Syrien: Einen weiteren militärischen Alptraum darf es nicht geben

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Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP haben heute einen gemeinsamen Antrag „Entschlossen und besonnen für die Freiheit und gegen den Terror“ zu den Terroranschlägen in Paris im Plenum des Landtags NRW verabschiedet. Den Antrag kann man hier nachlesen.

Inhaltlich kann ich mich dieser Resolution voll anschließen, ich habe ihr daher zugestimmt. Die Taten in Paris waren abscheulich, die Täter sollen mit allen gebotenen Mitteln verfolgt und bestraft werden. Die Opfer betrauern wir zutiefst, doch dürfen wir uns von den Mördern nicht einschüchtern lassen, deswegen unsere Freiheit einschränken oder die Bereitschaft verringern, Asyl zu gewähren.

Doch eine Sache kommt mir darin deutlich zu kurz: Die meisten Opfer von Terrorismus gibt es im Nahen Osten, im Irak und in Syrien, in Afghanistan oder den Krisengebieten Nordafrikas. Sie dürfen nicht als Opfer zweiter Klasse angesehen werden, wir müssen uns gegen den Terrorismus weltweit wenden, nicht nur, wenn er in Europa stattfindet. Die Getöteten in diesen Ländern sind nicht weniger wert als die im Westen. Daher begrüße ich die ergänzende Resolution der Piratenfraktion, die das klarstellt, auch dieser habe ich zugestimmt.

Am Entstehen und an der Verbreitung von Terrorismus trägt leider auch der Westen Mitschuld. Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, soziale Ungleichheit zwischen Norden und Süden, geostrategische- sowie wirtschaftspolitische Interessen als Grund für Krieg, einseitige Parteinahme gegen die Kurden, nicht zuletzt der völkerrechtlich fragwürdige Irak-Feldzug sowie die illegalen Drohnenangriffe durch die USA sind mit ursächlich dafür. Die Serie an Kriegen im Nahen und Mittleren Osten hat die Situation bislang nur verschärft und verschlimmert. Leidtragende sind immer die Menschen vor Ort.

Daher habe ich große Sorge vor einem weiteren Kriegseinsatz in Syrien. Aus großer Höhe Bomben auf ein Land zu werfen, wird den Terrorismus nicht besiegen. Das ist ein wenig so, als würden sie im Restaurant mit einer Bratpfanne nach einer Fliege werfen: Nur mit viel Glück wird man sie treffen, viel wahrscheinlicher landet die Pfanne in der Vitrine – oder am Kopf eines Gastes.

Wir müssen angesichts der vielen Menschen auf der Flucht Verantwortung für die Fluchtursachen übernehmen. Wir dürfen bei Völkermord und Vertreibung auch nicht einfach wegsehen. Das sind die wahren Gründe, warum wir uns für die Menschen in Syrien und gegen Daesh engagieren müssen. Doch es darf keine nationalen Alleingänge geben, bei denen jedes Land überwiegend seine eigenen, meist wirtschaftlichen oder geostrategischen Interessen verfolgt.

Wenn es einen militärischen Einsatz geben soll, dann nur mit internationalem Mandat und unter internationalem Kommando, mit einem klaren, vorher definiertem Ziel und einem Plan, wie man es erreichen will. Einen weiteren, nicht endend wollenden, militärischen Alptraum darf es nicht geben.

Grundrecht auf menschenwürdige Wohnverhältnisse für alle, auch für Geflüchtete: Notfalls ungenutzten Wohnraum in Anspruch nehmen!

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„Ein Haus ist eine Arche, um der Flut zu entrinnen.“ – Katherine Mansfield

Ich habe gestern den folgenden Antrag zur Befassung im Landtag Nordrhein-Westfalens eingereicht:


Grundrecht auf menschenwürdige Wohnverhältnisse für alle, auch für Geflüchtete: Notfalls ungenutzten Wohnraum in Anspruch nehmen!

I. Herausforderung durch eine große Zahl geflüchteter Menschen

Der große Zustrom von Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten stellt unser Land und die Kommunen vor große Herausforderungen. Zahllose Menschen fliehen derzeit vor existentieller Not, Gewalt und Vertreibung aus ihrer Heimat zu uns in der Hoffnung auf Schutz, Frieden und eine bessere Zukunft. Sie mit offenen Armen zu empfangen, ihnen Obdach, Versorgung und eine Perspektive zu schaffen gebietet uns die Menschlichkeit und ist uns durch die Verfassung bestimmte Aufgabe. Für diese humanitäre Pflicht gibt es keine Obergrenzen.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl schutzsuchender Menschen in der nächsten Zeit zurückgeht, vielmehr müssen wir erwarten, dass Flucht und Vertreibung anhalten werden, solange die Ursachen dafür bestehen. Jeder Antrag auf Asyl muss auf den Einzelfall bezogen geprüft und bewertet werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung von Unterkunft und Versorgung der Geflüchteten obliegt derweil den Ländern und Kommunen.

Die Landesregierung hat in ihren Antworten auf die kleinen Anfragen 3911, 3912 und 3913 des Unterzeichners betont, zahlreiche geeignete und durchaus auch kreative Maßnahmen zur Beschaffung von Unterkünften zur Unterbringung dieser Menschen zu ergreifen. So wurden dankenswerterweise zahlreiche ungenutzte Landesimmobilien bereits umgewidmet oder werden dafür vorbereitet. Dennoch ist zu befürchten, dass bald Flüchtlinge obdachlos sein werden, weiterhin in ungeeigneten Massenunterkünften, oder nicht winterfesten, schwer heizbaren Zelten oder Hallen verbleiben müssen, da keine Reserven mehr vorhanden sind. Bestehende Notunterkünfte sind längst überfüllt, und neue Standorte und Gebäude immer schwerer zu finden. Selbst Wohncontainer für Notunterbringung sind vielerorts ausverkauft. Der Städte- und Gemeindebund hat bereits im August vor einer drohenden Obdachlosigkeit für Flüchtlinge in NRW gewarnt.

Unter den Geflüchteten sind zahlreiche Kranke, ältere Menschen, Kinder oder Schwangere, die besonderen Schutz benötigen. Viele Menschen sind aufgrund einer langen und strapaziösen Flucht sowie der belastenden Ereignisse in ihren Herkunftsländern körperlich und seelisch erschöpft. Sie sind damit weniger widerstandsfähig gegenüber den Strapazen einer Obdachlosigkeit bzw. einer Unterbringung in ungeeigneten Massenunterkünften oder Zelten, gerade im Winter. Ein rücksichtsloses Abhalten der Flüchtlinge an Europas Außen- oder Binnengrenzen löst dieses Problem nicht, sondern verlagert es nur in die unübersichtlichen Grenzregionen und missachtet die Menschenrechte der Geflohenen. Die sich verschlechternden winterlichen Wetterbedingungen auf der Fluchtroute verschärfen dieses Problem.

II. Genügend Wohnraum für alle vorhanden

Dabei muss im Grunde ausreichend Platz in Deutschland für Flüchtlinge vorhanden sein: Die Bevölkerungszahl Deutschlands lag laut statistischem Bundesamt noch vor 10 Jahren um über 1,3 Millionen über der heutigen Zahl – auch damals gab es keine Massen-Obdachlosigkeit. Die Bevölkerung NRWs war laut Landesbetrieb für Information und Technik Nordrhein-Westfalen vor 10 Jahren um über 400.000 Personen größer. Laut einer im Juli vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung verliert NRW in den nächsten 15 Jahren 480.000 Einwohner, insbesondere auf dem Land.

Die Gesamtzahl der Auswanderer aus Deutschland liegt seit Jahren konstant im Bereich über 600.000 Menschen pro Jahr, 2014 sollen es über 900.000 Menschen gewesen sein. Aus Nordrhein-Westfalen sind 2014 über 180.000 Menschen ausgewandert. Selbst ohne Wohnungsneubau sollte es also rein rechnerisch möglich sein, jährlich eine gleiche Anzahl von Menschen neu unterzubringen – mit Wohnungsneubau sogar eine größere Zahl. Offensichtlich bleibt vorhandener Wohnraum ungenutzt und steht dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung. Niemand müsste obdachlos sein.

III. Inanspruchnahme von Wohnraum bei Gefahr für öffentliche Ordnung

Wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist – etwa durch drohende Obdachlosigkeit einer Vielzahl von Menschen aufgrund von fehlendem Wohnraum – verpflichtet das Ordnungs- und Polizeirecht der Bundesländer die Behörden zum Eingreifen. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält eine Beschlagnahme von Wohnungen für diese Zwecke grundsätzlich für erlaubt. Er wird wie folgt zitiert: „In besonderen Fällen ist es schon nach geltendem Recht nicht ausgeschlossen, leerstehende Wohnungen für Flüchtlinge in Anspruch zu nehmen. Die Gesetze der Länder sehen solche sicherheitsrechtlichen Notstandseingriffe vor, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren, die nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Der Eigentümer ist allerdings in vollem Umfang zu entschädigen. Es wäre in der Regel die verkehrsübliche Miete zu erstatten.“ Papier warnte gleichwohl auch, diese Maßnahmen nicht überzustrapazieren: „Ein solches Vorgehen sollten sich die staatlichen Stellen gut überlegen. Die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung könnte rasant auf null sinken.“ Für die Akzeptanz einer solchen Maßnahme ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Behörden mit dem gleichen Einsatz um alle Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen kümmern müssen, die bereits in Deutschland leben – ungeachtet ihrer Herkunft oder Nationalität.

Die Bundesländer Hamburg und Bremen sehen Änderungen in ihren Ordnungsgesetzen vor, um solche Maßnahmen zu erleichtern. Hier ist es bereits zu ersten Beschlagnahmungen von Immobilien gekommen. Nordrhein-Westfalen sollte ebenfalls prüfen, ob das bestehende Landesrecht ausreicht, um im Bedarfsfall ohne besondere Verfahrenshindernisse leerstehenden Wohnraum durch Land oder Kommunen zügig in Anspruch nehmen zu können, auch wenn die Zustimmung der Eigentümer nicht vorliegt. Gegebenenfalls sollte die Rechtslage nach Hamburger Vorbild erleichtert und geklärt werden. Alle Arten von Immobilien sollten in Anspruch genommen werden können, die eine zügige Unterbringung von Geflüchteten tatsächlich ermöglichen. Auch sollte ausdrücklich ermöglicht sein, für eine gewerbliche Nutzung bestimmte Immobilien in Anspruch zu nehmen, wenn sie geeignet sind. Teilflächen und Gebäudeteile sollten ebenfalls davon umfasst sein. Damit erhalten Land und Kommunen eine zusätzliche Handlungsoption, um die gegenwärtige Notsituation zu bewältigen.

Es ist allerdings klarzustellen, dass diese Möglichkeit nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommt. Keineswegs sollen das Land oder die Kommunen von ihrer Pflicht entbunden sein, zuvor alles zu versuchen, um auf anderem Wege ausreichend angemessenen Wohnraum bereitzustellen. Auch kann eine Inanspruchnahme gegen den Willen der Eigentümer niemals eine Dauerlösung sein, sondern muss von vornherein befristet werden, und die Eigentümer müssen auf Antrag ortsüblich vergleichbar entschädigt werden. Eine eventuelle Erleichterung oder Klarstellung im Gesetz sollte von vornherein nur auf maximal zwei Jahre befristet sein, und dann von selbst wieder außer Kraft treten. Diese Zeit sollte dann genutzt werden, um den Wohnungsneubau und die Umwidmung von Leerstand zu Wohnungen voranzutreiben.

Eventueller Widerspruch der Eigentümer sollte die Nutzung nicht aufschieben dürfen, da sonst der Zweck der kurzfristigen Entlastung verfehlt wird: Ohne Anordnung des gesetzlichen Sofortvollzugs würde die gefahrenrechtliche Maßnahme ins Leere laufen. Alleine durch Zeitablauf beim Ausschöpfen des Rechtsweges würde der Erfolg des Gesetzes bereits faktisch vereitelt werden. Umgehungen der Inanspruchnahme, etwa durch vorgeschobene Überlassungsverträge, ohne dass eine tatsächliche Nutzung erfolgt, sollten ebenfalls verhindert werden: Eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken, die ausschließlich oder weit überwiegend den Zweck verfolgt, eine Inanspruchnahme durch Land oder die Kommunen zu vereiteln, soll nicht möglich sein.

IV. Flüchtlinge nicht gegen andere Gruppen ausspielen

Im nordrhein-westfälischen Nieheim hat die Stadtverwaltung langjährigen Mietern eines Wohnhauses wegen „Eigenbedarfs“ gekündigt, um dort Flüchtlinge einzuquartieren. Damit allerdings hat sie den Bogen überspannt: Mieter auf die Straße zu setzen kann nicht die Lösung des Problems sein, wie man geflüchtete Menschen unterbringt. Es darf nicht die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt werden, solche Versuche sind zu verurteilen. Die Nutzung des vorhandenen Wohnungsleerstands mit allen gebotenen Mitteln ist auf jeden Fall zu bevorzugen. Es zeigt jedoch, wie beansprucht die Kommunen in unserem Land bereits sind.

Selbstverständlich dürfen das Land und die Kommunen auch keine anderen Personen schutzlos in Obdachlosigkeit belassen, gleichgültig, ob es sich um geflüchtete Menschen handelt, die neu zu uns kommen, oder um andere Menschen, die bereits in unserem Land leben. Langfristig bedarf es eines ehrgeiziges Wohnungsbau- und Sozialprogrammes für alle Menschen in unserem Land ungeachtet ihrer Herkunft, die derartige Unterstützung benötigen. Nur so lässt sich die weitere Zunahme von Extremismus und Rassismus verhindern und Integration auch konkret im Alltag bewerkstelligen. Ebenso muss die konkrete Verantwortung für Fluchtursachen übernommen werden. Export von Kriegs- und Repressionsinstrumenten in solche Gebiete muss unterlassen werden.

V. Der Landtag soll folgendes feststellen:

  1. Flüchtlinge sind willkommen in unserem Land. Forderungen nach Obergrenzen für die Aufnahme geflüchteter Menschen unter Missachtung des individuellen Rechts auf Asyl und den humanitären Geboten der Menschenwürde erteilen wir eine klare Absage.
  2. Ein Aufhalten der Flüchtlinge an Europas Außen- oder Binnengrenzen löst das Problem ihrer Unterbringung nicht, sondern verlagert es lediglich in diese Grenzregionen.
  3. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahlen schutzsuchender Menschen kurzfristig wieder abnehmen, solange die Fluchtursachen unverändert weiterbestehen. Wir müssen uns auf weitere Zuwanderung einstellen.
  4. Das rechtliche Handlungsinstrumentarium zur Bewältigung der Unterbringung einer großen Zahl von Flüchtlingen durch Land und Kommunen muss der Herausforderung entsprechen und notfalls erweitert werden.
  5. Land und Kommunen sind weiterhin gefordert, alles zu unternehmen, um ausreichend angemessenen Wohnraum zu schaffen und bereitzustellen. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, muss als allerletzte Option möglich sein, leerstehenden Wohnraum auch ohne Zustimmung der Eigentümer in Anspruch zu nehmen. Von dieser Maßnahme muss im Notfall Gebrauch gemacht werden.
  6. Eine langfristige Lösung kann nur in einem ehrgeizigem Wohnungs- und Sozialprogramm liegen zugunsten aller Menschen in unserem Land, die dieser Hilfe bedürfen, sowie in der Übernahme von Verantwortung für die Bekämpfung der Fluchtursachen.

VI. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern,

  1. zu prüfen, ob das bestehende Ordnungs- und Polizeirecht des Landes im Notfall eine ausreichend unkomplizierte Inanspruchnahme von leerstehendem Wohnraum ohne besondere Verfahrenshindernisse durch Land bzw. Kommunen zur Abwendung von Obdachlosigkeit ermöglicht;
  2. das Parlament über das Ergebnis dieser Prüfungen zeitnah zu informieren;
  3. ggf. eine Konkretisierung bzw. Änderung des Rechts nach Hamburger Vorbild vorzunehmen.
    1. Eine Änderung des Rechts ist auf maximal 2 Jahre zu befristen;
    2. für die Eigentümer ist eine Entschädigung auf Antrag in Form ortsüblicher, vergleichbarer Mietzahlung vorzusehen;
    3. sie ist so zu gestalten, dass ein Widerspruch der Eigentümer auf die Unterbringung keine aufschiebende Wirkung hat, damit der kurzfristig entlastende Effekt nicht faktisch vereitelt werden kann;
    4. es ist klarzustellen, dass alle Immobilien und Flächen, Immobilienteile und Teilflächen ungeachtet ihres ursprünglichen Zwecks in Anspruch genommen werden können, wenn sie sich für die Unterbringung tatsächlich eignen;
    5. Nutzungen, deren Sinn alleine oder ganz überwiegend darin besteht, die Inanspruchnahme durch Land oder Kommunen zu verhindern, sollen nicht zugelassen werden.

Rede zum Antrag „Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen“

Hier noch die Rede zu meinem Antrag „Dem Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen!“, die ich am Mittwoch, den 4. November 2015 gehalten habe:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen.

Transitzonen – das ist ein schönes Beispiel für Politik-Sprech, also die Kunst, etwas mit einem wohlklingenden Namen zu bezeichnen, der von der tatsächlichen Bedeutung ablenken soll.

Transit heißt eigentlich Übergang oder Durchgang. Eine Transitzone ist also ein Bereich, den man durchquert, um in eine andere Gegend zu gelangen.

Doch das ist eine Lüge. Bei den Transitzonen, die wir hier heute Morgen debattiert haben, handelt es sich um das genaue Gegenteil. Diese Zonen sollen Flüchtlinge gerade nicht durchqueren, sondern sie sollen aufgehalten werden; auf engstem Raum eingesperrt und möglichst umgehend wieder zurückgeschickt werden. Das ist keine Transitzone, das ist ein Aussperrlager.

Das ist alles andere als Willkommenskultur. Das ist das Gegenteil von menschenwürdig. Damit beugt man sich den Hetzern und Scharfmachern, den Asylfeinden und Rassisten. Damit ermutigt man die Scharfmacher, die vom Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge faseln, die geistigen und die tatsächlichen Brandstifter.

Nacht für Nacht erleben wir einen sich steigernden Terror gegen andere Menschen. Er reicht von Hass und Volksverhetzung auf Plakaten bei den sogenannten Spaziergängen über Bedrohung politisch verantwortlich handelnder verantwortlicher Personen bis hin zu Attentaten auf Flüchtlinge, Helfer und Politiker. Das soll Angst und Schrecken verbreiten, um einen politischen Wandel in der Asylpolitik herbeizuführen. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, warnt schon vor einem neuen Rechtsterrorismus gegen Flüchtlinge. Was da geschieht, deckt sich nämlich mit der Definition von Terrorismus. Also lassen Sie uns bitte auch davon reden. Wie es aussieht, haben die Terroristen mit ihren terroristischen Taten sogar leider Erfolg.

Lassen Sie uns damit aufhören, solche Taten zu verharmlosen. Wer Häuser anzündet, in denen geflüchtete Menschen schlafen, der handelt nicht aus Angst oder Sorge, der handelt aus Hass. Der will Menschen töten. Lassen Sie uns das bitte auch genauso bezeichnen.

Wer den Boden für solche Gewalttaten bereitet, der ist kein Asylkritiker, der ist ein Rassist. Der ist ein Fremdenfeind, ein Menschenfeind und kein besorgter Bürger. Daran ändert auch nichts, wenn er aus der Mitte unserer Gesellschaft stammt. Wir konnten auf Videos beobachten, wie Nazis aus dem PEGIDA-Umfeld im Umland von Köln Messerangriffe auf Menschen übten. Später dann sehen wir genau einen solchen Angriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Das ist Terrorismus, und der kommt von rechts.

Das Recht auf Asyl ist ein universales. Menschen, die aus existenzieller Not zu uns kommen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, haben einen Anspruch auf unseren Schutz. Für diese humanitäre Pflicht gibt es keine Obergrenze.

Die Diskussionen, die darüber geführt werden, sind brandgefährlich. Sie ermutigen die Rassisten und Attentäter doch nur, noch weiterzumachen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Und jetzt erst recht! – Vielen Dank.

Premierenantrag: Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen!

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Ich habe für das Plenum des nordrhein-westfälischen Landtags in der kommenden Woche zwei Anträge eingereicht. Das ist eine Premiere, es sind meine ersten Anträge als fraktionsloser Abgeordneter. Es wird sehr spannend zu beobachten sein, wie diese beiden Anträge von den Fraktionen und im Plenum behandelt werden. Heute möchte ich Euch den ersten der beiden Anträge vorstellen.

In den vergangenen Wochen habe ich mich auch mit der Flüchtlingssituation in unserem Land befasst. In mehreren kleinen Anfragen habe ich die Unterbringung von Flüchtlingen thematisiert, aber auch die meines Erachtens verharmlosende Sprache, die in der öffentlichen Berichterstattung und auch in den Verlautbarungen von Strafverfolgungsbehörden verwendet wird. Auch zur Motivlage des Attentats auf Henriette Reker in Köln am Vortag der Bürgermeisterwahl habe ich Fragen gestellt. Ich möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass solche Taten Kriminalität bis hin zum Terror sind, und die Motive nicht als „Kritik“ verniedlicht werden, sondern als der Hass und Rassismus bezeichnet werden, der sie wirklich sind.

Wenn politisch verantwortlich handelnde Menschen mit dem Tod bedroht werden, um damit politische Ziele durchzudrücken, wenn Bombenanschläge vorbereitet werden, wenn Messerattacken auf Politiker stattfinden, dann überschreitet das die Grenze zum Terrorismus. Damit sollen Menschen in ihrem Engagement für Flüchtlinge eingeschüchtert und zurückgedrängt werden. Und das dürfen wir nicht zulassen.

Es wäre schön, wenn sich Fraktionen diesem Antrag anschließen können. Ich habe ihn im Vorfeld an die im Landtag vertretenen Fraktionen gesendet, und um Unterstützung geworben. Hier der Antrag im Volltext:

I. Ausgangslage

Der große Zustrom an Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten stellt unser Land vor große Herausforderungen. Zahllose Kinder, Frauen und Männer aller Altersgruppen fliehen vor existentieller Not, Gewalt und Vertreibung aus ihrer Heimat zu uns in der Hoffnung auf Schutz, Frieden und eine bessere Zukunft. Sie mit offenen Armen zu empfangen, ihnen Obdach, Versorgung und eine Perspektive zu bieten ist unsere verfassungsgemäße Pflicht und gebietet uns die Menschlichkeit. Für diese humanitäre Pflicht gibt es keine Grenzen.

Leider wird diese Pflicht nicht von allen Bürgern gleichermaßen anerkannt. Wir erleben regelmäßige Hass-Demonstrationen und Angstmache, die den Boden bereiten für Übergriffe und Bedrohungen gegen Flüchtlinge, bis hin zu zahlreichen Brandanschlägen auf Unterkünfte, wobei die Täter Verletzung und Tod der dort untergebrachten Menschen in Kauf nehmen oder gar wünschen.
Erfreulicherweise gibt es eine breite, zivilgesellschaftliche Szene von Helfern, die sich unermüdlich für die Versorgung von Flüchtlingen und die Bewältigung von schwierigen Situationen einsetzen. Auch Helfer sind Ziel von Hass und Angriffen geworden.

Kommunen sind an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen. Damit die Situation vor Ort nicht noch dramatischer wird, und die Spannungen vor Ort nicht noch größer werden, ist es erforderlich, dass das Land unkompliziert nachhaltige Unterstützung leistet. Nur wenn die Situation vor Ort angemessen ist, kann der soziale und gesellschaftliche Frieden gesichert werden.

Feststellen mussten wir eine Zunahme von Bedrohungen und Angriffen auf politisch verantwortliche Personen. Aufgeheizt durch das fremdenfeindliche Klima kam es beispielsweise zu Morddrohungen gegen engagierte kommunale Politiker. Uns alle zutiefst entsetzt hat der Versuch eines Messerattentäters, die damalige Sozialdezernentin und jetzige Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, zu töten. Auch dies hat der Attentäter mit ihrem Einsatz für Flüchtlinge begründet. Wir sind froh und dankbar, dass sie auf dem Weg der Gesundung ist, dass sie dennoch ihr Oberbürgermeisteramt angenommen hat und sich nicht aufhalten lässt.

Das Ziel solcher Bedrohungen und Angriffe ist klar: Politisch verantwortlich handelnde Personen sollen eingeschüchtert und zurückgedrängt werden und ihr Engagement einstellen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Man kann längst nicht mehr von Einzeltaten sprechen. Es hat sich eine Szene entwickelt, in der das Spektrum von Hass-Äußerungen gegen Flüchtlinge, Helfer und politisch Verantwortliche über Gewaltandrohungen bis hin zur physischen Gewalt, Attentaten und Anschlägen geht. Durch die Vielzahl von Taten und die Bedrohung von Helfern und Verantwortlichen entsteht ein Klima von Angst und Schrecken, um politische Positionen zur Einschränkung und Verzicht auf Asyl durchzusetzen. Das ist blanker Terror, und das muss auch so bezeichnet werden. Als Reaktion auf solche Geschehnisse das Asylrecht einzuschränken ist der vollkommen falsche Weg und gibt den fremdenfeindlichen Bestrebungen recht.

In der öffentlichen Sprache von Ermittlungsbehörden und in der Berichterstattung wird teils immer noch relativiert. Statt von Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus ist dort von „Asylkritik“ die Rede, bisweilen wird selbst bei nationalsozialistischen Symbolen noch ein rechtsextremer Hintergrund ausgeschlossen, Täter werden unwillentlich in Schutz genommen, wenn man von „Angst“ als Tatmotiv anstatt von Hass spricht. Das ist relativierend und brandgefährlich.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Flüchtlinge sind willkommen in unserem Land. Menschen, die vor Krieg und existentieller Not fliehen verdienen unseren Schutz ohne Begrenzung.
2. Den zahllosen Helfern und den Menschen, die in dieser Situation politisch verantwortlich handeln, zollen wir unseren größten Respekt.
3. Hass-Demonstrationen, Bedrohungen und physische Gewalt gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche verurteilen wir auf das Schärfste. Dem dadurch verbreitetem Klima der Angst stellen wir uns entschieden entgegen.
4. Solche Taten dürfen nicht verharmlost werden. Wenn Hass das Motiv, wenn Terror das Ziel der Täter ist, so muss das auch so benannt werden.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. alles Notwendige zu tun, Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche vor Hass, Bedrohungen und Angriffen zu schützen;
2. sich dem dadurch verbreitetem Klima von Angst und Schrecken entschieden entgegenzustellen;
3. Kommunen bei der Bewältigung ihrer Last nach Kräften zu unterstützen,
4. die Verwicklungen in der Szene, die Motivlage und Zusammenhänge zwischen handelnden Personen und Gruppen rückhaltlos aufzuklären;
5. darauf hinzuwirken, dass potentiell verharmlosende Sprache bei der Beschreibung solchen Taten oder der Motive der Täter durch die Behörden des Landes vermieden wird, sondern sie als die Kriminalität aus Hass bezeichnet werden, die sie sind.

Der Antrag wurde mit der Drucksachennummer 16/10055 veröffentlicht.

Brandstiftung aus „Angst vor Flüchtlingen“? Neben der physischen auch noch eine geistige Brandstiftung!

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„Leicht wird ein kleines Feuer ausgetreten, das – erst geduldet – Flüsse nicht mehr löschen.“ – William Shakespeare

Polizei und Staatsanwaltschaft haben nach der Brandstiftung in einer Flüchtlingsunterkunft in Altena am 03.10.2015, bei der sieben syrische Menschen vor den Flammen fliehen mussten, zwei mutmaßliche Täter im Alter von 23 und 25 Jahren ermittelt. Nachdem die Verdachtsmomente sich verdichtet hatten, wurden die beiden Beschuldigten am 08.10.2015 vorläufig festgenommen und vernommen, sie legten ein Geständnis ab. Das Tatmotiv sei in der „Verärgerung“ über den Einzug von Flüchtlingen in das Haus in direkter Nachbarschaft zu suchen, so berichtet es die Pressemitteilung der Polizei. Da weiterführende Haftgründe nach Meinung der Behörden nicht vorlagen, wurden die jungen Männer wieder entlassen.

In einem Bericht der Westdeutsche Allgemeinen Zeitung (WAZ) heißt es: „Die jungen Männer sollen aus „Angst vor Flüchtlingen“ gehandelt haben. Sie wollten nicht, dass die sieben Syrer – darunter eine schwangere Frau – in dem Haus an der Brandstraße wohnen.“ Ein rechtsradikaler Hintergrund läge nicht vor, hätte die Polizei mitgeteilt, so stand es in dem Artikel eine Zeit lang zu lesen, dieser Satz wurde später gelöscht.

Die beiden Männer bleiben nach ihrer Vernehmung auf freiem Fuß, weil rechtlich kein Haftgrund vorläge, so berichtet es die WAZ. Nach Abschluss der Ermittlungen und Anklage der Staatsanwaltschaft müsse das Duo mit einem Gerichtsverfahren wegen vorsätzlicher Brandstiftung rechnen.

In dieser von den Behörden verwendeten Sprache kann man verharmlosende Begrifflichkeiten wahrnehmen, dessen Folgen fatal sein könnten. Es stellt sich die Frage, ob hier neben der physischen auch noch eine geistige Brandstiftung begangen wird. Ich will, dass diese Verharmlosungen in offiziellen Mitteilungen der Landesbehörden aufhören: Fremdenfeindliche Taten müssen auch entsprechend bezeichnet werden!

Ich habe daher die Landesregierung in einer kleinen Anfrage die folgenden Fragen gestellt:

  1. Hält die Landesregierung es für eine typische Reaktion auf Angst, wenn jemand daraufhin mit einem Benzinkanister in das Haus desjenigen eindringt, vor dem er „Angst hat“, um es anzuzünden?
  2. Warum verwenden die zuständigen Behörden die verharmlosende Begrifflichkeit von „Angst vor Fremden“, bzw. von „Verärgerung“ und reden nicht, wie es zutreffend wäre, von „Hass auf Fremde“?
  3. Inwieweit handelt es sich bei einer Tat aus Fremdenfeindlichkeit nicht um eine Tat mit rechtsradikalem Hintergrund? Gehen Sie darauf ein wann eine eindeutig fremdenfeindliche Tat rechtsradikal ist und wann nicht.
  4. Welches sind die Gründe, warum die zuständigen Behörden eine Mord- oder Tötungsabsicht ausschließen, und offenbar nur wegen Brandstiftung anklagen?
  5. Welchen Einfluss hat ein derartig verharmlosender Umgang und verharmlosende Sprache der Behörden des Landes NRW auf eventuelle nachahmende Täter? Gehen Sie darauf ein, inwieweit sich Täter durch solch verharmlosenden Umgang zu weiteren Taten ermutigt fühlen könnten.

Die kleine Anfrage ist mit der Drucksachennummer 16/9965 veröffentlicht worden.

Flüchtlingen in NRW ein festes Dach über den Kopf!

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„Ein Haus ist eine Arche, um der Flut zu entrinnen.“ – Katherine Mansfield

Die zahlreichen flüchtenden Menschen, die zur Zeit zu uns nach Nordrhein-Westfalen kommen, werden teils notdürftig in Turnhallen, teils in Zelten unter freiem Himmel untergebracht. Beides kann nur eine Notlösung sein, und der Winter naht. Unter den Flüchtlingen sind Kinder, Kranke und alte Leute, denen solche Provisorien nicht zugemutet werden dürfen.

Langfristig ist die dezentrale Unterbringung in Wohnungen „mitten im Leben“ die beste Lösung, damit geflohene Menschen möglichst schnell zur Ruhe finden, und sich in die Gesellschaft einfügen können. Aber auch eine kurzfristige Unterbringung muss in einer sicheren und angemessenen Wohnstätte sein.

Die Landesregierung NRW ist aufgefordert, alle eigenen Möglichkeiten zur menschenwürdigen Unterbringung auszuschöpfen. Dazu eignen sich grundsätzlich auch eigene Immobilien, sowie die des Bundes in NRW, mindestens jedenfalls, wenn sie derzeit ungenutzt sind. Dazu sind insbesondere auch leerstehende Kasernen des Bundes ins Auge zu fassen, die Baumärkten und Turnhallen sowie Zeltstädten vorzuziehen wären, zumindest soweit damit aus Kriegsgebieten geflohene Menschen nicht zusätzlich traumatisiert werden können.

Auch in Gästewohnungen des Landes, seiner Behörden und landeseigener Betriebe können Flüchtlingsfamilien wohnen. Solche Wohnungen des Bundes in NRW sind dafür ebenfalls geeignet. Die Unterbringung von Flüchtlingen hat dabei sicher Vorrang vor der von solchen Gästen, die sich auch eine Hotelunterbringung leisten könnten.

Gleichzeitig stehen in NRW zahlreiche Gewerbeimmobilien, Büroetagen und –Gebäude leer. Die Leerstände ziehen sich oft schon seit Jahren hin, und eine Unterbringung unter einem festen Dach ist allemal besser als in einem zugigen Zelt. Wasseranschlüsse und Elektrizität sind vorhanden, sanitäre Einrichtungen lassen sich schneller hinzufügen.

Ich habe drei kleine Anfragen gestellt, die das Land auffordern, die beschriebenen Formen der Unterbringung zu prüfen und stärker zu nutzen. Diese findet ihr hier:

Damit ist diese kleine Serie von Anfragen sicher nicht abgeschlossen, da gibt es gewiss noch sehr viel mehr geeignete, tolle Ideen. Gerne nehme ich weitere Anregungen entgegen.

Liebe verdient Respekt: Ehe für alle!

rainbowLiebe verdient Respekt. Alle Menschen sollen ungeachtet ihres Geschlechtes das gleiche Recht haben, einander zu heiraten. Auch andere, auf dauerhafte Verantwortung angelegte Partnerschaften und Lebensgemeinschaften müssen berücksichtigt werden.

Durch das irische Referendum ist die Forderung, Heiraten und Ehe für alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechtes zu ermöglichen, wieder in den Fokus gerückt. 62,1% aller Abstimmenden waren dafür, dass auch homosexuelle Paare heiraten können sollen. Die Wahlbeteiligung war mit 60,5% beeindruckend hoch.

Eines Volksentscheids bedarf es im Grunde nicht: Der Grundsatz der Gleichstellung aller Menschen ungeachtet ihres Geschlechts gebietet die Gleichbehandlung auch in Bezug auf die Ehe. Dies umfasst dann nicht nur auch homosexuelle Paare, sondern ausdrücklich Menschen aller Geschlechter und Orientierungen.

Am 12. Juni 2015 hat der Bundesrat eine Entschließung zur vollständigen Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare verabschiedet. Die Bundesregierung wird darin gebeten, die verfassungswidrige Ungleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaften homosexueller Paare zu beenden. Dies stellt einen ersten, begrüßenswerten Schritt zur Öffnung der Ehe für alle dar.

Ehen erster und zweiter Klasse darf es nicht geben.

Artikel 1 des Grundgesetzes basiert auf der freien Selbstbestimmung über Angelegenheiten des persönlichen Lebens. Der Vielfalt aller Lebensstile muss daher diskriminierungsfrei und in voller Gleichberechtigung entsprochen werden. Eine tatsächlich diskriminierungsfreie Öffnung der Ehe muss eine einseitige Bevorzugung traditioneller Rollen-, Familien- und Arbeitsmodelle wirksam überwinden. Die wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens muss ermöglicht werden, um der möglichen Vielfalt aller Lebensentwürfe gleichberechtigt gerecht zu werden.

Das Eheversprechen ist eine persönliche Entscheidung. Niemand soll berechtigt sein, die Ausgestaltung der Eheform festzulegen oder auf bestimmte Geschlechter oder Lebensmodelle zu begrenzen.

Alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen, queeren und polyamourösen Partnerschaften sowie Lebensgemeinschaften, die eine auf Dauer angelegte Verantwortung füreinander enthalten, müssen vollumfänglich gleichgestellt werden.

Durch die Ehe für alle wird weder die klassische Ehe zwischen Mann und Frau diskriminiert, noch die Familie benachteiligt.

In unserem Land leben viele tausend Regenbogenfamilien, denen bislang die volle rechtliche Anerkennung verwehrt ist, oder Familien mit anderen Beziehungs- und Verantwortungsmodellen. Die Ehe für alle sorgt dafür, Diskriminierungen dieser Familien abzubauen. Dies dient unmittelbar auch dem Kindeswohl der in diesen Familien aufwachsenden Kinder.

Schutz und Förderung von Familien darf nicht im Wesentlichen allein von der steuerlichen Förderung einer Verbindung von Mann und Frau abhängig sein. Die steuerliche Förderung der „Hausfrauenehe“ sichert Familien nicht.


Die Piratenfraktion hat einen entsprechenden Antrag unter der Drucksachennummer 16/8972 eingereicht, der am 26. Juni 2015 im Plenum behandelt werden wird.

Alan Turings Todestag – und was das für die Netzgemeinde bedeutet

Foto: cc-by-2.0 andreas_tw
Foto: cc-by-2.0 andreas_tw
Am 07.06.1954, vor 61 Jahren, hat sich Alan Turing das Leben genommen. Auf ihn geht die gesamte Computerwissenschaft zurück, für die er das theoretische Fundament gelegt hat. Wir Nerds und Netzmenschen sind heute gewissermaßen die Erben seiner Forschungen.

Er wurde Opfer einer Gesetzgebung, die Homosexualität unter Strafe stellte. Nachdem er zur chemischen Kastration verurteilt wurde, nahm er sich das Leben.

Das sollte uns eine Mahnung sein, dass wir uns nicht nur um die technologischen Aspekte des Netzes kümmern müssen, sondern auch um die Menschen, die täglich Opfer von Diskriminierung und Verfolgung werden. Das Internet ist davon nicht isoliert.

Ich habe dazu einen Video-Podcast gemacht, und freue mich über Verbreitung und Likes bei Youtube.

Foto von andreas_tw bei Flicker, Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic

„Operation Last Chance“: Die letzten lebenden NS-Täter zur Verantwortung ziehen

Jew_Killings_in_Ivangorod_(1942)Der deutschen Ostfront im zweiten Weltkrieg folgte eine etwa 3000 Mann starke Tötungsbrigade, die sogenannten Einsatzgruppen. Sie wurden aus Polizisten, SD, Gestapo und Waffen-SS zusammengesetzt. Aufgeteilt in vier Gruppen bezeichnet mit A, B, C und D waren sie seit Juni 1941 in Osteuropa im Einsatz. Sie sollte in den eroberten Gebieten Führungspersonal, Beamte, Intellektuelle, Kranke und Behinderte, mutmaßliche Partisanen, vor allen Dingen aber: Juden töten.

Man umstellte die Opfer – Männer, Frauen und Kinder – und brachte sie außerhalb der Ortschaften. Dort wurden die Menschen erschossen und in Panzergräben, Steinbrüchen, Kiesgruben oder Schluchten verscharrt. Mindestens eine Millionen Mal legten diese Einsatzgruppen das Gewehr an und erschossen einen Menschen. Das Unterkommando 4a der Einsatzgruppe C etwa tötete allein am 29. und 30. September 1941 in Zusammenarbeit mit Wehrmacht und Polizei in Kiew 33.771 Juden und verscharrten sie in der Schlucht von Babyn Jar. Später kamen mobile Gaswagen zum Einsatz, damit die Massentötungen die Einheiten nicht zu sehr seelisch belasten. Darin wurden die Opfer mit den Motorabgasen ermordet.

In den NS-Archiven liegen insgesamt 195 sog. Ereignismeldungen vor, insgesamt mehr als 4000 Seiten Papier. In ihnen ist, mit Datum, Ort und konkreten Umständen, der Mord an mindestens 535.000 Menschen dokumentiert.

Im sogenannten Einsatzgruppenprozess 1947 und 48 sollten diese Taten verfolgt werden. Insgesamt 24 Kommandeure standen vor Gericht – weil der Gerichtssaal über 24 Sitze für Angeklagte verfügte. Die meisten anderen Mitglieder der Einsatzgruppen blieben trotz der klaren Quellenlage unbehelligt. Das gleiche gilt für zahlreiche Täter in Konzentrationslagern, die sich später auf Befehlsnotstand beriefen.

Tradition des Wegschauens

386px-Oradour-sur-Glane_F-2Leider hat unser Land eine lange Tradition, solche Täter weder gerichtlich zu belangen, noch sie dorthin auszuliefern, wo ihnen der Prozess gemacht wurde. Auch innerhalb NRWs gibt es unrühmliche Beispiele wie den SS-General Heinz Lammerding, der die 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ gegen Partisanen kommandierte. Er wurde wegen des Massakers von Ordadour in Frankreich zum Tode verurteilt. Unbesorgt vor einer möglichen Auslieferung oder Verurteilung im Inland war Lammerding nach dem Krieg als Bauunternehmer im Düsseldorfer Norden tätig, und genoss anschließend seinen Lebensabend am Tegernsee.

2013 startete das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Deutschland die Kampagne „Operation Last Chance“, mit deren Hilfe die letzten noch lebenden Kriegsverbrecher in Deutschland aufgespürt werden sollen. Zunächst wurden in Berlin, Hamburg und Köln insgesamt 2.000 Plakate mit dem Motto „Spät, aber nicht zu spät!“ aufgehängt. Auf den schwarz-roten Plakaten war das Tor zum KZ Auschwitz abgebildet.

Am 1. Oktober 2014 übergab das Simon-Wiesenthal-Zentrum dem Bundes­innen­ministerium eine Liste mit den Namen von achtzig möglicherweise noch lebenden Mitgliedern der Einsatzgruppen. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, wies darauf hin, dass es sich bei den auf der Liste aufgeführten Personen um die jüngsten Mitglieder der mobilen Einsatzgruppen handele, die zwischen 1920 und 1924 geboren wurden. Aufgrund dessen gehe man davon aus, dass einige davon möglicherweise noch am Leben und gesund genug seien, um angeklagt zu werden.

Liste liegt dem Bundesinnenministerium vor

Die Bundesregierung hat die Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg übermittelt. Aufgabe der Zentralen Stelle in Ludwigsburg ist es, das gesamte erreichbare ermittlungsrelevante Material über nationalsozialistische Verbrechen weltweit zu sammeln, zu sichten und auszuwerten. Hauptziel ist es dabei, nach Ort, Zeit und Täterkreis begrenzte Tatkomplexe herauszuarbeiten, um noch lebende und verfolgbare Beschuldigte festzustellen. Ist dies so weit wie möglich gelungen, schließt die Zentrale Stelle – die keine Anklagebehörde ist – ihre Vorermittlungen ab und leitet den Vorgang der zuständigen Staatsanwaltschaft zu.

Seit 1961 ist im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund die „Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen“ eingerichtet worden. Falls es zu Anklagen kommen sollte, findet der Prozess vor dem örtlich zuständigen Gericht statt.

Keine Maßnahmen der Regierung NRW

Der Justizminister des Landes NRW bekräftigte zwar auf meine Kleine Anfrage 2754 mit Schreiben vom 31. Oktober 2014, dass die Verfolgung nationalsozialistischer Massenverbrechen der Landesregierung ein zentrales Anliegen sei, antwortete aber auch, dem Justizministerium des Landes sowie der „Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen“ läge die Liste gegenwärtig nicht vor. Aktive Maßnahmen seitens der Strafverfolgungsbehörden des Landes, diese Liste zu erlangen nannte der Minister nicht.

Das ist mir deutlich zu wenig. Ich erwarte, dass sich die Justizbehörden des Landes NRW sich mit allen dafür in Frage kommenden Stellen im In- und Ausland in Verbindung setzen, diese Liste besorgen und sie auswerten. Die Landesregierung sollte sich dafür verantwortlich fühlen, die dazu notwendigen Daten zu beschaffen und weiterzuleiten. Daher habe ich einen entsprechenden Antrag geschrieben.

Da sich dieses Thema allerdings nicht für parteipolitische Spielchen eignet, habe ich mich um einen gemeinsamen Beschlusstext aller Fraktionen bemüht. Ich freue mich, dass sich alle Fraktionen diesem Antrag anschließen konnten, und wir im Parlament damit ein gemeinsames, starkes Zeichen setzen konnten, gerade auch angesichts wiederaufflackernder antisemitischer Taten in Deutschland und Europa.

Gemeinsamen Antrag im Parlament erreicht

Die Holschuld des Justizministeriums aus meinem ursprünglichen Antrag wurde leider in der späteren Beratung zu einer Bringschuld aller anderen Stellen abgeschwächt – das finde ich sehr schade. Ich erwarte, dass das Justizministerium sich auch ohne eine expliziten Beschluss dafür verantwortlich fühlt, alle relevanten Informationen zur Verfolgung der letzten lebenden NS-Täter aktiv beim Bundesinnenministerium, bei den Bundesjustizbehörden und beim Simon-Wiesenthal-Center abzuholen. Der vereinbarten Berichterstattung durch die Landesregierung bis zum Ende des Jahres sehen wir gespannt entgegen.

antifapiratenIn einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sagen 81 Prozent der Deutschen, dass sie die Geschichte der Judenverfolgung gerne „hinter sich lassen“ würden. Und 58 Prozent der Befragten wollen einen regelrechten Schlussstrich unter dieses Kapitel der deutschen Geschichte ziehen.

Doch einen Schlussstrich unter diese Verbrechen darf es niemals geben! Die Mahnung an diese Verbrechen ist wichtig und muss weitergelten! Wer Geschichte vergisst, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!


Dieser Artikel erschien zunächst bei den Ruhrbaronen und bei HaGalil.

BND-Spionageskandal: Auch Unternehmen bei und aus Köln betroffen!

CDv1_GkW8AAP4mAIn Anlehnung an die heute abgehaltene aktuelle Stunde habe ich eine Pressemitteilung verfasst, die ich den Pressevertretern in Köln und Umgebung zukommen lasse.

BND-Spionageskandal – Auch Unternehmen aus und bei Köln betroffen – Daniel Schwerd erstattet Anzeige.

Daniel Schwerd, Kölner Landtagsabgeordneter der Piratenpartei erstattete heute Strafanzeige [1] gegen führende Beamte im Kanzleramt und beim Bundesnachrichtendienst (BND).
Der BND soll nach neuesten Erkenntnissen des NSA-Untersuchungsausschusses, bereits 2008 eng mit dem US-Geheimdienst NSA zusammengearbeitet und zur Ausspähung von Tausenden deutschen Unternehmen und Bürgern beigetragen haben.

Der Untersuchungsausschuss wurde darüber informiert, dass über 40.000 Suchparameter angelegt worden sind, so genannte Selektoren. Damit wurden gezielt Daten deutscher und europäischer Unternehmen an Internet-Knotenpunkten abgegriffen und Spionage betrieben. Über die Zahl der durchgeführten Operationen schweigen sich die Verantwortlichen bisher aus. Experten gehen davon aus, dass diese Zahl um ein Vielfaches höher ist.

Daniel Schwerd prangerte die Untätigkeit der Landes- und Bundesregierung in der heutigen aktuellen Stunde des Landtages an. „Es wurde bekannt, dass zwei Kommunikationsunternehmen in der Nähe von Köln vom britischen Nachrichtendienst ausgehorcht wurden. Wir waren bei einem der betroffenen Unternehmen vor Ort und haben hier im Landtag diverse Anträge gestellt, die samt und sonders abgelehnt wurden. Das Kölner Unternehmen DE-CIX wurde ebenfalls abgehört, und hat seinerseits Strafanzeige erstattet.

Eine Taktik der Nachrichtendienste ist es, gezielt Arbeitnehmer dieser Firmen auszuspionieren, um mit den gewonnenen Informationen in die Firmennetzwerke einzudringen. Es sind also Menschen in Nordrhein-Westfalen ganz persönlich betroffen. Die verantwortlichen Politiker aus dem zuständigen Bundeskanzleramt sowie die Führungsspitze des Bundesnachrichtendienstes müssen nach §99 Strafgesetzbuch (Geheimdienstliche Agententätigkeit) zur Rechenschaft gezogen werden,“ so Daniel Schwerd.

[1] Text der Strafanzeige: http://www.piratenfraktion-nrw.de/2015/04/bnd/