Plenarrede zur Änderung des Landesmediengesetzes NRW

Meine Plenarrede zur Änderung des Landesmediengesetzes NRW am 20.02.:

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Mediennutzer auf der Tribüne und am Stream! Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren, als Sie im Frühjahr 2013 den Arbeitsentwurf des Landesmediengesetzes veröffentlichten und die Online-Konsultation starteten, gingen wir davon aus, dass wir vielleicht noch im Jahr 2013 in die parlamentarischen Beratungen einsteigen. Sie hatten ursprünglich angekündigt, den Gesetzentwurf vor der Sommerpause vorzulegen. Jetzt ist es Februar 2014, und wir legen los. Schon an dieser zeitlichen Verzögerung merkt man, dass offensichtlich noch ordentlich nachgesteuert wurde und die Landesregierung mit unterschiedlichsten Beteiligten nachverhandelt hat.

Auch bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs wird deutlich, dass zwischen dem Arbeitsentwurf aus dem Frühjahr 2013 und dem Regierungsentwurf teils erhebliche Unterschiede bestehen. Man kann gewissermaßen die Frontlinien sehen, die dazwischen verlaufen. Das ist ja nicht schlimm, dazu sind Arbeitsentwürfe da.

Zumindest aus meiner Sicht, was den ersten Teil des Verfahrens angeht, hat sich gezeigt, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit lohnt, auch wenn offensichtlich war, dass Menschen aus dem Umfeld des Bürgerfunks, der Bürgermedien sich vor allem zu Wort melden werden. Diese sind einigermaßen organisiert, sodass das zu erwarten ist. Aber grundsätzlich ist das Verfahren von Online-Konsultationen begrüßenswert.

Ich will mich nicht mit galaktisch-globalen Leitmotiven aufhalten, sondern vom Verfahren zu einigen Inhalten des Gesetzentwurfs kommen:

Wir sind uns alle über die große Bedeutung freier, unabhängiger Medien für eine funktionierende Demokratie einig. Eine vielfältige Medienlandschaft, egal auf welchem Kanal sie sendet, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Bürgerinnen und Bürger sich informieren, sich eine Meinung bilden und sich einmischen können. Wie wir die politischen Rahmenbedingungen gestalten, um diese Vielfalt und Unabhängigkeit herzustellen und abzusichern, dazu werden allerdings unterschiedliche Meinungen deutlich.

Nehmen wir zum Beispiel die berühmt berüchtigte „Stiftung Vielfalt und Partizipation“! Der Arbeitsentwurf des Gesetzes war klar. Er besagte für den geplanten § 116 Abs. 3 c, dass jährlich 1,6 Millionen € aus dem Haushalt der Landesanstalt für Medien in diese Stiftung gepumpt werden sollen. Auch die Aufgaben waren im Arbeitsentwurf definiert: Aus- und Weiterbildung von Journalisten im lokalen und regionalen Bereich. Eine Stiftungsprofessur im Lokaljournalismus sollte eingerichtet werden. Recherchestipendien sollten vergeben werden. Und – etwas nebulös –, die Akzeptanz lokaler und regionaler Berichterstattung sollte gefördert werden.

Schaut man aber in den jetzt vorliegenden Regierungsentwurf und vor allem in dessen Begründung, kann man sich vorstellen, dass es hinter den Kulissen in den letzten Monaten ordentlich rundgegangen sein muss. Jetzt finden wir im Gesetzentwurf unter § 88 Abs. 8 nur noch eine Gesellschaft des Privatrechts; von einer Stiftung ist nicht mehr die Rede. In der Begründung steht der Begriff Stiftung in Anführungszeichen. Alles klar.

In diesem Kontext werden wir vor allem darüber reden müssen, was tatsächlich von dieser Anführungszeichen-Stiftung gefördert werden soll. Ich habe, ehrlich gesagt, größte Bedenken, was Recherchestipendien angeht. Wir müssen sicherstellen, dass solche Stipendien vollkommen unabhängig vergeben werden und auch möglicherweise für uns Politiker unangenehme Themen recherchiert werden.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Thomas Nückel [FDP])

Es dürfen nicht schon im Vorfeld Themen aussortiert sein.

Wie sieht die Förderung von Akzeptanz des Qualitätsjournalismus praktisch aus? Die Idee mit der Stiftungsprofessur ist offensichtlich fallen gelassen worden. – Gut so. Wenn wir in den Beratungen über die Anführungszeichen-Stiftung Vielfalt und Partizipation sprechen, müssen wir immer im Blick behalten, dass sich die LfM aus Rundfunkbeiträgen finanziert und die Möglichkeiten entsprechend begrenzt sein müssen.

Ein weiterer Punkt, den wir sicherlich kontrovers diskutieren werden, sind die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen von § 59 zur Beteiligung von Verlagen an Betriebsgesellschaften im lokalen Hörfunk. Bei allem Verständnis für die angespannte Finanzlage von Kommunen, die sich am Lokalfunk beteiligen, ist es keine Lösung, Zeitungsverlagen zu ermöglichen, Lokalradios zu 100 % zu übernehmen. Das führt zu noch mehr Medien- und damit Meinungsbildungskonzentration. Das geht nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich möchte aus den vielen inhaltlichen Änderungen, mit denen wir uns befassen werden, eine weitere herausgreifen: die Änderungen, die die Medienkommission der LfM betreffen. Zunächst zur Zusammensetzung der Medienkommission: Sie schlagen vor, dass zukünftig ein Kommissionsmitglied aus dem Bereich der Bürgermedien kommen soll. Das ist prinzipiell richtig. Bürgermedien sollten da vertreten sein.

(Beifall von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Allerdings ist aus unserer Sicht die Internetcommunity noch vollkommen unzureichend in der Medienkommission repräsentiert. Derzeit sind die zwei IT-Verbände BITKOM und Eco zwar in der Kommission vertreten. Diese vertreten jedoch ausschließlich die Unternehmenssicht. Wir Piraten finden, dass darüber hinaus die Netzbürger, die Nutzer, einen eigenen Platz in der Medienkommission bekommen müssen. Darüber müssen wir im Ausschuss sprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Als Pirat muss ich die Grundsatzfrage stellen, wenn es um die Zusammensetzung der Medienkommission geht. Für die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordern wir bekanntlich, dass gar keine Parteienvertreter in die Gremien gehören. Das könnte auch für die Medienkommission gelten. Wir werden also im Ausschuss darüber diskutieren, wer tatsächlich Mitglied der Medienkommission der LfM sein soll.

Zum Abschluss etwas Positives: Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Sitzungen der Medienkommission in Zukunft grundsätzlich öffentlich stattfinden und nur noch in begründeten Ausnahmefällen nicht öffentlich getagt werden soll.

Genauso begrüßen wir, dass zukünftig die wesentlichen Unterlagen der Medienkommission öffentlich sein werden, also Tagesordnungen, Beschlüsse und Berichte. Damit geht dieses Gesetz zumindest an dieser Stelle einen wichtigen Schritt in Richtung Transparenz, wie wir Piraten sie schon lange fordern.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe Kollegen, es gibt noch einige weitere Punkte. Wir werden zum Beispiel über Fragen der Medienaufsicht und Medienregulierung, über einen fairen Wettbewerb zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten, über gute Rahmenbedingungen für Onlinejournalismus, über Medienkonvergenz sprechen müssen. Das wird bestimmt eine spannende Expertenanhörung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Plenarrede zur Zurückerstattung zu viel gezahlter Rundfunkbeiträge

Meine Plenarrede zur Zurückerstattung zu viel gezahlter Rundfunkbeiträge vom 20.02., Antrag der FDP:

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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd

Daniel Schwerd(PIRATEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erteile jetzt erst einmal keine Arbeitsaufträge außer vielleicht den Auftrag RTFP, wie man sagen könnte, nämlich „read the fine Parlamentsprotokoll“ aus Dezember und Januar; denn eigentlich haben wir darüber schon geredet, und zwar mehr als einmal. Ich könnte im Grunde meine alte Rede nehmen und neu halten. Die Anträge der CDU und FDP, die hier gestellt werden, überschlagen sich darin, dass die Rundfunkbeiträge sofort gesenkt werden müssen. Diesmal kommt dieser Antrag von der FDP. Momentan zahlt jeder Haushalt in Deutschland 17,98 € im Monat für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat ausgerechnet, dass die Öffentlich-Rechtlichen jetzt doch nicht so viel Geld brauchen. Daher schlägt die Kommission vor, den Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2015 um 73 Cent abzusenken. Seither übertrumpfen sich CDU und FDP mit Forderungen, dieser Empfehlung der Kommission am liebsten gestern nachzukommen und das Geld den Beitragszahlern zurückzugeben meinetwegen auch vorgestern.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

So eine Schlagzahle à la„ FDP fordert Senkung des Rundfunkbeitrags“ macht sich natürlich gut. Man will nicht hinter der CDU zurückstehen. Das sind die beliebtesten Geschenke an Wähler: Geld, das man nicht selber ausgeben muss. Leider können wir Piraten diese allgemeine Beitragssenkungspartystimmung bei den Rundfunkbeiträgen nicht so richtig nachvollziehen. Wem nützt eine Beitragssenkung von 73 Cent pro Haushalt? Wenn Sie zu zweit in einem Haushalt leben, sind es 37 Cent pro Monat und Person. „Entlastung“ kann man das kaum nennen. Liebe FDP, Sie waren in den vergangenen Jahren Teil der Bundesregierung. Wenn es mit der Entlastung der Menschen so ernst gewesen wäre, hätte man da wirksame Maßnahme ergreifen können. Steuererleichterungen für Hoteliers fallen nicht darunter.

(Beifall von den PIRATEN Zurufe von der FDP: Oh!)

Ich kann das auch. Was könnte man mit dem Geld aus den Rundfunkbeiträgen denn tun? Wir Piraten sind davon überzeugt: Die Gesellschaft profitiert mehr davon, wenn wir das Geld vernünftig und nachhaltig bei den Öffentlich- Rechtlichen einsetzen. Denn bei den Öffentlich-Rechtlichen ist längst noch nicht alles so, wie es sein sollte. Wie wäre es beispielsweise mit der Werbefreiheit vor 20 Uhr? Wie wäre es damit, die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen konsequenterweise auf Barrierefreiheit zu trimmen, damit auch Menschen mit Behinderungen von dem Programm profitieren können?

Wie wäre es, verstecktes Sponsoring abzuschaffen? Wie wäre es, mehr Inhalte unter freien Lizenzen zur Verfügung zu stellen? Oder wie wäre es, insbesondere die freien Mitarbeiter, die beim WDR und den anderen Programmen ja einen Großteil der Arbeit machen, so zu bezahlen, dass sie vernünftig davon leben können? Gerade hier scheint mir einiges im Argen zu liegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle diese Dinge sind sinnvoll und wichtig, kosten aber zweifellos Geld. Die Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag wären ein hervorragender Anfang, um viele dieser Forderungen umzusetzen. Und, ja, wenn der Rundfunkbeitrag sozial gerecht ist, wenn alle Menschen unabhängig von einer Behinderung Zugriff auf die Angebote der Öffentlich- Rechtlichen haben, wenn Sponsoring nicht mehr nötig ist und wenn freie Mitarbeiter angemessen bezahlt werden, ja, dann müssen wir die Mehreinnahmen zurückgeben meinetwegen dann auch diese 73 Cent. Diese Abwägung fehlt im vorliegenden Antrag völlig. Auf der anderen Seite enthält der Antrag auch Punkte, denen wir zustimmen. Leider will die FDP über diese inhaltlichen Fragen nicht im Ausschuss debattieren. Sehr schade!

(Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

Ich empfehle meiner Fraktion die Enthaltung. Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Anhörung zu „Wirtschaftsspionage durch Geheimdienste“ im Plenum

Hier gibt es einen Videomitschnitt der Anhörung zur staatlichen Wirtschaftsspionage auf Antrag der Piratenfraktion im Landtag NRW am 06.02.2014.

Der Antrag zur Anhörung trug den Titel „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM oder Tempora schützen!“.

Anwesend waren mehrere Experten, die Tagesordnung mit den eingeladenen Experten kann man hier nachlesen.

Bitte beachtet, dass nicht alle Experten erschienen sind bzw. teilweise durch andere Personen vertreten sind, das kann man aber im Stream sehen. Ein Protokoll wird später veröffentlicht werden.

Interessant die Aussagen des Leiters des NRW-Verfassungsschutzes, die so ganz im Widerspruch zu den Aussagen der anderen Gäste stehen. Ich habe dann auch ein paar etwas schärfere Nachfragen formuliert, zu denen leider keine substanziellen Antworten kamen. Ceterum censeo: Der Verfassungsschutz gehört aufgelöst.

Viel Spaß beim Ansehen!

Spionage-Woche im Landtag NRW

In den Plenartagen vom 29. und 30. Januar haben wir einen Antrag, eine Aktuelle Stunde und eine Fragestunde rund um die Überwachungsaffäre durch westliche Geheimdienste debattiert.

Am Mittwoch ging es zunächst um den Aufruf der Schriftsteller „Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“. Ich habe gefordert, dass der Nordrhein-Westfälische Landtag diesen Aufruf unterstützt, und die Landesregierung Maßnahmen im Sinne dieses Aufrufes zu ergreifen habe. Erfreulicherweise ist der Antrag – nach einer gemeinsamen Änderung mit SPD und Grünen – angenommen worden. Ein Erfolg in der Geheimdienstspionage-Angelegenheit – ich werde sicher nachfragen, was die Landesregierung tatsächlich so getan hat! Hier kann man die Debatte nachsehen:

Anschließend gab es eine Fragestunde mit dem Titel „Veröffentlichung von Geheimdokumenten zur NSA-Abteilung Tailored Access Operations (TAO)“. Wir haben die Innenminister mit einer Reihe von Fragen konfrontiert, die aus den Erkenntnissen rund um die NSA-Gruselwerkstatt stammen. Der Innenminister weiß von nichts, und ist auch nicht zuständig. Oder so. Hier:

Am Donnerstag war auf unseren Antrag hin eine aktuelle Stunde mit dem Titel „Nach Fernsehinterview mit Edward Snowden: Untätigkeit der nordrhein-westfälischen Landesregierung in der NSA-Affäre ist grob fahrlässig“ angesetzt. Wer die Debatte nachsehen will, kann das hier tun:

Außerdem war der öffentlich-rechtliche Rundfunk Thema. SPD und Grüne haben einen Antrag zur Abschaffung der 7-Tage-Frist eingereicht, nach dem Fernsehbeiträge nach 7 Tagen aus dem Internet entfernt werden müssen. Diesen Antrag haben wir mit einem Entschließungsantrag erweitert. Meine Rede dazu ist hier:

Über den Hashtag #KrankesSystem

tl;dr: Der Hashtag #KrankesSystem in Verbindung mit Parlamentarismus ist unglücklich, aber es gab $Gründe dafür, und es lohnt sich, da mal draufzuschauen.

chair-89156_640Mein Kollege Daniel Düngel veröffentlichte am 7. Januar einen Blogpost mit dem Titel „Kneift Euren Arsch zusammen!“ Er beklagte sich darin – insbesondere in Richtung Piratenpartei selbst – dass wir angesichts der vielen aktuellen Probleme nicht genug nach außen wirksam sind. In dem Zusammenhang kritisierte er auch den Parlamentarismus, ein „krankes System“, das wir bekanntlich verändern wollen. Ich bin sicher, dass er damit keinerlei Konnotationen transportieren wollte. Man lese seinen Blogpost bitte auch vollständig und im Zusammenhang.

Recht unmittelbar wurde der Blogpost von der Presse aufgegriffen. Allerdings in einer unangenehmen Intention: „Privilegierter Vizepräsident beschimpft den Landtag als krankes System“. Der Begriff „Krankes System“ fand sich in sämtlichen Schlagzeilen wieder, und Daniel Düngel wurde durch die Presse gezielt darauf angesprochen.

Zu der Zeit saßen wir gerade in unserer Fraktionsklausur zusammen, als das Telefon unentwegt klingelte. Wir überlegten daraufhin, wie man die Aufmerksamkeit nutzen kann, die damit angesprochenen Probleme zu transportieren. Nachdem die Presse den Begriff so prominent platziert hatte, wollten wir ihn nutzen, um auf Missstände im politischen und parlamentarischen System aufmerksam zu machen. Wir kamen auf die Idee, eine Kampagne zu starten.

Der Hashtag #KrankesSystem ist aus mehreren Gründen problematisch.

Zum einen können sich Menschen verletzt fühlen, die an Krankheiten leiden. Der Begriff „Krank“ wird hier mit etwas negativem, schlechten verbunden, was unbedingt geändert werden muss. Menschen können sich abgewertet fühlen, die an ihrer Krankheit nichts ändern können. Das wollen wir natürlich damit nicht auslösen.

Zum anderen ist der Begriff „Krankes System“ rechts konnotiert. Die Wortwahl wird gerne von denen benutzt, die das System Demokratie oder Parlamentarismus vollkommen abschaffen wollen, im Sinne von „Es ist ein krankes System, es muss weg“. Dahinter steckt natürlich auch die Idee der Nazis von der Volksgesundheit, in der kranke Menschen im Weg waren und weg mussten.

Wir Piraten sind eine demokratische Partei. Das bedeutet, dass wir Demokratie schätzen und achten – mehr noch, wir wollen noch mehr Demokratie in gesellschaftliche und politische Prozesse einbringen – und dass wir uns als Teil des parlamentarischen Systems begreifen. Genauer als parlamentarischer Arm von Bürgerbewegungen und NGOs. Wir werden nicht mit der AK47 ins Plenum stürmen. Aber wir nehmen das System nicht als gottgegeben hin, sondern wollen es ändern. Genaugenommen wollen wir es (im Sinne der Hackerethik) hacken: Es nutzen und gestalten, ohne es zu akzeptieren. Wie ein Hacker, der ein System auch nicht nach der Bedienungsanleitung verwendet.

Piraten haben sich an mehreren Stellen ausdrücklich und wiederholt gegen jede Art von Faschismus, Totalitarismus, Rassismus, Gewalt und Diskriminierung positioniert. Piraten stehen regelmäßig auf der Straße im Kampf gegen Naziaufmärsche und Rechtspopulisten. Uns vorzuwerfen, jemand würde durch diese Wortwahl am rechten Rand fischen wollen, ist nicht nur falsch, sondern niederträchtig.

Wir haben uns entschlossen, diesen Hashtag dennoch zu nutzen, weil das System tatsächlich an mehreren Stellen krankt. Der Parlamentarismus leidet an vielen Stellen an Demokratiedefizit. Kranke will man nicht töten, man versucht zu heilen oder zu helfen. Und genau das haben Piraten in diesem System vor. Nicht umsonst heißt es „Klarmachen zum Ändern“.

Frei gewählt haben wir diese Assoziation nicht. Aber es ist ebenfalls wieder Symptom des politischen Systems, wie die Presse mit solchen Äußerungen umgeht, und wie sie reduziert werden.

Im Folgenden verwende ich diese Assoziation zwischen dem parlamentarischen System und seinen derzeitigen Fehlern zu Krankheiten trotz der geäußerten Bedenken, um es in unsere Kampagne einzufügen, man sehe mir das bitte nach.

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#KrankesSystem Parlamentarismus

Der Parlamentarismus in seiner jetzigen Form ist krank. Er hat deutliche Symptome von Meinungs-Votums-Dissonanz und Polit-Theater-Inszenierung. Es faulen seit geraumer Zeit Probleme vor sich hin, und niemand will sie sehen. Wir müssen uns damit beschäftigten.

Parlamentarismus wurde als wichtiges Demokratiewerkzeug eingeführt, um den Willen möglichst vieler Menschen zu repräsentieren. Sie delegieren die Wahrnehmung ihres Willens durch Wahlen an Parteien, die diesen dann in parlamentarischen Prozessen vertreten sollen. So weit, so gut.

Demokratie-Delegations-Simulation: Die Wahl der Qual

chair-89156_640„Kaufen“ muss eine Wählerin, ein Wähler eine Partei im Komplettpaket. Er bekommt abgeschlossene Weltbilder geliefert, die ihm die demokratischen Parteien anbieten, er kann sich in einem dieser Bilder wiederfinden – oder auch nicht, dann bleibt ihm die Auswahl derjenigen Partei, der gegenüber er die geringsten Ablehnung empfindet. Eine unglückliche Lösung, mir ist das jedenfalls zu wenig.

Ich denke, heutzutage sind Weltbilder längst nicht mehr so trivial, so eindimensional, dass sie in einen Katalog aus einem halben Dutzend Lebensentwürfen passen. Man wird „seine“ Wahlentscheidung also auf einige Kriterien reduzieren müssen, die besonders wichtig erscheinen – oder gleich auf ein Bauchgefühl. Außerhalb dieser Wahl hat man keinerlei Einflussmöglichkeiten auf Politik. Diese Situation finde ich bereits unzufriedenstellend genug.

Was vielen Menschen aber verborgen bleibt: Selbst in diesen wenigen Kriterien wird die gewählte Partei im Parlament oft genug von ihrem Weltbild, ihren Wahlversprechen abweichen. Es kommt im derzeitigen parlamentarischen System oft genug zu parlamentarischen Entscheidungen, wo die Abgeordneten nicht nur gegen ihre eigene Überzeugung und die der anderen Parteimitglieder stimmen, sondern sogar gegen die ihrer Wähler. Sie verraten den Auftrag, den sie von ihren Wählern bekommen haben. Sie verraten die Versprechungen, die sie vor der Wahl gemacht haben, und oft sogar noch nach dem Bruch des Versprechens wiederholen. Und alle etablierten Parteien machen mit.

Es sind diese „parlamentarischen Zwänge“, denen sich Abgeordnete unterwerfen, welche sie dazu bringen, entgegen der persönlichen Meinung, selbst der allgemeinen Parteimeinung zu stimmen. Es sind solche Zwänge, die sie zum Aufführen einer Politik-Theaterinszenierung zwingen, anstatt sich mit politischen Fragestellungen und deren Lösungen zu befassen. Für mich sind diese Zwänge eine Krankheit des Systems.

Parlamentarische Zwänge: Koalition statt Integrität

toolsRegierungstragende Koalitionen binden sich selbst in Koalitionsverträgen. Hier wird das Abstimmverhalten der Fraktionsmitglieder festgelegt. Und alle halten sich daran. Das Programm der einen Partei wird überlagert von dem der anderen Partei in der Koalition – und Gegenstand von Verhandlungen innerhalb dieser Koalition, meist auf oberster Ebene, von der der Wähler nichts mitbekommt, und die natürlich nicht in seinem Interesse sein müssen.

Beispiel gefällig? In NRW stimmten die Grünen als Teil der Regierungskoalition gegen unseren Antrag, die Vorratsdatenspeicherung zu stoppen. Der Antragstext selbst war kurz und knackig, er lautete wie folgt:

I. Der Landtag stellt fest:

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in die Grundrechte der Bürger unseres Landes.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

• sich auf allen politischen Ebenen, auf EU-Ebene, im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.

Dieser Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen abgelehnt.

Wer das Wahlprogramm der Grünen kennt, weiß, dass sie sich dort eindeutig gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen haben. Hier haben sie aber vollkommen gegensätzlich abgestimmt – weil man gemäß Koalitionsvertrag nicht gegen die Meinung seines Koalitionspartners SPD stimmen darf.

Ich bin überzeugt, dass das nicht im Sinne der Mitglieder und Wähler der Grünen ist. Macht das zufrieden? Ist das richtig? Was nützt es, politische Positionen zu formulieren, wenn man sie nicht vertritt? Ich finde das abstoßend, für mich ist das Zeichen einer Krankheit.

Polit-Theater-Inszenierung: Form vor Inhalt

audience-238490_640Ein weiteres Krankheitssymptom: Man darf offenbar niemals für Anträge des politischen Gegners stimmen. Auf das Thema kommt es nicht an. Sollte sich der Antrag als richtig und sinnvoll herausstellen, kann man dennoch nicht zustimmen, solange man nicht selbst auf dem Papier als Antragsteller steht.

Das führt zu extrem idiotischen Begründungen, warum man dem Antrag des politischen Wettbewerbers nicht zustimmt – meist werden rein formale Gründe genannt. Zu früh, zu spät, zu technisch, zu wenig technisch, nicht zuständig, oder man behauptet „handwerkliche Fehler“ ohne nähere Angaben. Man kann ein Bullshit-Bingo daraus bauen.

Krasses Beispiel gefällig?

Im Juli vergangenen Jahres wurde mein Antrag „O tempora, o mores – wider die Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung!“ im Plenum behandelt. Wir wollten ein gemeinsames, starkes Zeichen setzen gegen den NSA-Überwachungsskandal, für den Schutz der Privatsphäre und der Bürgerrechte aller Menschen im Land.

Um eine breitestmögliche Zustimmung erhalten zu können, haben wir die Beschlussteile „III. Der Landtag beschließt:“ einzeln zur Abstimmung gestellt. Ich zitiere einige der Beschlüsse, zu denen die im Landtag vertretenen Fraktionen einzeln abstimmen konnten – so hätten sie konsensfähige Beschlüsse bestätigen, und die anderen guten Gewissens ablehnen können.

1. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, ihren Schutzauftrag ernst zu nehmen und geeignete Maßnahmen zum Schutz in Deutschland lebender Menschen sowie Organisationen, Unternehmen und Behörden in Deutschland vor ausländischer Datenüberwachung zu entwickeln.

Zugestimmt zu diesem Satz haben ausschließlich die PIRATEN. Die CDU lehnte ihn ab. Enthalten haben sich SPD, Grüne und FDP. Warum?

2. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, von den Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten nachdrücklich Aufklärung zu verlangen
o über ihre Rolle im Zusammenhang mit „PRISM“ und „Tempora“,
o über Ausmaß und Inhalt der Überwachungsprogramme,
o sowie über die Frage, in welchem Maß in Deutschland lebende Menschen sowie Organisationen, Unternehmen und Behörden in Deutschland von diesen Programmen betroffen sind.

Zugestimmt zu diesem Satz haben ausschließlich die PIRATEN. Die CDU lehnte ihn ab. Enthalten haben sich SPD, Grüne und FDP.

Gibt es irgendeinen fachlichen Grund, warum man von der USA und England keine Aufklärung verlangen sollte? Warum kann man diesem Punkt nicht bedingungslos zustimmen?

3. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, von der Regierung des Vereinigten Königreichs das umgehende Ende der Aufzeichnung deutscher Datenübermittlungen einzufordern.

Zugestimmt zu diesem Satz haben ausschließlich die PIRATEN. Die CDU lehnte ihn ab. Enthalten haben sich SPD, Grüne und FDP.

Gibt es einen fachlichen Grund, warum man von England nicht fordern sollte, diese massenhafte Bespitzelung zu beenden?

4. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, Verhandlungen auf europäischer Ebene zur Entwicklung eines verbindlichen Abkommens aufzunehmen oder andere geeigneter Maßnahmen zu ergreifen, um
o eine massenhafte, anlasslose und verdachtsunabhängige Überwachung digitaler Kommunikation in der Europäischen Union durch nationale Nachrichtendienste oder durch Nachrichtendienste befreundeter Staaten zukünftig auszuschließen;
o allen in der Europäischen Union lebenden Menschen einen gleich hohen Schutz des Privatlebens, des Briefgeheimnisses und der digitalen Kommunikation zu garantieren.

Zugestimmt zu diesem Satz haben ausschließlich die PIRATEN. Die CDU lehnte ihn ab. Enthalten haben sich SPD, Grüne und FDP.

Was spricht bitte gegen die Aufnahme von solchen Verhandlungen? Ist es im Gegenteil nicht sogar die Pflicht der EU, für den Schutz der Bürger in diesen Punkten zu sorgen?

5. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, darüber hinaus mit den USA Verhandlungen für ein Abkommen aufzunehmen, das nachrichtendienstliche Aktivitäten der USA gegen Deutschland ausschließt.

Zugestimmt zu diesem Satz haben ausschließlich die PIRATEN. Die CDU lehnte ihn ab. Enthalten haben sich SPD, Grüne und FDP.

Was bitte ist das anderes als das No-Spy-Abkommen, was uns etwas später vollmundig versprochen worden ist? Über die nichtvorhandenen Chancen eines solchen Abkommens will ich an dieser Stelle nicht reden.

Es gibt Dutzende weitere Beispiele solch irrationalen Abstimmverhaltens. Jeder Landtagspirat wird da sein Leid klagen können. Bis hin zu den Kollegen anderer Fraktionen, die unter vier Augen Anträge loben, aber bedauern, nicht dafür stimmen zu können, die Fraktionsdisziplin, s’wissen schon.

Gelegentlich wird lieber ein inhaltlich gleicher Antrag selbst ins Plenum eingebracht und verabschiedet. In der Sache mag das ja egal sein, ob ein Thema unmittelbar, oder eben über Bande besprochen und verabschiedet wird – aber ist das nicht ein Anzeichen eines kranken Systems, dass in diesem Punkt eine Art Politik-Theater aufgeführt werden muss?

Übrigens, es ist natürlich auch für mehrheitstragende Fraktionen möglich, zu einem Antrag der Opposition eine Änderung einzubringen und zu beschließen, um beispielsweise einen kleinen Fehler zu heilen. Dass das aber in keinem einzigen Fall gemacht worden ist, zeigt, dass Themen eben doch egal sind.

Stabile Mehrheiten oder doch besser Themen?

waageDa lobe ich mir Minderheitsregierungen – da muss für jedes Thema geworben werden. Da können Mehrheiten beschafft werden, und sich thematische Bündnisse bilden, die weitaus genauer den Wählerwillen repräsentieren, weil sie auch mal quer durch vorgefasste Weltbilder gehen können. In sogenannten „stabilen Mehrheiten“ gibt es das leider nicht.

Der in anderen Parteien vorhandene und vom Steuerzahler finanzierte Sachverstand und Ideenreichtum wird in diesen Situationen niemals genutzt. Das ist schade. Nein – das ist verantwortungslos.

Das parlamentarische System ist krank. Kranke Patienten haben Behandlung verdient – wegschauen und nicht darüber sprechen stellt eine Misshandlung des Patienten dar. Wollen wir also den Parlamentarismus heilen, und ihn nicht missachten.

Weiterlesen – Beiträge meiner Kollegen:

PS:
Ja, die Konnotation des Begriffs „Krankes System“ ist mir bekannt. Den Hashtag haben wir der „befreundeten“ Presse zu verdanken. Nachdem man versucht hat, unseren Kollegen Daniel Düngel damit in die Pfanne zu hauen, benutzen wir ihn nun mit der Intention, das ursprünglich Gemeinte zu transportieren und zu verdeutlichen. Ich bitte um Verständnis.

Sicherheitstechnische Kernschmelze

Für das Krähennest habe ich auf dem BPT141 zwei Interviews gegeben, die sich um die aktuellen NSA-Leaks drehen, was das für unsere Sicherheit bedeutet, und wie wir jetzt weitermachen können.

Anschließend wurde ich dazu interviewt, was wir derzeit vom Landtag aus in der NSA-Affäre unternehmen, und was wir in der nächsten Zeit planen.

Vielen Dank an die Leute vom Krähennest, die wirklich professionelle Interviews drehen!

Noch lange kein Ende des NSA-Skandals in Sicht

2013-12-29 16.59.38Auf dem 30C3 stellte Jacob Applebaum weitere gruselige Stücke aus dem Fundus von Edward Snowdens NSA-Dokumenten vor. Sie zeigen, dass die NSA Computer und Mobiltelefone auf der ganzen Welt vollautomatisch angreifen und mit Spionagesoftware verwanzen können. Dazu haben sie Angriffswerkzeuge gebaut, um über das Internet beliebig zugreifen zu können. Weiter gibt es geradezu einen Otto-Katalog voll mit Spionagewerkzeugen bestehend aus Soft- und Hardware, um Computer, Server, Internet-Bestandteile oder Mobiltelefone zu verwanzen.

Es handelt sich um einen Einkaufskatalog mit Produktnamen, Bildern, Beschreibungen und Preisen von Soft- und Hardware, die unheimlicher als alles sind, was sich Spionagethriller-Autoren ausdenken könnten. Die NSA sammelt offensichtlich seit Jahren Sicherheitslücken in Computern, Mobiltelefonen und Internetbestandteilen aller Art, um dazu maßgeschneiderte Werkzeuge zu bauen, eigene Spionagesoftware in die Systeme einzubringen.

Geheimdienste übernehmen damit Computer und Mobiltelefone aus der Ferne, ohne physischen Zugriff auf die Geräte zu benötigen. Dies tun sie automatisiert, durch ein Netz von Servern weltweit, ohne dass es der Nutzer bemerkt. Anschließend können sie sämtliche Kommunikation abhören, alle Daten lesen und verändern, sie können in den Geräten vorhandene Mikrofone und Kameras nach Belieben benutzen, ohne dass der Besitzer davon etwas mitbekommt.

Die Spionagesoftware ist dabei bisweilen so hartnäckig, indem sie sich in der Betriebssoftware von Festplatten, Routern und des BIOS eines Computers verbirgt, dass selbst eine komplette Neuinstallation des Systems sie nicht vertreiben kann.

Für andere Einsatzgebiete hat die NSA Computerwanzen geschaffen, die in Kabeln verborgen Signale von Bildschirmen oder Tastaturen ablesen können, selbst wenn der Computer nicht mit dem Internet verbunden ist. Diese Wanzen werden durch Radarstrahlung abgelesen.

Es versteht sich geradezu von selbst, dass diese ganzen Werkzeuge ohne Kontrolle und ohne Richtervorbehalt weltweit eingesetzt worden sind.

Es ist besonders erschütternd, dass die durch die NSA gehorteten Sicherheitslücken eine Gefahr für alle Computer- und Telefonnutzer weltweit darstellen, da sie nicht nur von der NSA, sondern natürlich auch von allen anderen entdeckt und ausgenutzt werden konnten. Damit ist das Vertrauen in diese Kommunikation, in Computerteile und Mobiltelefone diverser Hersteller auf der ganzen Welt nachhaltig zerstört worden.

Ich dachte nach den bislang letzten Veröffentlichungen von Edward Snowden, dass ich durch nichts mehr überrascht werden könnte – ich wurde wieder einmal eines schlimmeren belehrt. Geheimdienste sind außer Kontrolle, sie haben keinerlei moralische Schranken. Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht.

Reden der letzten Plenarwoche

Hallo liebe Blogbesucher,

die Reden der letzten Plenarwoche bin ich Euch noch schuldig.

Ich sprach zum gemeinsamen Antrag aller anderen Fraktionen „Den Meisterbrief als Grundlage der dualen Ausbildung sowie als Qualitätssiegel des Handwerks schützen“, dem wir kritisch gegenüberstanden.

Dann gab es einen gemeinsamen Antrag von uns und der gesamten weiteren Opposition zur Breitbandförderung, in dem wir die Landesregierung auffordern, auch EU-Mittel für den Breitbandausbau bereitzustellen. Dies ist die gesamte Debatte, mein Redebeitrag beginnt bei 7:25.

Zuletzt sprach ich zu einem CDU-Antrag der die Senkung des Rundfunkbeitrages forderte. Hier ging es der CDU nur darum, das Thema populistisch auszuschlachten – dass man an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch ein paar Anforderungen stellen sollte, Barrieren abzubauen sowie Werbung und Sponsoring zu verringern stand in dem Antrag nicht. Ich habe entsprechend geantwortet.

Die #GroKo – das schönste Weihnachtsgeschenk für unser Land

retail-store-81950_640(Einen Antrag, den es so leider nie gegeben hat.)

(Update vom 23.12.)

Jetzt gibt es den Antrag, den es so leider nie gegeben hat, auch als Video. Mit Fraktionskollegen haben wir den Text eingesprochen, und Yaro hat ein satirisches Video daraus geschnitten. (Dankeschön, liebe Kollegen!)

Viel Spaß! Achtung, enthält Spuren von Zynismus.

I. Hintergrund

Auf Bundesebene haben SPD und CDU/CSU eine große Koalition vertraglich vereinbart. Auch nordrhein-westfälische Politiker haben an den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene teilgenommen und damit das Regierungsprogramm einer möglichen Großen Koalition maßgeblich mitgestaltet.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Laut SPD-Parteivorsitzendem Sigmar Gabriel trägt der zwischen SPD und Unionsparteien ausgehandelte Koalitionsvertrag „eine sozialdemokratische Handschrift und beinhaltet vieles, was das Leben der Menschen in Deutschland erleichtern und besser machen soll.“ Er zeige, „dass Politik keine abstrakte Veranstaltung irgendwo in der Mitte Berlins ist, sondern Arbeiten und Zusammenleben in unserem Land ganz konkret in den Blick nimmt.“ [1]
  2. CDU-Generalsekretär Gröhe betonte, dass sich die intensiven und harten Verhandlungen gelohnt hätten. Der entscheidende Maßstab sei, dass der Koalitionsvertrag unser Land voranbringe. Er kommentiert: „Der Vertrag spiegelt in guter Weise das Wahlergebnis wieder und ist von einer kräftigen Handschrift der Union geprägt.“ [2]
  3. Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass der Koalitionsvertrag gleichzeitig die Handschrift von SPD und CDU trägt.

III. Der Landtag beschließt:

Der Landtag beglückwünscht die an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Mitglieder der Landesregierung zu ihrem Einsatz und begrüßt die hervorragenden Verhandlungsergebnisse, insbesondere

  1. den Einstieg in die Totalüberwachung der Gesellschaft durch die geplante Einführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung;
  2. den dokumentierten Willen, weiterhin keine ernsthaften Anstrengungen zur Aufklärung des NSA-Überwachungsskandals unternehmen zu wollen;
  3. die Durchsetzung einer fortschrittlichen Familienpolitik durch die Beibehaltung des „schwachsinnigen“ Betreuungsgeldes (Zitat SPD-Bundestagsfraktion [3]);
  4. den anhalten Stillstand beim Ausbau des Breitband-Internets – auf diese Weise wird sichergestellt, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren in Sachen Infrastruktur nur mittelmäßig bleibt;
  5. den Abschied vom Prinzip der Netzneutralität durch die geplante Zulassung priorisierter Dienste („Managed Services“), was die Dominanz der großen Player im Online-Bereich mittelfristig zementieren wird und Innovationen hemmt;
  6. den halbgaren Kompromiss bei der doppelten Staatsbürgerschaft, wonach jemand, der nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich auch in Zukunft für einen Pass entscheiden müssen egal, wie lange er oder sie in Deutschland lebt;
  7. die Fortsetzung der verheerenden Austeritätspolitik von Bundeskanzlerin Merkel auf europäischer Ebene;
  8. den Abschied von der Energiewende durch eine Vielzahl von Maßnahmen zugunsten der Kraftwerkslobby, etwa durch den sogenannten „Kapazitätsmechanismus“ – Zitat WDR: „RWE, Eon und Co. sollen Geld dafür bekommen, Kraftwerksreserven vorzuhalten“ [4];
  9. die völlige Abwesenheit jeder Bemühung, ein gerechteres Steuersystem in Deutschland zu etablieren und ein weiteres Auseinandergehen der sozialen Schere zu verhindern;
  10. den Verzicht auf die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns, der diesen Namen tatsächlich verdient, durch die Verankerung zahlreicher Sonder- und Ausnahmeregelungen;
  11. den Verzicht auf die Gleichstellung von Homosexuellen durch Verhinderung der „Homo-Ehe“ und eines allgemeinen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare;
  12. die Einführung von Sippenverdacht durch Ausweitung der Fahndung bei Massen-Gentests auch auf Verwandte der getesteten Personen (sogenannte Beinahe-Treffer);
  13. das Bekenntnis, dass Abgeordnetenbestechung auch weiterhin straflos sein wird;
  14. die weitere Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Internet und die weitere Aufweichung des Haftungsprivilegs für Internetunternehmen;
  15. das Außerachtlassen der dringend notwendigen Verkehrswende durch den ausschließlichen Fokus der Verkehrspolitik auf Autos, Straßen und PKW-Maut;
  16. die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung durch das Ausschöpfen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten maximal möglichen Spielraums;
  17. die unterlassenen Bemühungen, für eine effektive Sicherheit für die IT von Bürgern und Unternehmen zu sorgen und stattdessen den Schutz per Einführung eines IT-Sicherheitsgesetzes herbeizudefinieren;
  18. die Beibehaltung der organisierten Intransparenz und Verantwortungslosigkeit im Bildungswesen und insbesondere im Hochschulbereich;
  19. das Bekenntnis zu fortgesetzter Intransparenz staatlichen Handelns durch eine demonstrative Missachtung des Themas;
  20. die Aussicht auf weiterhin kostenpflichtige frühkindliche Bildung;
  21. die Beibehaltung des Kooperationsverbotes, was jede Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern im Bildungsbereich im Keim zu ersticken droht;
  22. den Verzicht auf Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen;
  23. dass es wieder einmal gelungen ist, im Koalitionsvertrag nicht niederzuschreiben, die Welt sei keine Scheibe.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, Deutschland.

Für die SPD waren folgende Regierungsmitglieder aus NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD und stellvertretende SPD-Vorsitzende
  • Norbert Walter-Borjans, Finanzminister von Nordrhein-Westfalen
  • Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen
  • Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr in Nordrhein-Westfalen
  • Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales von Nordrhein-Westfalen
  • Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen

Für die CDU waren folgende Mitglieder des Landtags NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Armin Laschet, nordrhein-westfälischer CDU-Vorsitzender und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender
  • Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag NRW

[1] http://www.spd.de/linkableblob/112916/data/20131127_unsere_handschrift_koa-vertrag_mini_broschuere.pdf
[2] http://www.cdu.de/artikel/groehe-bundesvorstand-billigt-koalitionsvertrag
[3] http://www.spdfraktion.de/themen/das-betreuungsgeld-ist-schwachsinnig
[4] http://www1.wdr.de/themen/politik/seriekoalitionsvertrag104.html