jungen Männer wieder entlassen.

In einem Bericht der Westdeutsche Allgemeinen Zeitung (WAZ) heißt es: „Die jungen Männer sollen aus „Angst vor Flüchtlingen“ gehandelt haben. Sie wollten nicht, dass die sieben Syrer – darunter eine schwangere Frau – in dem Haus an der Brandstraße wohnen.“ Ein rechtsradikaler Hintergrund läge nicht vor, hätte die Polizei mitgeteilt, so stand es in dem Artikel eine Zeit lang zu lesen, dieser Satz wurde später gelöscht.

Die beiden Männer bleiben nach ihrer Vernehmung auf freiem Fuß, weil rechtlich kein Haftgrund vorläge, so berichtet es die WAZ. Nach Abschluss der Ermittlungen und Anklage der Staatsanwaltschaft müsse das Duo mit einem Gerichtsverfahren wegen vorsätzlicher Brandstiftung rechnen.

In dieser von den Behörden verwendeten Sprache kann man verharmlosende Begrifflichkeiten wahrnehmen, dessen Folgen fatal sein könnten. Es stellt sich die Frage, ob hier neben der physischen auch noch eine geistige Brandstiftung begangen wird. Ich will, dass diese Verharmlosungen in offiziellen Mitteilungen der Landesbehörden aufhören: Fremdenfeindliche Taten müssen auch entsprechend bezeichnet werden!

Ich habe daher die Landesregierung in einer kleinen Anfrage die folgenden Fragen gestellt:

  1. Hält die Landesregierung es für eine typische Reaktion auf Angst, wenn jemand daraufhin mit einem Benzinkanister in das Haus desjenigen eindringt, vor dem er „Angst hat“, um es anzuzünden?
  2. Warum verwenden die zuständigen Behörden die verharmlosende Begrifflichkeit von „Angst vor Fremden“, bzw. von „Verärgerung“ und reden nicht, wie es zutreffend wäre, von „Hass auf Fremde“?
  3. Inwieweit handelt es sich bei einer Tat aus Fremdenfeindlichkeit nicht um eine Tat mit rechtsradikalem Hintergrund? Gehen Sie darauf ein wann eine eindeutig fremdenfeindliche Tat rechtsradikal ist und wann nicht.
  4. Welches sind die Gründe, warum die zuständigen Behörden eine Mord- oder Tötungsabsicht ausschließen, und offenbar nur wegen Brandstiftung anklagen?
  5. Welchen Einfluss hat ein derartig verharmlosender Umgang und verharmlosende Sprache der Behörden des Landes NRW auf eventuelle nachahmende Täter? Gehen Sie darauf ein, inwieweit sich Täter durch solch verharmlosenden Umgang zu weiteren Taten ermutigt fühlen könnten.

Die kleine Anfrage ist mit der Drucksachennummer 16/9965 veröffentlicht worden.