Rede zum Antrag „Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen“

Hier noch die Rede zu meinem Antrag „Dem Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen!“, die ich am Mittwoch, den 4. November 2015 gehalten habe:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen.

Transitzonen – das ist ein schönes Beispiel für Politik-Sprech, also die Kunst, etwas mit einem wohlklingenden Namen zu bezeichnen, der von der tatsächlichen Bedeutung ablenken soll.

Transit heißt eigentlich Übergang oder Durchgang. Eine Transitzone ist also ein Bereich, den man durchquert, um in eine andere Gegend zu gelangen.

Doch das ist eine Lüge. Bei den Transitzonen, die wir hier heute Morgen debattiert haben, handelt es sich um das genaue Gegenteil. Diese Zonen sollen Flüchtlinge gerade nicht durchqueren, sondern sie sollen aufgehalten werden; auf engstem Raum eingesperrt und möglichst umgehend wieder zurückgeschickt werden. Das ist keine Transitzone, das ist ein Aussperrlager.

Das ist alles andere als Willkommenskultur. Das ist das Gegenteil von menschenwürdig. Damit beugt man sich den Hetzern und Scharfmachern, den Asylfeinden und Rassisten. Damit ermutigt man die Scharfmacher, die vom Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge faseln, die geistigen und die tatsächlichen Brandstifter.

Nacht für Nacht erleben wir einen sich steigernden Terror gegen andere Menschen. Er reicht von Hass und Volksverhetzung auf Plakaten bei den sogenannten Spaziergängen über Bedrohung politisch verantwortlich handelnder verantwortlicher Personen bis hin zu Attentaten auf Flüchtlinge, Helfer und Politiker. Das soll Angst und Schrecken verbreiten, um einen politischen Wandel in der Asylpolitik herbeizuführen. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, warnt schon vor einem neuen Rechtsterrorismus gegen Flüchtlinge. Was da geschieht, deckt sich nämlich mit der Definition von Terrorismus. Also lassen Sie uns bitte auch davon reden. Wie es aussieht, haben die Terroristen mit ihren terroristischen Taten sogar leider Erfolg.

Lassen Sie uns damit aufhören, solche Taten zu verharmlosen. Wer Häuser anzündet, in denen geflüchtete Menschen schlafen, der handelt nicht aus Angst oder Sorge, der handelt aus Hass. Der will Menschen töten. Lassen Sie uns das bitte auch genauso bezeichnen.

Wer den Boden für solche Gewalttaten bereitet, der ist kein Asylkritiker, der ist ein Rassist. Der ist ein Fremdenfeind, ein Menschenfeind und kein besorgter Bürger. Daran ändert auch nichts, wenn er aus der Mitte unserer Gesellschaft stammt. Wir konnten auf Videos beobachten, wie Nazis aus dem PEGIDA-Umfeld im Umland von Köln Messerangriffe auf Menschen übten. Später dann sehen wir genau einen solchen Angriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Das ist Terrorismus, und der kommt von rechts.

Das Recht auf Asyl ist ein universales. Menschen, die aus existenzieller Not zu uns kommen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, haben einen Anspruch auf unseren Schutz. Für diese humanitäre Pflicht gibt es keine Obergrenze.

Die Diskussionen, die darüber geführt werden, sind brandgefährlich. Sie ermutigen die Rassisten und Attentäter doch nur, noch weiterzumachen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Und jetzt erst recht! – Vielen Dank.

Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen

Rede zu den beiden Anträgen „Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen“ sowie „Mehr politische Widersprüchlichkeit geht nicht. CDU und SPD bejubeln erst die Aufkündigung von Safe Harbor und führen dann die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder ein“ (wurden gemeinsam beraten) vom 05. November 2015:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und an den Bildschirmen!

Es gibt genau zwei Arten von Datenbanken: solche, die bereits gehackt worden sind und von denen anschließend gespeicherte Daten in den Umlauf geraten sind, und solche, wo das noch nicht bekannt ist.

Es gibt aber keinen Grund, zu glauben, dass irgendwelche Daten tatsächlich sicher sind. Warum glaubt man also jetzt, dass ausgerechnet die Vorratsdaten sicher aufbewahrt werden können? Darauf basiert letztlich das gesamte Gesetz, indem man spitzfindig unterscheidet zwischen der anlasslosen und massenhaften Speicherung und Erfassung von Daten bei den Providern auf der einen Seite und der gezielten Abfrage durch die Ermittlungsbehörden nach richterlichem Vorbehalt auf der anderen Seite. Das soll dann die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs einhalten. Abgesehen davon, dass vollkommen unklar ist, ob die Gerichte das auch so sehen werden:

Wer bringt denn den Bundesgesetzgeber auf das schmale Brett, die Bewohner unseres Landes dem Risiko einer solchen monströsen Datenspeicherung auszusetzen? Jeden Tag liest man von gehackten Daten im freien Umlauf samt Krankenakten, Passwörtern, Kreditkartendaten etc.

Wir hatten hier im Landtag eine Anhörung, in der der befragte Experte erzählt hat, dass er binnen Stunden in jede kommunale Datenbank einbrechen konnte und dort meist sogar Spuren früherer Einbrüche vorgefunden habe. Wie kommt man also jetzt auf die Idee, dass ausgerechnet die Vorratsdaten auf einmal sicher seien? Dass die ein gefundenes Fressen für Geheimdienste sind, die sich bekanntermaßen einen Dreck um Richtervorbehalte kümmern, das muss man wohl nicht extra betonen. Der beste Datenschutz ist nach wie vor, Daten gar nicht erst zu speichern.

Wie man Berufsgeheimnisträger schützt, ist auch immer noch unklar. Schließlich sind an Kommunikation immer zwei Parteien beteiligt. Wie realisiert man den Schutz eines Anwalts, eines Journalisten oder eines Pfarrers, der plötzlich am anderen Ende einer Kommunikation auftaucht? Das ist völlig ungeklärt.

Über die Vorratsdatenspeicherung haben wir tatsächlich schon oft gesprochen. Die Argumente sind unverändert. Bis heute hat noch niemand den Nutzen einer solchen Regelung belegen können. Sehr wohl aber wird vor dem Schaden gewarnt. Das tun Verfassungsrechtler, Technikexperten und selbst die Industrie.

Lassen Sie uns also dieses Gesetz stoppen, bevor es von den Gerichten kassiert werden muss und bevor die 260 Millionen € rausgeworfen sind, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kosten wird. Die Zeche dafür zahlen nämlich wir alle, auch mit erhöhter Datenunsicherheit.

Vielen herzlichen Dank.

Nach der de facto-Abschaffung der Netzneutralität in Europa

Rede zum Antrag „Nach de facto-Abschaffung der Netzneutralität in Europa. Nordrhein-Westfalen muss freies und offenes Internet für Einwohner und Unternehmen sicherstellen!“ vom 04. November 2015:


Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und an den Bildschirmen!

Stellen Sie sich vor, die Stromversorger unseres Landes würden von den Unternehmen eine Umsatzbeteiligung verlangen, sonst könnte es auf einmal passieren, dass die Stromversorgung unverhofft ausfällt oder die Spannung plötzlich absinkt, sodass Maschinen und Geräte nicht mehr betrieben werden können. Klingt nach Erpressung? – Ist es auch!

Aus gutem Grund verlangt das Wettbewerbsrecht, dass sich Betreiber solcher Plattformen wie des Stromnetzes fair verhalten müssen – fair gegenüber den Kunden und auch fair gegenüber den Stromproduzenten. Die verlangten Preise müssen der Leistung angemessen und für alle vergleichbar sein. Das gilt zum Beispiel auch für Telefonanschlüsse oder die Versorgung mit Presseerzeugnissen.

Doch ausgerechnet im Internet ist jetzt das Gegenteil der Fall. Das Europäische Parlament hat eine Regelung beschlossen, die es Netzprovidern erlaubt, umfassende Ausnahmen von der Netzneutralität einzuführen: Überholspuren für finanzstarke Anbieter, Schneckenpost für alle anderen. Die Voraussetzungen sind so schwammig formuliert, dass sich deren Normierung erst im Vollzug des Gesetzes herauskristallisieren wird. Der Markt wird erst mal machen, und dann wird man möglicherweise vor Gericht ausloten müssen, was alles erlaubt ist und was nicht, wenn sich denn ein Kläger findet.

Wie das aussehen wird, hat die Deutsche Telekom umgehend angekündigt. Sie will Spezialdienste für Video, Onlinegaming und die Industrie einführen, die dann extra kosten werden. Wen man sich vor Augen hält, dass in den USA die Streamingdienste Netflix und YouTube streckenweise jetzt schon mehr als 70 % des gesamten Traffics verbrauchen, dann sieht man, wohin der Trend gehen wird: Spezialdienste werden das größere Volumen verbrauchen, das sogenannte freie Internet quetscht sich auf den Rest. – Insofern stimme ich dem Feststellungsteil der Piratenfraktion vollständig zu.

Im Forderungsteil allerdings schießen die Piraten – leider – am Ziel vorbei. Wer sich mit den Positionen der LfM beschäftigt hat, der weiß, dass er mit Netzneutralität bei ihr offene Türen einrennt. Sie hier mit einem Auskunftsverlangen der Landesregierung unter Druck setzen zu wollen, dreht die tatsächlichen Verhältnisse um. Es ist vielmehr die Landesregierung, die wir auffordern müssen, die Landesmedienanstalten als Regulierungsbehörden für die Netzneutralität, zumindest soweit es Internetinhalte angeht, ins Spiel zu bringen. Das ist nämlich kein reines Wettbewerbsthema, in dem sich Telekommunikationsunternehmen durchsetzen, sondern es geht hier um Fragen der Meinungsfreiheit und der Medienvielfalt.

Also, vor dem Antrag bitte mit Forderungen, Positionen und Rechtslage der LfM auseinandersetzen und dann einen dazu passenden Forderungsteil schreiben. Das können wir gern zusammen tun. Dieses Angebot möchte ich ausdrücklich an alle Fraktionen richten. – Vielen Dank.

#Störerhaftung: Die Hoffnung liegt auf dem Bundesrat (Update)

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Update 06.11.: Bundesrat folgt der Empfehlung seiner Ausschüsse!

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung heute den Empfehlungen seiner Ausschüsse entsprochen. So hat beispielsweise der zuständige Minister aus NRW, Lersch-Mense (SPD) sehr eindeutig gegen Störerhaftung Position bezogen. Auch zum Freifunk, und sogar zu Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hat er Stellung genommen. Damit folgt die Landesregierung erfreulicherweise meinem gestrigen Antrag zu 100% (obgleich die regierungstragenden Fraktionen dagegen stimmten).

Meine Rede vor dem Landtag ist jetzt auch veröffentlicht, und kann hier nachgesehen werden. Ich freue mich über Feedback!

Text vom 05.11.

Derzeit liegt eine Novelle des Telemediengesetzes vor, welches sich mit der Störerhaftung befasst, also der Haftung der Beteiber drahtloser Netzwerke für Taten ihrer Nutzer. Doch das Gesetz stellt einen Rückschritt dar.

Zur Störerhaftung wie auch zur Bedeutung freier Bürgernetzwerke und freier Internetzugänge in Nordrhein-Westfalen hat der Landtag in NRW eine eindeutige Beschlusslage hergestellt. Man sieht mehrheitlich die Notwendigkeit, die Haftungsfrage von WLAN-Netzwerk-Betreibern gesetzlich zu klären, man weiß um die Wichtigkeit der Verbreitung freier Zugänge zum Netz, zum Beispiel für Tourismus, Wirtschaft und der kulturellen Entwicklung unseres Landes. Uneins ist man sich allerdings in der Wahl der Mittel.

Leider trägt der derzeitig vorliegende Gesetzentwurf zur Störerhaftung auf Bundesebene diesen Anforderungen überhaupt keine Rechnung. Er macht die Freistellung von Störerhaftung von einigen Bedingungen abhängig. Zwar ist die Verschlüsselungspflicht in der letzten Version des Gesetzentwurfes nicht mehr explizit genannt, aber von „angemessenen Sicherheitsmaßnahmen“ ist nach wie vor die Rede, ohne das näher zu klären. Das stellt ein Einfallstor für neue Abmahnnwellen und Quell neuer Rechtsunsicherheit dar.

Der Gesetzgeber fordert von Betreibern eines WLAN-Netzwerkes Kenntnis über die Identität seiner Nutzer, damit die sich auf die Haftungsfreistellung berufen dürfen, was bei offenen Netzwerken schlicht nicht zu bewerkstelligen ist. Damit würde der Freifunk-Bewegung offener drahtloser Bürgernetzwerke der Todesstoß versetzt, es konterkariert alle Bemühungen, bessere Internetversorgung in unserem Land zu schaffen.

Und eine Belehrungspflicht ist vorgesehen, die jeden Zugangspunkt betrifft, und die dem freien Bewegen in einem freien Netz im Wege steht: Stellen Sie sich vor, sie müssten bei ihrem Telefon bei jeder neuen Funkzelle ihre Pin neu eingeben. Das ist schlicht nicht praktikabel. Dass so eine Dauerbelehrung, die Gesetze einzuhalten, keinen sittlichen Nährwert hat, versteht sich von selbst.

Letztlich ist auch vollkommen unbewiesen, dass offene WLAN-Zugänge eine nennenswerte Auswirkung auf illegales Filesharing haben, oder das Belehrungen oder namentliche Kenntnis der Nutzer an Urheberrechtsverletzungen irgendetwas ändern.

Das alles hat glücklicherweise auch der Bundesrat erkannt. In den Fachbefassungen in den Ausschüssen für Wirtschaft, für Recht und für Kulturfragen wurde genau das thematisiert, und man hat eine Alternativformulierung für dieses Gesetz gefunden, die die Haftungsfrage klärt, ohne die beschriebenen Nachteile auszulösen. Ich finde diese Formulierung sehr gut, ich appelliere an die Landesregierungen, sich diesen Vorschlag zu eigen zu machen.

NRW könnte im Bundesrat vorangehen, diesen Vorschlag aufgreifen und eine entsprechende Initiative auf dieser Grundlage starten. Im Landtag NRW habe ich am Donnerstag mit einem Antrag (Drucksachennummer 16/10056) dafür geworben. Damit könnte man auf elegante Weise der Beschlusslage in NRW zur Geltung verhelfen, und hätten in Form der Fachausschüsse direkt wichtige Befürworter.

In der Befassung im Plenum des Landtags haben heute die Fraktionen von SPD, Grüne und FDP meinen Antrag abgelehnt, die CDU hat sich enthalten. Zustimmung erhielt ich erfreulicherweise von den Abgeordneten der Piraten. Wer das jetzt von den ablehnenden Parteien doof findet: So ist das parlamentarische Leben, man kann doch nicht für einen Antrag von jemandem sein, der nicht der richtigen Partei angehört. Aber abseits davon habe ich Lob für den Antrag bekommen – auch aus der Regierung und aus den Regierungsfraktionen. Inhaltlich sei man an meiner Seite.

Am Freitag, den 6.11. ist bereits die Befassung – ich setze meine Hoffnungen auf den Bundesrat. Vielleicht sorgt mein Antrag dann doch auf seine Weise für ein größeres Problembewusstsein dort. Und das wäre doch ein Erfolg.

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Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form heute bei Politik-Digital erschienen.

Rechtssicherheit für offene WLANs: Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates folgen!

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Freie drahtlose Internetzugänge sind in Gefahr. Die derzeitige Rechtsprechung bedroht Betreiber: Für illegale Aktionen ihrer Nutzer müssen sie auch ohne eigenes Wissen möglicherweise haften. Die Bundesregierung wollte mit einer Änderung des Telemediengesetz (TMG) „Rechtssicherheit schaffen“, indem sie die Einzelfallrechtslage in das Gesetz goss: Verschlüsselungspflicht, die Forderung, jeden Nutzer namentlich zu kennen und eine nicht praktikable Belehrungspflicht sollten in das Gesetz geschrieben werden. Dies wäre das Ende des Freifunks, und würde der Verbreitung freier und offener Bürgernetze im Wege stehen.

Glücklicherweise hat der Gesetzentwurf massiven Widerspruch geerntet: Nicht nur von Netz-Fachleuten, der Industrie und Juristen, sondern auch von drei Fachausschüssen des Bundesrates: Dem Wirtschaftsausschuss, dem Kultur- und dem Rechtsausschuss. Diese schlugen einen deutlich verbesserten Gesetzentwurf vor.

Am 6. November befasst sich der Bundesrat mit dem TMG-Gesetzentwurf. Ich möchte mit dem unten stehenden Antrag erreichen, dass die Landesregierung mitgeht, und den veränderten Entwurf unterstützt. Mein Antrag mit der Antragsnummer 16/10056 wird am kommenden Donnerstag als letzter Tagesordnungspunkt beraten. Ich bin sehr gespannt, wie sich die anderen Fraktionen dazu positionieren – der Zeitpunkt als letzter Tagesordnungspunkt um ca. 17:30 Uhr ist denkbar ungünstig.

I. Ausgangslage

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Novelle des Telemediengesetzes (TMG) wurde von Seiten der Fachleute kritisiert. Das Ziel, Rechtssicherheit in Haftungsfragen für die Betreiber von drahtlosen Netzwerken zu schaffen, ist mit diesem Entwurf nach Meinung der Experten verfehlt worden. Insbesondere die Verschlüsselungspflicht, das Einholen von Nutzerdaten und die Belehrungspflicht stehen dem Ziel im Weg, die Verbreitung von offenen Netzwerken in unserem Land zu fördern. Dieses Gesetz würde der Freifunk-Initative in Deutschland den Todesstoß versetzen.

Der federführende Wirtschaftsausschuss des Bundesrates, sowie die beiden mitberatenden Ausschüsse, der Ausschuss für Kulturfragen und der Rechtsausschuss, haben sich in Ihren Sitzungen mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt. Sie geben in der Bundesratsdrucksache 440/1/15 in Teil A eine Empfehlung an den Bundesrat für seine Abstimmung am 6.November 2015 ab.

Sie schlagen einen veränderten Gesetzestext vor. Darin werden insbesondere die bisherigen Voraussetzungen der Verschlüsselung und Einholung einer Erklärung gestrichen und durch ein Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer ersetzt.

Damit, so die Begründung der Empfehlung, würde die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum gestärkt und diesbezügliche Rechtssicherheit geschaffen. Das Ziel, die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken, könne nämlich nicht erreicht werden, wenn lediglich versucht werde, die jetzige durch Einzelfallrechtsprechung geschaffene Rechtslage in Gesetzesform zu gießen. Die drei Ausschüsse erwarten auch weder negative Auswirkungen auf die Rechtsverfolgung, noch eine Ausweitung von Rechtsverletzungen, da die Bedeutung von offenen Zugangspunkten dafür gering sei. Weiter heißt es: „Von den im Regierungsentwurf aufgeführten „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“ ist keine substanzielle Auswirkung für Strafverfolgung und das Themengebiet Urheberrechtsverletzungen zu erwarten. Jedoch sind gravierende negative Auswirkungen dieser Normierung für die Verbreitung öffentlicher WLAN-Zugangspunkte zu erwarten: Rechtsunsicherheit hat zu der niedrigen Verbreitung solcher Angebote in Deutschland geführt, neue Rechtsunsicherheit wird denselben Effekt haben.“

Das Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer erreicht den beabsichtigen Zweck des Gesetzes ohne diese beschriebenen Nachteile.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Der Landtag begrüßt das Ziel, Rechtssicherheit für die Betreiber offener drahtloser Netzwerke zu schaffen, um die Verbreitung öffentlicher Hotspots zu stärken.
2. Der Landtag begrüßt die Änderungen im Gesetzentwurf, die die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates in Drucksache 440/1/15 Teil A vorgeschlagen haben. Sie sind geeignet, die Ziele des Gesetzes zu erreichen, ohne dass die befürchteten negativen Auswirkungen auf Rechtssicherheit und Verbreitung offener WLANs zu erwarten sind.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. sich dem Vorschlag der Ausschüsse zur Novelle des Telemediengesetzes des Bundesrates aus Drucksache 440/1/15 Teil A anzuschließen;
2. in der Bundesratssitzung vom 6.November 2015 den Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache 440/1/15 Teil A zu folgen, entsprechend abzustimmen und dazu notwendige Beschlüsse zu tätigen.

Premierenantrag: Hass und Terror gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche entschieden entgegenstellen!

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Ich habe für das Plenum des nordrhein-westfälischen Landtags in der kommenden Woche zwei Anträge eingereicht. Das ist eine Premiere, es sind meine ersten Anträge als fraktionsloser Abgeordneter. Es wird sehr spannend zu beobachten sein, wie diese beiden Anträge von den Fraktionen und im Plenum behandelt werden. Heute möchte ich Euch den ersten der beiden Anträge vorstellen.

In den vergangenen Wochen habe ich mich auch mit der Flüchtlingssituation in unserem Land befasst. In mehreren kleinen Anfragen habe ich die Unterbringung von Flüchtlingen thematisiert, aber auch die meines Erachtens verharmlosende Sprache, die in der öffentlichen Berichterstattung und auch in den Verlautbarungen von Strafverfolgungsbehörden verwendet wird. Auch zur Motivlage des Attentats auf Henriette Reker in Köln am Vortag der Bürgermeisterwahl habe ich Fragen gestellt. Ich möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass solche Taten Kriminalität bis hin zum Terror sind, und die Motive nicht als „Kritik“ verniedlicht werden, sondern als der Hass und Rassismus bezeichnet werden, der sie wirklich sind.

Wenn politisch verantwortlich handelnde Menschen mit dem Tod bedroht werden, um damit politische Ziele durchzudrücken, wenn Bombenanschläge vorbereitet werden, wenn Messerattacken auf Politiker stattfinden, dann überschreitet das die Grenze zum Terrorismus. Damit sollen Menschen in ihrem Engagement für Flüchtlinge eingeschüchtert und zurückgedrängt werden. Und das dürfen wir nicht zulassen.

Es wäre schön, wenn sich Fraktionen diesem Antrag anschließen können. Ich habe ihn im Vorfeld an die im Landtag vertretenen Fraktionen gesendet, und um Unterstützung geworben. Hier der Antrag im Volltext:

I. Ausgangslage

Der große Zustrom an Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten stellt unser Land vor große Herausforderungen. Zahllose Kinder, Frauen und Männer aller Altersgruppen fliehen vor existentieller Not, Gewalt und Vertreibung aus ihrer Heimat zu uns in der Hoffnung auf Schutz, Frieden und eine bessere Zukunft. Sie mit offenen Armen zu empfangen, ihnen Obdach, Versorgung und eine Perspektive zu bieten ist unsere verfassungsgemäße Pflicht und gebietet uns die Menschlichkeit. Für diese humanitäre Pflicht gibt es keine Grenzen.

Leider wird diese Pflicht nicht von allen Bürgern gleichermaßen anerkannt. Wir erleben regelmäßige Hass-Demonstrationen und Angstmache, die den Boden bereiten für Übergriffe und Bedrohungen gegen Flüchtlinge, bis hin zu zahlreichen Brandanschlägen auf Unterkünfte, wobei die Täter Verletzung und Tod der dort untergebrachten Menschen in Kauf nehmen oder gar wünschen.
Erfreulicherweise gibt es eine breite, zivilgesellschaftliche Szene von Helfern, die sich unermüdlich für die Versorgung von Flüchtlingen und die Bewältigung von schwierigen Situationen einsetzen. Auch Helfer sind Ziel von Hass und Angriffen geworden.

Kommunen sind an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen. Damit die Situation vor Ort nicht noch dramatischer wird, und die Spannungen vor Ort nicht noch größer werden, ist es erforderlich, dass das Land unkompliziert nachhaltige Unterstützung leistet. Nur wenn die Situation vor Ort angemessen ist, kann der soziale und gesellschaftliche Frieden gesichert werden.

Feststellen mussten wir eine Zunahme von Bedrohungen und Angriffen auf politisch verantwortliche Personen. Aufgeheizt durch das fremdenfeindliche Klima kam es beispielsweise zu Morddrohungen gegen engagierte kommunale Politiker. Uns alle zutiefst entsetzt hat der Versuch eines Messerattentäters, die damalige Sozialdezernentin und jetzige Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, zu töten. Auch dies hat der Attentäter mit ihrem Einsatz für Flüchtlinge begründet. Wir sind froh und dankbar, dass sie auf dem Weg der Gesundung ist, dass sie dennoch ihr Oberbürgermeisteramt angenommen hat und sich nicht aufhalten lässt.

Das Ziel solcher Bedrohungen und Angriffe ist klar: Politisch verantwortlich handelnde Personen sollen eingeschüchtert und zurückgedrängt werden und ihr Engagement einstellen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Man kann längst nicht mehr von Einzeltaten sprechen. Es hat sich eine Szene entwickelt, in der das Spektrum von Hass-Äußerungen gegen Flüchtlinge, Helfer und politisch Verantwortliche über Gewaltandrohungen bis hin zur physischen Gewalt, Attentaten und Anschlägen geht. Durch die Vielzahl von Taten und die Bedrohung von Helfern und Verantwortlichen entsteht ein Klima von Angst und Schrecken, um politische Positionen zur Einschränkung und Verzicht auf Asyl durchzusetzen. Das ist blanker Terror, und das muss auch so bezeichnet werden. Als Reaktion auf solche Geschehnisse das Asylrecht einzuschränken ist der vollkommen falsche Weg und gibt den fremdenfeindlichen Bestrebungen recht.

In der öffentlichen Sprache von Ermittlungsbehörden und in der Berichterstattung wird teils immer noch relativiert. Statt von Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus ist dort von „Asylkritik“ die Rede, bisweilen wird selbst bei nationalsozialistischen Symbolen noch ein rechtsextremer Hintergrund ausgeschlossen, Täter werden unwillentlich in Schutz genommen, wenn man von „Angst“ als Tatmotiv anstatt von Hass spricht. Das ist relativierend und brandgefährlich.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Flüchtlinge sind willkommen in unserem Land. Menschen, die vor Krieg und existentieller Not fliehen verdienen unseren Schutz ohne Begrenzung.
2. Den zahllosen Helfern und den Menschen, die in dieser Situation politisch verantwortlich handeln, zollen wir unseren größten Respekt.
3. Hass-Demonstrationen, Bedrohungen und physische Gewalt gegen Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche verurteilen wir auf das Schärfste. Dem dadurch verbreitetem Klima der Angst stellen wir uns entschieden entgegen.
4. Solche Taten dürfen nicht verharmlost werden. Wenn Hass das Motiv, wenn Terror das Ziel der Täter ist, so muss das auch so benannt werden.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. alles Notwendige zu tun, Flüchtlinge, Helfer und Verantwortliche vor Hass, Bedrohungen und Angriffen zu schützen;
2. sich dem dadurch verbreitetem Klima von Angst und Schrecken entschieden entgegenzustellen;
3. Kommunen bei der Bewältigung ihrer Last nach Kräften zu unterstützen,
4. die Verwicklungen in der Szene, die Motivlage und Zusammenhänge zwischen handelnden Personen und Gruppen rückhaltlos aufzuklären;
5. darauf hinzuwirken, dass potentiell verharmlosende Sprache bei der Beschreibung solchen Taten oder der Motive der Täter durch die Behörden des Landes vermieden wird, sondern sie als die Kriminalität aus Hass bezeichnet werden, die sie sind.

Der Antrag wurde mit der Drucksachennummer 16/10055 veröffentlicht.

Macht’s gut, und danke für den Fisch. </piraten>

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Persönliche Veränderung

Ich habe heute der Präsidentin des Landtags gegenüber meinen Austritt aus der Piratenfraktion erklärt. Zeitgleich bin ich aus der Piratenpartei Deutschland ausgetreten.

Der Umgang innerhalb Partei sowie Fraktion wurde zunehmend destruktiver, Konflikte zu oft in Form öffentlicher Angriffe ausgetragen. In falschem Verständnis von Offenheit hat man diesem Trend nichts entgegengesetzt. Eine fachliche, politische Arbeit wurde so praktisch unmöglich. Hinzu traten Abgrenzungsprobleme und politische Instinktlosigkeiten, wie etwa problematische Haltungen zu Antifaschismus und Geschlechtergerechtigkeit, die ich nicht weiter vertreten kann. Dies alles sowie der Verlust vieler progressiver Mitglieder und nicht eingelöste Versprechen digitaler innerparteilicher Beteiligung haben dazu geführt, dass diese Partei nicht länger meine politische Heimat ist. Ich bedaure das sehr, denn die ursprünglichen politischen Ziele der Piratenpartei haben für mich nach wie vor ihre Gültigkeit und es bleibt notwendig, sie weiter zu verfolgen.

Ab heute werde ich dem Landtag als partei- und fraktionsloses Mitglied angehören. Meine parlamentarische Arbeit werde ich fortsetzen, wie ich das mit Annahme meines Mandates zugesagt habe, und mich weiterhin für Themen der Netzpolitik, der Teilhabe, Freiheit und des digitalen Wandels einsetzen. Für eine themenorientierte Zusammenarbeit im Landtag stehe ich selbstverständlich auch weiterhin gerne zur Verfügung.

Ich möchte allen jenen, die mich so weit begleitet haben, von Herzen danken. Ich würde mich freuen, wenn Ihr weiter an meiner Seite seid.


Im übrigen möchte ich die Aufmerksamkeit auf einige Punkte meiner aktuellen fachlichen Arbeit lenken:

Geheimnisse in der Arbeitslosengeschichte des Reker-Attentäters?

Brandstiftung aus „Angst vor Flüchtlingen“? Über verharmlosende Sprache von Behörden des Landes NRW.

Flüchtlingen in NRW ein festes Dach über den Kopf. Was man alles tun könnte, anstatt Zelte aufzubauen.

HoGeSa mit Beteiligung des Verfassungsschutzes? Was wusste die Landesregierung?

„Waffenfähiges Plutonium“: Ein dummer Scherz und schon ist man Terrorist. Über Verwendungszwecke von Überweisungen.

Wie sollte der WDR-Rundfunkrat künftig arbeiten? Transparenz, Beteiligung, Staatsferne.

Wir brauchen eine Glasfaser-Strategie für unser Land. Die Fördermittel der kommenden Jahre drohen in Technologien der 90er zu versickern.

Geheimnisse in der Arbeitslosengeschichte des Reker-Attentäters?

Foto: droneplcr (bei Flickr), Lizenz: CC BY 2.0Foto: droneplcr (bei Flickr), Lizenz: CC BY 2.0

Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet über Ungereimtheiten in der Arbeitslosengeschichte des Messerattentäters Frank S., der am 17.10.2015 die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker zu töten versuchte.

Frank S. soll tief in der Bonner Skinhead- und Neonaziszene verwurzelt gewesen sein, an rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen haben und Sympathisant der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) gewesen sein. Wegen Straftaten wie Raub und Körperverletzung habe er bereits im Gefängnis gesessen. Das Messerattentat selbst erinnert an ein kürzlich aufgetauchtes Video, auf dem Rechsextreme im Kölner Umland Angriffe mit Messern üben.

Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt, Frank S. habe jahrelang ALG2-Leistungen bezogen, ohne bei der Arbeitsagentur jemals vorsprechen zu müssen und ohne je vermittelt worden zu sein. Seine Akte beim Amt sei zudem als geheim eingestuft. Der Kölner Stadt-Anzeiger formuliert die Frage, ob hier etwas verschleiert werden soll.

Nachdem sich zahlreiche Personen des rechten Spektrums im Nachhinein als Informanten oder V-Personen der Geheimdienste herausgestellt haben, muss die Frage gestattet sein, ob das hier möglicherweise der Fall ist. Ist das womöglich der Grund für die Geheimniskrämerei?

Ich habe daher heute der Landesregierung die folgenden Fragen gestellt:

  • Welche Leistungen der Arbeitsagentur hat Frank S. bezogen?
  • Aus welchen Gründen musste Frank S. nicht bei der Arbeitsagentur vorsprechen bzw. gab es keine Vermittlungsversuche?
  • Aus welchen Gründen ist seine Akte bei der Arbeitsagentur als geheim eingestuft?
  • Welche Informationen lagen beim Verfassungsschutz des Landes NRW über Frank S. vor? Nennen Sie auch Zeitpunkte der Informationsgewinnung.
  • Wurde Frank S. als Informant oder V-Person des Verfassungsschutzes des Landes NRW oder einer anderen Verfassungsschutzbehörde geführt? Nennen Sie die beteiligte Behörde, soweit die Landesregierung Kenntnis davon hat.

HoGeSa mit Beteiligung des Verfassungsschutzes? Was wusste die Landesregierung?

Bild: Metropolico.org (bei Flickr), Lizenz: CC BY-SA 2.0Foto: Metropolico.org (bei Flickr), Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wie die Autonome Antifa Freiburg und später SPIEGEL online berichtete, ist der kürzlich verstorbene Gründer der Bewegung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) Roland S. mindestens seit dem Jahr 2009 V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen.

Vergangenes Jahr waren etwa 5000 Hooligans und Nazis aufgrund eines Demonstrationsaufrufs der HoGeSa in der Kölner Innenstadt aufmarschiert und konnten nahezu ungestört randalieren, Menschen bedrohen, Autos umwerfen, den Hitlergruß zeigen und rassistische und menschenverachtende Parolen brüllen. Die Polizei war sichtlich überfordert und unterbesetzt – eine angemessene Aufarbeitung durch Polizei und Landesregierung fand bislang nicht statt. Diese Demonstration war das Signal für eine bundesweite Kette von Folgedemonstrationen, aus denen sich Pegida und andere fremdenfeindliche Bewegungen entwickelten. Angriffe auf Flüchtlingsheime wurden zu täglichen Nachrichtenbildern.

Offenbar ist bereits die Gründung dieser Bewegung unter der Lupe des Verfassungsschutzes vollzogen worden. Gleichwohl wurde nichts unternommen, die erwartbaren Eskalationen abzuwenden, noch das Ausbreiten der Demonstrationen im ganzen Bundesgebiet zu verhindern. Hat sich der Verfassungsschutz einmal mehr als völlig unfähig erwiesen?

Die Polizei hat sogar die Anwesenheit von Neonazis bei der Demonstration lange bestritten, dabei entstammte der Gründer Roland S. selbst einer bekannten Skinhead-Organisation, auch E-Mails seiner Gesinnungsgenossen legte Roland S. dem Verfassungsschutz vor. Der SPIEGEL berichtet von E-Mails eines NPD-Politikers sowie eines bekannten Hamburger Neonazis, die dem Verfassungsschutz bereits vor der HoGeSa-Demonstration in Köln vorlagen. Diesen kann man entnehmen, wie der V-Mann Roland S. die Bewegung laufend weiter radikalisierte.

Das gipfelt in einer E-Mail des Hamburger Neonazis, in der er seine Verwunderung ausdrückt, dass die Demonstration nicht bereits im Vorfeld durch den Staat verboten wurde. Innenminister Jäger hingegen behauptet bis heute, die Gewaltexplosion sei nicht vorhersehbar gewesen.

Gemeinsam mit meinen Kollegen Torsten Sommer, Frank Herrmann, Daniel Düngel, Birgit Rydlewski und Hanns-Jørg Rohwedder habe ich eine kleine Anfrage (Drucksache Nummer 16/9996) eingereicht, um von der Landesregierung Aufklärung über die folgenden Punkte zu verlangen:

  1. Wurde Roland S. vom Landesverfassungsschutz in NRW geführt?
  2. In welchem Umfang war die Landesregierung bzw. die zuständigen Landesbehörden über Gründung und Entwicklung der HoGeSa informiert? Gehen Sie darauf ein, ob und inwieweit Informationen durch den führenden Verfassungsschutz weitergegeben wurden.
  3. Welche Informationen aus dieser Quelle lagen der Landesregierung bzw. den zuständigen Landesbehörden im Vorfeld der HoGeSa-Demonstration im Oktober 2014 in Köln vor, u.a. Umfang und Gefährlichkeit dieser Demonstration betreffend?
  4. Wie bewertet es die Landesregierung, wenn „ein Verfassungsschutz dabei zuschaut, wie ein V-Mann eine ganze Bewegung gründet und weiter radikalisiert?“ Gehen Sie darauf ein, ob ein solcher Verfassungsschutz seiner Aufgabe gerecht wird.
  5. Bleibt die Landesregierung bei Ihrer Darstellung, die Gewalt bei der HoGeSa Demonstration in Köln sei nicht vorhersehbar gewesen? Gehen Sie darauf ein, wie es zu bewerten ist, wenn trotz der vorliegenden, einschlägigen Informationen die Demonstration nicht im Vorfeld verboten wurde.

Persönliche Erklärung: Antifaschistischen Widerstand leistet man auf der Straße

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Der Landtag NRW hat die Immunität eines Kollegen aufgehoben, dem ein Verstoß im Zusammenhang mit der Blockade einer Nazi-Demonstration vorgeworfen wird. Ich bin gegen eine solche Aufhebung, und möchte mich mit meinem Kollegen solidarisch erklären. Ich habe dazu die nachfolgende Erklärung zum Abstimmverhalten abgegeben:


Daniel Schwerd: Persönliche Erklärung zum Abstimmverhalten,
Top 25 am 30. September 2015,
Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten

Sehr geehrter Herr Präsident/Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Bei der Abstimmung zur Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten konnte ich der Abstimmempfehlung des Rechtsausschusses nicht folgen.

Wenn wir eines aus dem dunklen Kapitel der Nazi-Diktatur gelernt haben sollten, dann jenes: Es ist dringend notwendig, sich der braunen Brut frühzeitig und entschlossen entgegenzustellen! Wenn rechte Demagogen Arm in Arm mit Rechtsextremen und Rechtsterroristen kommen, muss sich jeder Demokrat ihnen entgegenstellen und sagen: Nicht in unserer Stadt! Nicht durch unsere Straße! Unsere Nachbarn bedrohst Du nicht!

Allenthalben fordert man mehr Zivilcourage – und dann schützt man braune Horden, die Hitlergrußzeigend durch unsere Straßen ziehen, während Gegendemonstranten mit Mitteln des Strafrechts verfolgt werden. Welch fatale Fehleinschätzung der Gefahren!

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, doch was ist mit der Meinungsfreiheit der Menschen im Land, die das Nazigift in ihrer Nachbarschaft nicht verbreitet sehen wollen? Zählt das automatisch weniger? Was ist mit der wehrhaften Demokratie, die sich den Antidemokraten in den Weg stellt, gilt das nicht mehr?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Hier geht es nicht darum, einen Kollegen vor der Durchsetzung einer gerechten Strafe zu schützen – hier geht es darum, alle Menschen zu schützen, die sich Nazis in den Weg stellen – egal ob sie als Abgeordneter privilegiert sind oder nicht. Denn antifaschistischen Widerstand leistet man nicht mit Lichterketten oder Online-Petitionen – Widerstand leistet man aktiv auf der Straße.

Und nachher soll bitte keiner erzählen, er habe von nichts gewusst.

Danke für die Aufmerksamkeit.