Warum ein No-Spy-Gütesiegel für Hardware sinnlos ist

data-87148_640Der SPD-nahe Verein „Zentrum für digitalen Fortschritt“ D64 e.V. fordert ein Gütesiegel für NSA-freie Hardware. Gesche Joost, Beiratsvorsitzende des D64 und EU-Internetbotschafterin der Bundesregierung verlangt, dass Hardware ohne ein solches Siegel nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfe.

Diese Vorschläge enthüllen ein bestürzendes Ausmaß an Naivität.

US-amerikanische Unternehmen arbeiten schon seit Jahren mit den Nachrichtendiensten zusammen. Es bleibt ihnen nach dortiger Gesetzeslage gar keine andere Wahl, der USA Patriot Act und andere Gesetze räumen den Geheimdiensten weitgehende Rechte ein. Über Spionagemaßnahmen und Überwachungseinrichtungen zu reden wird den Unternehmen anschließend regelmäßig untersagt, dafür sorgt dann eine in den sogenannten National Security Letters enthaltene Gag Order.

Ein US-Unternehmen kann also durchaus dazu genötigt sein, ein solches Siegel wider besseres Wissen an ihre Produkte zu kleben.

Aber auch ohne Wissen des Unternehmens können Hintertüren eingebaut sein. Es können Sicherheitslücken vorhanden sein, die dem Hersteller nicht bekannt sind, über die die Experten der NSA aber im Bilde sind. Aus Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden geht hervor, dass die NSA-Spezialabteilung ANT solche Sicherheitslücken gezielt sucht, und Spionagewerkzeuge dafür baut. Selbstverständlich würde sie die Kenntnis über diese Lücken nicht preisgeben. Und selbstverständlich würde sie der zertifizierenden Stelle das niemals verraten.

Geschlossene Firmware lässt sich nicht prüfen

Hardware ist typischerweise mit Firmware ausgestattet, die öffentlich nicht zur Verfügung steht. Eine externe Stelle ist nicht in der Lage, solche Software gründlich auf Fehler oder Hintertüren zu überprüfen. Wie also soll ein vertrauenswürdiges Zertifikat entstehen?

Das Gütesiegel dieser Art ohnehin keine Sicherheit darstellen weiß man nicht erst seit dem Skandal mit fehlerhaften Brustimplantaten, die vom TÜV Rheinland zertifiziert waren.

Es gibt nur eine erfolgversprechende Lösung: Hardware muss mit einer offenen Schnittstellenbeschreibung übergeben werden. Firm- und Betriebssystemsoftware muss offen vorliegen. Nur so lässt sich die Funktionalität solcher Software prüfen. Nur so kann unternehmens- und damit geheimdienstunabhängige Firmware entstehen. Idealerweise bildet sich eine Open Source-Bewegung, die offene Firmware für diese Geräte schreibt. Code wird von vielen Augen begutachtet, Sicherheit wird öffentlich überprüfbar, Fehler werden schneller behoben. Gag-Orders sind nicht mehr möglich.

Open Source als Chance

Genau darin besteht eine Chance für europäische Unternehmen: Hardware mit offenen Spezifikationen vorlegen, Entwicklung und Support für open-source-basierte Firmware leisten, Systeme basierend auf solchen Komponenten bauen und anbieten. Mit steigendem Sicherheitsbewusstsein kann dieser Produktvorteil zu einem Wirtschaftsschub führen, der europäischen Unternehmen unmittelbar nutzt.

Paradoxerweise ist gerade der Heartbleed-Bug ein Beleg dafür, dass Open Source prinzipiell sicherer ist als geschlossene Software. Beim Heartbleed-Bug handelte es sich um einen schwerwiegenden Programmierfehler in der Open Source-Bibliothek OpenSSL, der das Auslesen von sensiblen Serverinhalten inklusive Benutzernamen und Passwörtern ermöglichte.

Nur weil es sich um ein quelloffenes Projekt war, konnte der Fehler von unabhängiger Stelle gefunden und so schnell behoben werden. Nur deswegen gelang die umgehende Information der Öffentlichkeit so gründlich. Das Auffinden von Fehlern ist kein Hinweis auf eine grundsätzliche Schwäche eines Systems, sondern das Zeichen eines erfolgreichen Tests.

Kein Vertrauen in No-Spy-Versprechen

Ein No-Spy-Siegel hingegen würde vermutlich ohnehin denselben Weg gehen wie der Wunsch Deutschlands nach einem No-Spy-Abkommen: Es wird von US-amerikanischer Seite schlicht ignoriert werden. Darüber hinaus würde es die Nutzer in trügerischer Sicherheit wiegen.

Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla erklärte bereits im August 2013 den Spionageangriff westlicher Geheimdienste für beendet. Auch er setzte auf schriftliche Versicherungen, die er von US-amerikanischen Partnern erhalten hatte. Wie unfassbar falsch er damit lag, wissen wir mittlerweile. Es gibt guten Grund, solchen Garantien auch in Zukunft gründlich zu misstrauen.

Breitbandausbau: Thema im Landtag NRW

snow-220636_640In den letzten zwei Plenarrunden war der Breitbandausbau wieder einmal Thema im Landtag Nordrhein-Westfalens. Ihr wisst, dass wir schon mehrere Anträge dazu eingebracht haben, es Expertengespräche und Anhörungen auf unseren Antrag hin gab. Unserer Meinung nach geht der Breitbandausbau in NRW viel zu langsam voran, genauer gesagt gibt es bislang noch überhaupt kein Konzept, wie man ein schnelles Internet in alle Haushalte bringt. Derzeit stehen rund 9 Mio Euro Fördermittel dafür zur Verfügung – aus dem Landwirtschaftsministerium, zum Ausbau in Gegenden, in denen weniger als 2 Mbit/s. zur Verfügung stehen. Wer jetzt schon 2 Mbit hat, guckt in die Röhre.

Wir forderten, Fördergelder aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“, kurz EFRE genannt, ebenso für den Breitbandausbau zu nutzen. Bislang stand die Landesregierung auf dem Standpunkt, Fürdergelder aus EFRE nicht für den Ausbau von Breitband-Internet verwenden zu dürfen. Eine Meinung, die sich nach einem Expertengespräch im Wirtschaftsausschuss vom 19.03.2013 als falsch herausgestellt hat.

Piraten, CDU und FDP haben daraufhin eine aktuelle Stunde „Landesregierung darf beim Breitbandausbau nicht weiter auf der Bremse stehen“ beantragt, die am Freitag, den 28. März 2014 debattiert wurde. Die gesamte Debatte könnt ihr hier nachsehen, meinen ersten Redebeitrag findet ihr ab Minute 7:20, meinen zweiten Redebeitrag bei 1:14:00.

Zu Beginn wurde ich übrigens wegen meines EFF-T-Shirts von der Präsidentin ermahnt.

Aus der Debatte folgte ein Antrag „Breitbandausbau beschleunigen – Landesregierung muss Operationelles Programm EFRE für flächendeckenden Breitbandausbau öffnen“, der im Grunde einen alten Antrag der gesamten Opposition aufgriff, sowie einen Entschließungsantrag dazu mit der Drucksachennummer 16/5534. Die Debatte dazu fand am Mittwoch, den 09. April 2014 statt. Meinen Redebeitrag könnt ihr hier nachsehen:

Erfreulicherweise gab es viel Resonanz, zum Beispiel in RTL, 1Live, WDR, sowie in der Presse (zum Beispiel hier oder hier). Das mit den Themen halt. Netzpolitik und so.

GCHQ und NSA spionieren Unternehmen in NRW aus

spionageNeue Enthüllungen aus den Geheimdokumenten von Edward Snowden zeigen die Aktivitäten der Geheimdienste NSA und GCHQ im Bereich der Wirtschaftsspionage. Auch zwei nordrhein-westfälische Telekommunikations-Unternehmen aus Hürth und Ruppichteroth sind demnach Opfer der geheimdienstlichen Ausspähung geworden – und zwar nicht nur die Unternehmen und deren Geschäftsbeziehungen, sondern auch deren Mitarbeiter persönlich, schreibt der SPIEGEL.

Dazu haben wir heute eine Pressemitteilung herausgegeben, in der ich folgendes gesagt habe.

„Neben den mündlichen Aussagen von Edward Snowden gibt es nun auch schriftliche Hinweise aus seinen Geheimdokumenten für das, was wir alle bereits geahnt haben: NSA und GCHQ betreiben massiv Wirtschaftsspionage in NRW. Die Landesregierung muss das Thema endlich ernst nehmen und unsere Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage schützen. Die Unternehmen selbst sind angesichts der technischen Fähigkeiten der Geheimdienste mit dieser Aufgabe überfordert. Darum müssen die Regierungen auf Landes- und Bundesebene jetzt endlich reagieren und Hilfe anbieten.

Wir fordern die Landesregierung auf, sofort einen Krisengipfel mit allen wichtigen Playern einzuberufen. Wir brauchen jetzt geballte Kompetenz an einem Tisch und wirksame Reaktionen. Der Schutz der Unternehmen darf nicht länger an einer unwilligen Regierung oder der behäbigen Bürokratie scheitern. Wir brauchen eine Task Force, bestehend aus den betroffenen Unternehmen, den zuständigen staatlichen Organisationen – wie Verfassungsschutz und die NRW-IT-Einrichtungen CERT und CIO – aber auch IT- und Sicherheitsunternehmen sowie Vertretern des ccc.

Bisher hat die Landesregierung auf die immer neuen Hinweise in Sachen staatlicher Wirtschaftsspionage mit gespielter Gelassenheit reagiert. Immer wieder hören wir, mangels Beweisen bewege man sich im Nebel. Dabei ist die Lage mehr als klar: Wenn Herr Minister Jäger jetzt nicht endlich handelt, bekommt er bei wolkenlosem Himmel einen mächtigen Sonnenbrand. Dieses Wegducken können wir uns angesichts der Bedrohungslage nicht länger leisten und ist mit Blick auf den Ernst der Lage eine Frechheit.“

Wir haben bereits am 11. Juli 2013 einen Antrag “Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora schützen!” (Drucksache 16/3434) in den Landtag NRW eingebracht.

Am 06.02.2014 bestätigten mehrere Sachverständige im Rahmen einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss, dass man davon ausgehen müsse, dass die NSA und andere Geheimdienste auch in NRW Wirtschaftsspionage betreiben.

Passiert ist bislang: Nichts.

Ist unsere Wirtschaftsförderung effektiv?

1upDer kleine Handwerker Mario möchte sich selbstständig machen. Vielleicht hat Mario eine gute Idee, oder er kann irgendetwas besonders gut – oder vielleicht auch nicht. Jedenfalls will Mario mit seinem Bruder Luigi seine eigene Firma gründen. Da erinnert sich Mario daran, dass es die Wirtschaftsförderung des Landes Nordrhein-Westfalen gibt. Mario fragt also nach und tatsächlich – das Land bietet Mario einen Gründungszuschuss an. Das heißt: Das Land schenkt ihm Geld, damit ihm die Firmengründung leichter fällt. Mamma mia, Mario freut sich! Das Geld nimmt er dankend an und gründet seine Firma. Soweit, so gut.

Ein paar Wochen später meldet sich das Wirtschaftsministerium bei den Mario-Brüdern – man macht eine Umfrage für die Wirtschaftsförderung des Landes. Man fragt sie, wie ihnen denn der Gründungszuschuss gefallen habe und ob sie die Förderung weiterempfehlen würden? Die Antwort ist eindeutig: Natürlich hat ihnen der Gründungszuschuss gefallen – schließlich haben sie Geld geschenkt bekommen. Darum wären sie auch jederzeit bereit, diese Fördermaßnahme weiter zu empfehlen.

Die Antworten von Mario und Luigi werden notiert – ebenso, wie die Antworten von allen Anderen, die Geld aus der Förderung bekommen haben. Wie nicht anders zu erwarten, ergibt die Umfrage, dass sich fast alle Teilnehmer über das geschenkte Geld gefreut haben. Dieses Ergebnis wird in einen Bericht geschrieben, und an das Parlament geschickt. Dort steht dann klipp und klar: 90 Prozent der Teilnehmer der Fördermaßnahme waren mit der Förderung zufrieden. Und alle so: Yeah! Die Maßnahme war ein voller Erfolg! Ja, da haben wir Politiker mal wieder einen guten Job gemacht.

Leider steht in dem Bericht aber eine entscheidende Sache nicht drin: Nämlich, was die Förderung tatsächlich gebracht hat.

Die Landesregierung betreibt mit über 300 Millionen Euro Wirtschaftsförderung im Land. Viele geförderte Projekte klingen auf den ersten Blick gut, einige Prioritäten würden wir Piraten anders setzen. Doch sind die Förderprogramme wirklich wirksam? Wie kann man innovative kleine und mittlere Unternehmen am besten unterstützen? Auf welche Weise lassen sich strukturschwache Gebiete am effektivsten fördern? Und bei welcher Förderung müsste man bei ehrlicher Betrachtung nach ein paar Jahren sagen: Außer Spesen nichts gewesen?

Die derzeitigen Evaluationen sind nicht kritisch genug. Das hat natürlich seinen Grund: Warum sollte die Landesregierung Gutachten in Auftrag geben, die bescheinigen, dass die eingesetzten Mittel nicht effizient eingesetzt wurden? In anderen Fällen werden Gutachten nicht veröffentlicht. Das muss sich ändern.

Zu oft werden Förderprogramme nur qualitativ evaluiert. Und das läuft so, wie zu Beginn schon am Beispiel der Mario-Brüder beschrieben: Diejenigen Firmen, die Gelder bekommen haben, werden gefragt, ob sie zufrieden sind mit dem Programm. Klar, die werden sich bedanken und das prima finden, dass man ihnen Geld geschenkt hat! Allein das abzufragen und sich anschließend auf die Schulter zu klopfen, wie toll man Wirtschaftsförderung macht ist ein bisschen sehr anspruchslos.

Was wir brauchen sind Mindeststandards, die auf der Höhe der Zeit sind. Angelehnt an ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium – der sich vor kurzer Zeit explizit mit dieser Frage beschäftigt hat – wollen wir zeitgemäße Evaluierungsstandards für NRW einführen.

Dabei geht es nicht nur um Fragen der Methodik. Es geht auch um Transparenz und politische Kontrolle. Denn nur wenn aussagekräftige, objektive Analysen vorliegen, können wir Abgeordnete unserer Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung nachkommen.

Aufgrund dieser Problematik hat die Piratenfraktion NRW folgenden Antrag eingebracht:
„Zeitgemäße Evaluierungskultur für Wirtschaftsförderprogramme aufbauen – Wirksamkeit und Transparenz sicherstellen“.
Am 27.03. zur 53. Plenarsitzung wird er erstmals im Plenum des Landtags debattiert.

Anhörung zu „Wirtschaftsspionage durch Geheimdienste“ im Plenum

Hier gibt es einen Videomitschnitt der Anhörung zur staatlichen Wirtschaftsspionage auf Antrag der Piratenfraktion im Landtag NRW am 06.02.2014.

Der Antrag zur Anhörung trug den Titel „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM oder Tempora schützen!“.

Anwesend waren mehrere Experten, die Tagesordnung mit den eingeladenen Experten kann man hier nachlesen.

Bitte beachtet, dass nicht alle Experten erschienen sind bzw. teilweise durch andere Personen vertreten sind, das kann man aber im Stream sehen. Ein Protokoll wird später veröffentlicht werden.

Interessant die Aussagen des Leiters des NRW-Verfassungsschutzes, die so ganz im Widerspruch zu den Aussagen der anderen Gäste stehen. Ich habe dann auch ein paar etwas schärfere Nachfragen formuliert, zu denen leider keine substanziellen Antworten kamen. Ceterum censeo: Der Verfassungsschutz gehört aufgelöst.

Viel Spaß beim Ansehen!

Reden der letzten Plenarwoche

Hallo liebe Blogbesucher,

die Reden der letzten Plenarwoche bin ich Euch noch schuldig.

Ich sprach zum gemeinsamen Antrag aller anderen Fraktionen „Den Meisterbrief als Grundlage der dualen Ausbildung sowie als Qualitätssiegel des Handwerks schützen“, dem wir kritisch gegenüberstanden.

Dann gab es einen gemeinsamen Antrag von uns und der gesamten weiteren Opposition zur Breitbandförderung, in dem wir die Landesregierung auffordern, auch EU-Mittel für den Breitbandausbau bereitzustellen. Dies ist die gesamte Debatte, mein Redebeitrag beginnt bei 7:25.

Zuletzt sprach ich zu einem CDU-Antrag der die Senkung des Rundfunkbeitrages forderte. Hier ging es der CDU nur darum, das Thema populistisch auszuschlachten – dass man an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch ein paar Anforderungen stellen sollte, Barrieren abzubauen sowie Werbung und Sponsoring zu verringern stand in dem Antrag nicht. Ich habe entsprechend geantwortet.

Die #GroKo – das schönste Weihnachtsgeschenk für unser Land

retail-store-81950_640(Einen Antrag, den es so leider nie gegeben hat.)

(Update vom 23.12.)

Jetzt gibt es den Antrag, den es so leider nie gegeben hat, auch als Video. Mit Fraktionskollegen haben wir den Text eingesprochen, und Yaro hat ein satirisches Video daraus geschnitten. (Dankeschön, liebe Kollegen!)

Viel Spaß! Achtung, enthält Spuren von Zynismus.

I. Hintergrund

Auf Bundesebene haben SPD und CDU/CSU eine große Koalition vertraglich vereinbart. Auch nordrhein-westfälische Politiker haben an den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene teilgenommen und damit das Regierungsprogramm einer möglichen Großen Koalition maßgeblich mitgestaltet.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Laut SPD-Parteivorsitzendem Sigmar Gabriel trägt der zwischen SPD und Unionsparteien ausgehandelte Koalitionsvertrag „eine sozialdemokratische Handschrift und beinhaltet vieles, was das Leben der Menschen in Deutschland erleichtern und besser machen soll.“ Er zeige, „dass Politik keine abstrakte Veranstaltung irgendwo in der Mitte Berlins ist, sondern Arbeiten und Zusammenleben in unserem Land ganz konkret in den Blick nimmt.“ [1]
  2. CDU-Generalsekretär Gröhe betonte, dass sich die intensiven und harten Verhandlungen gelohnt hätten. Der entscheidende Maßstab sei, dass der Koalitionsvertrag unser Land voranbringe. Er kommentiert: „Der Vertrag spiegelt in guter Weise das Wahlergebnis wieder und ist von einer kräftigen Handschrift der Union geprägt.“ [2]
  3. Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass der Koalitionsvertrag gleichzeitig die Handschrift von SPD und CDU trägt.

III. Der Landtag beschließt:

Der Landtag beglückwünscht die an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Mitglieder der Landesregierung zu ihrem Einsatz und begrüßt die hervorragenden Verhandlungsergebnisse, insbesondere

  1. den Einstieg in die Totalüberwachung der Gesellschaft durch die geplante Einführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung;
  2. den dokumentierten Willen, weiterhin keine ernsthaften Anstrengungen zur Aufklärung des NSA-Überwachungsskandals unternehmen zu wollen;
  3. die Durchsetzung einer fortschrittlichen Familienpolitik durch die Beibehaltung des „schwachsinnigen“ Betreuungsgeldes (Zitat SPD-Bundestagsfraktion [3]);
  4. den anhalten Stillstand beim Ausbau des Breitband-Internets – auf diese Weise wird sichergestellt, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren in Sachen Infrastruktur nur mittelmäßig bleibt;
  5. den Abschied vom Prinzip der Netzneutralität durch die geplante Zulassung priorisierter Dienste („Managed Services“), was die Dominanz der großen Player im Online-Bereich mittelfristig zementieren wird und Innovationen hemmt;
  6. den halbgaren Kompromiss bei der doppelten Staatsbürgerschaft, wonach jemand, der nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich auch in Zukunft für einen Pass entscheiden müssen egal, wie lange er oder sie in Deutschland lebt;
  7. die Fortsetzung der verheerenden Austeritätspolitik von Bundeskanzlerin Merkel auf europäischer Ebene;
  8. den Abschied von der Energiewende durch eine Vielzahl von Maßnahmen zugunsten der Kraftwerkslobby, etwa durch den sogenannten „Kapazitätsmechanismus“ – Zitat WDR: „RWE, Eon und Co. sollen Geld dafür bekommen, Kraftwerksreserven vorzuhalten“ [4];
  9. die völlige Abwesenheit jeder Bemühung, ein gerechteres Steuersystem in Deutschland zu etablieren und ein weiteres Auseinandergehen der sozialen Schere zu verhindern;
  10. den Verzicht auf die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns, der diesen Namen tatsächlich verdient, durch die Verankerung zahlreicher Sonder- und Ausnahmeregelungen;
  11. den Verzicht auf die Gleichstellung von Homosexuellen durch Verhinderung der „Homo-Ehe“ und eines allgemeinen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare;
  12. die Einführung von Sippenverdacht durch Ausweitung der Fahndung bei Massen-Gentests auch auf Verwandte der getesteten Personen (sogenannte Beinahe-Treffer);
  13. das Bekenntnis, dass Abgeordnetenbestechung auch weiterhin straflos sein wird;
  14. die weitere Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Internet und die weitere Aufweichung des Haftungsprivilegs für Internetunternehmen;
  15. das Außerachtlassen der dringend notwendigen Verkehrswende durch den ausschließlichen Fokus der Verkehrspolitik auf Autos, Straßen und PKW-Maut;
  16. die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung durch das Ausschöpfen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten maximal möglichen Spielraums;
  17. die unterlassenen Bemühungen, für eine effektive Sicherheit für die IT von Bürgern und Unternehmen zu sorgen und stattdessen den Schutz per Einführung eines IT-Sicherheitsgesetzes herbeizudefinieren;
  18. die Beibehaltung der organisierten Intransparenz und Verantwortungslosigkeit im Bildungswesen und insbesondere im Hochschulbereich;
  19. das Bekenntnis zu fortgesetzter Intransparenz staatlichen Handelns durch eine demonstrative Missachtung des Themas;
  20. die Aussicht auf weiterhin kostenpflichtige frühkindliche Bildung;
  21. die Beibehaltung des Kooperationsverbotes, was jede Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern im Bildungsbereich im Keim zu ersticken droht;
  22. den Verzicht auf Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen;
  23. dass es wieder einmal gelungen ist, im Koalitionsvertrag nicht niederzuschreiben, die Welt sei keine Scheibe.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, Deutschland.

Für die SPD waren folgende Regierungsmitglieder aus NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD und stellvertretende SPD-Vorsitzende
  • Norbert Walter-Borjans, Finanzminister von Nordrhein-Westfalen
  • Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen
  • Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr in Nordrhein-Westfalen
  • Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales von Nordrhein-Westfalen
  • Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen

Für die CDU waren folgende Mitglieder des Landtags NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Armin Laschet, nordrhein-westfälischer CDU-Vorsitzender und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender
  • Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag NRW

[1] http://www.spd.de/linkableblob/112916/data/20131127_unsere_handschrift_koa-vertrag_mini_broschuere.pdf
[2] http://www.cdu.de/artikel/groehe-bundesvorstand-billigt-koalitionsvertrag
[3] http://www.spdfraktion.de/themen/das-betreuungsgeld-ist-schwachsinnig
[4] http://www1.wdr.de/themen/politik/seriekoalitionsvertrag104.html

Große Koalition der Lobbyisten

scene-97966_640Schon in den Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, was wir unter einer #GroKo zu erwarten haben: Den Durchmarsch der Lobbyisten. Ich habe ein paar besonders erschreckende Beispiele aus den Verhandlungen hier gesammelt. Derweil übt sich der Bundestag in Arbeitsverweigerung…

Verkohlung der Bundesrepublik

• Unter Führung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Kraft für die SPD und Bundes“umwelt“minister Altmaier für die CDU wurde die Kehrtwende von den erneuerbaren Energien zu den Interessen von Großkonzernen wie RWE und EON vereinbart. KohleKraft tut das offenbar so gut, dass ein Kraftwerksbranchen-Lobbyist witzelte: „Frau Kraft macht gerade meinen Job„.
• Auf Wunsch der RWE sollen Erzeuger erneuerbarer Energien verpflichtet werden, einen Vertrag mit den Großkonzernen abzuschließen, der dazu führen dürfte, dass sie 6ct pro produzierter Kilowattstunde an die Multis bezahlen müssen.
• Mit den just eingegangenen Spenden des Evonik-Konzerns (90.000 Euro für die SPD, 70.000 Euro für die CDU) hat das gewiss gar nichts zu tun. Hauptaktionär der Evonik ist übrigens die RAG-Stiftung der RAG Aktiengesellschaft, einst Ruhrkohle AG genannt.
• Ich wollte es nicht glauben – bis Hannelore Kraft es mir persönlich erklärt hat.

Die Koalition der Drossel

• Einen ordentlichen Ausschuss für Internet und digitale Gesellschaft wird es im Bundestag nicht geben, genauso verzichtet man auf ursprüngliche Pläne für einen Internet(staats)minister.
• Die Telekom bekommt wieder Zugriff auf die letzte Meile, durch den Abbau der Netzregulierung. Angela Merkel nennt das den Telekommunikationssektor „etwas besser“ zu „ordnen“.
• Ein bisschen Netzneutralität möchte man. Einer „Vielzahl von Managed Services“ erteilt man eine Absage – was aber heißt, dass man einige Managed Services durchaus dulden würde. Also wird es doch ein Zwei-Klassen-Internet geben, die erste Klasse wird nur etwas exklusiver.
• Die Netzneutralität im Mobilfunkbereich ist noch schwammiger: Internettelefonie wird erlaubt (ist ja toll), kostet aber extra. Eine kreative Auslegung von Neutralität.
• Der Abschnitt zu Urheberrecht aus der Arbeitsgruppe Innen & Justiz liest sich wie aus der Feder der Content-Lobby-Verbände. Böse Erinnerungen an ACTA und co. werden wach.

Aktionismus statt Strafrecht

• Im Strafrecht plant die Große Koalition die Einführung eines Auto-Fahrverbotes für Straftäter. Hätten sie doch bitte vorher mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Altbekannter Aktionismus, der nachher wieder vom Bundesverfassungsgericht repariert werden muss.
• Bei Massen-DNA-Tests geraten jetzt auch automatisch die Verwandten ins Fadenkreuz – durch sogenannte „Beinahe-Treffer“. Mit einer Unschuldsvermutung hat das nichts mehr zu tun, wohl eher mit Sippenhaft.

Der Sieger, der keiner ist

Während die Presse ein mediales Zerrbild des Verhandlungsstandes berichtet (die CDU habe ihren Markenkern verraten meldet beispielsweise das Handelsblatt) stellt sich der Verhandlungsstand im Grunde anders da: „Nicht einmal ansatzweise gibt es großkoalitionäre Absichten, das umzusetzen, was die SPD im Wahlkampf verheißen hatte“ nennt es Arno Klönne bei Heise.

Letzte Chance Mitgliederbefragung?

Die SPD hat sich die Bestätigung ihrer Basis vorbehalten – eine Mitgliederbefragung soll über den Koalitionsvertrag entscheiden. Tatsächlich ist das nur eine Inszenierung und hat keinerlei Bindungswirkung. Eine Mitgliederbefragung ist in der Satzung der SPD nicht vorgesehen, es ist eben kein Mitgliederentscheid. Die Spitze der SPD muss sich nicht daran halten – sie kann sich die Erlaubnis dann trotzdem auf einem kleinen Parteitag mit Delegierten abholen. Und die Spitze droht im Falle eines nichtpassenden Votums schon mit Rücktritt.

Es ist also egal, was die Mitglieder wollen. Ein Trauerspiel. Schreiner haben Hochkonjunktur: Schleifspuren von über den Tisch gezogenen SPD-Mitgliedern entfernen. Ein klares Signal der SPD-Basis, dass ihr Werte und Überzeugungen mehr bedeuten als Ministerposten für ihre Granden würde ich mir dennoch sehr wünschen.

Es sieht nicht gut aus für die nächsten vier Jahre.

.@netnrd hat Hals im Ausschuss: Possenspiel um den „Yes We Scan“-Antrag

binoculars-67535_640Am 9. Oktober haben wir in der 23. Ausschusssitzung des Wirtschaftsausschuss über unseren Antrag „Yes We Scan“ gesprochen, den wir dort unter Punkt 7 zur Mitberatung auf der Tagesordnung hatten.

Ich habe mich etwas aufgeregt über den unterirdischen Umgang der anderen Fraktionen mit unseren Anträgen zu der Sache, und der beispiellosen Ignoranz zur Überwachungsaffäre allgemein.

Ich bin jetzt dazu gekommen, meinen Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt zu schneiden und hochzuladen, ich glaube, ich war ganz gut 😉 Viel Spaß beim Nachhören!